Gesundheit heute

Blutvergiftung

Blutvergiftung (Sepsis):

Lebensbedrohliche Reaktion des Körpers auf eine meist bakterielle Infektion. Ursächlich ist eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf einen Erreger und eine daraus folgende Schädigung der Organe. Symptome sind zum Beispiel Fieber und Schüttelfrost, schnelle Atmung, hoher Puls, niedriger Blutdruck und Bewusstseinsstörung. Behandelt wird ursächlich mit Antibiotika, meist auf einer Intensivstation. Abhängig von der Schwere der Erkrankung versterben bis zu 60 Prozent der Betroffenen an einer Sepsis.

Leitbeschwerden

  • Fieber über 38 °C oder Untertemperatur unter 36 °C
  • Puls über 90 Schläge/Minute
  • Systolischer Blutdruck ≤ 100 mmHg
  • Bewusstseinsveränderungen (Unruhe, Desorientiertheit) oder zunehmende Bewusstseinseintrübung
  • Über 20 Atemzüge pro Minute.

Wann in die Arztpraxis

Heute noch, wenn oben genannte Symptome zutreffen.

Sofort den Notruf wählen,

  • wenn die Kranke im Rahmen einer Infektion zunehmend unruhig, schläfrig oder verwirrt wird
  • sich die Haut bläulich verfärbt oder rote Hautflecke auftreten
  • die Betroffene bei einer Infektion kaum oder keinen Urin mehr lässt ("Grenze" bei Erwachsenen etwa 500 ml oder 2–3 Toilettengänge täglich).

Die Erkrankung

Vorkommen

Eine Blutvergiftung ist häufig: In Deutschland erkranken daran pro 100.000 Einwohner*innen ungefähr 160 bis 270 Personen im Jahr. Die Blutvergiftung steht auf Platz 3 der Sterblichkeitsstatistik.

Erkrankung

Das Immunsystem ist dafür zuständig, Krankheitserreger aufzuspüren und unschädlich zu machen. In sehr vielen Fällen gelingt das auch – manchmal aber schafft es der Körper nicht, einen Erreger in Schach zu halten. Dann kann es sein, dass sich der Erreger im ganzen Körper ausbreitet, etwa über das Blut oder über die Lymphe. Ist die Situation einmal außer Kontrolle geraten, kann die Reaktion des Immunsystems plötzlich überschießend ausfallen. Dann werden zahlreiche Immunreaktionen in Gang gesetzt, die sich plötzlich auch gegen den eigenen Körper richten. Die Situation ist paradox: In diesem Fall schaden nicht nur die Krankheitserreger dem Organismus. Auch die Abwehrreaktionen des Immunsystems greifen den Körper an. Verschiedene Organe können dabei geschädigt werden. Durch übermäßige Aktivierung der Blutgerinnung werden dabei zum Beispiel Gefäße verstopft und es kommt zu Blutungen. Auch die Gefäßwände werden geschädigt. Wasser und Blutbestandteile treten in das umliegende Gewebe aus, sodass sich am ganzen Körper Wassereinlagerungen (Ödeme) bilden. Häufig werden lebenswichtige Organe wie Leber und Niere geschädigt. Im schlimmsten Fall versagen die Organe und der Kreislauf bricht zusammen.

Hinweis: Entscheidend für die Schwere einer Blutvergiftung ist nicht das Ausmaß der Entzündung am Infektionsherd, sondern der Kontrollverlust bei den Abwehrmechanismen des Immunsystems. Dementsprechend können auch vermeintlich kleine Verletzungen und leichte Infektionen eine schwere Blutvergiftung auslösen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die häufigste Ursache einer Blutvergiftung sind Bakterien. Diese müssen nicht – wie viele Menschen glauben – über Hautverletzungen in den Körper gelangen. Ausgangspunkt können auch Organe sein, zum Beispiel die Lunge bei einer Lungenentzündung oder die Harnblase bei einer Harnwegsinfektion.

