Gesundheit heute

Familientherapie

Familientherapie. Psychische Erkrankungen sind immer auch Ausdruck und Folge von Störungen des Systems, in das der Patient eingebettet ist, meist also der Familie. Entsprechend wird nicht der Einzelne als „gestört“ betrachtet, sondern das System „Familie“, oder genauer gesagt, die Interaktion zwischen den Beteiligten ist gestört. Idealerweise wird die Familientherapie von zwei Therapeuten durchgeführt: Einer befasst sich im Gespräch mit den wechselseitigen Erwartungen der Familienmitglieder, die ausgesprochen, stillschweigend oder unbewusst sein können, der andere verfolgt die Sitzung hinter einer einseitig durchsichtigen Scheibe. Nach der Therapiestunde vergleichen die Therapeuten ihre Eindrücke und geben der Familie in der Regel „Hausaufgaben“ mit auf den Weg, die bis zum nächsten Treffen erprobt werden sollen. Dabei werden oft erstaunliche Prozesse in Gang gesetzt, die helfen (können), auch über Jahre bestehende Familienprobleme zu lösen. In der Praxis ist diese Form der Familientherapie kaum finanzierbar. Ersatzweise wird deshalb nur mit einem Therapeuten gearbeitet, meist auch nur mit dem psychisch kranken Familienmitglied (Indexpatient genannt). Die übrigen Familienmitglieder werden nur zu Beginn und Ende der Therapie – einzeln oder zusammen – eingeladen. Die Erfolge dieser vereinfachten Form der Familientherapie sind aber fast genauso gut.

Systemische Therapie. Die systemische Therapie mit ihrem Fokus auf krankhaften Interaktionen und zerstörerischen Konfliktmustern innerhalb einer sozialen Gruppe ist auch als Einzeltherapie durchführbar. Ihre Wirksamkeit ist nachgewiesen und auch von Gerichten anerkannt worden [z. B. Ä01]. Da sie aber in Deutschland (noch) nicht durchgängig mit den Kassen verrechnet werden kann, vermischt man nicht selten Elemente von ihr mit anderen Psychotherapieverfahren, die von der Kasse übernommen werden. Auch in Kurzzeit-Beratungsangeboten hat sie sich als systemische Beratung> erfolgreich etabliert.

Eine weitere Anwendung besteht im Arbeitsumfeld: Bei der systemischen Organisationsentwicklung geht es darum, die Kommunikation und Konfliktbearbeitung im Team zu verbessern oder im Rahmen von Veränderungsprozessen wie Reorganisationen oder Fusionen Schlüsselprobleme einer Abteilung oder ganzen Firma zu lösen.

Nicht zu verwechseln mit der Systemischen Familientherapie sind die von über 2 000 deutschen Psychologen, Psychotherapeuten und auch Heilpraktikern propagierten Familienaufstellungen nach Bert Hellinger: Hier wählt der Aufstellende – häufig also der Kranke – unter den Gruppenmitgliedern Stellvertreter für Vater, Mutter, Geschwister und eventuell weitere für ihn wichtige Personen. Diese versucht er nun jeweils intuitiv „passend“ im Raum zu platzieren. Aufgrund der sich entwickelnden Dynamik sollen sich die so gestellten Stellvertreter nach einigen Minuten der Einfindung so fühlen wie die von ihnen dargestellten Personen im tatsächlichen Leben. Die aufgestellten Familienmitglieder – daher die Begriffe „Familienaufstellung“ und „Familienstellung“ – berichten nun, wie sie sich fühlen, was auch meist gelingt. Durch das dann Gehörte sollen sich im Aufstellenden krank machende Verstrickungen lösen.

Unstrittig ist, dass Aufstellungen sehr eindrücklich sein und tatsächlich große Kräfte beim Aufstellenden freisetzen können. Die Richtung dieser Kräfte ist aber insbesondere bei den Familienaufstellungen nach Hellinger unvorhersehbar, sie können sich also auch gegen die eigene Person richten. Ihre Nutzbarmachung erfordert größte Erfahrung und Zuwendung des Therapeuten, um z. B. das Selbstmordrisiko nicht zu fördern. Da dies in der Praxis bei den Hellinger-Familienaufstellungen nicht gegeben ist, wird die Methode von Experten kritisiert. Andere Therapien, die mit Aufstellungen arbeiten, wie z. B. das Psychodrama, berücksichtigen dies durch ein therapeutisches Regel-Set, das hilft, kritische Situationen zu vermeiden und den Betroffenen aufzufangen.

