Gesundheit heute

Psoriasis-Arthritis

Psoriasis-Arthritis (PsA, Schuppenflechten-Arthritis, Arthritis psoriatica): Chronisch-entzündliche und in Schüben verlaufende Gelenkerkrankung, die bei etwa einem Drittel der Patient*innen mit Schuppenflechte (Psoriasis) auftritt. Betroffen sind Gelenke der Gliedmaßen und die Wirbelsäule, aber auch Sehnen und Sehnenansätze. Am häufigsten zeigt sich die rheumatische Erkrankung durch Schmerzen und Schwellungen an Händen und Füßen, oft sind morgens die Gelenke steif. Die Schuppenflechte geht in drei von vier Fällen der Arthritis um Jahre voraus, sodass bei Ausbruch der Arthritis typische Hautveränderungen vorhanden sind, welche die Diagnose erleichtern. Bei Kindern kommt es allerdings oft erst zu Gelenkbeschwerden und später zu den typischen schuppigen Hauterscheinungen. Die Arthritis wird mit antirheumatischen Wirkstoffen und Physiotherapie behandelt, die Therapie der Hauterscheinungen verläuft wie bei der "normalen" Schuppenflechte.

Symptome und Leitbeschwerden

    Gelenkschmerzen an den Händen und Füßen, vor allem in Ruhe und in den

  • frühen Morgenstunden, ausgeprägte Morgensteifigkeit
  • Besserung der Schmerzen und der Steifigkeit durch Bewegung
  • Gleichzeitige Entzündung aller Gelenke eines Fingers oder eines Zehs, dadurch Schwellung des Fingers oder Zehs zu sog. Wurstfingern oder -zehen (Daktylitis)
  • Tiefsitzende Rückenschmerzen oder Nackenschmerzen
  • Beschwerden der Schuppenflechte wie gerötete schuppige Hautstellen und gelblich fleckige oder zerbröckelnde Fingernägel
  • Allgemeinsymptome wie Erschöpfung.

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, wenn

  • Gelenke schmerzen, anschwellen oder steif werden
  • Rücken- oder Nackenschmerzen nach Tagen nicht besser werden
  • sich schuppige Herde auf der Haut oder Veränderungen an den Fingernägeln bemerkbar machen.

Die Erkrankung

Die Psoriasis-Arthritis ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich Zellen des Immunsystem gegen den eigenen Körper richten und dadurch Entzündungen an Gelenken und Sehnen hervorrufen. Sie tritt bei etwa 30 % der Patient*innen mit Schuppenflechte auf. Das bedeutet, dass in Deutschland etwa 700.000 Menschen davon betroffen sind. Frauen und Männer erkranken gleich häufig, meist beginnen die Beschwerden zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr.

Auch Kinder können an einer Psoriasis-Arthritis erkranken. Bei ihnen gehört die Erkrankung in die Gruppe der juvenilen idiopathischen Arthritiden.

Warum sich eine Psoriasis-Arthritis entwickelt, ist unbekannt. Eine genetische Komponente ist wahrscheinlich, denn bei 40 % der Betroffenen leiden Familienmitglieder ebenfalls an der Erkrankung. Als Risikomarker für eine Psoriasis-Arthritis gilt HLA-B27, ein Antigen des HLA-Systems.

Vererbt wird die Erkrankung nicht, wohl aber die genetische Veranlagung dazu. Damit die Krankheit ausbricht, müssen noch weitere Auslöser hinzukommen – wie etwa eine Infektion, ein Medikament oder eine Allergie. Auch psychischer Stress und vor allem das Rauchen gelten als Risikofaktoren, die eine Psoriasis-Arthritis triggern können.

Klinik

Bei der Psoriasis-Arthritis unterscheidet man zwei Typen, wobei auch Mischformen vorkommen.

Am häufigsten ist der periphere Typ. Befallen sind dabei vor allem die kleinen Gelenke von Händen und Füßen. Es kommt zu Entzündung, Schwellung und später auch zur Zerstörung der Gelenke. Typisch für die Psoriasis-Arthritis ist der Befall in Form eines "Strahls". Dabei sind alle drei Gelenke eines Fingers oder einer Zehe betroffen. Sind zusätzlich die Gewebe zwischen den Gelenken entzündet und verdickt (Weichteilschwellung), spricht man von Wurstfingern oder Wurstzehen. Häufig sind auch Sehnen und Sehnenansätze entzündet. Im Fall der Achillessehne klagen die Patient*innen über starke Fersenschmerzen.

