Gesundheit heute

Antidepressiva

Antidepressiva wirken stimmungsaufhellend und angstlösend. Einige Antidepressiva beruhigen eher, andere steigern eher den Antrieb. Antidepressiva werden bei der Behandlung von Depressionen, Angsterkrankungen und Zwangsstörungen eingesetzt.

Patienten unter Antidepressiva sind häufig von Nebenwirkungen betroffen, weshalb sie möglichst nur bei schwereren depressiven Erkrankungen verordnet werden. Nebenwirkungen treten von allem zu Beginn der Behandlung und bei Absetzen auf, letztere häufig in Form von Unruhe und Stimmungsschwankungen, Schwindel, Kribbeln in den Gliedmaßen und Schlafstörungen, weshalb die Einnahme über einen Zeitraum von mehreren Wochen bis Monaten reduziert ("ausgeschlichen") wird. Die Nebenwirkungen beim Absetzen werden bei manchen Patienten als so unangenehm erlebt, dass sie die Einnahme wieder aufnehmen. 

Zu den v. a. zu Beginn der Behandlung zu beobachtenden Nebenwirkungen, die im weiteren Verlauf aber meist nachlassen, zählen: 

  • Mundtrockenheit, Schwitzen 
  • Sehstörungen und Schwindel
  • Händezittern, Müdigkeit 
  • Blutdruckschwankungen, selten Herzrhythmusstörungen (bei der Therapie mit Tri- und Tetrazyklika). 
  • Veränderungen des Blutbilds durch Tri- und Tetrazyklika mit  Abwehrschwäche und schwere Infektionen. Ddeshalb ist eine fortlaufende Kontrolle des Blutbilds erforderlich.
  • Gewichtsveränderung: einige Antidepressiva regen den Appetit an, was beim oft bestehenden Appetitverlust zunächst durchaus erwünscht ist, aber eben häufig darüber hinaus geht. Andere Antidepressiva hemmen (vor allem zu Beginn der Einnahme) den Appetit.
  • Die Gewichtszunahme kann zu einer Verschlechterung der Blutzuckereinstellung bei Diabetikern führen.
  • Gesteigertes aggressives Verhalten bei der Einnahme von SSRIs  
  • Vor allem bei Frauen nachlassendes sexuelles Verlangen, selten auch das Gegenteil. Impotenz oder zumindest ein verzögerter Samenerguss ist bei Männern sehr häufig.
  • Selbstmordgefährung: Alle Antidepressiva können die Suizidneigung erhöhen. Besonders gut ist dies für die SSRIs Paroxetin und Venlafaxin belegt, trifft aber nach derzeitigem Wissensstand auch für andere, moderne wie ältere, Antidepressiva zu.

Wirkungslosigkeit. Bei manchen Patienten scheint die Verordnung eines Antidepressivums auch gar keinen Effekt auszulösen - warum und welche Patienten dies betrifft, ist abgesehen vom Fall der Unterdosierung unbekannt. Am besten ist dann, auf ein anderes Antidepressivum umzustellen, das dann nicht selten wirksam ist.

Da sich das Nebenwirkungsspektrum zwischen den einzelnen Antidepressiva unterscheidet, kann der erfahrene Arzt durch die sorgfältige Abwägung von Beschwerdebild, Begleiterkrankungen und Interesselage des Patienten die voraussichtlich wirkungsbeste und auch nebenwirkungsärmste Substanz individuell auswählen. Leider verordnen nicht wenige Ärzte Antidepressiva ohne entsprechende Fachkenntnisse. Im Zweifelsfall sollte deshalb auf eine Überweisung zu einem geeigneten Facharzt (Psychiater) gedrängt werden.

Schwangere, Kinder und Jugendliche bekommen Antidepressiva nur bei dringender Indikation verordnet, denn bei Ihnen sind die Nebenwirkungsrisiken hoch: So neigen Kinder und Jugendliche vermehrt zu aggressiven Verhaltensweisen aber auch zu Selbstmordgedanken.

