Gesundheit heute

Chronisches Erschöpfungssyndrom

Chronisches Erschöpfungssyndrom (Chronisches Fatigue-Syndrom/Myalgische Enzephalomyelitis, CFS/ME, chronisches Müdigkeitssyndrom): Chronisches Krankheitsbild unbekannter Ursache, gekennzeichnet durch lang andauernde, abnorm starke geistige und körperliche Erschöpfbarkeit (Fatigue ) bis zur Bettlägerigkeit sowie weiterer Beschwerden wie Schlaf-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Kopf- und Muskelschmerzen, Lymphknotenschwellung sowie eine Verschlechterung des Zustands nach jeder Art von Anstrengung. Am häufigsten erkranken Frauen zwischen 29 und 35 Jahren, insgesamt sind in Deutschland mindestens 300.000 Menschen betroffen. Es gibt keine Therapie, daher werden nur die Symptome behandelt. Eine Heilung der Erkrankung ist selten.

Leitbeschwerden

  • Erheblicher Erschöpfungszustand, der länger als sechs Monate andauert und die Lebensqualität stark einschränkt
  • Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Schlafstörungen
  • Vermindertes Kurzzeitgedächtnis, Konzentrationsschwierigkeiten (sog. brain fog)
  • Zustandsverschlechterung nach Anstrengung, keine Besserung nach Schonung oder Ruhe.

Wann in die Arztpraxis

Am selben Tag, wenn die Beschwerden plötzlich auftreten und bisher keine diagnostizierte Erkrankung vorliegt.

In den nächsten Tagen, wenn bereits ein Erschöpfungssyndrom diagnostiziert wurde und sich die bestehenden Beschwerden deutlich verschlechtern oder neue Symptome hinzukommen.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Die genauen Ursachen des chronischen Erschöpfungssyndroms sind bis heute ungeklärt. Vermutlich handelt es sich um eine Erkrankung, bei der mehrere Auslöser zusammentreffen. Betroffen sind häufig Menschen mit Immundefekten oder einer familiären Disposition, also einer vererbten erhöhten Anfälligkeit für diese Erkrankung. Als auslösende und krankheitsunterhaltende Faktoren werden vermutet:

  • eine Infektion zum Zeitpunkt hoher körperlicher Aktivität oder Stressbelastung. Dabei handelt es sich meist um eine Virusinfektion, z. B. mit dem Epstein-Barr-Virus, dem Enterovirus, dem humanen Herpes-Virus 6, dem Influenzavirus oder dem Coronavirus. Seltener ist eine Erkrankung durch Bakterien wie Lyme-Borreliose, Q-Fieber oder Legionellose
  • vorausgehende oder nachfolgende Ereignisse wie eine Schwangerschaft, eine Verletzung der Halswirbelsäule oder ein anderer Unfall, eine schwere Operation oder psychisch belastende Lebensereignisse wie ein Todesfall in der Familie oder Arbeitslosigkeit
  • krankheitsunterstützende Faktoren wie mangelnde soziale Unterstützung, körperliche oder geistige Überlastung oder reaktive Depressionen.

Als Krankheitsmechanismus wird eine Fehlsteuerung im Zusammenspiel zwischen Immunsystem, Nervensystem, Hormonsystem und Herz-Kreislaufsystem vermutet. Wahrscheinlich haben Betroffene auch eine Störung des Energiestoffwechsels und Stofftransportes in den Zellen.

Klinik

Charakteristisch für das chronische Erschöpfungssyndrom ist eine sofortige oder verzögerte, stunden- bis tagelang andauernde Erschöpfung (Fatigue) nach einer nicht im Verhältnis dazu stehenden körperlichen oder geistigen Anstrengung. Dies bezeichnet man als postexertionelle neuroimmune Erschöpfung (Abk. PENE) oder auch als postexertionelle Malaise (Abk. PEM).

Typisch ist außerdem der sog. Brain Fog, der sich durch Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, verminderte Aufmerksamkeit und verlangsamtes Denken bemerkbar macht.

Zusätzlich leiden Betroffene an Schmerzen der Muskulatur, der Gelenke und/oder Kopfschmerzen, die nach geringer Belastung oder auch schon in Ruhe auftreten.

Ausruhen und Schlafen bringen keine wesentliche Besserung der Beschwerden. Viele Betroffene beklagen sich zudem trotz ihres erhöhten Ruhebedürfnisses darüber, nur schlecht einschlafen und durchschlafen zu können.