Beim zentralen Typ sind die Wirbelsäule und/oder große Gelenke wie das Schulter- oder Kniegelenk angegriffen. Neben Schmerzen und Funktionseinschränkungen drohen auch hier Gelenkzerstörungen. An der Wirbelsäule und dem Kreuz-Darmbein-Gelenk kann es zu Versteifungen wie beim Morbus Bechterew kommen.

Komplikationen

Eine häufige Komplikation ist die Entzündung der Augenhaut, z. B. als Bindehautentzündung (Konjunktivitis), Entzündung der Gefäßhaut (Uveitis) und der Regenbogenhaut (Iritis). Anzeichen dafür sind gerötete Augen, Juckreiz oder Schmerzen.

Seltener kommt es auch zu einer unspezifischen Entzündung der Dickdarmschleimhaut, einer sog. Kolitis. Sie kann ohne Beschwerden verlaufen, aber auch zu Durchfall oder Verstopfung, Blähungen und Bauchschmerzen führen.

Verlauf

Die Psoriasis-Arthritis ist eine chronische Erkrankung mit einem sehr variablem Verlauf. In 75 % der Fälle geht die Schuppenflechte den Gelenkentzündungen voran. Manchmal treten beide Manifestationen gemeinsam auf und in einigen Fällen kommt es auch erst zur Arthritis und die Schuppenflechte folgt. Sehr selten liegen auch die typischen Gelenkentzündungen einer Psoriasis-Arthritis vor, ohne dass der Betroffene Anzeichen einer Schuppenflechte aufweist.

Das Ausmaß der Hauterscheinungen hat nichts mit der Stärke der Gelenkentzündungen zu tun. So gibt es Fälle mit sehr ausgeprägter Arthritis, aber nur minimalen Hautschuppungen oder Nagelveränderungen. Manche Patient*innen leiden auch unter extremem Hautbefall, während ihre Gelenkentzündungen minimal sind und kaum Probleme verursachen.

Wie auch viele andere chronisch-rheumatische Erkrankungen verläuft die Psoriasis-Arthritis in Schüben. Phasen mit hoher Krankheitsaktivität, d. h. ausgeprägten entzündlichen Prozessen, Schmerzen und Schwellungen wechseln sich mit beschwerdefreien Zeiten ab.

Diagnosesicherung

Kommt es bei einer Patient*in mit Schuppenflechte zu Gelenkproblemen, ist dies ein erster Hinweis auf eine Psoriasis-Arthritis. Die Befragung ergibt, welche Gelenke schmerzen und ob sie morgens steif sind. Bei der körperlichen Untersuchung werden alle Gelenke gründlich auf Schwellungen, Schmerzen und Funktionseinschränkung geprüft. Die Anzahl der betroffenen Gelenke dokumentiert die Ärzt*in sowohl bei der Basisuntersuchung als auch bei den regelmäßigen Kontrollterminen. Sie ist Ausdruck der Krankheitsaktivität und dient dazu, den Erfolg einer Therapie nachzuweisen.

Laboruntersuchungen. Mithilfe des Labors lässt sich erkennen, ob die Entzündungswerte erhöht sind , z. B. das CRP und die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG). Spezifische Marker für die Psoriasis-Arthritis gibt es keine im Blut. Auch der Rheumafaktor wird bestimmt. Dieser ist bei der Psoriasis-Arthritis negativ. Ist er erhöht, spricht das für eine andere rheumatische Erkrankung, z. B. für die rheumatoide Arthritis. Ein weiterer Hinweis sind die HLA-Antigene: Beim zentralen Typ ist das HLA-B27 sehr häufig positiv.

