Gesundheit heute

Krätze

Krätze (Scabies): Durch weibliche Krätzmilben (Sarcoptes scabiei) hervorgerufene ansteckende Hautkrankheit. Diagnostisch wegweisend ist der starke, vor allem nächtliche Juckreiz, die Hauterscheinungen variieren je nach Ausmaß von kommaförmigen Papeln bis zu verkrusteten Läsionen. Untermauert wird die Verdachtsdiagnose durch den mikroskopischen Nachweis von Milben, ihren Eiern und Milbenkot in abgeschabten Hautpartikeln.

Zum Abtöten der Krätzmilben kommen Cremes und Lotionen zum Einsatz, in schweren Fällen müssen die Anti-Krätzmittel auch oral eingenommen werden. Um eine erneute Infektion zu vermeiden ist es notwendig, Bettwäsche, Kleidung, Stofftiere und andere körpernahe Textilien und Gegenstände durch Hygienemaßnahmen von Krätzmilben zu befreien.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Vor allem nächtlicher Juckreiz
  • Gewundene, millimeterlange tastbare Milbengänge mit dunklen Pünktchen am Gangende (Milbenhügel)
  • Später Papeln, Knötchen, Bläschen und Verkrustungen
  • Kratzeffekte.

Wann zum Arzt

Am gleichen Tag, wenn

  • oben genannte Beschwerden oder Hautanzeichen auftreten.

Die Erkrankung

Epidemiologie

Die Krätze ist weltweit verbreitet, nach Daten der WHO sind weltweit 300 Millionen Menschen an ihr erkrankt. Wie viele Personen in Deutschland infiziert sind, ist unklar, da die Krätze nur meldepflichtig ist, wenn sie in Einrichtungen wie z. B. Kitas, Gefängnissen oder Pflegeheimen auftritt. Die Datenlage ist laut Robert Koch-Institut daher sehr lückenhaft. Seit einigen Jahren werden jedoch mehr Anti-Krätzemittel verordnet, weshalb Experten von einer Zunahme der Erkrankung ausgehen.

Die Krätze kann Menschen jeden Alters betreffen, durch vermehrte Nähe beim Stillen, Kuscheln und Geschlechtsverkehr werden aber vor allem Säuglinge, Kleinkinder und Personen zwischen 15 und 45 Jahren von der Krätzmilbe befallen.

Übertragung

Die Übertragung der Krätzmilben erfolgt vor allem direkt durch engen körperlichen Kontakt (auch beim Geschlechtsverkehr), seltener indirekt über gemeinsam benutzte Gegenstände wie Kleidung, Kissen, Bettwäsche, Kuscheltiere oder Blutdruckmanschetten. Dabei ist Krätze keine Folge mangelhafter Hygiene – sie kommt auch in den besten Familien vor. Bevor die Infektion bemerkt wird, vergehen meist bis zu 8 Wochen. Die ersten Beschwerden zeigen sich erst 3–4 Wochen nach Ansteckung. An Krätze Erkrankte sollten Gemeinschaftseinrichtungen wie Schule oder Kindergärten nicht besuchen.

Klinik und Lokalisation

Das Milbenweibchen bohrt Gänge in die Hornschicht der Haut. Dort legt es seine Eier ab, aus denen sich binnen 3 Wochen neue Milben entwickeln. Bei genauem Hinsehen sind die bis zu 1 cm langen Milbengänge an den betroffenen Hautstellen als winzige gerötete Linien mit leicht erhöhtem Ende sichtbar, später kommen oft kleine rötliche Knötchen und Bläschen hinzu. Insbesondere bei Kindern bilden sich manchmal auch 1–2 cm große braunrote Knoten, bevorzugt an Rumpf und Genitalien.

Bevorzugt befallen werden Hautbereiche mit sehr dünner Haut, z. B.

  • zwischen den Fingern oder den Zehen
  • an den Handgelenken, Ellenbeugen
  • am inneren Fußrand
  • an Brustwarzen und am Penis
  • an Kopf, Gesicht, Hand- und Fußsohlen (bei Säuglingen).

Der begleitende quälende Juckreiz entsteht als Reaktion auf den Milbenkot. Er nimmt bei Wärme (z. B. nachts im Bett) zu und verleitet zum Aufkratzen der Haut.