Eheberatung. Fast jede Ehe oder Paarbeziehung gerät einmal in eine existenzbedrohende Krise, die in der Regel eine fatale Eigendynamik entwickelt, und in 60 % der Fälle zur Scheidung führt. Es ist deshalb gut, dass es schon niedrigschwellige (also einfach anzusteuernde) Eheberatungsstellen gibt, die zum Teil sogar kostenfreie Termine zur Eheberatung anbieten.

Insbesondere die Kirchen unterhalten in Deutschland in vielen Städten entsprechende Angebote (zu finden über das Internet). Die Anlässe für eine Eheberatung sind Krisen, die das Fundament der Partnerschaft bedrohen, wie Trennungsabsichten eines Partners, außereheliche Beziehungen oder Arbeitslosigkeit, und das Verhältnis und der Umgang mit den Kindern, die vor allem in Mosaikfamilien mit unterschiedlichen Elternschaften ein Dauerproblem bilden. Mit im Raum steht aber auch oft die Unzufriedenheit mit der erlebten Sexualität.

Geht der Beratungsbedarf über fünf oder zehn Sitzungen hinaus, wird der Eheberater die Einleitung einer psychotherapeutischen Paartherapie (Paargespräche oder eventuell eine Sexualtherapie) empfehlen.

Weiterführende Informationen

  • www.caritas.de – Website des Deutschen Caritasverbands, Freiburg: Über die Stichwortsuche Eheberatung erhalten Sie weitere Informationen zu Beratungsstellen und themenverwandten Links.
  • www.profamilia.de/topic/home – Auch die Website von Pro Familia (Frankfurt) bietet Ihnen die Möglichkeit, eine Eheberatungsstelle in Ihrer Nähe ausfindig zu machen.

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Gisela Finke in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Yoga und Joggen gegen Depressionen

Yoga kann Depressionen lindern - vorausgesetzt, man betreibt es intensiv.

Yoga und Joggen gegen Depressionen

Sport als Stimmungsmacher

Sport hilft gegen Depressionen. Am meisten trifft das offenbar für Joggen, Kraftsport und Yoga zu. Dabei gilt: Je intensiver trainiert wird, desto besser.

Rund 4 Millionen Deutsche erkrankt

Depressionen sind weit verbreitet und werden offenbar immer häufiger: Für Deutschland schätzt die WHO die Zahl der Menschen mit der Erkrankung auf über vier Millionen. Weltweit sollen etwa 322 Millionen Menschen unter Depressionen leiden. Das sind etwa 4,4% der Weltbevölkerung und 18% mehr als noch vor zehn Jahren.

Zur Behandlung von Depressionen werden vor allem Medikamente und Psychotherapien eingesetzt. Ergänzend zur klassischen Therapie raten die Leitlinien zu Lebensstiländerungen, allen voran zu mehr Bewegung. Welcher Sport am besten gegen Depressionen hilft, wird jedoch unterschiedlich bewertet.

5 Sportarten mit antidepressiven Effekten

Ein Forscherteam ging jetzt dieser Frage nach und untersuchte den Effekt von Bewegung bei schweren Depressionen. Eingeschlossen in ihre Meta-Analyse wurden 218 Studien mit über 14.000 Teilnehmenden. Dabei kam heraus, dass fünf Sportarten schwere Depressionen moderat besserten.

Die stärkste antidepressive Wirkung hatten Joggen oder Gehen, gefolgt von Yoga, Krafttraining, Ausdauerübungen und Tai Chi oder Qigong. Außerdem zeigte sich eine Dosis-Wirkungs-Kurve: Je intensiver eine Sportart ausgeübt wurde, desto besser wirkte sie. Der Effekt war zudem unabhängig von der Ausprägung der Depression und davon, ob die Patient*innen unter weiteren Erkrankungen litten.

Yoga und Krafttraining waren bei den Studienteilnehmer*innen am beliebtesten, sie wurden am seltensten wieder abgebrochen. Tanzen führte sogar zu einer starken Linderung der Depressionen. Allerdings war die Anzahl der Tanzenden nur gering und es handelte sich ausschließlich um Frauen – was keinen eindeutigen Schluss auf die Wirkung des Tanzsports auf Depressionen zulässt.

Neben klassischer Therapie Sport treiben

Bewegung ist eine wirksame Waffe gegen Depressionen, fassen die Studienautor*innen zusammen. Vor allem gilt dies für intensiv ausgeübtes Joggen und Gehen, Krafttraining und Yoga. Sie raten depressiven Menschen, neben der klassischen antidepressiven Therapie eine der genannten Sportarten auszuüben.

Quelle: British Medical Journal

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Alla Azarnikova