Gesundheit heute

Beruhigungsmittel

Tranquilizer (Sedativa, Beruhigungsmittel) sind Arzneimittel, die angstlösend und beruhigend (sedierend), schlaffördernd und muskelentspannend wirken. Auch zur Behandlung bevorstehender Panik oder Angst auslösender Ereignisse (z. B. am Abend vor einer OP oder bei Flugangst) sind sie geeignet.

Alle Tranquilizer machen – egal, ob man sich an den Müdigkeit auslösenden Effekt gewöhnt zu haben scheint oder nicht – fahruntüchtig.

Benzodiazepine sind die am häufigsten verordneten Tranquilizer (und auch Schlafmittel). Benzodiazepine stoppen die Informationsübertragung in bestimmten Gehirnregionen und werden kurzzeitig zur Behandlung von Angsterkrankungen, z. B. bei psychotischen Spannungszuständen oder schweren Depressionen verwendet. Sie wirken beruhigend, dämpfend und schlaffördernd. Man unterteilt die Benzodiazepine nach ihrer Wirkdauer in kurz, mittel und lang wirkende Substanzen.

Benzodiazepine wirken rasch und werden gut vertragen. Ärzte schätzen zudem ihre Sicherheit – selbst durch Überdosierung ist Selbstmord schwer möglich, da es ein wirksames Antidot (Gegenmittel) gibt, das zudem sehr rasch wirkt. Andere Tranquilizer als Benzodiazepine spielen in der Psychiatrie keine Rolle mehr.

Die wichtigsten Nebenwirkungen von Benzodiazepinen sind:

  • Hohe Abhängigkeitsgefahr
  • Müdigkeit (Fahruntüchtigkeit!)
  • Störungen der Atmung: Benzodiazepine in hoher Dosierung hemmen das Atemzentrum und können Atemnot verursachen, vor allem wenn der Patient an Atemwegserkrankungen leidet.
  • Sehstörungen, Schwindel: Je nach Wirkdauer beeinträchtigen Benzodiazepine die Konzentrationsfähigkeit und die motorische Koordination. Sie stören das Sehvermögen.
  • Bei manchen Menschen können Benzodiazepine zu starker Unruhe, Angst und auch erhöhter Aggressivität führen. Hier muss das Medikament sofort abgesetzt werden.

Benzodiazepin-Abhängigkeit

Tranquase®, Tranxilium®, Valium®, Adumbran® und Co. wirken stimmungsaufhellend, angstlösend, beruhigend und schlaffördernd. Alles Wirkungen, die sich jeder Kranke wünscht – deshalb verwundert es nicht, dass Ärzte Benzodiazepine millionenfach verschreiben. Trotzdem: Das Risiko, abhängig zu werden, verbietet den Einsatz als Problemlöser im Alltag, als Schlafmittel oder bei leichter Unruhe. Viele Patienten benötigen im Verlauf der Behandlung immer höhere Dosen, da der Körper sich an das Medikament gewöhnt. Andere müssen zwar nicht die Dosis steigern, betreiben aber „doctor shopping“, um ihr Rezept regelmäßig erneuert zu bekommen.

Das Abhängigkeitspotenzial ergibt sich aus der Reaktion des Körpers auf das Absetzen des Benzodiazepins. Es kommt praktisch immer zu Entzugssymptomen wie wochenlangen Schlafstörungen, Unruhe, Zittern, Angstzuständen und Alpträumen. Benzodiazepine dürfen deshalb immer nur kurzfristig bei akuten Anlässen eingenommen werden – zum Beispiel in den Tagen vor einer Operation oder nach einem Verkehrsunfall. Kurzfristig bedeutet: nicht länger als zwei bis maximal vier Wochen.