Sonderformen

Scabies crustosa (Krustenkrätze). Diese Variante der Krätze ist hoch ansteckend und trifft vor allem Menschen, deren Immunabwehr geschwächt ist. Die Haut ist massenweise von Milben befallen, es bilden sich Krusten und Borken auf rotem Grund. Weil die Immunreaktion geschwächt ist, empfinden die Betroffenen oft keinen Juckreiz. Patienten mit einer Scabies crustosa werden isoliert und sowohl äußerlich als auch innerlich mit Anti-Krätzmitteln behandelt.

Scabies nodosa. Sehr seltene Form der Krätze mit verstärkter Immunreaktion auf den Milbenkot. Typisch sind stark juckende Knötchen, die sich erst lange nach Behandlung zurückbilden. Betroffen sind meist Säuglinge, Kleinkinder und ältere Menschen, vor allem am Genital, in der Analregion und in den Achselhöhlen.

Komplikationen

Die durch das Kratzen verletzte Haut neigt zu bakteriellen Infektionen, die sich in eitrigen Pustelausschlägen ( Impetigo) äußern.

Diagnosesicherung

Wegweisend für die Diagnose sind der nächtliche Juckreiz und enger Kontakt zu Betroffenen in der unmittelbaren Umgebung. Um die Krätze von Hauterkrankungen mit ähnlichem Erscheinungsbild, z. B. einer Kontaktallergie oder Neurodermitis zu unterscheiden, hat der Arzt folgende Möglichkeiten:

  • Untersuchung von Hautmaterial mit dem Lichtmikroskop: Hierzu öffnet er mit einer Nadel oder einem Skalpell einen Milbengang am blinden Ende (also am Milbenhügel) und schabt den Ganginhalt auf einen Objektträger. Unter dem Mikroskop lassen sich dann meist Milben, Eier und Milbenkot erkennen.
  • Untersuchung der Haut mit dem Auflichtmikroskop (Dermatoskopie). Hierbei benutzt der Arzt eine besonders stark beleuchtete Lupe, die er direkt auf die erkrankte Hautstelle aufsetzt. Dabei erkennt er die Milben oft an ihrer dreieckigen Form.
  • Klebebandtest. Nach Aufkleben eines durchsichtigen Klebebandes auf eine verdächtige Hautstelle zieht der Arzt den Klebefilm ruckartig ab und untersucht ihn unter dem Mikroskop auf Milbenkot, Eier und Milben. Der Klebebandtest ist für empfindliche Haut nicht geeignet.

Differenzialdiagnose. Die Krätze kann mit vielen juckenden Hauterkrankungen verwechselt werden, z. B. mit der Neurodermitis, Pilzerkrankungen der Haut, oder dem allergischen Ekzem. Wichtige Differenzialdiagnose für die Krätze, bei der sich Krusten ausgebildet haben, ist die Schuppenflechte.

Behandlung

Die Behandlungsziele bei der Krätze sind das Abtöten der Milben (und damit die Beendigung der Ansteckungsgefahr) und die Linderung des quälenden Juckreizes (und dadurch das Abheilen der Hautläsionen). Um erneute Infektionen zu vermeiden, muss außerdem die Umgebung des Infizierten saniert werden. Maßnahmen, mit denen man Milben aus Kleidung, Bettwäsche, Kuscheltieren und Heimtextilien entfernt, lesen Sie unter "Ihr Apotheker empfiehlt".

Die gewöhnliche Krätze kann zu Hause behandelt werden. Patienten mit einer Scabies crustosa weist der Arzt meist in ein Krankenhaus ein, wo sie wegen der hohen Ansteckungsgefahr bis zum Behandlungsende isoliert werden.

Abtöten der Milben

Äußerlich anzuwendende Wirkstoffe. Zur Behandlung der Krätze stehen Salben, Emulsionen oder Gele mit milbenabtötenden Wirkstoffen zur Verfügung. Um die Milben vom Körper zu beseitigen, muss die gesamte Haut vom Hals abwärts behandelt werden. Da Krätze ansteckend ist, gilt dieses Vorgehen für die komplette Familie. Bei Säuglingen und Kleinkindern behandelt man Kopf und Kopfhaut mit, lediglich die Region um Augen, Nase und Mund werden ausgespart. Folgende Wirkstoffe stehen zur Verfügung:

  • 5%ige Permethrin-Salbe (z. B. Infectoscab®) tötet die Krätzmilben bereits bei der ersten Behandlung ab. Dieses Insektizid ist trotz seiner stärkeren Wirkung für den Menschen weniger giftig als das früher eingesetzte Hexachlorcyclohexan (= Lindan, z. B. in Jacutin® Gel), bei dem darüber hinaus mehrere Behandlungen nötig sind. Permethrin ist Mittel der 1. Wahl für Patienten aller Altersklassen. Es ist auch Mittel erster Wahl bei Schwangeren und Stillenden, muss jedoch Off-Label angewendet werden, da es wie alle anderen Anti-Krätzmittel für Schwangere und Stillende nicht zugelassen ist.
  • 25%iges Benzylbenzoat als Emulsion wird an 3 aufeinander folgenden Tagen auf die Haut aufgetragen und dann am 4. Tag abgewaschen bzw. abgeduscht. Als Emulsion eignet es sich auch zur Behandlung von befallener Kopfhaut. Für Kinder wird 10%ige Emulsion verwendet.
  • Crotamiton als 10%ige Lösung, Creme oder Salbe wird an 3–5 Tagen aufgetragen und danach abgewaschen.

Hinweis: Bei Babys und Kleinkindern sollten nach dem Einreiben die Hände verbunden und die Körperhaut vollständig abgedeckt werden, damit der Wirkstoff nicht von der Haut abgeleckt werden kann.

Innerlich anzuwendende Wirkstoffe. Seit Mai 2016 ist in Deutschland eine systemische Behandlung mit Ivermectin-Tabletten (Scabioral®) möglich. Einzunehmen sind einmalig 200 µg pro Kilogramm Körpergewicht. Empfohlen wird die systemische Behandlung bei immunsupprimierten Patienten und Patienten, die auf Permethrin-Salbe nicht ansprechen. Eine weitere Indikation sind großflächige Ekzeme. Zusätzlich eignet sich Ivermectin zur Behandlung von Betroffenen, bei denen eine korrekte Behandlung mit äußerlichen Mitteln nicht zu gewährleisten ist, etwa bei körperlichen und geistigen Behinderungen oder organisatorischen Schwierigkeiten.

Wiederholung der Therapie. In folgenden Fällen ist es empfehlenswert, die lokale oder orale Therapie nach 7 bzw. 14 Tagen zu wiederholen:

  • Abwehrgeschwächte Patienten
  • Ausgedehnte Krätze
  • Zeichen einer aktiven Infektion nach 14 Tagen (Papeln, Gänge, mikroskopischer Nachweis)
  • Krätze in Gemeinschaftseinrichtungen (um Infektionsketten zu unterbrechen)
  • Scabies crustosa.

Behandlung des Juckreizes

Gegen den quälenden Juckreiz, der die Betroffenen vor allem nachts um den Schlaf bringt, verordnet der Arzt juckreizstillende Mittel wie orale Antihistaminika (z. B. Levocetirizin oder Desloratidion) oder niedrig-dosierte Kortison-Salben.

Dauer der Ansteckungsgefahr

Nach abgeschlossener Behandlung mit einem Anti-Krätzemittel zum Einreiben oder 24 Stunden nach Einnahme von Ivermectin gelten Betroffene mit gewöhnlicher Krätze nicht mehr als ansteckend, d. h. Kinder können wieder in die Schule oder Kindertagesstätte gehen.

Patienten mit einer Scabies crustosa sind hochansteckend und müssen während ihrer gesamten Behandlungszeit (etwa 2 Wochen) isoliert bleiben.

Sind Personen einer Gemeinschaftseinrichtung an einer Krätze erkrankt, gelten besondere Bestimmungen. So werden Kontaktpersonen und (behandelte) Infizierte über 6 Wochen lang mehrfach nachuntersucht und müssen der Gemeinschaftseinrichtung fernbleiben, bis eine Weiterverbreitung ausgeschlossen ist.

Prognose

Oft dauert es nach der Therapie noch mehrere Tage oder sogar Wochen, bis die Hautveränderungen und der Juckreiz abklingen. Dies ist kein Hinweis auf eine unzureichende Wirkung, sondern auf eine allergische Reaktion, die von dem verbleibenden Kot sowie den abgetöteten oder geschädigten Milben ausgelöst wird.