Antidepressiva werden nach ihrer chemischen Wirkstoffstruktur in drei Gruppen eingeteilt: trizyklische Antidepressiva, MAO-Hemmer und die neueren SSRIs (Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer). Die richtige Anwendung antidepressiver Substanzen setzt eine exakte Diagnose und eine genaue Kenntnis der Wirk- und Nebenwirkungsspektrums der Medikamente voraus. So wird der Arzt bei Erregung und Angst im Rahmen einer Depression eher ein beruhigendes Antidepressivum wählen, bei antriebslosen Depressiven dagegen eher eine Substanz, die den Antrieb steigert. Dabei muss er im Auge behalten, dass der antriebssteigernde Effekt rascher eintritt als die Stimmungsaufhellung, wodurch zu Therapiebeginn bei besonders gefährdeten Patienten das Risiko eines Selbstmords steigt. Kombinationen aus Antidepressiva und Transquilizern (Beruhigungsmitteln) sind deshalb gerade in den ersten Behandlungswochen sinnvoll. In der Wirksamkeit sind die klassischen tri- und tetrazyklischen Antidepressiva noch immer unübertroffen, bei den neueren Antidepressiva (SSRIs) ist dagegen die Verträglichkeit oft besser.   

Tri- und tetrazyklische Antidepressiva (Trizyklika, Tetrazyklika), deren Name von ihrem chemischen Aufbau aus drei (tri) oder vier (tetra) Ringen stammt, verbessern das bei einer Depression gestörte Gleichgewicht zwischen den Botenstoffen Serotonin und Noradrenalin im Gehirn. Sie entfalten ihre Wirkung aber erst nach 3-6 Wochen. Und erst dann können Arzt und Patient feststellen, ob Medikament und Dosierung helfen oder ob auf ein anderes Medikament umgestellt werden muss. Zu Therapiebeginn wird die Dosis in kleinen Schritten gesteigert („eingeschlichen“), um Nebenwirkungen zu minimieren und die Behandlung ggf. auch bei noch moderater Dosierung abbrechen zu können. In der Schwangerschaft sind Trizyklika Mittel der Wahl.

SSRIs (Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) bewirken, dass ein für die Grundstimmung wichtiger Botenstoff im Gehirn, das Serotonin, langsamer abgebaut wird. Dadurch soll eine stimmungsaufhellende, aktivierende und angstlösende Wirkung erzielt werden. Da die SSRIs oft besser verträglich sind als z. B. trizyklische Antidepressiva, wurden sie bisher bei Depressionen und Angststörungen als Medikament der ersten Wahl verordnet. Allerdings wird aufgrund der schwächeren antidepressiven Wirkung die Nutzen-Risiko-Betrachtung von SSRIs in neueren Untersuchungen kritischer gesehen als früher, so dass teilweise umstritten ist, inwieweit die großzügige Verordnung von SSRI medizinisch gerechtfertigt ist. Die Wirksamkeit der beiden SNRIs (Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer) Venlafaxin und Duboxetin (vgl. Tabelle) ist inzwischen gesichert. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) hat beide Substanzen geprüft und ihre Wirkung belegt. Sie haben jedoch laut IQWIG etwas mehr Nebenwirkungen als Antidepressiva, die nur auf Serotonin wirken.

SSRIs sind zwar besser verträglich, jedoch keineswegs nebenwirkungsfrei. Häufig treten die folgenden Nebenwirkungen vor allem zu Therapiebeginn auf, bessern sich aber im weiteren Behandlungsverlauf:

  • Mundtrockenheit, Schwitzen, Schwindelgefühle
  • Appetitmangel, Übelkeit
  • Erregungszustände, Angst, Schlafstörungen
  • Aggressives Verhalten (selten)
  • Müdigkeit
  • Veränderungen der Sexualität: Das sexuelle Verlangen kann gesteigert oder vermindert sein, bei Männern kann es zu Verzögerungen beim Samenerguss kommen.

MAO-Hemmer. Die Monoaminooxidase ist ein Enzym, das bestimmte Botenstoffe im Gehirn (Noradrenalin, Serotonin) abbaut. Wird dieser Abbau durch Medikamente (MAO-Hemmer, Monoaminooxidase-Hemmer) gehemmt, steigt die Konzentration der Botenstoffe im Gehirn. Die Folge: Die Stimmung hellt sich auf, der Antrieb wird gesteigert.