Manche Menschen sind besonders gefährdet, eine Blutvergiftung zu entwickeln. Das kann sein, weil das Immunsystem geschwächt ist, etwa durch eine Chemotherapie oder eine Kortisontherapie. Oder das Immunsystem arbeitet aufgrund des Alters (noch) nicht gut, etwa bei Früh- oder Neugeborenen oder sehr alten Menschen.

Andere Risikofaktoren sind liegende Katheter, zum Beispiel ein zentraler Venenkatheter oder ein Harnblasenkatheter. Solche Katheter sind eine direkte Verbindung von außen ins Innere des Körpers und können deswegen eine Eintrittspforte für Erreger sein.

  • Auch andere Erreger als Bakterien können eine Blutvergiftung auslösen, zum Beispiel Pilze oder Viren. Pilze als Ursache kommen in Mitteleuropa aber nur selten vor. Es gibt nur wenige Pilze, die für einen gesunden Organismus ernsthaft gefährlich sind. Bei Menschen mit erheblich geschwächtem Immunsystem lösen allerdings auch harmlose Pilze wie Candida albicans schwerste Erkrankungen bis hin zur Blutvergiftung aus.

Klinik

Eine Blutvergiftung ist für einen Laien nicht immer leicht zu erkennen. Meist steht am Anfang eine Infektion, die vielleicht sogar zunächst harmlos wirkt. Entwickelt sich eine Sepsis, haben die Betroffenen ein sehr starkes Krankheitsgefühl, hinzu kommen oft Schmerzen. Die Patient*innen fühlen sich schwach und sind manchmal sogar verwirrt und desorientiert. Oft entwickelt sich Fieber mit Schüttelfrost oder die Patient*innen schwitzen stark, die Haut fühlt sich dabei nass-kalt an.

Aber: Dass hohes Fieber bei einer Blutvergiftung immer auftritt, ist ein Irrglaube – gerade bei älteren Menschen fehlt es häufig.

Neben der Körpertemperatur verändern sich in der Regel auch die weiteren Vitalparameter: Die Atmung ist sehr schnell, das Herz schlägt schnell oder rast sogar. Der Blutdruck ist häufig niedrig.

Übrigens: Die oft zitierten rote Streifen, die von einer Verletzung an Hand oder Fuß in Richtung Rumpf ziehen, sind kein Zeichen einer Blutvergiftung. Sie weisen auf eine Entzündung der Lymphgefäße (Lymphangitis) unter der Haut hin, die durch eine Wundinfektion verursacht wird. Diese ist nicht akut bedrohlich, erfordert aber auch eine ärztliche Behandlung.

Komplikationen

Schwere Blutvergiftung und septischer Schock. Gelingt es nicht, die Blutvergiftung zu kontrollieren, kommt es zu einer immer schwerwiegenderen Kreislaufbeeinträchtigung mit Blutdruckabfall. Jetzt nehmen auch die Organe zunehmend Schaden, vor allem die Lunge (Warnzeichen: bläuliche Hautverfärbung), das Gehirn (Warnzeichen: Unruhe, Schläfrigkeit, Verwirrtheit) und die Nieren (Warnzeichen: verminderte Urinproduktion). Auch die Blutgerinnung gerät nun außer Kontrolle. Das ist zum Beispiel erkennbar an roten Hautflecken. Es droht der lebensbedrohliche septische Schock mit Kreislaufkollaps.

  • Nicht selten kommt es zum Multiorganversagen. Hier versagen mindestens zwei lebenswichtige Organe, z. B. Lunge und Niere oder Leber und Gehirn.

Diagnosesicherung

Eine Blutvergiftung ist ein lebensbedrohlicher Notfall. Um keine Zeit zu verlieren, haben Mediziner*innen einen einfachen Score entwickelt: Bewertet werden dabei der Bewusstseinszustand, die Atemfrequenz (erhöht) und der Blutdruck (erniedrigt). Treffen zwei der drei Kriterien zu, besteht der Verdacht auf eine Blutvergiftung und die Kranke wird sofort in eine Intensivstation eingewiesen.