Bildgebende Verfahren. Akute entzündliche Veränderungen und Gewebeschwellungen lassen sich gut mit dem Ultraschall oder der Magnetresonanztomografie nachweisen. Knöcherne Veränderungen sind im Röntgenbild oder auf CT-Aufnahmen zu erkennen. Je nach Krankheitsstadium sieht man einen bunten Auf- und Abbau von Knochengewebe, Knochenneubildungen, Verkalkungen, Gelenkspaltverschmälerungen und kleine Knochenrisse. Bei Befall der Wirbelsäule erkennt man veränderte Wirbelkörper, Knochenanbauten (Syndesmophyten) und verschmälerte Räume zwischen den Wirbeln Die Syndesmophyten können so stark ausgeprägt sein, dass sie die Wirbelkörper knöchern miteinander verbinden und dadurch die Wirbelsäule versteifen.

Schwierig ist die Diagnose einer Psoriasis-Arthritis dann, wenn sich keinerlei Hauterscheinungen finden. Das kommt vor allem bei Kindern vor. Hinweise, die in solchen Fällen auf eine Psoriasis-Arthritis hindeuten, sind z. B. eine Schuppenflechte bei nahen Verwandten oder ein oder mehrere typische "Wurstfinger", also der Befall aller drei Gelenke eines Fingers gleichzeitig. Dieses Entzündungsmuster ist bei anderen rheumatischen Erkrankungen selten. Auch diskrete Nagelveränderungen können helfen, die Erkrankung richtig einzuordnen. Manchmal wird die exakte Diagnose aber erst gestellt, wenn Jahre später die "passenden" Hauterscheinungen dazukommen.

Differenzialdiagnosen. Bei Befall von Hand- oder Fußgelenken ist die wichtigste Differenzialdiagnose die rheumatoide Arthritis. Die zentrale Form der Psoriasis-Arthritis kann leicht mit einem Morbus Bechterew verwechselt werden.

Behandlung

Schmerzen reduzieren und die Funktion der Gelenke erhalten – das sind die zentralen Behandlungsziele bei der Psoriasis-Arthritis. Die Schuppenflechte selbst wird natürlich ebenfalls behandelt (siehe dort), um das Hautbild zu verbessern. Um all dies zu erreichen, muss die chronische Entzündung im Körper eingedämmt werden. Um das optimal zu erreichen, müssen die betreuende Rheumatolog*in und die Dermatolog*in eng zusammenarbeiten.

Pharmakotherapie

Zur Bekämpfung der Gelenkentzündung kommen je nach Ausmaß der Erkrankung nichtsteroidale Antirheumatika NSAR), Kortison und krankheitsmodifizierende Medikamente (sog. DMARD) zum Einsatz.

Bei leichten bis mittelschweren Gelenkschmerzen ohne Schwellungen werden in der Regel NSAR oder Coxibe wie z. B. Diclofenac oder Etoricoxib verordnet. Auch Kortison kommt zum Einsatz, meistens als Injektion in das betroffene Gelenk.

In schwereren Fällen oder bei nachgewiesenen Gelenkveränderungen verordnen die Ärzt*innen DMARD. Sie halten nicht nur das Voranschreiten der Gelenkzerstörung auf, sondern sie bessern auch die für die Patient*innen sehr belastenden Hauterscheinungen. Begonnen wird oft mit Methotrexat. Spricht die Patient*in darauf nicht an, stehen Biologika zur Verfügung. Diese Wirkstoffe sind gegen verschiedene Botenstoffe und Immunzellen gerichtet und dämmen die Entzündung auf unterschiedliche Weise ein. Erfolgreich eingesetzt werden z. B. Tumornekrosefaktor-alpha-Blocker, Interleukin-17A-Inhibitoren oder Ustekinumab, ein Antikörper gegen Interleukin 12 und Interleukin 23. Auch eine weitere Gruppe von DMARD, die Januskinase-Inhibitoren, sowie PDE4-Hemmer können bei der Psoriasis-Arthritis eingesetzt werden.

Physiotherapie

Krankengymnastik und andere physiotherapeutische Maßnahmen (siehe "Ihre Apotheke empfiehlt") sind wichtig, um die Funktionsfähigkeit der Gelenke zu erhalten.

