Gesundheit heute

Systemischer Lupus erythematodes

Systemischer Lupus erythematodes (SLE, Schmetterlingsflechte, Lupus visceralis, Lupus disseminatus): Chronisch-entzündliche Autoimmunkrankheit mit Befall zahlreicher Organe und unterschiedlichsten Verlaufsformen. Die häufigsten Symptome sind Fieberschübe, Gelenkbeschwerden und Hautveränderungen. Die etwa 35 000 Betroffenen in Deutschland sind zu 80 % weiblich, die ersten Symptome zeigen sich meist mit 30 Jahren. Zum Eindämmen der entzündlichen Prozesse werden Hydroxychloroquin und, wenn nötig, Kortison eingesetzt. Bei drohenden Organschäden kommen immununterdrückende Medikamente hinzu.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Fieber, Müdigkeit, Gewichtsverlust
  • Gelenkschmerzen und Muskelschmerzen
  • Scheibenförmige rote, manchmal schuppende Flecken an unbedeckter Haut (Arme, Hände, Dekolleté, Nacken)
  • Symmetrische Rötung auf Nasenrücken und Wangen (Schmetterlingserythem).

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, bei

  • unerklärbarem Gewichtsverlust oder Fieber
  • Gelenk- oder Muskelschmerzen
  • neu aufgetretenen ungewöhnlichen Hautveränderungen.

Die Erkrankung

Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronische Autoimmunkrankheit. Dabei richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper. Beim SLE werden vor allem die Gefäße angegriffen. Das passiert, indem das Immunsystem Antikörper gegen die Zellkerne der eigenen Körperzellen bildet.

Häufigkeit und Vorkommen

Vom SLE sind vor allem Frauen im gebärfähigen Alter betroffen. In Europa geht man davon aus, dass auf 100 000 Einwohner*innen etwa 30 bis 50 Betroffene kommen. Die Erkrankung tritt weltweit auf. In Asien ist sie doppelt, in Afrika sieben- bis achtmal so häufig wie in Europa.

Ursachen

An der Entstehung des SLE sind mehrere Faktoren beteiligt. Eine Rolle spielt die genetische Veranlagung. Womöglich liegt die Störung auf dem zweiten X-Chromosom, das nur Frauen haben, weshalb auch mehrheitlich Frauen an einem SLE erkranken. Als wichtige weitere Auslöser werden Virusinfektionen (z. B. mit dem Ebstein-Barr-Virus) und Sonnenlicht betrachtet.

Hinweis: Beim medikamenteninduzierten Lupus erythematodes (siehe unten) führt die Einnahme bestimmter Medikamente zu einem Beschwerdebild, das dem SLE gleicht.

Klinik

Die Erkrankung entwickelt sich oft schleichend, wobei die Beschwerden in Schüben auftreten. Im akuten Schub fühlen sich die Patient*innen müde, krank und abgeschlagen und haben häufig Fieber. Dazu kommen weitere organspezifische Symptome und Befunde – in jeweils ganz unterschiedlichem Ausmaß:

  • Haut (bei 95 % der Patient*innen betroffen): Die Haut von Lupuserkrankten ist sehr empfindlich gegenüber UV-Strahlen. Vor allem an sonnenlichtexponierten Stellen wie z. B. dem Dekolleté entstehen Rötungen, Hornhautverdickungen und Pigmentstörungen (UV-Licht kann sogar Krankheitsschübe auslösen). Bei 50 % der Betroffenen zeigt sich die typische schmetterlingsförmige Hautrötung im Gesicht (Schmetterlingserythem). 20 % haben ein sekundäres Raynaud-Syndrom, bei dem sich durch Kälte die kleinen Blutgefäße der Finger kleinstellen. Die Finger verfärben sich dann zuerst weiß und später blaurot. Manche Erkrankte leiden auch an nicht-vernarbendem Haarausfall, oft treten Schleimhautentzündungen in Mund und Rachen auf.
  • Gelenke (95 %): Meist morgens machen sich schmerzhafte, geschwollene Gelenke insbesondere an Knien und Händen bemerkbar. Häufig sind die Sehnenscheiden mitbefallen. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis nehmen die Gelenke dabei allerdings keinen Schaden.
  • Blut: Es kommt zu Anämie (Blutarmut, also Mangel an roten Blutkörperchen), aber auch zu Leuko- und/oder Thrombozytopenie (Mangel an weißen Blutkörperchen bzw. Blutplättchen). Etliche Patient*innen weisen Gerinnungsstörungen auf. Diese führen zu Thrombosen und Schlaganfällen und bei Schwangeren zu einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten.
  • Lungen: Häufig entwickeln sich Rippenfellentzündungen (50 %) mit starken Schmerzen beim Atmen. Bei vielen Patient*innen kommt es zu einer nicht-infektiösen Lungenentzündung, bei der das Lungengewebe schließlich bindegewebig vernarbt (Lungenfibrose). Die Folgen sind Husten und Luftnot.
  • Nieren (45 %): Die Nierenentzündung (Lupusnephritis) gehört zu den folgenschwersten Manifestationen des SLE. Dabei führen entzündliche Veränderungen und Ablagerungen an den Glomeruli (den Filterkörperchen der Niere) dazu, dass über die Niere vermehrt Eiweiß verloren geht. Gleichzeitig können gewisse Abfallstoffe des Körpers nicht mehr gut ausgeschieden werden. Unbehandelt droht im schlimmsten Fall ein komplettes Nierenversagen.
  • Herz und Gefäße (40 %): Am häufigsten entzündet sich der Herzbeutel (Perikarditis), was zu beschleunigtem Herzschlag, Atemnot und Fieber führt. Seltener sind Herzinnenhaut oder Herzmuskel betroffen (Endokarditis und Myokarditis), Zeichen dafür sind Schwäche und Schmerzen. Die lupusbedingte Entzündung des Gefäßbindegewebes und die im Blut auftretenden Antikörper bewirken, dass die Gefäße schneller verkalken. In der Folge kommt es vermehrt zu Herz-Kreislauferkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall.
  • Zentrales Nervensystem (30 %): Der SLE kann durch entzündliche Vorgänge eine ganze Reihe von Störungen des ZNS hervorrufen. Dazu zählen Krampfanfälle und Psychosen, starke Kopfschmerzen, Depressionen sowie Störungen von Merkfähigkeit und logischem Denken.

Verlauf

Da sowohl die Schwere als auch der Verlauf stark variieren, sprechen manche Ärzt*innen davon, dass die Krankheit "würfelt": chronisch schubförmige, seltener auch kontinuierlich fortschreitende Verläufe, der Wechsel der betroffenen Organe – alles ist möglich. Das Ausmaß der Beschwerden unterscheidet sich ebenso. Manche Patient*innen leiden stark unter Hauterscheinungen und Gelenkbeschwerden. Andere merken von ihrer Erkrankung kaum etwas – z. B. wenn nur die Niere betroffen ist. Letzteres ist aber umso gefährlicher, weil die Diagnose dann oft erst gestellt wird, wenn das Organ schon schwer geschädigt ist.

Sonderformen

Beim Lupus gibt es zwei wichtige Sonderformen. Den medikamenteninduzierten Lupus erythematodes und den kutanen Lupus erythematodes.

Der medikamenteninduzierte Lupus erythematodes wird durch Arzneimittel ausgelöst. Bekannt dafür sind das Antiarrhythmikum Procainamid, die Hochdruckmedikamente Hydralazin und Methyldopa sowie das Tuberkulosemedikament Isoniazid. Sie verursachen Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Hauterscheinungen, die dem SLE stark ähneln. Häufig kommt es auch zu schmerzhaften Entzündungen des Rippenfells oder des Herzbeutels (Pleuritis, Perikarditis). Durch Absetzen des auslösenden Medikaments bilden sich die Beschwerden komplett zurück.