Die Lymphknoten, besonders im Bereich des Halses, sind häufig geschwollen und druckschmerzhaft. Oft geht dies mit einem grippeartigen Gefühl, subfebrilen Temperaturen und Halsschmerzen einher.

Betroffene zeigen häufig eine erhöhte Reizempfindlichkeit, z. B. auf Geräusche, Licht und Berührungen.

Hinzu kommen weitere neurologische Störungen wie Störungen der Augenakkommodation, also der Fähigkeit Gegenstände mit den Augen zu fixieren und scharf zu sehen, sowie Koordinationsstörungen, Muskelzuckungen und Muskelschwäche oder eine Gangunsicherheit.

Viele Patient*innen beklagen Verdauungsstörungen wie beim Reizdarmsyndrom, zunehmende Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Allergieneigung, eine erhöhte Infektanfälligkeit oder eine Störung des Harnlassens.

Auch Herz-Kreislaufstörungen wie Schwindel, niedriger Blutdruck, Herzrasen, Herzstolpern und Herzrhythmusstörungen sowie Atemschwierigkeiten wie Kurzatmigkeit oder Hyperventilation, also eine schnelle flache Atmung, können auftreten.

Auffallend ist außerdem eine zunehmende Intoleranz gegenüber starken Schwankungen der Umgebungstemperatur und extremer Wärme oder Kälte.

Nicht alle Beschwerden treten gleichzeitig und von Erkrankungsbeginn an auf.

Verlauf und Schweregrade

Die klassische Erkrankungsform beginnt oft plötzlich mit Grippesymptomen, Hals-, Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen, druckschmerzhaften Lymphknoten, erhöhter Temperatur und gesteigertem Schlafbedürfnis. Sie ähnelt einem Infekt, von dem sich die Betroffenen über viele Wochen nicht erholen. Die Leistungseinschränkung kann so ausgeprägt sein, dass das Haus nicht verlassen werden kann und sogar weitgehende Bettlägerigkeit besteht. Erst nach Monaten oder Jahren kommt es bei durchschnittlich 40 % der Betroffenen zu einer meist unvollständigen Besserung, wobei häufig nicht zu entscheiden ist, ob diese durch eine bestimmte Behandlung erreicht wurde oder spontan erfolgte. Die Rückfallrate ist hoch, besonders nach Infekten, physischer Belastung und Stressperioden. Seltener beginnt die Erkrankung schleichend und verschlechtert sich über die Zeit, die Chancen auf Erholung sind hier wesentlich niedriger.

Das chronische Erschöpfungssyndrom wird in unterschiedliche Schweregrade eingeteilt. Nach den sog. Internationalen Konsenskriterien (ICC) unterscheidet man

  • mild erkrankt: Das Aktivitätsniveau ist im Vergleich zu vor der Erkrankung um 50 % reduziert.
  • moderat erkrankt: Die Patient*innen sind überwiegend ans Haus gebunden.
  • schwer erkrankt: Die Patient*innen sind überwiegend bettlägerig.
  • sehr schwer erkrankt: Die Patient*innen sind vollständig bettlägerig und unfähig, Hygienemaßnahmen selbstständig durchzuführen.

Komplikationen

Im Verlauf der Erkrankung entwickeln die Betroffenen nicht selten eine reaktive Depression. Diese kann so schwer sein, dass die Patient*innen aufgrund des hohen Leidensdrucks und der schlechten Heilungsaussichten Selbstmord begehen. Auch eine verminderte Abwehrleistung des Immunsystems gegen Infektion, allergische Reaktionen und Medikamentenunverträglichkeiten sowie zunehmende Atemstörungen sind als zum Teil tödlich endende Komplikationen bekannt.

Diagnosesicherung

Die Diagnose eines chronischen Erschöpfungssyndroms ist eine Ausschlussdiagnose, das heißt, alle anderen Krankheiten, die ähnliche Beschwerden hervorrufen können, müssen sicher ausgeschlossen sein. Hierzu zählen beispielsweise Tumorerkrankungen, Infektionskrankheiten, Autoimmunerkrankungen, Herzerkrankungen, hormonelle und psychische Erkrankungen. Die Ärzt*in führt umfangreiche Untersuchungen durch, um diese Erkrankungen auszuschließen, insbesondere Laboruntersuchungen und bildgebende Diagnostik wie Ultraschall und Magnetresonanztomografie. Erst wenn alle infrage kommenden Erkrankungen ausgeschlossen sind, kann die Diagnose gestellt werden, denn typische Labor- oder Untersuchungsbefunde, die ein chronisches Erschöpfungssyndrom sicher belegen würden, gibt es nicht.

