Gesundheit heute

Borderline-Störung

Borderline-Störung (Borderline-Persönlichkeitsstörung, Borderline-Syndrom; früher: Psychopathie): Häufig diagnostizierte Form einer schweren Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ. Borderline-Patienten, gehäuft junge Frauen, sind sehr impulsiv, zeigen ausgeprägte Stimmungsschwankungen und reagieren überaus empfindlich auf Kritik. Ihr Selbstbild ist instabil. Betroffene neigen zu Selbstverletzungen wie Kratzen oder das Zufügen von Hautschnitten oder Verbrennungen z. B. durch Glasscherben und Zigaretten. Die Erkrankung liegt mit ihren Symptomen im „Grenzbereich“ zwischen Neurose und Psychose. Bis zu 2 % der Erwachsenen sollen an einer Borderline-Störung leiden, wobei die Häufigkeitsangaben je nach Autor und Quelle stark schwanken. Die Diagnose wird meist um das 20. Lebensjahr gestellt.

Leider wird der Begriff „Borderline“ von manchen Autoren auch ganz anders verwendet. Sie bezeichnen damit unklare schwere psychiatrische Störungen mit Anteilen einer Depression, einer manisch-depressiven Erkrankung oder Schizophrenie, wie beispielsweise Grenzformen der Schizophrenie, welche den üblichen diagnostischen Kriterien nicht entsprechen. Dass die Laienpresse den Begriff „Borderline“ immer wieder aufgreift, hat zur Klarheit des Begriffs Borderline-Störung auch nicht beigetragen.

Die Therapie ist langwierig; wenn der Betroffene sie jedoch zu Ende bringt, sind die Heilungsaussichten gut: Bis zu 80 % der in einer Klinik behandelten Borderline-Patienten können in einem deutlich stabilisierten Zustand entlassen werden.

Leitbeschwerden

  • Wahnhaftes Erleben, Verfolgungswahn
  • Gedächtnisstörungen
  • Diffuse Ängste
  • Gestörte Selbstwahrnehmung
  • Selbstmorddrohungen und Selbstverletzungen (z. B. durch brennende Zigaretten)
  • Emotionale Instabilität: Starke Stimmungsschwankungen zwischen Euphorie, Depressivität, Angst oder Wut
  • Soziale Inkompetenz: Unbeständige, problematische Beziehungen. Nähe wird gesucht und gleichzeitig durch aggressives Verhalten wieder abgewehrt
  • Sozialer Kontrollverlust: Drogen- und Alkoholmissbrauch, sexuelle Prostitution, Diebstähle, riskanter Umgang mit Geld bis zur Verschuldung
  • Große Abneigung, sich in therapeutische Behandlung zu begeben.

Wann zum Arzt und die Erkrankung

Persönlichkeitsstörungen müssen immer fachärztlich bzw. psychotherapeutisch behandelt werden. Zur Diagnose von Persönlichkeitsstörungen muss zudem ausgeschlossen werden, dass diese auf organische Erkrankungen oder andere psychische Störungen wie Angsterkrankungen, Alkoholabhängigkeit, Drogenabhängigkeit und Depressionen zurückzuführen sind.

Das macht der Arzt oder Therapeut

Außer in ausgeprägten Fällen ist es für den Psychiater in der Praxis schwierig, eine Borderline-Störung eindeutig als solche zu erkennen. Denn alle Symptome treten auch bei anderen schweren psychischen Erkrankungen auf wie z. B. bei der manisch-depressiven Erkrankung, der Schizophrenie oder Depression.

Die Therapie der Borderline-Störung dauert lange. Sie kann ambulant erfolgen, meist wird jedoch zu einer stationären Behandlung von mehreren Monaten geraten, an die sich eine mehrjährige ambulante Weiterbehandlung anschließen sollte.

Medikamentöse Therapie. Die medikamentöse Therapie richtet sich – wie bei allen Persönlichkeitsstörungen – nach der Begleitsymptomatik und kann entweder eher antidepressiv (Antidepressiva), neuroleptisch (Neuroleptika) oder auch beruhigend (Tranquilizer) sein.

Verhaltenstherapie. Die verhaltenstherapeutisch orientierte Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) ist vorrangig zur Behandlung der Borderline-Störung gedacht, wird aber heute häufig und mit gutem Erfolg zur Therapie vieler Persönlichkeitsstörungen eingesetzt.

Die wichtigste Annahme dieser Verhaltenstherapie ist, dass die Störung vor allem in einer Fehlregulation der Emotionen besteht. Wächst ein Kind z. B. in einer Familie auf, in der wenig über Gefühle gesprochen oder auf Gefühle unpassend reagiert wird, so kann es nicht lernen, seine Erregung richtig zu bewerten, emotionale Belastungen auszuhalten und den eigenen Gefühlen zu vertrauen.

Dies führt zu einer wachsenden Diskrepanz zwischen den persönlichen Erfahrungen in der eigenen Familie und dem, was der Betroffene trotzdem innerlich spürt oder was in anderen Umgebungen (Freunde, Nachbarn) gültig ist.