Im Gegensatz zum traditionellen SLE sind beim medikamenteninduzierten Lupus erythematodes deutlich mehr Männer als Frauen betroffen. Unterscheiden lassen sich die beiden Formen durch die Blutuntersuchung: Beim medikamenteninduzierten Lupus finden sich im Blut meist Anti-Histon-Antikörper, aber keine Antikörper gegen Doppelstrang-DNA. Beim normalen SLE ist das Gegenteil der Fall: Keine oder nur selten Anti-Histon-Antikörper, dafür häufig Antikörper gegen Doppelstrang-DNA.

Eine weitere wichtige Sonderform ist der kutane Lupus erythematodes. Er zeichnet sich dadurch aus, dass die Veränderungen größtenteils auf die Haut beschränkt bleiben. Von ihm gibt es zahlreiche Varianten, die mit den unterschiedlichsten Hautläsionen aufwarten. In seltenen Fällen kann sich aus einem kutanen Lupus erythematodes ein SLE entwickeln.

Diagnosesicherung

Meist führen Gelenkschmerzen, Fieber und Müdigkeit die Patient*innen zur Ärzt*in. Treten dann auch noch Hauterscheinungen auf, liegt der Verdacht auf einen SLE nahe. Für die SLE-Diagnose müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Dazu gehören Befunde aus den Blutuntersuchungen und Organveränderungen.

Blutuntersuchungen. Bei Verdacht werden zuerst die sog. Antinukleären Antikörper (ANA) im Blut bestimmt. Ein ANA-Titer über 1 : 80 bekräftigt die Verdachtsdiagnose SLE. In diesem Fall folgen genauere Blutuntersuchungen. Im Fokus stehen dabei das Blutbild, bestimmte Autoantikörper und weitere Blutbestandteile. Für einen SLE sprechen

  • verminderte rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen
  • Anti-Doppelstrang-DNA-Antikörper und Antiphospholipid-Antikörper
  • erniedrigte Komplementfaktoren, also bestimmte Eiweiße, die im Immunsystem eine Rolle spielen.

Klinische Untersuchungen. Hierbei werden alle vom SLE bedrohten Organe unter die Lupe genommen. Häufig zieht die behandelnde Rheumatolog*in dafür spezialisierte Fachärzt*innen heran, z. B. aus der Kardiologie, Nephrologie oder Pneumologie. Neben bildgebenden Verfahren (Röntgen, Ultraschall, MRT) und weiteren Blut- und Urinuntersuchungen (Kreatinin im Blut, Erythrozyten und Eiweiß im Urin) sind manchmal auch Biopsien erforderlich. Die Proben für die Gewebeuntersuchungen werden aus befallenen Hautbereichen oder, bei Verdacht auf eine Lupusnephritis, der Niere entnommen.

Die Laboruntersuchungen und die klinischen Befunde sind immer in der Gesamtschau zu betrachten. Da Lupuspatient*innen in der Regel nur einige der oben genannten Befunde aufweisen und sich auch nicht immer Antikörper im Blut befinden, werden die einzelnen Ergebnisse bepunktet und diese Punkte zusammengezählt. Bei Erreichen einer bestimmten Summe gilt die Diagnose als hochwahrscheinlich.

Differenzialdiagnosen. Je nach Ausprägung kommen verschiedene Differenzialdiagnosen infrage. Überwiegen die Gelenkbeschwerden, ist vor allem eine rheumatoide Arthritis auszuschließen. Sind Hauterscheinungen prominent, kommen Dermatomyositis und systemische Sklerose differenzialdiagnostisch infrage. Ähnlich wie ein Lupus mit schubweisem Fieber und Gelenkschmerzen kann zudem eine Polyarteriitis nodosa verlaufen.

Behandlung

Eine Heilung ist beim SLE nicht möglich. Ziel der Behandlung ist vielmehr, die Schübe zu verhindern oder wenigstens abzukürzen, die Beschwerden zu lindern sowie dauerhafte Organschäden zu vermeiden. Besonderes Augenmerk gilt dem Erhalt der Nierenfunktion. Aufgrund des kaum vorhersehbaren Verlaufs ist die Kontinuität der ärztlichen Betreuung und das Vertrauensverhältnis zwischen Rheumatolog*in und Patient*in besonders wichtig. Die unterschiedlichen Medikamente werden je nach Schwere und Organbefall eingesetzt und bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen an die Krankheitsaktivität angepasst.