Ihr Apotheker empfiehlt

Sanierung der Umgebung

  • Beziehen Sie nach der Behandlung die Betten neu und wechseln Sie die Kleidung.
  • Waschen Sie Kleider, Handtücher, Bettwäsche, Pantoffeln und Stofftiere mindestens 10 Minuten bei 60 °C. Falls eine solche Wäsche nicht möglich ist, können Sie auch ein Heißdampfgerät benutzen.
  • Alternativ frieren Sie Textilien (auch Kuscheltiere und andere "körpernahe" Gegenstände) für 2 Stunden bei −25 °C ein, um die Milben abzutöten. Herkömmliche Tiefkühltruhen kühlen jedoch häufig nur auf −18 °C, ob diese Temperatur zum Abtöten der Krätzmilben ausreicht ist ungewiss, es liegen dazu keine Daten vor.
  • Sie können Kuscheltiere, Pantoffeln und andere Textilien auch in einen Plastiksack stecken und diesen 72 Stunden lang bei 21 °C konstanter Temperatur lagern.
  • Saugen Sie Möbel wie Sofas, Sessel oder Betten sowie Fußbodenbeläge sorgfältig mit dem Staubsauger ab. Außerhalb des menschlichen Körpers überleben die Milben bei normaler Raumtemperatur und Luftfeuchte höchstens 2–4 Tage, bei kühlerer und feuchter Luft (z. B. in Kellern) auch bis zu 14 Tagen.
  • Bei Skabies crustosa müssen Sie auch die Matratze des Patienten dekontaminieren. Das gelingt z. B., indem Sie die Matratze 7 Tage unbenutzt bei einer Raumtemperatur von mindestens 21 °C lagern.

Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde. Als wirksam hat sich die äußerliche Anwendung von 5%igem Teebaumöl erwiesen. In Versuchen verendeten Krätzmilben innerhalb von wenigen Stunden nach Einreibungen mit Teebaumöl.

Hydrotherapie. Unterstützend zur medikamentösen Behandlung können Bäder mit Hopfen, Baldrian, Rosmarin oder Melisse genommen werden. Auch ansteigende Arm- und Fußbäder (z. B. angereichert mit ätherischen Ölen aus Kampfer, Nelken oder Lavendel), oder Ölbäder sind empfehlenswert.

Weiterführende Informationen

RKI-Ratgeber zur Krätze unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Skabies.html

Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG):§ 34 unter https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__34.html

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Lippenherpes lässt sich bezwingen

Lippenherpes lässt sich bezwingen

Mit Creme, Patch oder Hitze

Lippenherpes juckt, schmerzt und ist mit seinen gelblichen Krusten alles andere als eine Zierde. Häufig taucht er gerade dann auf, wenn man ihn am allerwenigstens gebrauchen kann. Zum Glück gibt es gegen die üblen Fieberbläschen inzwischen viele Gegenmittel. Wer sie frühzeitig einsetzt, hat gute Chance, den Herpes im Zaum zu halten.

Lebenslange Untermieter

Herpes-simplex-Viren (HSV) sind weit verbreitet. Am häufigsten kommt der Typ HSV-1 vor: Neun von zehn Erwachsenen tragen ihn in sich. Die meisten stecken sich damit schon in der frühen Kindheit an. Das Virus gelangt dabei über Körperflüssigkeiten wie Speichel oder Nasensekrete zunächst auf die Schleimhaut oder wird eingeatmet. Von dort erreicht es dann die Blutbahn. Nach dieser ersten, oft unbemerkten Infektion ziehen sich die Viren in bestimmte Nervenzellen (Ganglienzellen) zurück und bleiben lebenslang im Körper. Werden die „schlafenden“ Viren allerdings durch Stress oder andere Faktoren reaktiviert, wandern sie die Nervenbahnen entlang und lösen Geschwüre und Bläschen an der Haut aus.

Besonders häufig sitzen die Herpesviren in den Ganglienzellen des Nervus trigeminus. Dieser innerviert die Gesichtshaut, die Lippen und die Mundschleimhaut. Werden die Viren reaktiviert, kommt es in diesen Gebieten zu Symptomen. Am allerhäufigsten betroffen sind dabei die Lippen und der Bereich um den Mund herum. Im Volksmund nennt man die dann auftretenden kleinen schmerzhaften Geschwüre Fieberbläschen. Fachleute sprechen von einem Herpes labialis, wenn er an den Lippen oder im Mund sitzt, vom Herpes nasalis, wenn er die Nase befällt.

Fieberbläschen kündigen sich oft durch Brennen, Kribbeln oder Jucken an. Innerhalb weniger Stunden blüht der Herpes auf: Es entwickelt sich ein münzgroßer, geröteter Herd mit kleinen Blasen. Diese sind prall gefüllt mit HSV. Nach wenigen Tagen platzen sie und trocknen schließlich aus. Dabei bilden sich höchst schmerzhafte Krusten. Nach acht bis zehn Tagen ist die Wunde abgeheilt, und die Haut sieht wieder so aus wie vorher. Dummerweise bleibt es meist nicht bei der einen Attacke. Bei vielen Menschen, die das HSV in sich tragen, kommt das Fieberbläschen immer wieder. Oft an der gleichen Stelle, manchmal auch in anderen Bereichen des Mundes oder an der Nase.