Warnhinweis: Dies sind ernste Warnsignale für eine Abhängigkeit von Benzodiazepinen:

  • Wunsch nach Dosissteigerung (über die ärztliche Verordnung hinaus)
  • Angst, Schlafstörungen oder andere körperliche Beschwerden bei Einnahme „nur“ der verordneten Dosis
  • Entzugssymptome bei Absetzen des Medikaments, die über drei oder vier Nächte mit sehr schlechtem Schlaf hinausgehen (was in der Regel normal ist)
  • Weitere Einnahme, obwohl der Behandlungsanlass nicht mehr besteht
  • Arztwechsel, um an neue Rezepte zu kommen.

Was tun in der Abhängigkeitsfalle?

Suchen Sie baldmöglichst einen Nervenarzt oder Ihren Hausarzt auf, um zu besprechen, ob und wie Sie den akuten Entzug bewältigen können. Sie sollten wissen, dass die Entzugssymptomatik (vor allem schlechter Schlaf) 15 Tage und länger anhalten kann.Wenn Sie berufstätig sind, brauchen Sie für den Entzugszeitraum eine Krankschreibung und möglichst viel Unterstützung von Familie, Partner oder engen Freunden. Um Ihnen den Ausstieg zu erleichtern, wird Ihr Arzt vorschlagen, nach und nach die Dosis des Medikaments herabzusetzen (auszuschleichen), wobei er unterstützend auch antriebsdämpfende (sedierende) Antidepressiva oder Betablocker empfehlen wird.

Sollte der Entzug allein mit ärztlicher Unterstützung nicht zu schaffen sein, besteht auch die Möglichkeit einer stationären Entwöhnung.

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Antipsychotikaverbrauch steigt an

Jugendliche leiden immer häufiger an psychischen Störungen.

Antipsychotikaverbrauch steigt an

Kinder und Jugendliche

Kinder und Jugendliche bekommen immer häufiger Antipsychotika verschrieben. Besonders hoch ist der Anstieg bei Mädchen und jungen Frauen im Alter von 15 bis 19 Jahren.

Bei Kindern wenig untersucht

Antipsychotika sind Medikamente zur Behandlung von Schizophrenie oder bipolarer Störung. Letztere ist eine psychische Erkrankung, bei der sich depressive Zustände mit manischen Phasen abwechseln. Das heißt, dass Betroffene unter extremen Schwankungen zwischen Niedergeschlagen- und Antriebslosigkeit und übermäßig gesteigerter Stimmung leiden.

Wirkung und Sicherheit der Antipsychotika sind vor allem bei erwachsenen Patient*innen untersucht. Für Kinder gibt es dazu nur wenige Daten. Generell weiß man jedoch, dass Antipsychotika auch bei ihnen Nebenwirkungen verursachen. Dazu gehören vor allem Bewegungsstörungen wie Sitzunruhe oder unwillkürliche Muskelkontraktionen.

Trotzdem werden in Deutschland Antipsychotika bei Kindern und Jugendlichen immer häufiger eingesetzt, berichtet der Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Christian Bachmann. Sein Team von der Universitätsklinik Ulm untersuchte die Verordnung dieser Medikamente im Zeitraum von 2011 bis 2020 anhand der bundesweiten Abrechnungsdaten.

16% mehr Antipsychotika verordnet

Die Verordnung traditioneller Antipsychotika der ersten Generation stieg im untersuchten Zeitraum um 16%. Auch neue Antipsychotika der zweiten Generation, die seltener Bewegungsstörungen auslösen, wurden um 17% häufiger verschrieben. Am stärksten war die Zunahme bei Mädchen, sagt Bachmann.

Mangel an Psychotherapiemöglichkeiten oder stärkere Belastung?

Warum die Verordnungen von Antipsychotika so stark zugenommen haben, ist unklar. Möglicherweise liegt es daran, dass die psychischen Belastungen für Kinder und Jugendliche in den letzten Jahren zugenommen haben. Ein weiterer Grund könnte sein, dass es nicht genügend psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten gibt und die Wartezeiten für einen Therapieplatz einfach zu lang sind.

Quelle: kinderaerzte-im-netz.de

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Cavan Images