Basistherapie. Alle SLE-Patient*innen sollen Hydroxychloroquin einnehmen – unabhängig von der Krankheitsaktivität. Das Antimalariamittel senkt das Risiko für Schübe und die Sterblichkeit. Die Dosierung wird an das jeweilige Ausmaß der Entzündung angepasst. Zieldosis sind 5 mg/kg Körpergewicht am Tag. Bei leichten Gelenkschmerzen helfen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), bei leichten Hautbeschwerden Kortisonsalben. Zur Basistherapie gehören auch etliche nicht-medikamentöse Maßnahmen wie z. B. ein konsequenter Lichtschutz (siehe Ihre Apotheke empfiehlt).

Behandlung von Schüben und schweren Verläufen. Reicht Hydroxychloroquin zum Eindämmen der Krankheitsaktivität nicht aus, kommt Kortison hinzu. In schweren Fällen zunächst intravenös als Stoßtherapie, danach anschließend in Tablettenform. Um die unerwünschten Wirkungen von Kortison zu minimieren, versucht man, die Kortisondosis auf weniger als 5 mg/Tag zu reduzieren. Gelingt dies nicht, werden zusätzlich immununterdrückende Medikamente verordnet. Infrage kommen dafür Methotrexat, Azathioprin und Mycophenolat, bei drohendem Organversagen auch Cyclophosphamid. Seit einiger Zeit gibt es mit Anifrolumab und Belimumab weitere Medikamente, die für den Lupus zugelassen sind. Letzteres ist ebenso wie der Calcineurininhibitor Voclosporin besonders zur Behandlung der Lupusnephritis geeignet. Wenn alle Wirkstoffe versagen, sind in schwersten Fällen auch der Plasmaaustausch, die Stammzelltherapie sowie die Gabe von CAR-T-Zellen eine Option.

Prognose

Ist die Erkrankung gut unter Kontrolle, haben die Betroffenen langfristig eine Lebenserwartung, die der von Gesunden gleicht. Die wenigsten SLE-Patient*innen sterben heute in einem Schub oder aufgrund von Organschäden. Durch die beschleunigte Arteriosklerose sind heute stattdessen Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache beim SLE.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Hilfe suchen. Die Diagnose SLE ist für die Betroffenen häufig zunächst ein Schock. Je besser man seine Erkrankung versteht, desto besser kann man damit umgehen. Unterstützung bringen Ratgeber und vor allem Selbsthilfegruppen.

Lichtschutz. UV-Licht kann nicht nur die Hauterscheinungen, sondern auch die Krankheit insgesamt aktivieren. Deshalb ist die wichtigste Maßnahme für Lupuspatient*innen ein guter Lichtschutz. Solarien oder direkte Sonnenexposition sind unbedingt zu vermeiden. Im Freien sollten Betroffene auf unbedeckte Hautbereiche konsequent Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor auftragen.

Vitamin D. Das durch UV-Licht in der Haut gebildete Vitamin D ist ein wichtiger Nährstoff für die Knochen. Wer aus gesundheitlichen Gründen die Sonne meidet, sollte regelmäßig den Vitamin-D-Spiegel im Blut messen lassen. Ist dieser zu niedrig, hilft die Substitution von Vitamin D über Nahrungsmittel oder als Vitamintablette.

Infektionsprophylaxe. Auch Infektionen können Schübe auslösen, weshalb sich Betroffene davor schützen sollten. Dabei helfen die gängigen Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen und das Meiden von Menschenmengen, insbesondere in Erkältungszeiten. Ist das nicht möglich, können Mund-Nasen-Masken vor Tröpfcheninfektionen mit Viren schützen. Zudem sollte man seine nähere Umgebung von der Erkrankung und der Infektionsgefahr informieren und andere Menschen um das Einhalten von Husten- und Niesetikette bitten.