Operative Verfahren

Nicht alle Patient*innen sprechen zufriedenstellend auf die intensive antirheumatische Therapie an. Bei nicht kontrollierbaren Schmerzen oder starken Funktionseinschränkungen hilft die orthopädische Chirurgie weiter. Mögliche Optionen sind:

  • Synovektomie. Bei diesem Verfahren entfernt die Ärzt*in die entzündete oder wuchernde Gelenkinnenhaut ganz oder in Teilen. Dadurch werden die entzündlichen Prozesse im Gelenk reduziert und die Schmerzen gelindert. Die Synovektomie erfolgt entweder durch eine offene Operation oder im Rahmen einer Gelenkspiegelung.
  • Arthrodese. Die Gelenkversteifung ist angeraten, wenn bei stark geschädigten Gelenken die Schmerzen nicht mehr kontrollierbar sind oder das Gelenk so instabil ist, dass es nicht mehr funktioniert. Chirurgisch eingesetzte Platten und Drähte verbinden die Knochen der Gelenke, so dass diese zusammenwachsen. Dadurch wird das Gelenk versteift und ist wieder stabil – lässt sich aber nicht mehr bewegen. Vor allem kommt die Arthrodese bei geschädigten Hand- und Fußwurzelgelenken zum Einsatz.
  • Osteotomie. Führen die gelenkzerstörenden Prozesse zu bleibenden Fehlstellungen, lassen diese sich manchmal durch eine Umstellung der Knochen behandeln. Eingesetzt wird dieses Verfahren beispielsweise bei Verformungen der Vorfüße am rheumatischen Fuß.
  • Endoprothetik. Häufig ist der künstliche Ersatz eines rheumatisch stark geschädigten Gelenks sinnvoll. Hierzu gibt es je nach Einsatzort die verschiedensten Prothesen. Sie reichen von Silikongelenken am Langfinger bis zur Totalendoprothese am Knie.

Prognose

Die Psoriasis-Arthritis ist eine chronische Erkrankung mit sehr variablem Verlauf. Bei vielen Patient*innen lassen sich die Gelenkbeschwerden mit Medikamenten und Physiotherapie sehr gut kontrollieren und das Fortschreiten der Erkrankung bremsen. Ungünstig ist die Prognose, wenn schon früh viele Gelenke betroffen sind. In schweren Fällen kann es nötig werden, zerstörte Gelenke mit einer Prothese zu ersetzen.

Ihre Apotheke empfiehlt

Patient*innen mit einer Psoriasis-Arthritis können neben der regelmäßigen Einnahme der verordneten Medikamente eine Menge selbst tun, damit es ihnen besser geht.

Krankengymnastik und Funktionstraining. Ganz wichtig ist es, die in der Krankengymnastik erlernten Übungen regelmäßig zuhause durchzuführen. Viele Betroffene profitieren auch von den von der Deutschen Rheuma-Liga entwickelten Funktionstrainings. Es umfasst bewegungstherapeutische Übungen und wird sowohl im Trockenen als auch im Wasser angeboten. Funktionstraining gilt als ergänzende Leistung zur Rehabilitation, eine gewisse Anzahl von Stunden wird nach Verordnung durch die Ärzt*in von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.

Sind die Hände betroffen, kann tägliches Üben mit Qigong-Kugeln die Handmotorik und -durchblutung verbessern und entspannen helfen: Nehmen Sie die beiden Kugeln in eine Handfläche und lassen Sie die Kugeln mit leichten Bewegungen der Finger umeinander kreisen. Erst zehnmal im Uhrzeigersinn, dann zehnmal gegen den Uhrzeigersinn. Wiederholen Sie die Übung mit der anderen Hand.

Sport. Sport sollten die Betroffenen auf keinen Fall aufgeben. Nach Rücksprache mit der Ärzt*in dürfen selbst gelenkbelastende Sportarten ausgeübt werden, solange die Schmerzen und Beschwerden nicht zunehmen. Ansonsten eignen sich für Rheumakranke vor allem Walking, Radfahren und Schwimmen.

Kälte. Im akuten Stadium lindern Eisbeutel oder Kühlpacks Schmerzen und Gelenkschwellungen. Dazu legt man sie direkt aus dem Gefrierfach mehrmals täglich für einige Minuten auf die schmerzenden Gelenke. Die Beutel sollten dazu immer in ein Tuch eingeschlagen werden, damit die Haut keine Erfrierungsschäden davonträgt.

