Gesundheit heute

Dissoziative Störung

Dissoziative Störung (Konversionsstörung): Psychische Erkrankung mit körperlichen Beschwerden ohne krankhafte organische Ursache als Ausdruck eines psychischen Konflikts. Dieser ungelöste psychische Konflikt wird auf körperliche Erscheinungen verschoben und dadurch eine Scheinlösung des Konflikts erreicht. Frauen erkranken häufiger als Männer.

Leitbeschwerden

  • Psychisch bedingte Lähmungen, „Anfälle“ verschiedenster Art, Zittern, Empfindungsstörungen, Schmerzzustände, Gedächtnislücken und Blind- oder Taubheit.
  • Dem Arzt fällt auf, dass die Erscheinungen nicht zu einer der bekannten Organerkrankungen passen. Beispielsweise gehen „epileptische Anfälle“ regelmäßig ohne Verletzungen (z. B. Zungenbiss) einher.
  • Die Symptome werden vor „Publikum“ in der Regel stärker, bei fehlender Beachtung durch die Umwelt nehmen sie ab.
  • Der Patient glaubt, seine Probleme seien durch die Symptome verursacht worden und nicht umgekehrt.

Wann zum Arzt

Sofort, wenn die beschriebenen Beschwerden wahrgenommen werden.

Die Erkrankung

Dissoziative Störungen treten hauptsächlich als Folge traumatisierender Erfahrungen (Posttraumatische Belastungen) auf und sind eine pathologische Form der Erlebnisverarbeitung. Im Sinne einer Schutzfunktion werden unangenehme Erfahrungen abgespalten (dissoziiert) und der Betroffene erlebt stattdessen körperliche Symptome, häufig mit symbolischem Charakter. Eine Lähmung der Beine kann z. B. bedeuten, dass „es nicht mehr weitergeht“, eine Blindheit, dass der Patient von der Welt nichts mehr sehen möchte. Dissoziative Störungen können somit als Lösungsversuch in Konfliktsituationen verstanden werden. Auch bei Kindern ist diese Art der Konfliktlösung anzutreffen. Die Symptome werden als belastend und bedrohlich erlebt, der Patient merkt, dass etwas nicht stimmt, kann es aber nicht zuordnen. Dissoziative Störungen müssen im Rahmen einer traumatherapeutischen Behandlung behandelt werden.

Das macht der Arzt oder Therapeut

Patienten mit dissoziativen Störungen gelangen meist auf Umwegen zum richtigen Arzt: Zunächst werden sie regelmäßig auf eine internistische oder sonstige nicht psychiatrische Krankenhausstation eingewiesen und erst, wenn die dissoziative Störung erkannt ist, erfolgt die Behandlung psychotherapeutisch.

Es kommen vor allem tiefenpsychologisch orientierte Verfahren oder Verhaltenstherapie infrage. Welche, hängt vom Einzelfall ab, entscheidend aber ist eine gute, tragfähige Beziehung zwischen Therapeut und Patient und eine möglichst frühzeitige Behandlung, um Folgeschäden (körperlich und sozial) zu vermeiden. Im Idealfall lernen die Kranken, ihr Symptom als Signal „aus dem Inneren“ zu verstehen und sich den damit verbundenen Problemen zu stellen.

Prognose und Selbsthilfe

Je früher die Störung psychotherapeutisch behandelt wird, umso besser sind die Heilungsaussichten.

Selbsthilfe

Sport und Bewegung, Entspannungstechniken wie Autogenes Trainung, Yoga, progressive Muskelrelaxation nach Jacobson sowie Imaginationstechniken und Selbsthilfegruppen.

Von: Gisela Finke, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Wie ADHS-Medikamente langfristig helfen

ADHS kann die Schulkarriere und das Berufsleben der Betroffenen stark beeinflussen.

Wie ADHS-Medikamente langfristig helfen

Weniger Suizide, seltener krank

ADHS-Medikamente wirken einerseits, indem sie akute Beschwerden lindern. Sie haben darüber hinaus aber auch langfristig einen positiven Einfluss auf das Leben der Betroffenen, wie neue Daten zeigen. So senken einige von ihnen das Risiko für Klinikaufenthalte und Selbstmordversuche.

Langfristige Effekte bisher wenig bekannt

Wer heute unter einer Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leidet, hat mehrere medikamentöse Behandlungsoptionen: So stehen stimulierende (Amphetaminderivate und Methylphenidat) und nicht-stimulierende Wirkstoffe (Atomoxetin) zur Verfügung. Sie können die übermäßige Aktivität lindern und das Konzentrationsvermögen bessern. Bisher war aber unklar, ob diese Medikamente auch einen positiven Einfluss auf die Gesamtsituation der Erkrankten haben, zum Beispiel auf das (spätere) Arbeitsleben. Zudem gab es die Hypothese, dass stimulierende Medikamente womöglich das Risiko für Suizidversuche erhöhen.

Eine schwedische Arbeitsgruppe hat sich dieser Fragen angenommen und die Krankheitsdaten von allen Personen in Schweden analysiert, die mit der Diagnose ADHS registriert waren. 71% der Patient*innen waren jünger als 30 Jahre, 55% männlich. Auf häufigsten nahmen sie Methylphenidat ein, gefolgt von Lisdexamphetamin und Atomoxetin.

Weniger Klinikaufenthalte

Ein Viertel der ADHS-Patient*innen musste im Laufe der Erkrankung in eine psychiatrische Klinik aufgenommen werden. Im Vergleich zu denjenigen, die gar keine Medikamente einnahmen, verringerte Atomoxetin das Risiko für eine Klinikaufnahme um 26%. Methylphenidat tat dies um 7%, Lisdexamphetamin um 12%. Wurden mehrere Präparate kombiniert, sank das Risiko um 15%.

Von den zu Beginn der Studie arbeitsfähigen Erkrankten wurden 30% über die Jahre krankgeschrieben oder verrentet. Im Vergleich zu Personen ohne Medikation reduzierte Atomoxetin dieses Risiko um 15%. Bei Menschen unter 30 Jahren verringerte auch Methylphenidat die Wahrscheinlichkeit, arbeitsunfähig zu werden, und zwar um 12%. Alle anderen Medikamente zeigten keinen Zusammenhang mit der Arbeitsfähigkeit. Wurden mehrere ADHS-Präparate kombiniert, stieg das Risiko für Krankschreibungen und Verrentung dagegen an.

Suizide verringert

ADHS-Betroffene haben auch ein erhöhtes Risiko für Suzide und Suizidversuche. In dieser Untersuchung wurde bei 5% der ADHS-Patient*innen ein solches suizidales Verhalten festgestellt. Amphetamine reduzierten das Risiko für Suizide und Suizidversuche um 30%, Methylphenidat um 8%. Atomoxetin dagegen erhöhte es um 20%. Das könnte nach Einschätzung der Studienautor*innen jedoch ein Artefakt, also ein Verzerrungseffekt, sein. Da Atomoxetin keine stimulierende Wirkung hat, wurde es womöglich bevorzugt bei Patien*innten mit ohnehin erhöhtem Suizidrisiko eingesetzt.

Quelle: Springer Medizin

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Pitopia / Volker Schlichting