Impfungen. Impfungen bewahren Lupuspatient*innen ebenfalls vor Infektionen. Der empfohlene Impfschutz ist regelmäßig zu überprüfen und evtl. aufzufrischen – natürlich abgestimmt auf die medikamentöse Behandlung und den Krankheitsverlauf. Totimpfungen wie z. B. gegen Covid-19, Grippe oder Tetanus sind in der Regel unproblematisch. Bei Lebendimpfungen (Masern, Röteln, Mumps) muss die behandelnde Ärzt*in individuell entscheiden, ob diese möglich sind.

Kinderwunsch. Lupuspatient*innen müssen heute nicht mehr auf Kinder verzichten. Zwar sind Fehl- und Frühgeburten etwas häufiger als bei gesunden Frauen. Die Neugeborenen haben aber kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen. Eine Schwangerschaft sollte immer gemeinsam mit der behandelnden Ärzt*in und der Gynäkolog*in geplant werden. Einige Lupusmedikamente dürfen während der Empfängnis und in der Schwangerschaft nicht verwendet werden und sind deshalb durch andere zu ersetzen. Zudem ist eine engmaschige Kontrolle der Krankheitsaktivität wichtig.

Mundgesundheit. Lupuspatient*innen entwickeln häufig Geschwüre im Mund. Treten sie auf, sollte man unbedingt die behandelnde Ärzt*in aufsuchen. Denn Mundgeschwüre können ein Zeichen dafür sein, dass der SLE aktiv ist.

Weiterführende Informationen

Die Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft e. V. hat 3000 Mitglieder und 60 bundesweite regionale Selbsthilfegruppen. Auf ihrer Webseite bietet sie Kontakte und Informationen.

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Was Männerknochen stabil hält

Die Milch macht`s - auch im Kampf gegen die männliche Osteoporose.

Was Männerknochen stabil hält

Osteoporose vorbeugen

Osteoporose ist kein reines Frauenproblem. Auch Männerknochen werden mürbe – und das meist mit drastischeren Folgen als bei Frauen. Lesen Sie hier, wann auch Männer an eine Osteoporose denken sollten und wie das Vorbeugen gelingt.

Später Bruch mit schweren Folgen

Eigentlich sind Männer in Sachen Knochenstabilität klar im Vorteil: Denn bei Ihnen ist die sogenannte „Knochenmasse“ in aller Regel prinzipiell höher als bei Frauen. Hinzu kommt, dass Männer keine Menopause durchmachen – also die Phase, in der Frauen hormonell bedingt am schnellsten und am meisten Knochenmasse verlieren. Doch auch bei Männern gilt: Nach dem dritten Lebensjahrzehnt nimmt die Knochenmasse kontinuierlich ab. Und zwar so stark, dasswahrscheinlich jeder zehnte Mann über 65 von Osteoporose betroffen ist.

Bei Männern reduziert sich die Knochenmasse allerdings eher schleichend. Deshalb kommt es bei im Vergleich zu Frauen meist erst viel später zu osteoporotischen Knochenbrüchen. Weil die betroffenen Männer dann aber schon sehr alt sind, stecken sie den Bruch deutlich schlechter weg als die vergleichsweise früher betroffenen Frauen. So zeigen Studien, dass über ein Drittel der Männer mit Hüftfraktur im ersten Jahr nach dem Trauma verstirbt. Und diejenigen, die überleben, kommen oft nicht mehr richtig auf die Beine.

Warum Männerknochen brechen

Und noch einen weiteren Unterschied zur „weiblichen“ Osteoporose gibt es. Frauen leiden in den meisten Fällen unter einer primären Osteoporose. Dazu zählt die Osteoporose auf Grund des altersbedingten Knochenabbaus und die postmenopausale Osteoporose. Die primäre Osteoporose wird begünstigt durch falsche Ernährung, Rauchen und Bewegungsmangel.

Bei Männern hingegen ist die Osteoporose meist – in zwei Drittel der Fälle -sekundär, d.h., der Auslöser sind andere Erkrankungen wie z. B.

  • Hormonstörungen wie Hypogonadismus, Schilddrüsenüberfunktion oder Hyperparathareoidismus
  • rheumatische Erkrankungen
  • Diabetes, chronische Nierenerkrankungen, Herzinsuffizienz
  • entzündliche Darmerkrankungen
  • alkoholische Lebererkankung, Alkoholismus.

