Gesundheit heute

Binge Eating

Binge Eating (Fresssucht, Fressanfälle): Regelmäßige Fressanfälle (binge = Fressgelage), bei denen Nahrungsmengen verschlungen werden, die deutlich größer sind als das, was andere Menschen unter gleichen Umständen in der gleichen Zeit essen würden. Bis zu 2 % der Bevölkerung sind betroffen, bei Übergewichtigen (BMI über 30) sogar 5 %. Etwa ein Drittel der Erkrankten sind Männer.

Leitbeschwerden

  • Häufige – bis zu mehrmals wöchentlich auftretende – Essattacken. Bevorzugt werden sehr fett- und zuckerreiche Speisen. Der Essanfall kann sich über mehrere Stunden hinziehen. Das Essen wird dabei nicht genossen, sondern als unkontrolliertes Hereinstopfen erlebt.
  • Nach der Essattacke fühlen sich die Betroffenen schlecht, leiden unter Ekel- und Schuldgefühlen und der Überbelastung des Stoffwechsels.
  • Zeitweilig versuchen die Betroffenen, ihre Nahrungsaufnahme extrem einzuschränken (Crashdiät, Nulldiät), was sie aber unweigerlich in neue Essattacken hineintreibt.
  • Anders als bei Bulimie unternehmen die Betroffenen wenig, um die Folgen des Überessens zu kompensieren: Sie treiben kaum Sport und erbrechen nicht. Oft sind sie deshalb stark übergewichtig.

Wann zum Arzt

Noch am selben Tag, wenn

  • Der Betroffene in letzter Zeit deutlich abgenommen hat und extrem untergewichtig geworden ist
  • Gravierende Folgeprobleme auftreten wie starkes Frieren, Infekte, Verstopfung, Apathie (Teilnahmslosigkeit) oder Kreislaufstörungen.

In den nächsten Tagen, wenn sich das Essverhalten auffällig verändert hat oder sich andere Leitbeschwerden bemerkbar machen.

Die Erkrankung

Die Ursachen für das Binge Eating sind mit denen der Magersucht und der Bulimie vergleichbar. Man geht davon aus, dass die verschiedenen Essstörungen nur unterschiedliche Seiten ähnlicher psychischer, familiärer oder gesellschaftlicher Vorgeschichten sind. Sie alle stellen verzweifelte Lösungsversuche von persönlichen, inneren Konflikten dar.

„Normale“ Übergewichtige nehmen regelmäßig mehr Kalorien auf, als sie verbrauchen. Menschen, die unter Binge Eating leiden, erleben dagegen anfallsweise auftretende Essattacken. In den Phasen zwischen den Anfällen verzehren sie aber mehr oder weniger normale Nahrungsmengen. Nach den Essanfällen schämen sich die Erkrankten über ihren Kontrollverlust, das Selbstwertgefühl leidet. Als Folge der Essanfälle kommt es zu starkem Übergewicht mit allen psychischen und körperlichen gesundheitlichen Konsequenzen.

Das macht der Arzt oder Therapeut

Therapieziel ist die Stärkung des Selbstwertgefühls der Betroffenen und eine einfühlsame Hilfestellung bei der Lösung ihrer Konflikte. In der Therapie sollen die Patienten außerdem ein gesundes Essverhalten erlernen.

Teil der Krankheit ist, dass die Betroffenen in den seltensten Fällen selbst ärztliche Hilfe suchen. Meist sind es die Eltern oder andere nahe stehenden Personen, die auf einen Arztbesuch drängen. Wichtig ist, zu einem dem Betroffenen vertrauten Arzt zu gehen. Auch Kinderärzte sind übrigens geeignete Ansprechpartner. Die Diagnose ist meist einfach durch den eindeutigen Befund der körperlichen Untersuchung, zur Sicherheit werden aber andere Ursachen für die Abmagerung wie ein Tumor oder eine akute psychiatrische Erkrankung ausgeschlossen. Nach der Diagnose wird der Betroffene in der Regel in ein Krankenhaus bzw. eine Spezialklinik überwiesen – auch um Erkrankte vorübergehend aus ihrer bisherigen Umgebung herauszunehmen.

Im Anfangsstadium der Therapie werden oft Neuroleptika wegen ihrer erregungsdämpfenden und antipsychotischen Wirkung gegeben.

Psychotherapie. Um das Essverhalten zu normalisieren, die Körperschemastörung zu beheben oder (familiäre) Konflikte zu klären, beginnt man mit einer Psychotherapie. Bewährt haben sich Spezialkliniken, die unterschiedliche Methoden anbieten und kombinieren. So kann Verhaltenstherapie in Kombination mit Sport und/oder anderen körperorientierten Therapien, einer Kunsttherapie sowie einer Familientherapie helfen, die Erkrankung zu überwinden. Entspannungstechniken und Selbstsicherheitstrainings haben sich ebenfalls bewährt. Die Behandlung ist schwierig und langwierig, da bei praktisch allen Betroffenen die Krankheitseinsicht fehlt. In der Regel sind eine stationäre und eine sich daran anschließende ambulante Psychotherapie von mindestens einem Jahr notwendig.

