Gesundheit heute

Phobien

Phobien (phobos = Furcht): Irrationale Furcht vor bestimmten sozialen Situationen, Aktivitäten, Objekten (Mäuse, Schlangen, Spinnen etc.) und Räumen. Die ausgeprägte Furcht steht in keinem Verhältnis zur wirklichen Gefahr. Phobien sind die größte Gruppe innerhalb der Angsterkrankungen, Schätzungen zufolge leiden etwa 10 % der Bevölkerung an Phobien. Von isolierten Phobien und der Agoraphobie (Angst, die Wohnung zu verlassen) sind mehr Frauen als Männer betroffen. Bei den sozialen Phobien hingegen besteht kein Unterschied zwischen den Geschlechtern. Phobien gehen oft mit einer Depression einher.

Leitbeschwerden

  • Unangemessene Angst gegenüber einem Angst auslösenden Objekt wie z. B. einer Spinne oder einer Katze. Das gesamte Verhalten und körperliche Reaktionen werden von dieser Angst bestimmt.
  • Vermeidungsverhalten: Die Betroffenen tun alles, um die Begegnung mit dem Angst auslösenden Objekt zu vermeiden.
  • Einengung des Handlungsspielraums: Mit der Vermeidung ist eine Einengung des Aktionsradius verbunden, was die Lebensqualität beeinträchtigt.
  • Erwartungsangst: Angstsymptome treten bereits auf, obwohl eine Begegnung mit der Angst machenden Situation noch gar nicht stattgefunden hat.
  • Körperliche Symptome: Bei Konfrontation mit dem Angstauslöser empfindet der Kranke starke Gefühle von Bedrohung, verbunden mit Stresssymptomen wie Herzrasen, Schweißausbrüche, Atemnot, Schwindel, Magenschmerzen oder Durchfall.

Wann zum Arzt oder Psychotherapeuten

In den nächsten Wochen, wenn Phobien die Lebensqualität, das Familienleben oder das Ausüben des Berufs stark beeinträchtigen oder Phobien immer größere Lebensbereiche lahmlegen. Dies ist besonders bei Agoraphobie und sozialen Phobien der Fall.

Die Erkrankung

Nach psychoanalytischer Meinung sind frühere Konflikte, die nach außen verlagert werden, die Ursache für die Krankheitsentstehung. So verlagert z. B. eine Frau die Angst vor ihren eigenen sexuellen Wünschen auf die Begegnung mit anderen und entwickelt eine soziale Phobie.

Nach lerntheoretischer Meinung haben Phobiker irgendwann negative Erfahrungen mit den gefürchteten Situationen oder Gegenständen gemacht und diese durch Ausweichen systematisch verstärkt.

Ein Beispiel aus der klinischen Praxis: Ein kleines Kind spielt in einem Sandkasten, das Auto der Eltern parkt einige Meter entfernt. Im Sandkasten taucht eine Blindschleiche auf. Das Kind erschrickt, rennt zum Auto, schlägt die Tür zu und klemmt sich sehr schmerzhaft die Hand ein. Es entwickelt nun eine ausgeprägte Phobie – aber nicht vor Autotüren, sondern vor Schlangen.

Es gibt unterschiedliche Formen der Phobie, die je nach Ausprägung die Lebensqualität der Betroffenen sehr stark belasten können:

Die Agoraphobie (agora = weiter Platz) bedeutet zwar Platzangst, die Betroffenen haben jedoch eher Angst, ihre vertraute Umgebung zu verlassen. Sie scheuen sich, allein über leere Flächen zu gehen, aber auch vor engen, vollen Plätzen, z. B. in Menschenmengen, Supermärkten oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Das damit verbundene Vermeidungsverhalten behindert die Patienten stark in ihrer Beweglichkeit. Agoraphobien setzen meist im frühen Erwachsenenalter ein, als Begleiterkrankungen sind Depressionen und Panikattacken häufig.

Soziale Phobien (soziale Neurosen) beginnen häufig in der Jugendzeit. Kennzeichnend ist die Furcht, von Mitmenschen negativ bewertet zu werden, daher werden Situationen vermieden, in denen man Blicken anderer ausgesetzt ist. Meist sind soziale Phobien mit einem niedrigen Selbstwertgefühl und der Furcht vor Kritik verbunden. Die Symptome können sich bis hin zu Panikattacken verstärken.

Es gibt kaum etwas, was nicht Objekt einer isolierten Phobie werden kann, z. B. die Angst vor Mäusen oder Ratten (Zemmiphobie) oder vor Knoblauch (Alliumphobie). Am häufigsten ist jedoch die Spinnenphobie (Arachnophobie), die Höhenangst (Akrophobie) sowie die Angst vor geschlossenen Räumen (Klaustrophobie, fälschlich oft als „Platzangst“ bezeichnet). Isolierte Phobien beeinträchtigen die Menschen im Vergleich zu anderen Angsterkrankungen verhältnismäßig wenig, da die Angst auslösende Situation meist gemieden werden kann. Sie beginnen oft bereits in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter und bleiben – unbehandelt – jahrzehntelang bestehen.