Dort folgen dann weitere Untersuchungen, um die Diagnose zu bestätigen. Dabei wird zum Beispiel im Blut kontrolliert, wie gut die Organe noch arbeiten. Genauso wichtig ist es aber, den Infektionsherd zu finden. Die Ärzt*in wird dabei ganz genau nach Hinweisen auf eine Erkrankung fragen, etwa nach Husten als Hinweis auf eine Lungenentzündung oder Durchfall als Zeichen einer Infektion des Magen-Darm-Trakts. Im Anschluss wird die Patient*in gründlich körperlich untersucht, möglicherweise folgen auch Ultraschall- oder Röntgenuntersuchungen.

Differenzialdiagnosen

Die Diagnose einer Sepsis ist vor allem deshalb so schwierig, weil die typischen Beschwerden bei vielen anderen Erkrankungen ebenfalls auftreten können, z. B. bei Hitzschlag, Darmverschluss, Lungenembolie, Blutzuckerentgleisungen oder bei Vergiftungen, schweren allergischen Reaktionen, Nebennieren- und Schilddrüsenerkrankungen. Andererseits können sogar bei einer schweren Sepsis typische Krankheitszeichen fehlen.

Behandlung

Bei der Behandlung einer Blutvergiftung zählt jede Stunde! Die Patient*in erhält deshalb sofort ein Breitband-Antibiotikum direkt in die Vene, also ein Antibiotikum, das gegen möglichst viele Erreger hilft. Ebenso wichtig ist es, schnell den Kreislauf zu stabilisieren. Dafür erhält die Patient*in Infusionen und verschiedene Herz-Kreislauf-Medikamente. Ärzt*innen sagen zu diesem entschlossenen und zügigen Vorgehen auch "hit hard and early".

Manchmal ist auch eine Bluttransfusion nötig. Oft ist der Zustand der Betroffenen so ernst, dass sie auf der Intensivstation künstlich ernährt, mit Sauerstoff versorgt und eventuell sogar beatmet werden müssen.

Sind die Erstmaßnahmen getroffen, ist Zeit für eine individuellere Behandlung. Wird aus einer vorher genommenen Blutprobe ein Erreger identifiziert, wird das Antibiotikum jetzt an diesen genau angepasst.

Ist der Infektionsherd gefunden, wird dieser nach Möglichkeit sofort beseitigt. Zum Beispiel werden infizierte Wunden und Abszesse chirurgisch behandelt und Fremdmaterialien wie Katheter entfernt.

Prognose

Trotz intensivmedizinischer Therapie bleibt die Behandlung oft erfolglos, vor allem bei älteren und abwehrgeschwächten Patient*innen. Bis zu 60 Prozent der Betroffenen sterben. Auch nach einer zunächst überstandenen Sepsis sterben noch bis zu 30 % der Patient*innen im Laufe eines Jahres.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Zurück in den Alltag. Betroffene kehren oft erst nach Wochen aus dem Krankenhaus oder der Reha-Klinik zurück und haben dann Schwierigkeiten, wieder in den Alltag hineinzufinden. Oft fallen die Tätigkeiten des täglichen Lebens wie Körperpflege, Einkaufen und die Haushaltsführung schwer. Sprechen Sie dann mit Ihrer Hausärzt*in. Sie wird Sie über Möglichkeiten der ambulanten Physio- oder Ergotherapie oder einer stationären Reha beraten. Auch psychotherapeutische Betreuung oder eine (vorübergehende) Unterstützung durch einen Pflegedienst können ratsam sein.