Auch die Einnahme von Medikamenten kann zu einer sekundären Osteoporose führen. Besonders häufig ist dies bei Glukokortikoiden der Fall. Hier kommt es manchmal schon nach drei Monaten Glukokortikoidtherapie zu einer verringerten Knochendichte. Ebenfalls begünstigt wird die Osteoporose durch Arzneimittel gegen männliche Geschlechtshormone, die beim Prostatakrebs verschrieben werden. Weitere knochengefährdende Arzneimittel sind Protonenpumpeninhibitoren zur Behandlung von Magengeschwüren, bestimmte Antidepressiva (SSRI), Insulinsensitizer zur Behandlung des Diabetes mellitus oder Antiepileptika und Immunsuppressiva.

Tipp: Mit Hilfe eines Online-Tests kann man das eigene Osteoporose-Risiko abschätzen. Wer dabei mehr als fünf Fragen mit „Ja“ beantwortet, sollte das Thema Osteoporose bei der behandelnden Ärzt*in ansprechen.

Obacht bei Rückenschmerzen im Alter!

Leider ist es für Männer oft gar nicht so leicht, eine Osteoporose zu erkennen. Erst spät stellen sich Rückenschmerzen ein, z. B., wenn es durch den Knochenschwund zu Wirbelkörperbrüchen gekommen ist. Häufig wird eine Osteoporose auch dann entdeckt, wenn sich der Betroffene bei einem leichten Sturz Arm, Bein oder Hüfte bricht.

b aufgrund von Rückenschmerzen oder zur Abklärung eines verdächtigen Knochenbruchs: Diagnostiziert wird die Osteoporose mit bildgebenden Verfahren. Die Knochendichtemessung (Dual X-ray-Absorptiometry, kurz DEXA) gibt Auskunft über die Qualität des Knochens. Gemessen wird an der Lendenwirbelsäule, am Oberschenkelhals und am Oberschenkelknochen. Das Ergebnis ist der T-Wert, der die sogenannte Knochenmineraldichte widerspiegelt. Ausschlaggebend für die Diagnose ist der niedrigste der drei ermittelten Werte. Ein T-Wert ≤2,5 gilt nach Vorgaben der WHO als Osteoporose. Bei Werten zwischen -1 und -2,5 handelt es sich um eine Osteopenie, die Vorstufe der Osteoporose.

Neben der Knochendichtemessung helfen beim Verdacht auf Osteoporose auch konventionelle Röntgenaufnahmen. Sie zeigen auf, ob es schon zu osteoporotischen Veränderungen oder unbemerkten Brüchen an den Wirbelkörpern gekommen ist. Im Zweifel wird auch eine Kernspinuntersuchung herangezogen, da diese Veränderungen im Knochen noch deutlicher darstellt.

Blutuntersuchungen gehören beim Abklären einer Osteoporose ebenfalls dazu. Sie geben nicht nur Aufschluss darüber, wie es mit dem Kalzium- und dem Vitamin-D-Haushalt aussieht. Die Bestimmung von Hormonen, Nieren- und Leberwerten lässt zwischen einer primären und einer sekundären Osteoporose unterscheiden und die Ursache für eine zugrundeliegende Erkrankung erkennen.

Kalzium, Vitamin D und Osteoporosemedikamente

Basis für die Knochengesundheit ist seine ausreichende Versorgung mit Kalzium (siehe unten). Ob neben der Ernährung eine zusätzliche Kalziumgabe in Form von Tabletten erforderlich ist, entscheidet die Ärzt*in. Das gleiche gilt für Vitamin D. Je nachdem wie hoch die Vitamin-D-Werte im Blut sind sind, rät die Ärzt*in zur Einnahme von Vitamin-D-Tabletten. Empfohlen wird dabei meist eine Tagesdosis von 800 bis 2000 IE (Internationale Einheiten).