Das macht der Arzt oder Therapeut

Die inzwischen auch wissenschaftlich als am effektivsten anerkannte Therapie von Phobien ist die Reizkonfrontation (Exposition) mit einer Heilungsquote von über 80 % bei einer Behandlungsdauer von 12–20 Sitzungen. Sie wird mit ähnlichem Erfolg auch bei Panikattacken und Zwangsstörungen eingesetzt. Der Patient wird schrittweise in die Angstsituation hineingeführt. Mithilfe des Therapeuten kann er der Angst auslösenden Situation standhalten und die Erfahrung machen, dass die Katastrophen, die er befürchtet, gar nicht eintreten. Wenn jemand etwa an Höhenangst leidet, besteht die Reizkonfrontation darin, dass er sich auf die Aussichtsplattform eines Kirchturms begibt und dort so lange ausharrt, bis er keine Angst mehr verspürt. Jemand, der sich wegen einer Agoraphobie nicht traut, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, fährt in der Phase der Reizkonfrontation stundenlang – zunächst mit dem Therapeuten, später alleine – mit Bussen kreuz und quer durch die Stadt.

Psychopharmaka. Beruhigende Psychopharmaka (Tranquilizer), insbesondere Benzodiazepine, können im akuten Fall gegeben werden, etwa wenn ein Phobiker eine wichtige Prüfung ablegen muss oder eine Flugreise nicht vermieden werden kann. Wegen des Abhängigkeitspotenzials und anderer Nebenwirkungen wie starker Müdigkeit sind sie aber nur noch für akute Erregungszustände und für kurze Zeit indiziert.

Selbsthilfe

Angst schützt vor Gefahren und ist deshalb lebensnotwendig. Die Herausforderung besteht darin, der Angst wieder den richtigen Platz im Leben zu geben. Dazu ist es gut, „seine“ Angst als grundsätzlich positiv anzunehmen und nicht als Feind zu betrachten.

Wird die Angst jedoch unangebracht und hinderlich – was die Betroffenen bei einer Phobie ja grundsätzlich wissen – hilft es, in ein „inneres Gespräch“ mit der Angst zu treten: „Angst, es ist gut, dass ich dich habe, aber ich bin mir sicher, dass diese Situation ungefährlich ist.“ Dies klingt einfacher, als es in der Praxis ist, weshalb kognitive Verhaltenstherapien, aber auch Ratgeber ergänzend zur Reizkonfrontation helfen können, dies im Alltag zu praktizieren.

Weiterführende Informationen

  • www.sozphobie.de – Private Internetseite, Altlußheim: Sehr informativ, mit Adressen und Forum.
  • M. F. Kuntze; A. H. Bullinger: Höhenangst und andere spezifische Phobien. Huber Verlag, 2001. Anleitung zur Kurzzeittherapie, für Ärzte und Psychologen geschrieben, aber auch für Laien hilfreich.

Von: Gisela Finke, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Methylphenidat stört Wachstum nicht

Wachstumsstörungen scheinen einer Studie zufolge unter Methylphenidat nicht aufzutreten.

Methylphenidat stört Wachstum nicht

Entwarnung für ADHS-Medikament

Kinder mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) erhalten häufig Methylphenidat zur Therapie. Immer wieder wird angeführt, dass dieses Medikament das Wachstum hemmt. Neue Daten geben Entwarnung.

Über 1000 ADHS-Kinder beobachtet

Viele Eltern machen sich die Entscheidung nicht leicht, ihr Kind mit Methylphenidat (Ritalin) behandeln zu lassen. Ein Grund waren bisher unter anderem Hinweise, dass Kinder unter Ritalin langsamer wachsen könnten. Ob das stimmt, hat jetzt eine britische Arbeitsgruppe untersucht.

Sie sammelten über zwei Jahre lang europaweit die Daten von Kindern und Jugendlichen, die an ADHS litten. Von den insgesamt 1147 Patientinnen und Patienten im Alter von 6 bis 17 Jahren wurden 756 mit Methylphenidat behandelt. 391 erhielten gar keine medikamentöse Therapie.

Gewichtsverlust wird wieder aufgeholt

Beide Gruppen wurden mit gesunden Kontrollkindern verglichen, um das Auftreten von Nebenwirkungen zu erkennen. Die Wachstumsgeschwindigkeit war über zwei Jahre hinweg in allen drei Gruppen gleich. Ein Unterschied zeigte sich allerdings in der Gewichtskurve: Im Vergleich zu den gesunden und den unbehandelten ADHS-Kindern nahmen die mit Methylphenidat therapierten Kinder in den ersten sechs Behandlungsmonaten ab. Diese Gewichtsabnahme kam jedoch während der nächsten Monate zum Stillstand, und bis zum Studienende holten die Methylphenidat-Kinder die anderen gewichtsmäßig wieder ein.

Blutdruck und Puls kontrollieren

Das Forscherteam verglich bei den ADHS-Kindern auch das Auftreten möglicher Nebenwirkungen. Psychosen und Depressionen kamen gleich häufig vor, egal ob die Patient*innen Methylphenidat einnahmen oder nicht. Das Gleiche galt für motorische Störungen und nervöse Tics. Blutdruck und Herzrate waren allerdings unter Methylphenidat etwas höher. Die unbehandelten ADHS-Kinder konsumierten wiederum mehr Nikotin und Marihuana, außerdem traten bei ihnen mehr suizidale Handlungen auf.

Insgesamt ist bei einer Therapie mit Methylphenidat nicht mit einer Reduktion des Längenwachstums zu rechnen, fassen die Studienautor*innen zusammen. Sie raten jedoch dazu, bei den Kontrollbesuchen in der Arztpraxis regelmäßig Blutdruck und Herzfrequenz messen zu lassen.

Quelle: SpringerMedizin

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Phillip Waterman