Infektionsschutz. Grundsätzlich kann jede Infektion zu einer Sepsis führen. Daher sollte man versuchen, Infektionen zu vermeiden oder angemessen zu behandeln. Bei Verdacht auf eine Infektion sollten gerade Risikogruppen lieber zu früh als zu spät in die Arztpraxis.

Risikofaktoren im Blick behalten. Jede Person kann eine Blutvergiftung entwickeln, aber nicht bei jeder Person ist die Wahrscheinlichkeit gleich hoch. Risikogruppen oder Angehörige von Risikogruppen sollten ein besonderes Auge auf Infektionen haben. So sollten beispielsweise pflegende Angehörige besonders aufmerksam bei der Katheterpflege sein und schnell reagieren, wenn die Haut um den Katheter rot, warm oder geschwollen ist oder nässt.

Impfen. Wer geimpft ist, schützt sich vor bestimmten Infekten oder verhindert zumindest, dass diese schwer verlaufen. Gerade Risikogruppen sollten mit der Hausärzt*in besprechen, welche Impfungen von der Ständigen Impfkommission empfohlen werden und sinnvoll sein könnten.

Weiterführende Informationen

https://sepsis-hilfe.org

Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm
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Sparsam mit CT bei Kindern!

Die Strahlenbelastung im CT ist höher als bei einer konventionellen Röntgenaufnahme.

Sparsam mit CT bei Kindern!

Weil Blutkrebs droht

Bei Kindern sollte man es sich besonders gut überlegen, ob eine CT-Untersuchung wirklich notwendig ist. Neue Daten zeigen, dass jede Computertomographie das Risiko für Blutkrebs erhöht.

Höhere Strahlenbelastung als normales Röntgen

CT-Untersuchungen sind mit einer höheren Strahlenbelastung verbunden als konventionelle Röntgenaufnahmen. Das liegt daran, dass meist eine Serie von Aufnahmen aus verschiedenen Winkeln gemacht wird, um detaillierte Querschnittsbilder zu erhalten.

Radioaktive Strahlung kann jedoch zu hämatologischen Krebserkrankungen führen. Vermutet wird schon lange, dass es einen Zusammenhang zwischen CT-Untersuchungen im Kindesalter und der späteren Entwicklung von Blutkrebs gibt. Bisherige Studien hatten allerdings etliche Schwächen. So war in ihnen häufig die genaue Strahlendosis nicht dokumentiert. Oder es war nicht klar, ob ein erhöhte Krebsrisiko auf eine andere Ursache zurückging.

Große internationale Studie mit fast 900 000

Teilnehmenden Aussagekräftigere Daten liefert jetzt eine aktuelle internationale Studie mit fast 900 000 Teilnehmenden. Sie hatten mindestens eine CT-Untersuchungen vor dem 22. Lebensjahr erhalten, 70% von ihnen sogar vor dem 15. Geburtstag. Die Strahlendosen waren jeweils genau dokumentiert und andere krebserregende Ursachen ausgeschlossen worden.

Während der Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 7,8 Jahren entwickelten 790 Teilnehmende einen Blutkrebs. Dabei handelte es sich vor allem um maligne Lymphome, myeloische Neoplasien und akute Leukämien.

Ein bis zwei Kinder von 10 000 bestrahlten Kindern bekommen Krebs

Das Risiko für Kinder und Jugendliche, bis zum 18. Lebensjahr eine Leukämie oder ein Lymphom zu entwickeln, beträgt etwa 0,15 %. Bei der Analyse der Daten zeigte sich, dass jede CT-Untersuchung dieses Risiko für Blutkrebs um weitere 16% erhöhte, berichtet das Forscherteam. In absoluten Zahlen bedeutet dies Folgendes: Von 10 000 Kindern, die sich einer typischen CT-Untersuchung mit 8 mGy unterziehen, werden in den folgenden zwölf Jahren ein bis zwei Kinder an Blutkrebs erkranken.

Quelle: Nature Medicine

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Dmitriy Shironosov / Alamy / Alamy Stock Photos