Die Ärzt*in stellt dann die Diagnose anhand der sog. Internationalen Konsenskriterien (ICC). Hierfür muss zwingend das Leitsymptom PENE vorhanden sein. Der Erschöpfungszustand muss zur Diagnosestellung aber nicht bereits volle 6 Monate vorliegen. Außerdem müssen mindestens 3 weitere Beschwerden aus jeweils verschiedenen Symptomkategorien nachweisbar sein.

Differenzialdiagnosen

  • Tumorerkrankungen
  • Infektionskrankheiten
  • Autoimmunerkrankungen
  • Herzerkrankungen
  • Hormonelle Störungen
  • Psychische Erkrankungen.

Behandlung

Wissenschaftlich gesicherte Therapieempfehlungen liegen nicht vor. Die behandelnden Ärzt*innen versuchen gemeinsam mit den Betroffenen eine möglichst optimal auf sie abgestimmte Behandlung zu finden. Viele Patient*innen mit Muskel, Gelenk- oder Kopfschmerzen profitieren von Schmerzmitteln. Hierzu werden verschiedene nichtsteroidale Analgetika wie Ibuprofen, Paracetamol oder Naproxen ausprobiert. Bei starken Schmerzen kommen auch Gabapentin oder Pregabalin infrage. Gegen Schlafstörungen können Melatonin, Tryptophan und Doxepin, sowie Zopiclon oder Zolpidem verordnet werden. Einige Patient*innen können ihr Aktivitätsniveau durch stimulierende Psychopharmaka wie Methylphenidat oder Modafinil steigern. Auch Ginseng und Coenzym Q10 können die Aktivität und Konzentration unterstützen. Liponsäure und N-Acetylcystein können gegen Muskelschmerzen und die Fatigue hilfreich sein. Flohsamenschalen können möglicherweise Reizdarmbeschwerden lindern.

Vollkommene Schonung als Strategie gegen die Fatigue ist ungeeignet. Weniger Aktivität verringert die Belastbarkeit durch Abbauvorgänge weiter, sodass ein Teufelskreis entsteht. Physiotherapeutische Behandlungen und ein angepasstes körperliches Training helfen, diesen Teufelskreis zu stoppen. Die Aktivität richtet sich hierbei aber immer nach der persönlichen Situation der Betroffenen. Eine Überlastung muss unbedingt vermieden werden.

Bei einer reaktiven Depression ist die Einnahme von Antidepressiva erforderlich. Vielen Patient*innen hilft dann auch eine Psychotherapie. Sind Betroffene stark auf ihre Beschwerden fixiert und verstärken so den Leidensdruck, ist eine kognitive Verhaltenstherapie wirksam.

Wichtig ist auch ein gutes Krankheitsmanagement. Weil das chronische Erschöpfungssyndrom sehr individuell ist, sind Betroffene meist die besten Expert*innen für den alltäglichen Umgang mit ihrer Erkrankung. Sie wissen am besten, wann sie eher viel und wann besonders wenig Energie haben und wie sie ihren Tagesrhythmus entsprechend anpassen. Sie sollten darauf achten, wie sie ihre Reserven am besten einteilen und Überlastungen vermeiden. Dieses Krankheitsmanagement wird als Coping und Pacing bezeichnet.

Prognose

Spontanheilungen sind selten. Die meisten Betroffenen bleiben ihr Leben lang eingeschränkt. Häufig führt das chronische Erschöpfungssyndrom zur Berufsunfähigkeit, bei schwer Erkrankten auch zur Pflegebedürftigkeit. Aufgrund der schlechten Prognose und des hohen Leidensdrucks liegt die Selbstmordrate bei 20 %.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Aktiv bleiben. Leichte körperliche Aktivität, die sehr langsam gesteigert wird, aber auf keinen Fall überfordert, baut körperlich und seelisch auf. Die Aktivität richtet sich hierbei nach der persönlichen Situation der Betroffenen. Bei weitestgehend Bettlägerigen kann schon mehrmals tägliches kurzes Sitzen an der Bettkante eine Herausforderung sein. Wenn hierbei das Zimmer frisch gelüftet wurde und vielleicht der Blick aus dem Fenster Ablenkung vom Krankheitsalltag ermöglicht, empfinden viele Betroffene diese kleine Aktivität aber als wohltuend und kräftigend. Für weniger schwer Betroffene eignen sich leichte Gymnastik- und Dehnübungen im Liegen oder Sitzen, später auch Spaziergänge. Es ist immer darauf zu achten, sich nicht zu überfordern und die Aktivität lieber an das tägliche Energieniveau anzupassen als einem starr festgelegten "Trainingsplan" zu folgen. Optimal sind Aktivitäten direkt an der frischen Luft.