Wichtig sind dabei klare Regeln: Ärzte, Therapeuten und Patient schließen einen Therapievertrag über stufenweise zu erreichende Gewichtsziele, Verhaltensmaßnahmen und Konsequenzen bei Nichteinhaltung ab.

Für die ambulante Weiterbehandlung gibt es z. B. therapeutische Wohngemeinschaften, die von einem Psychologen oder Sozialpädagogen betreut werden. Sie schließen die Lücke zwischen Klinikaufenthalt (intensive Therapie, aber keine Möglichkeit, Arbeit oder Ausbildung während dieser Zeit fortzusetzen) und ambulanter Therapie (wenige Therapiestunden pro Woche, keine Unterbrechung des Alltagslebens).

Selbsthilfe

Bei starken Belastungen, Stress oder Enttäuschungen drohen Rückfälle. Als Vorsorge hilft es manchmal schon, sich dem Risiko in den entsprechenden Situationen bewusst zu sein und zu versuchen, sie gar nicht erst entstehen zu lassen.

Nach den Mahlzeiten sollte noch eine halbe Stunde eingeplant werden, in der genügend Zeit für Entspannung ist. Diese Ruhephase wirkt auch dem manchmal immer noch vorhandenen Brechimpuls entgegen. 

Weiterführende Informationen

  • R. Göckel: Endlich frei vom Esszwang. 12 Beispiele, wie man die Esssucht überwinden kann. Kreuz, 2002. Fundiertes, seriöses, ermutigendes Buch.
  • S. Orbach: Antidiätbuch. Teil 1: Über die Psychologie der Dickleibigkeit, die Ursachen von Esssucht. Teil 2: Eine praktische Anleitung zur Überwindung von Esssucht. Frauenoffensive, 2001. Die Bücher der englischen Psychoanalytikerin gelten als Klassiker zum Thema, geschrieben aus einer feministischen Perspektive.

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Gisela Finke in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Yoga und Joggen gegen Depressionen

Yoga kann Depressionen lindern - vorausgesetzt, man betreibt es intensiv.

Yoga und Joggen gegen Depressionen

Sport als Stimmungsmacher

Sport hilft gegen Depressionen. Am meisten trifft das offenbar für Joggen, Kraftsport und Yoga zu. Dabei gilt: Je intensiver trainiert wird, desto besser.

Rund 4 Millionen Deutsche erkrankt

Depressionen sind weit verbreitet und werden offenbar immer häufiger: Für Deutschland schätzt die WHO die Zahl der Menschen mit der Erkrankung auf über vier Millionen. Weltweit sollen etwa 322 Millionen Menschen unter Depressionen leiden. Das sind etwa 4,4% der Weltbevölkerung und 18% mehr als noch vor zehn Jahren.

Zur Behandlung von Depressionen werden vor allem Medikamente und Psychotherapien eingesetzt. Ergänzend zur klassischen Therapie raten die Leitlinien zu Lebensstiländerungen, allen voran zu mehr Bewegung. Welcher Sport am besten gegen Depressionen hilft, wird jedoch unterschiedlich bewertet.

5 Sportarten mit antidepressiven Effekten

Ein Forscherteam ging jetzt dieser Frage nach und untersuchte den Effekt von Bewegung bei schweren Depressionen. Eingeschlossen in ihre Meta-Analyse wurden 218 Studien mit über 14.000 Teilnehmenden. Dabei kam heraus, dass fünf Sportarten schwere Depressionen moderat besserten.

Die stärkste antidepressive Wirkung hatten Joggen oder Gehen, gefolgt von Yoga, Krafttraining, Ausdauerübungen und Tai Chi oder Qigong. Außerdem zeigte sich eine Dosis-Wirkungs-Kurve: Je intensiver eine Sportart ausgeübt wurde, desto besser wirkte sie. Der Effekt war zudem unabhängig von der Ausprägung der Depression und davon, ob die Patient*innen unter weiteren Erkrankungen litten.

Yoga und Krafttraining waren bei den Studienteilnehmer*innen am beliebtesten, sie wurden am seltensten wieder abgebrochen. Tanzen führte sogar zu einer starken Linderung der Depressionen. Allerdings war die Anzahl der Tanzenden nur gering und es handelte sich ausschließlich um Frauen – was keinen eindeutigen Schluss auf die Wirkung des Tanzsports auf Depressionen zulässt.

Neben klassischer Therapie Sport treiben

Bewegung ist eine wirksame Waffe gegen Depressionen, fassen die Studienautor*innen zusammen. Vor allem gilt dies für intensiv ausgeübtes Joggen und Gehen, Krafttraining und Yoga. Sie raten depressiven Menschen, neben der klassischen antidepressiven Therapie eine der genannten Sportarten auszuüben.

Quelle: British Medical Journal

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Alla Azarnikova