Gesundheit heute

Künstlerische Verfahren

Insbesondere in stationären Einrichtungen werden die klassischen Psychotherapien durch nonverbale, expressive (ausdrückende) Methoden ergänzt. Bewährt haben sich vor allem folgende künstlerische Verfahren (expressive Verfahren):

Kunsttherapie. Für die Kunsttherapie (Maltherapie) sind keine künstlerischen Vorkenntnisse notwendig, da sich die Patienten über die künstlerische Tätigkeit „nur“ ausdrücken sollen, der gestalterische Prozess steht im Vordergrund. Sie hilft bei der Bewältigung von Krisen und fördert die Entwicklung. Im Gespräch mit dem Kunsttherapeuten werden die Erfahrungen besprochen und reflektiert.

Musiktherapie. Um seelische, körperliche und geistige Gesundheit wiederherzustellen, zu erhalten und zu fördern, wird die Musiktherapie erfolgreich eingesetzt. So bei der Behandlung chronisch Schmerzkranker, bei Drogenabhängigen, psychosomatischen Erkrankungen und Depressionen. Unterschieden wird zwischen rezeptiver und aktiver Musiktherapie. Während der Therapeut bei der rezeptiven Form dem Patienten speziell auf ihn abgestimmte Musik vorspielt, kommuniziert der Patient bei der aktiven Variante mit dem Therapeuten durch Singen, Klatschen, Stampfen, Trommeln oder einfach zu handhabende Instrumente wie das Xylophon. Die Sprache wird durch Musik ersetzt. Wichtig ist, dass der Patient durch das Instrument seine Gefühle besser zum Ausdruck bringen kann.

Tanztherapie. Ausgehend von der Beobachtung, dass Bewegung und Körperhaltung das Denken und Fühlen beeinflussen, wurde in den 1940er Jahren in den USA die Tanztherapie entwickelt. Durch Bewegung werden Körper- und Selbstwahrnehmung geschult und eine Verbindung zwischen Körper und Geist erzielt, um Unbewusstes nonverbal auszudrücken.

Körperorientierte Behandlungsmethoden wie heilpädagogisches Reiten (Reittherapie) kann insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit beschränkten sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten oder Entwicklungsverzögerungen Erstaunliches bewirken. Weniger das Reiten an sich, sondern vielmehr der Kontakt zum Tier ist entscheidend, was auch Stallarbeit und Pferdepflege beinhaltet. Auch scheint der Bewegungsrhythmus der Pferde eine angstlösende Wirkung auszuüben.

Ergänzend zur Psychotherapie wird heute die Ergotherapie eingesetzt, früher auch Beschäftigungstherapie oder Arbeitstherapie genannt. Unter Anleitung werden Haushalts-, handwerkliche oder kreative Tätigkeiten ausgeführt mit dem Ziel, den Patienten in Konzentration und Aufmerksamkeit zu fördern, um ihn so in seiner Alltagsbewältigung zu unterstützen, wenn er wieder auf sich gestellt ist. Wesentlich ist dabei der direkte Bezug zur individuellen Lebenssituation und zum Beruf des Patienten.

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Gisela Finke in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Gewalt gegen Männer

Immer häufiger müssen sich misshandelte Männer gegen ihre Partnerin wehren.

Gewalt gegen Männer

Gar nicht so selten

Häusliche Gewalt ist in vielen Familien oder Partnerschaften ein Thema. Noch immer trifft es dabei vornehmlich Frauen und Kinder. Doch inzwischen steigt auch die Anzahl der männlichen Opfer. Ihr Leid wird häufig nicht ernst genommen.

Dunkelziffer ist hoch

Gewalt in Partnerschaften ist häufig. 2020 wurden von der Polizei in Deutschland knapp 147 000 Fälle registriert. 80% der Betroffenen waren Frauen, 20% Männer. Die Dunkelziffern sollen aber weitaus höher liegen. Vor allem, wenn Männer von Frauen misshandelt werden. Denn misshandelte Männer gehen noch seltener zur Polizei als misshandelte Frauen, sagen die Soziologinnen Barbara Horten und Marleen Gräber vom Institut für Kriminologie in Heidelberg.

Gekratzt, geschubst, gebissen und kontrolliert

Britische Studien schätzen, dass einer von drei Opfern häuslicher Gewalt männlich ist. In Deutschland geht man davon aus, dass etwa eine Million Männer regelmäßig Gewalt durch ihre Partnerin erfahren. Einer umfangreichen Untersuchung zufolge setzen Frauen dabei am häufigsten psychische Gewalt ein. Dazu gehören beispielsweise Erniedrigungen und Beleidigungen, aber auch Kontrollen. So werden z.B. Kontakte zu anderen Menschen unterbunden oder E-Mails, Telefonanrufe oder die Post überwacht. Auch körperliche Gewalt kommt vor. Die männlichen Opfer werden geschubst, gekratzt, gebissen, an den Haaren gezogen, geschlagen, die Treppe heruntergestoßen oder mit einer brennenden Zigarette bzw. einem Messer attackiert. In einigen Fällen werden Männer auch gegen ihren Willen zu sexuellen Handlungen gezwungen.

Scham und Angst halten von der Hilfesuche ab

Misshandelte Männer suchen selten Hilfe. Das hat verschiedene Ursachen, schreiben die Heidelberger Soziologinnen. Rollenstereotype bringen Männer dazu, die verstörenden Erlebnisse für sich zu behalten, nach dem Motto „ein Indianer kennt keinen Schmerz“. Außerdem schämen sie sich und haben Angst, ihr Ansehen als Mann zu verlieren, wenn sie sich jemandem anvertrauen. Mit dieser Sorge liegen sie nicht falsch, wie eine britische Untersuchung zeigt. Darin schlug männlichen Opfern bei Behörden häufig Diskriminierung entgegen. Sowohl professionelle Ansprechpersonen als auch Freunde und Familie reagierten eher spöttisch oder uninteressiert, oft wurde ihnen nicht geglaubt.

Männertelefon für Betroffene

Das hat schwere Folgen für die Opfer. Sie werden depressiv, leiden unter Ängsten und isolieren sich. Finden betroffene Männer jedoch kompetente psychische Unterstützung, bessern sich Angst und Einsamkeit. In Deutschland gibt es dafür spezielle Anlaufstellen wie das „Hilfetelefon Gewalt an Männern“ oder eine Online-Chathilfe. Beides erreicht man über die Webseite maennerhilfetelefon.de.

Zusätzlich müsse es jedoch ein Umdenken in der Gesellschaft geben, fordern Horten und Gräber. Denn Männer sind nicht immer die Täter – sie können auch die Opfer von Gewalt sein.

Quellen: Univadis, Forensische Psychiatrie, Psychologie und Kriminologie

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Maksim Kostenko / Alamy / Alamy Stock Photos