Spezielle Osteoporosemedikamente verbessern die Knochendichte und beugen damit Knochenbrüchen vor. Es gibt zwei Wirkansätze: Antiresorptive Substanzen wie Bisphosphonate oder Denosumab hemmen den Knochenabbau. Osteoanabole Wirkstoffe wie das Parathormon-Analogon Teriparatid fördern den Knochenaufbau Ihr Einsatz hängt von der gemessenen Knochendichte und dem Alter ab. Je älter der Patient ist, desto früher sollte damit begonnen werden. Nach den Leitlinien sollen Männer unter 50 Jahren bei einem T-Wert ≤ -4,0 spezifische Osteoporosemedikamente erhalten, 75-jährige Männern dagegen schon bei einem T-Wert ≤ -2,0.

  • Bisphosphonate wie Alendronat hemmen die Aktivität der knochenabbauenden Zellen und beugen nachgewiesenermaßen Knochenbrüchen vor. Ist noch kein osteoporotischer Knochenbruch aufgetreten, empfehlen Expert*innen die Einnahme für drei Jahre. Nach dem Absetzen geht man davon aus, dass der Knochen eine geraume Zeit stabil bleibt. Um dies zu überwachen sind regelmäßige Knochendichtemessungen erforderlich. Bisphoshonate können zu Magen-Darm-Unverträglichkeiten bis hin zu Magen- und Speiseröhrengeschwüren führen. Damit es dazu nicht kommt gelten folgende Einnahmeregeln:
    • Tabletten immer morgens auf nüchternem Magen und in aufrechter Position einnehmen.
    • Dazu ein großes Glas Leitungswasser trinken.
    • Das Frühstück frühestens eine halbe Stunde später einnehmen (bei anderen Bisphosphonaten wie Etidronat muss man sogar zwei Stunden nüchtern bleiben).
    • Frühestens 30 Minuten nach Einnahme des Wirkstoffs wieder hinlegen.
    • Um die Aufnahme der Wirkstoffe zu gewährleisten sind andere Medikamente nur mit größerem zeitlichen Abstand einzunehmen. Entscheidend dafür sind die Hinweise im Beipackzettel des jeweiligen Bisphosphonats.

  • Denosumab. Ein weiterer Hemmstoff des Knochenabbaus ist der Antikörper Denosumab. Er ist speziell zugelassen für Männer mit Prostatakrebs, die sich einer Hormonablationstherapie unterziehen (also künstlich den Testosteronspiegel gesenkt bekommen) und dadurch ein erhöhtes Osteoporose- und Knochenbruchrisiko haben. Er wird alle sechs Monate unter die Haut gespritzt.
  • Teriparatid. Für Männer mit besonders ausgeprägter Osteoporose und hohem Knochenbruchrisiko steht auch noch ein knochenaufbauender Wirkstoff zur Verfügung. Dabei handelt es sich um ein Analogon des körpereigenen Parathormons mit Namen Teriparatid. Es darf 24 Monate lang verabreicht werden, danach wird eine Therapie mit knochenabbauhemmenden Substanzen angeschlossen.

Insgesamt haben spezifische Osteoporosemedikamente eine ganze Reihe von Nebenwirkungen, weshalb sie meist nur für einen gewissen Zeitraum eingesetzt werden.

Hinweis: Bei der sekundären Osteoporose ist die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung essenziell, damit sich der Knochen erholen kann. Ist die Ursache des Knochenabbaus ein Medikament, muss die Ärzt*in prüfen, ob man dieses vielleicht absetzen oder austauschen kann.

Gezielt turnen und ins Korsett

Zum Behandlungskonzept bei Osteoporose gehören auch physiotherapeutische Maßnahmen. Denn nur durch gezielte Übungen lässt sich die Beweglichkeit erhalten oder wiederherzustellen. Durch die Belastung bessern sich auch der Knochenstoffwechsel und der Aufbau von Knochensubstanz. Ein spezielles Gang- und Standtraining soll zudem Stürzen vorbeugen.