In manchen Fällen bleibt es bei der Reaktivierung nicht beim harmlosen Fieberbläschen. Vor allem bei immungeschwächten Patient*innen und Neugeborenen drohen Komplikationen. Das Virus kann sich im gesamten Körper ausbreiten und das zentrale Nervensystem, die Lunge und die Leber infizieren. Atemnot, Fieber und Krampfanfälle sind nur einige der lebensbedrohlichen Folgen.

Hinweis: Manchmal kommt es durch die Reaktivierung von HSV-1 zu einer Augeninfektion. Dabei sind v.a. die Hornhaut und die Bindehaut betroffen. Bemerkbar macht sich der Augenherpes durch Rötung, Schmerzen, Juckreiz und Fremdkörpergefühl im Auge.

Was HSV aus seiner Zelle lockt

Fast alle Menschen sind mit HSV-1 infiziert. Doch nicht alle leiden unter Fieberbläschen. Das liegt daran, dass das Virus reaktiviert werden muss, bevor es aus den Nervenzellen auswandert und an der Haut zu Beschwerden führt. Provokationsfaktoren oder Trigger gibt es zahlreiche:

  • UV-Strahlung der Sonne (eine andere Bezeichnung für den Herpes labialis ist auch der „Gletscherbrand“ durch starke UV-Strahlen im Gebirge)
  • Fieber und Infektionskrankheiten
  • Hormonumstellungen (z.B. bei der Menstruation)
  • psychische Faktoren wie Stress, Ekel oder Traumata

Hinweis: Wer sehr häufig oder jeweils sehr lange unter Fieberbläschen leidet, sollte dies ärztlich abklären lassen. Dahinter kann eine Immunschwäche stecken.

Beschwerden mit Cremes und Gelen lindern

Das traditionelle Fieberbläschen ist nicht gefährlich, aber überaus lästig. Zum Glück gibt es inzwischen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Besonders häufig werden spezielle Cremes eingesetzt.

Antivirale Cremes. Diese Cremes enthalten ein Virostatikum, das die Vermehrung der Viren stoppt. Trägt man sie schon beim ersten Kribbeln auf, bilden sich manchmal erst gar keine Bläschen aus. Ansonsten kann der Wirkstoff helfen, dass das Bläschen schneller abheilt und weniger schmerzt. Die Cremes sollten so früh wie möglich und dann alle drei bis vier Stunden eingesetzt werden. Für das Virostatikum Aciclovir gibt es keine Alterseinschränkung. Penciclovir darf erst ab einem Alter von zwölf Jahren angewendet werden. Aciclovir steht auch in Kombination mit antientzündlichem Hydrokortison zur Verfügung. Die Kombination soll die Symptome schneller lindern und die Wundheilung beschleunigen.

Zink. Zink soll auf Herpesviren ebenfalls einen hemmenden Effekt ausüben. Es wird für die virale Bläschenphase und die Zeit der Heilung empfohlen. Speziell für den Lippenherpes hergestellte Gele mit Zinksulfat-Heptahydrat sind in der Apotheke erhältlich.

Pflanzliche Salben. Melissenöl, Teebaumöl und Pfefferminzöl sind im Labor antiherpetisch wirksam, andere Pflanzeninhaltsstoffe haben desinfizierende Eigenschaften. Für den Lippenherpes gibt es spezielle Mixturen, z. B. Rephaderm mit Rosmarin-, Myrrhen- und Wermutkrautextrakten. Der Mikroalgenaktivstoff Spirulina-platensis-Extrakt (z.B. in Spiralin oder Ilon Lippencreme) soll das Eindringen und Anhaften von HSV in die Hautzellen verhindern. Dadurch kann er im Akutfall verhindern, dass das Bläschen weiter aufblüht. Auch vorbeugend soll Spirulina herpesanfällige Lippen schützen können. Außerdem reduziert der Algenwirkstoff die Krustenbildung und fördert die Abheilung.

Hinweis: Bei den Virostatika kommt es auch auf die Salbengrundlage an. So dringt Studien zufolge Aciclovir besonders gut in die Schleimhaut ein, wenn es mit einem Anteil von 40% Propylenglykol zubereitet ist.