MAO-Hemmer werden als Reservemedikamente erst dann eingesetzt, wenn andere Antidepressiva nicht wirken, wobei in Deutschland nur Moclobemid (Aurorix®) gebräuchlich ist. Nebenwirkungen sind leider sehr häufig und umfassen: Erregungszustände, Angst und Schlafstörungen, Herzrhythmusstörungen, Übelkeit und Durchfälle.

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Gisela Finke in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Wie Vorgesetzte krank machen

Vorgesetzte haben einen großen Einfluss auf die seelische und körperliche Verfassung ihrer Angestellt*innen.

Wie Vorgesetzte krank machen

Gefahr für Leib und Seele

Arbeitnehmer*innen, die sich von ihren Vorgesetzten ungerecht behandelt fühlen, leiden nicht nur psychisch. Sie sind auch häufiger körperlich krank und haben deshalb mehr Fehlzeiten, berichtet die AOK in ihrem aktuellen Fehlzeiten-Report.

Unfairness tut weh

2500 Arbeitnehmer*innen im Alter von 18 bis 65 Jahren wurden für den Fehlzeiten-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) ausführlich zu körperlichen und seelischen Beschwerden befragt. Außerdem sollten sie angeben, ob sie ihre Führungskraft in den vergangenen Wochen als gerecht oder ungerecht wahrgenommen hatten.

Die Auswertung der erhobenen Daten zeigt deutlich, wie sehr unfaires Verhalten von Vorgesetzten an der Gesundheit nagt: Arbeitnehmer*innen, die sich ungerecht behandelt fühlen, leiden im Vergleich zu zufriedenen Angestellten

  • viermal so häufig an Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen und Ausgebranntsein
  • mehr als doppelt so oft unter Kreuz- und Rückenschmerzen
  • dreimal so oft unter Kopfschmerzen
  • mehr als dreimal so häufig unter Magen-Darm-Problemen oder Herzkreislauf-Beschwerden
  • doppelt so oft unter Infektions- oder Atemwegserkrankungen.

Unter als ungerecht wahrgenommenen Führungskräften waren auch Wut und Verärgerung sowie Niedergeschlagenheit deutlich höher (23,3% vs 1,9% und 6,9 vs 1,6%). Unfair Behandelte hatten zudem mehr Angst vor und bei der Arbeit (5%) als ihre sich fair behandelt fühlenden Kolleg*innen (1,6%).

2 Fehltage mehr

All diese Beschwerden schlugen sich in Fehltagen nieder. Die Forschungsgruppe berechnete für Berufstätige, die ihren Chef oder ihre Chefin als ungerecht wahrgenommen hatten, gut 2 AU-Tage mehr (12,7 vs 15,1) als bei Kolleg*innen mit gerechten Vorgesetzten. 2 Tage Fehlzeiten mehr scheinen auf den ersten Blich verschmerzbar— sie summieren sich aber auf Millionenschäden für die Solidargemeinschaft. Das Verhalten der Führungskräfte hat demnach einen großen Anteil am Krankenstand eines Unternehmens. Doch wann fühlen sich Arbeitnehmer*innen fair behandelt? Dann, wenn ihnen Anerkennung, Gerechtigkeit und Wertschätzung entgegengebracht werden, betont Gesundheitswissenschaftler und Mitherausgeber des Fehlzeiten-Reports Bernhard Badura. Doch hier besteht offenbar Nachholbedarf. Laut der Studie vermissen 46% der Arbeitnehmer*innen Gerechtigkeit bei Konfliktlösungen und 41% Wertschätzung in ihrem Job.

Vorgesetzte anders aussuchen

Um in einem Unternehmen einen fairen, gesundheitsfördernden Umgang zu fördern, ist laut Badura vielerorts ein Umdenken nötig. Er fordert, dass Führungskräfte nicht nur nach ihrer fachlichen, sondern auch nach ihrer sozialen Kompetenz ausgesucht werden und diese in entsprechenden Fortbildungen kontinuierlich ausgebaut wird.

Quelle: Ärztezeitung, WIdO

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: xAndreyPopovxPanthermedia/imago-images.de