Vor allem nach osteoporosebedingten Wirbelkörperbrüchen bekommt die Patient*in häufig ein modernes Stützkorsett verschrieben. Je nach Variante richten sie den Körper auf, geben Halt und fördern die aktive Korrektur der Wirbelsäule. Dadurch werden nicht nur die Schmerzen gelindert. Das Korsett ermöglicht auch, die Mobilität zu erhalten und Stürze zu verhindern.

Hinweis: Männer sind im Alter häufig weniger autark als Frauen. Für sie sind daher Rehabilitationsmaßnahmen besonders wichtig, um ein ausreichendes Maß an Selbstständigkeit zu gewinnen oder bewahren.

Gesunder Lebensstil beugt vor

Vor einer Osteoporose ist niemand gefeit, denn älter wird jeder und weitere Risikofaktoren dafür gibt es viele. Mit einem gesunden Lebensstil kann man aber zumindest der primären Osteoporose vorbeugen:

  • Körperlich aktiv bleiben. Bewegung hält nicht nur den Knochen stark, sondern auch die ihn stützenden und führenden Muskeln, Sehnen und Bänder. Am besten ist es, täglich zu trainieren. Schon dreißig Minuten flottes Spazierengehen, Joggen oder Walken bringen den Stoffwechsel auf Trab und fördern damit auch die Versorgung des Knochens mit den nötigen aufbauenden Substanzen. Wer zusätzlich Muskelkraft und Koordination trainiert, beugt zudem Stürzen und damit Knochenbrüchen vor. Viele Fitnessstudios bieten spezielle Programme gegen Osteoporose an. Es lohnt sich, bei der Krankenkasse nachzufragen, ob diese die Kosten oder zumindest einen Teil davon übernimmt.
  • Knochenfreundlich ernähren. Eine gesunde Ernährung ist das A und O für den Knochenaufbau. Empfohlen wird die Aufnahme von 1000 bis 1500 mg Kalzium pro Tag. Gut geeignet sind Milch, Käse und Joghurt, aber auch Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse. Eine Scheibe Emmentaler (30 g) enthält beispielsweise etwa 330 mg Kalzium, ein Glas Milch oder Kefir 240 mg. Spitzenreiter bei den Gemüsen sind gegarter Blattspinat (310 mg Kalzium pro 210-g-Portion) und gegarter Grünkohl (280 mg/160 g). Andere wichtige Substanzen wie Folsäure, Kalium und Vitamin B12 sind in einer gesunden Mischkost meist ohnehin ausreichend erhalten.
  • Untergewicht vermeiden. Untergewicht ist ein Risikofaktor für die Osteoporose. Außerdem ist eine Gewichtsabnahme im Alter oft mit einem erhöhten Sturzrisiko verbunden. Der ideale Body Mass Index liegt zwischen 20 und 25.
  • Raus an die frische Luft! Sonnenlicht fördert die Bildung von Vitamin D, das im Körper zu Calcitriol umgebaut wird. Calcitriol ist wiederum notwendig, damit Kalzium über den Darm aufgenommen und in den Knochen eingebaut wird. Liegt ein Vitamin-D-Mangel vor, ist nach ärztlichem Rat die Einnahme von Vitamin-D-Tabletten zu erwägen.
  • Rauchen und Alkohol vermeiden. Rauchen verengt die Blutgefäße und verschlechtert dadurch die Versorgung der Knochen mit Nährstoffen. In der Folge ist der Knochenaufbau gestört und es entwickelt sich leichter eine Osteoporose. Auch übermäßiger Alkoholkonsum reduziert die Knochendichte: Alkohol hemmt die knochenaufbauenden Zellen und hat negative Wirkungen auf den Vitamin-D-Stoffwechsel.

Hinweis: Kalzium ist essenziell für die Knochen. Zuviel Kalzium ist aber auch nicht gesund. Bei einer täglichen Zufuhr über 1500 mg wird das Mineral über die Niere wieder ausgeschieden. Ist die Nierenfunktion gestört, lagert sich das im Organismus angesammelte Kalzium in Gefäßen und Geweben ab und trägt zur Verkalkung bei.

Quellen: DAZ 2021, Nr. 35, S. 4, RKI

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Maples Images/Shutterstock.com