Kryokammern. Schmerzlindernd und entzündungshemmend soll sich auch der Aufenthalt in der sog. Eissauna oder Kältekammer auswirken. Darin herrschen zumeist Temperaturen von −110° C. Studien konnten aber bisher keinen Effekt nachweisen.

Wärme. Sind die Gelenke nicht akut entzündet, hilft auch Wärme. Ob Sauna, Vollbäder, Fango oder aufgelegte erwärmte Kirschkernsäckchen – sie alle entspannen die Muskeln, fördern die Durchblutung und bessern die Dehnbarkeit des Bindegewebes.

Reisen. Wem es in wärmeren Gefilden besser geht, kann spezielle Reiseangebote nutzen, um dem feucht-kalten Winterklima für eine Weile zu entfliehen. Tipps für einen unbeschwerten Urlaub trotz Rheuma bietet auch die Rheuma-Liga auf ihrer Webseite (Link siehe unten).

Ernährung. Am meisten profitieren Rheumakranke von einer ausgewogenen, aber fleischarmen bis fleischlosen Kost. Nützlich soll ein hoher Anteil an Fisch sein, da Omega-3-Fettsäuren eine entzündungshemmende Wirkung zugeschrieben wird. Daneben sollen ebenso die Inhaltsstoffe von Kakao und Grünem Tee entzündungshemmend wirken und rheumatische Beschwerden lindern. Zucker und Salz begünstigen dagegen entzündliche Prozesse im Körper, weshalb man damit Maß halten sollte. Auch gezuckerte Limonaden und zu viel Kaffee (mehr als vier Tassen) verschlechtern Studien zufolge die rheumatoide Arthritis. Manche Betroffene profitieren von einer veganen Ernährung. Um Mangelzustände zu vermeiden, muss dabei auf die ausreichende Zufuhr von Vitaminen und Spurenelementen geachtet werden.

Weiterführende Informationen

Von: Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Was Männerknochen stabil hält

Die Milch macht`s - auch im Kampf gegen die männliche Osteoporose.

Was Männerknochen stabil hält

Osteoporose vorbeugen

Osteoporose ist kein reines Frauenproblem. Auch Männerknochen werden mürbe – und das meist mit drastischeren Folgen als bei Frauen. Lesen Sie hier, wann auch Männer an eine Osteoporose denken sollten und wie das Vorbeugen gelingt.

Später Bruch mit schweren Folgen

Eigentlich sind Männer in Sachen Knochenstabilität klar im Vorteil: Denn bei Ihnen ist die sogenannte „Knochenmasse“ in aller Regel prinzipiell höher als bei Frauen. Hinzu kommt, dass Männer keine Menopause durchmachen – also die Phase, in der Frauen hormonell bedingt am schnellsten und am meisten Knochenmasse verlieren. Doch auch bei Männern gilt: Nach dem dritten Lebensjahrzehnt nimmt die Knochenmasse kontinuierlich ab. Und zwar so stark, dasswahrscheinlich jeder zehnte Mann über 65 von Osteoporose betroffen ist.

Bei Männern reduziert sich die Knochenmasse allerdings eher schleichend. Deshalb kommt es bei im Vergleich zu Frauen meist erst viel später zu osteoporotischen Knochenbrüchen. Weil die betroffenen Männer dann aber schon sehr alt sind, stecken sie den Bruch deutlich schlechter weg als die vergleichsweise früher betroffenen Frauen. So zeigen Studien, dass über ein Drittel der Männer mit Hüftfraktur im ersten Jahr nach dem Trauma verstirbt. Und diejenigen, die überleben, kommen oft nicht mehr richtig auf die Beine.

Warum Männerknochen brechen

Und noch einen weiteren Unterschied zur „weiblichen“ Osteoporose gibt es. Frauen leiden in den meisten Fällen unter einer primären Osteoporose. Dazu zählt die Osteoporose auf Grund des altersbedingten Knochenabbaus und die postmenopausale Osteoporose. Die primäre Osteoporose wird begünstigt durch falsche Ernährung, Rauchen und Bewegungsmangel.