Pflaster und Lippenstift

Statt Cremes lässt sich der Lippenherpes auch mit speziellen Pflastern oder Patches behandeln. Sie fördern durch Hydrokolloide die Wundheilung und reduzieren die Krustenbildung. Dabei sind sie auch ohne Wirkstoff etwa ebenso effektiv wie virostatische Cremes. Die Pflaster haben durchaus Vorteile: Sie schützen vor Infektionen und Weiterverbreitung der Viren. Außerdem lassen sie sich gut überschminken, d.h. das Fieberbläschen fällt weniger stark auf. Die Patches sollen 24 h auf der Läsion verbleiben. Beim Austausch lösen sich die Krusten mit ab – was allerdings recht schmerzhaft sein kann.

Ein weiteres Therapieprinzip ist Hitze. HSV sind wärmeempfindlich und lassen sich deshalb mit speziellen elektrischen Lippenstiften bekämpfen. Ab dem ersten Kribbeln soll man das Gerät stündlich für drei Sekunden auf die betroffene Stelle aufsetzen. Kribbelt es weiter, kann man die Behandlung nach zwei Minuten insgesamt fünf Mal pro Stunde wiederholen. Offene Bläschen oder verletzte Haut dürfen damit allerdings nicht behandelt werden. Außerdem muss die Haut frei von Cremes und trocken sein. Um eine Virenübertragung zu vermeiden, sollte der elektrische Stift nur von einer Person verwendet werden.

Tipp: Für ihre Vermehrung brauchen Herpesviren die Aminosäure L-Arginin. Nimmt man deren Gegenspieler L-Lysin ein, kann das die Abheilung unterstützen. L-Lysin ist in verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln (Kapseln oder Kautabletten) enthalten.

Allgemeine Maßnahmen verhindern die Ansteckung

Egal wie man seinen Lippenherpes behandelt: Auf jeden Fall sollte man dafür sorgen, dass man andere nicht infiziert. Denn die Flüssigkeit in den Bläschen ist prall gefüllt mit Viren. Hygiene ist bei einem akuten Lippenherpes deshalb oberstes Gebot. Das bedeutet:

  • Hände regelmäßig waschen und desinfizieren.
  • Bläschen nicht berühren oder öffnen. Cremes und Gele am besten mit einem Wattestäbchen auftragen.
  • Körperkontakt mit Kindern und Schwangeren meiden.
  • Läsionen mit einem Herpespatch oder Pflaster abdecken.
  • Als Kontaktlinsenträger mit aktivem Lippenherpes lieber eine Brille tragen, um die Viren nicht in die Augen zu verschleppen.
  • Nach dem Abheilen Zahnbürsten austauschen.

In manchen Fällen kann man dem wiederkehrenden Lippenherpes vorbeugen. Dazu muss man allerdings die Faktoren kennen, die das Aufblühen triggern. Ist Sonne der Auslöser, hilft Sonnenschutz – vor allem ein Lippenstift mit hohem Lichtschutzfaktor. Auch Kälte und trockene Luft kann HSV aufwecken. Deshalb sollte man im Winter die Lippen gut pflegen und draußen mit einem Schal oder Rollkragen vor eisigen Temperaturen schützen. Bei stressbedingtem Herpes können Entspannungstherapien zu einer besseren Stresskontrolle führen. Infektionen vermeidet man, indem man die empfohlenen Impfungen wahrnimmt und vor allem in der Erkältungszeit die Gebote der Hygiene beachtet.

Tipp: Wenn der Lippenherpes regelmäßig aufblüht, sollte man darüber Buch führen. Dadurch lassen sich die triggernden Faktoren leichter herausfinden.

Virostatika innerlich

In manchen Fällen müssen virostatische Medikamente auch innerlich eingesetzt werden. Dass ist z.B. der Fall, wenn schwere Verläufe drohen – wie bei Patient*innen mit Immunerkrankungen oder bei Neugeborenen. Meist verabreichen die Ärzt*innen den Wirkstoff dann über die Vene. Vor Zahnoperationen oder Schönheitsoperationen im Gesicht empfehlen Ärzt*innen oft die Einnahme von Aciclovir-Tabletten, um das Aufblühen von Läsionen zu verhindern. Bei immungeschwächten Menschen, die häufig Rezidive erleiden, wird zur Vorbeugung manchmal auch zu einer Langzeittherapie mit Valaciclovir oder Aciclovir in Tablettenform geraten.

Quelle: DAZ 2023, 26: 30

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / BSIP / Chassenet