Aktivitätstagebuch. Ein Aktivitätstagebuch hilft, Überlastungen zu vermeiden. Hierzu werden Aktivitäten in leicht, mittelschwer und schwer eingeteilt und täglich dokumentiert. So werden starke Aktivitätsschwankungen erkannt und ihnen besser entgegengewirkt.

Nahrungsergänzungsmittel. Nehmen Sie Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente immer nur nach Rücksprache mit Ihrer Ärzt*in ein. Sie kann vorher eine Bedarfsanalyse durchführen und sie umfassend beraten. Zu beachten ist, dass auch Nahrungsergänzungsmittel überdosiert werden können und dann mehr schaden als nützen. Auch können bestimmte Nahrungsergänzungsmittel bei einer Überversorgung oder Unverträglichkeit die Beschwerden noch verstärken. Fragen Sie Ihre Ärzt*in oder Apotheker*in um Rat.

Weiterführende Informationen

https://www.fatigatio.de/

https://www.mecfs.de/

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette André-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Daniela Grimm
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6 Tipps gegen Maskendermatitis

Alle vier Stunden sollte zur Erholung der Gesichtshaut eine kurze Maskenpause eingelegt werden.

6 Tipps gegen Maskendermatitis

Mit Pflege und Pausen

Das Tragen von Atemschutzmasken geht oft nicht spurlos an der Gesichtshaut vorüber. Vor allem bei empfindlicher Haut kommt es schnell zu Rötungen und Juckreiz. Doch der Maskendermatitis lässt sich vorbeugen.

Mechanische Reibung und verändertes Hautmilieu

Gesichtsmasken stressen die Haut – etwa durch die mechanische Reibung. Selbst für gesunde Haut ist der Reiz oft so stark, dass sie mit Entzündungen, Hautunreinheiten und Juckreiz reagiert. Bei vorbestehenden Hauterkrankungen wirkt die Reibung noch intensiver, weshalb sich bei Akne oder Rosacea das Hautbild im Bereich der Maske oft verschlechtert.

Ein zweiter Stressfaktor für die Haut sind Wärme und Feuchtigkeit unter der Maske. Durch das veränderte Hautmilieu drohen Rötungen, Entzündungen und Juckreiz. Wer sich dann noch wiederholt ins Gesicht greift, um das Jucken und Kribbeln zu mindern, riskiert zusätzlich Infektionen. Besonders häufig davon betroffen sind Personen mit empfindlicher Haut, Neurodermitis oder seborrhoischer Dermatitis.

So beugt man vor

Um es gar nicht erst zu Hautreizungen kommen zu lassen, gibt es einige Tipps:

  • Morgens und abends die Haut gründlich, aber mild reinigen. Empfehlenswert sind Reinungscremes ohne Alkohol. Besonders milde Produkte sind in der Apotheke erhältlich, dort gibt es auch Beratung zum Hauttyp.
  • Nach der Reinigung sollte eine milde Creme aufgetragen werden. Weil durch die Maske die Abgabe von Wärme und Schweiß reduziert ist, sind leichte Cremes von Vorteil. Braucht trockene Haut mehr Pflege, sollten reichhaltige Präparate über Nacht aufgetragen werden.
  • Wer zu Akne neigt, profitiert von einer Tagespflege mit Zink. Dadurch wird ein Feuchtigkeitsstau unter der Maske vermieden. Auch gerbstoffhaltige Cremes sind dafür geeignet. Auf eine Desinfektion mit Alkohol sollte verzichtet werden, das reizt die Haut zusätzlich.
  • Beim Make-up gilt: Weniger ist mehr. Es sollte deshalb darauf geachtet werden, dass die Produkte möglichst wenig reizende Inhaltsstoffe enthalten. Ob man besser ganz auf Make-up verzichtet, ist umstritten.
  • Maskenpause einlegen. Alle vier Stunden runter mit der Maske und die Haut 15 Minuten frei atmen lassen.
  • Auf guten Sitz der Maske achten. Auf diese Weise wird die mechanische Reibung reduziert. Außerdem fasst man sich weniger ins Gesicht, um die Maske wieder zu richten.

Wichtig: Alle bestehenden, ärztlich verordneten Hauttherapien sind auch unter der Maske fortzuführen. Verschlechtert sich das Hautbild stark, sollte man den Gang zur Hautärzt*in antreten.

Quelle: pta heute

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: r.classen/shutterstock.com