Bei Männern hingegen ist die Osteoporose meist – in zwei Drittel der Fälle -sekundär, d.h., der Auslöser sind andere Erkrankungen wie z. B.

  • Hormonstörungen wie Hypogonadismus, Schilddrüsenüberfunktion oder Hyperparathareoidismus
  • rheumatische Erkrankungen
  • Diabetes, chronische Nierenerkrankungen, Herzinsuffizienz
  • entzündliche Darmerkrankungen
  • alkoholische Lebererkankung, Alkoholismus.

Auch die Einnahme von Medikamenten kann zu einer sekundären Osteoporose führen. Besonders häufig ist dies bei Glukokortikoiden der Fall. Hier kommt es manchmal schon nach drei Monaten Glukokortikoidtherapie zu einer verringerten Knochendichte. Ebenfalls begünstigt wird die Osteoporose durch Arzneimittel gegen männliche Geschlechtshormone, die beim Prostatakrebs verschrieben werden. Weitere knochengefährdende Arzneimittel sind Protonenpumpeninhibitoren zur Behandlung von Magengeschwüren, bestimmte Antidepressiva (SSRI), Insulinsensitizer zur Behandlung des Diabetes mellitus oder Antiepileptika und Immunsuppressiva.

Tipp: Mit Hilfe eines Online-Tests kann man das eigene Osteoporose-Risiko abschätzen. Wer dabei mehr als fünf Fragen mit „Ja“ beantwortet, sollte das Thema Osteoporose bei der behandelnden Ärzt*in ansprechen.

Obacht bei Rückenschmerzen im Alter!

Leider ist es für Männer oft gar nicht so leicht, eine Osteoporose zu erkennen. Erst spät stellen sich Rückenschmerzen ein, z. B., wenn es durch den Knochenschwund zu Wirbelkörperbrüchen gekommen ist. Häufig wird eine Osteoporose auch dann entdeckt, wenn sich der Betroffene bei einem leichten Sturz Arm, Bein oder Hüfte bricht.

b aufgrund von Rückenschmerzen oder zur Abklärung eines verdächtigen Knochenbruchs: Diagnostiziert wird die Osteoporose mit bildgebenden Verfahren. Die Knochendichtemessung (Dual X-ray-Absorptiometry, kurz DEXA) gibt Auskunft über die Qualität des Knochens. Gemessen wird an der Lendenwirbelsäule, am Oberschenkelhals und am Oberschenkelknochen. Das Ergebnis ist der T-Wert, der die sogenannte Knochenmineraldichte widerspiegelt. Ausschlaggebend für die Diagnose ist der niedrigste der drei ermittelten Werte. Ein T-Wert ≤2,5 gilt nach Vorgaben der WHO als Osteoporose. Bei Werten zwischen -1 und -2,5 handelt es sich um eine Osteopenie, die Vorstufe der Osteoporose.

Neben der Knochendichtemessung helfen beim Verdacht auf Osteoporose auch konventionelle Röntgenaufnahmen. Sie zeigen auf, ob es schon zu osteoporotischen Veränderungen oder unbemerkten Brüchen an den Wirbelkörpern gekommen ist. Im Zweifel wird auch eine Kernspinuntersuchung herangezogen, da diese Veränderungen im Knochen noch deutlicher darstellt.

Blutuntersuchungen gehören beim Abklären einer Osteoporose ebenfalls dazu. Sie geben nicht nur Aufschluss darüber, wie es mit dem Kalzium- und dem Vitamin-D-Haushalt aussieht. Die Bestimmung von Hormonen, Nieren- und Leberwerten lässt zwischen einer primären und einer sekundären Osteoporose unterscheiden und die Ursache für eine zugrundeliegende Erkrankung erkennen.

Kalzium, Vitamin D und Osteoporosemedikamente

Basis für die Knochengesundheit ist seine ausreichende Versorgung mit Kalzium (siehe unten). Ob neben der Ernährung eine zusätzliche Kalziumgabe in Form von Tabletten erforderlich ist, entscheidet die Ärzt*in. Das gleiche gilt für Vitamin D. Je nachdem wie hoch die Vitamin-D-Werte im Blut sind sind, rät die Ärzt*in zur Einnahme von Vitamin-D-Tabletten. Empfohlen wird dabei meist eine Tagesdosis von 800 bis 2000 IE (Internationale Einheiten).