„Dialektisch“ heißt die Therapie deshalb, weil die von Betroffenen häufig erlebten zwei (Gefühls-)Extreme (These und Antithese) miteinander in Einklang gebracht werden müssen (Synthese). Ein Erkrankter idealisiert z. B. seinen Partner in extremer Weise als „Traumpartner“ und reagiert mit großer Wut, wenn der Partner Schwächen zeigt.

Die Synthese besteht darin, die verschiedenen Bedürfnisse miteinander zu versöhnen und realistischere Möglichkeiten der Befriedigung zu finden. Der Patient kann dann sein Verhalten leichter der Situation anpassen. In einer Partnerschaft könnte der Erkrankte z. B. ein Gefühl für die menschliche Fehlbarkeit und eine gesunde Bindungsfähigkeit entwickeln, statt einen Partner unrealistisch zu idealisieren.

Unterstützung durch Angehörige

Angehörige von Menschen mit Borderline-Störung leiden häufig darunter, dass sich Borderline-Kranke oft schwertun, stabile Beziehungen einzugehen – ebenso, wie sie Kritik nur schwer ertragen. Konflikte zu lösen und Vereinbarungen für den Alltag zu treffen, erfordert deshalb gleichermaßen Fingerspitzengefühl und ein dickes Fell, Gespräche jeglicher Art können sehr anstrengend sein, Therapieabbrüche sind häufig.

Weiterführende Informationen

  • www.borderline-community.de – Private Internetseite der Internetgemeinschaft zur Borderline-Persönlichkeitsstörung, Dillenburg: Bietet u. a. die Selbsthilfegruppe Borderline Community für Betroffene und Angehörige.
  • E. Rahn: Borderline.Ratgeber für Betroffene und Angehörige. Balance Buch & Medien Verlag, 2007. Der Autor beschreibt, wie man mit problematischen Verhaltensweisen umgehen kann. Das Buch ist aus der gemeinsamen Arbeit von Patienten und Mitarbeitern einer Klinik entstanden.

Von: Gisela Finke, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Krankheitsangst raubt Lebensjahre

Menschen mit Hypochondrie leben in der beständigen Angst, an einer Erkrankung zu leiden.

Krankheitsangst raubt Lebensjahre

Gefährliche Hypochondrie

Hypochonder*innen werden oft belächelt oder sogar ausgelacht. Doch das ist nicht fair: Denn sie sterben tatsächlich früher als andere Menschen. Nur meist nicht an der Erkrankung, die sie sich einbilden.

Krankheitsangst mit Folgen

Unter Hypochondrie leiden Menschen, die überzeugt davon sind, krank zu sein - es aber gar nicht sind. Ihre Gedanken kreisen fortwährend um ihre Gesundheit, sie beobachten sich und ihren Körper genauestens und werten die kleinsten Unregelmäßigkeiten als Hinweise auf schwere Krankheiten. Dieser Zustand gilt sogar als psychosomatisches Krankheitsbild und wird hypochondrische Störung genannt.

Mit ihrer Art sind diese Menschen oft eine Zielscheibe für Spott und Hohn. Witze, Bücher und Filme handeln von ihnen, der bekannteste Vertreter in der Literatur ist wohl der Hypochonder Argan in Molières Komödie „Der eingebildete Kranke“.

Suizidrate um das Vierfache höher

Doch die Hypochondrie ist offenbar gefährlicher als angenommen: Ein schwedisches Forscherteam hat herausgefunden, dass davon betroffene Menschen durchschnittlich fünf Jahre kürzer leben als gleichaltrige Männer und Frauen ohne diese Befürchtungen. Ihrer Untersuchung liegen die Daten von über 4000 Personen mit der Diagnose „Hypochondrie“ zugrunde.

Das Ergebnis der Analyse: Obwohl Hypochonder*innen oft glauben, dass sie an unheilbarem Krebs erkrankt sind, starben sie in dieser Untersuchung nicht häufiger an einem Malignom als Menschen ohne Hypochondrie. Erhöht war allerdings ihr Risiko, an einer Atemwegserkrankung oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben. Und ihnen droht weitere Gefahr: Menschen mit Hypochondrie hatten ein um das Vierfache gesteigertes Risiko für eine Selbsttötung, schreibt das Autorenteam. Alle genannten Zusammenhänge blieben auch nach Berücksichtigung von Depressionen oder Angsterkrankungen bestehen.

Nicht ernst genommen von den Ärzt*innen

Gründe für die kürzere Lebenserwartung könnten der hypochondriebedingte Stress und ein ungesunder Lebensstil sein, vermuten die Autor*innen. Letzterer liegt womöglich auch daran, dass Hypochonder*innen häufig ein geringeres Einkommen haben und allein leben. Nicht zu vernachlässigen sei zudem die Möglichkeit, dass Ärzt*innen Menschen mit Hypochondrie weniger ernst nehmen und es deshalb zu verzögerten Diagnosen kommt.

Quelle: SpringerMedizin

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Science Photo Library / Microgen Images