Spezielle Osteoporosemedikamente verbessern die Knochendichte und beugen damit Knochenbrüchen vor. Es gibt zwei Wirkansätze: Antiresorptive Substanzen wie Bisphosphonate oder Denosumab hemmen den Knochenabbau. Osteoanabole Wirkstoffe wie das Parathormon-Analogon Teriparatid fördern den Knochenaufbau Ihr Einsatz hängt von der gemessenen Knochendichte und dem Alter ab. Je älter der Patient ist, desto früher sollte damit begonnen werden. Nach den Leitlinien sollen Männer unter 50 Jahren bei einem T-Wert ≤ -4,0 spezifische Osteoporosemedikamente erhalten, 75-jährige Männern dagegen schon bei einem T-Wert ≤ -2,0.

  • Bisphosphonate wie Alendronat hemmen die Aktivität der knochenabbauenden Zellen und beugen nachgewiesenermaßen Knochenbrüchen vor. Ist noch kein osteoporotischer Knochenbruch aufgetreten, empfehlen Expert*innen die Einnahme für drei Jahre. Nach dem Absetzen geht man davon aus, dass der Knochen eine geraume Zeit stabil bleibt. Um dies zu überwachen sind regelmäßige Knochendichtemessungen erforderlich. Bisphoshonate können zu Magen-Darm-Unverträglichkeiten bis hin zu Magen- und Speiseröhrengeschwüren führen. Damit es dazu nicht kommt gelten folgende Einnahmeregeln:
    • Tabletten immer morgens auf nüchternem Magen und in aufrechter Position einnehmen.
    • Dazu ein großes Glas Leitungswasser trinken.
    • Das Frühstück frühestens eine halbe Stunde später einnehmen (bei anderen Bisphosphonaten wie Etidronat muss man sogar zwei Stunden nüchtern bleiben).
    • Frühestens 30 Minuten nach Einnahme des Wirkstoffs wieder hinlegen.
    • Um die Aufnahme der Wirkstoffe zu gewährleisten sind andere Medikamente nur mit größerem zeitlichen Abstand einzunehmen. Entscheidend dafür sind die Hinweise im Beipackzettel des jeweiligen Bisphosphonats.

  • Denosumab. Ein weiterer Hemmstoff des Knochenabbaus ist der Antikörper Denosumab. Er ist speziell zugelassen für Männer mit Prostatakrebs, die sich einer Hormonablationstherapie unterziehen (also künstlich den Testosteronspiegel gesenkt bekommen) und dadurch ein erhöhtes Osteoporose- und Knochenbruchrisiko haben. Er wird alle sechs Monate unter die Haut gespritzt.
  • Teriparatid. Für Männer mit besonders ausgeprägter Osteoporose und hohem Knochenbruchrisiko steht auch noch ein knochenaufbauender Wirkstoff zur Verfügung. Dabei handelt es sich um ein Analogon des körpereigenen Parathormons mit Namen Teriparatid. Es darf 24 Monate lang verabreicht werden, danach wird eine Therapie mit knochenabbauhemmenden Substanzen angeschlossen.

Insgesamt haben spezifische Osteoporosemedikamente eine ganze Reihe von Nebenwirkungen, weshalb sie meist nur für einen gewissen Zeitraum eingesetzt werden.

Hinweis: Bei der sekundären Osteoporose ist die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung essenziell, damit sich der Knochen erholen kann. Ist die Ursache des Knochenabbaus ein Medikament, muss die Ärzt*in prüfen, ob man dieses vielleicht absetzen oder austauschen kann.

Gezielt turnen und ins Korsett

Zum Behandlungskonzept bei Osteoporose gehören auch physiotherapeutische Maßnahmen. Denn nur durch gezielte Übungen lässt sich die Beweglichkeit erhalten oder wiederherzustellen. Durch die Belastung bessern sich auch der Knochenstoffwechsel und der Aufbau von Knochensubstanz. Ein spezielles Gang- und Standtraining soll zudem Stürzen vorbeugen.

Vor allem nach osteoporosebedingten Wirbelkörperbrüchen bekommt die Patient*in häufig ein modernes Stützkorsett verschrieben. Je nach Variante richten sie den Körper auf, geben Halt und fördern die aktive Korrektur der Wirbelsäule. Dadurch werden nicht nur die Schmerzen gelindert. Das Korsett ermöglicht auch, die Mobilität zu erhalten und Stürze zu verhindern.

Hinweis: Männer sind im Alter häufig weniger autark als Frauen. Für sie sind daher Rehabilitationsmaßnahmen besonders wichtig, um ein ausreichendes Maß an Selbstständigkeit zu gewinnen oder bewahren.

Gesunder Lebensstil beugt vor

Vor einer Osteoporose ist niemand gefeit, denn älter wird jeder und weitere Risikofaktoren dafür gibt es viele. Mit einem gesunden Lebensstil kann man aber zumindest der primären Osteoporose vorbeugen:

  • Körperlich aktiv bleiben. Bewegung hält nicht nur den Knochen stark, sondern auch die ihn stützenden und führenden Muskeln, Sehnen und Bänder. Am besten ist es, täglich zu trainieren. Schon dreißig Minuten flottes Spazierengehen, Joggen oder Walken bringen den Stoffwechsel auf Trab und fördern damit auch die Versorgung des Knochens mit den nötigen aufbauenden Substanzen. Wer zusätzlich Muskelkraft und Koordination trainiert, beugt zudem Stürzen und damit Knochenbrüchen vor. Viele Fitnessstudios bieten spezielle Programme gegen Osteoporose an. Es lohnt sich, bei der Krankenkasse nachzufragen, ob diese die Kosten oder zumindest einen Teil davon übernimmt.
  • Knochenfreundlich ernähren. Eine gesunde Ernährung ist das A und O für den Knochenaufbau. Empfohlen wird die Aufnahme von 1000 bis 1500 mg Kalzium pro Tag. Gut geeignet sind Milch, Käse und Joghurt, aber auch Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse. Eine Scheibe Emmentaler (30 g) enthält beispielsweise etwa 330 mg Kalzium, ein Glas Milch oder Kefir 240 mg. Spitzenreiter bei den Gemüsen sind gegarter Blattspinat (310 mg Kalzium pro 210-g-Portion) und gegarter Grünkohl (280 mg/160 g). Andere wichtige Substanzen wie Folsäure, Kalium und Vitamin B12 sind in einer gesunden Mischkost meist ohnehin ausreichend erhalten.
  • Untergewicht vermeiden. Untergewicht ist ein Risikofaktor für die Osteoporose. Außerdem ist eine Gewichtsabnahme im Alter oft mit einem erhöhten Sturzrisiko verbunden. Der ideale Body Mass Index liegt zwischen 20 und 25.
  • Raus an die frische Luft! Sonnenlicht fördert die Bildung von Vitamin D, das im Körper zu Calcitriol umgebaut wird. Calcitriol ist wiederum notwendig, damit Kalzium über den Darm aufgenommen und in den Knochen eingebaut wird. Liegt ein Vitamin-D-Mangel vor, ist nach ärztlichem Rat die Einnahme von Vitamin-D-Tabletten zu erwägen.
  • Rauchen und Alkohol vermeiden. Rauchen verengt die Blutgefäße und verschlechtert dadurch die Versorgung der Knochen mit Nährstoffen. In der Folge ist der Knochenaufbau gestört und es entwickelt sich leichter eine Osteoporose. Auch übermäßiger Alkoholkonsum reduziert die Knochendichte: Alkohol hemmt die knochenaufbauenden Zellen und hat negative Wirkungen auf den Vitamin-D-Stoffwechsel.

Hinweis: Kalzium ist essenziell für die Knochen. Zuviel Kalzium ist aber auch nicht gesund. Bei einer täglichen Zufuhr über 1500 mg wird das Mineral über die Niere wieder ausgeschieden. Ist die Nierenfunktion gestört, lagert sich das im Organismus angesammelte Kalzium in Gefäßen und Geweben ab und trägt zur Verkalkung bei.

Quellen: DAZ 2021, Nr. 35, S. 4, RKI

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Maples Images/Shutterstock.com