Gesundheit heute

Morbus Bechterew

Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans, Spondylitis ancylopoetica, SA axiale Spondylarthritis): Chronisch-rheumatische Erkrankung aus der Gruppe der Spondyloarthritiden, die zu tiefsitzenden Rückenschmerzen und Steifigkeit der Lendenwirbelsäule führt. Auch Knie- oder Schultergelenke und die Ansatzstellen der Sehnen sind oft entzündlich verändert, seltener Organe wie Darm oder Lunge. Die Erkrankung beginnt im Alter zwischen 15 und 40 Jahren, Männer erkranken deutlich häufiger als Frauen. Der Morbus Bechterew verläuft in Schüben und sehr variabel. Das Spektrum reicht von milden Formen mit wenig Beschwerden bis zu hochaggressiven Verläufen, bei denen es schon in jungen Jahren zur Versteifung der Wirbelsäule kommt. Eine konsequente Physiotherapie hilft, die Beweglichkeit so lange wie möglich zu erhalten. Daneben kommen je nach Krankheitsaktivität nichtsteroidale Antirheumatika, Kortison oder auch Biologika zum Einsatz.

Leitbeschwerden

  • Langsame, über Wochen zunehmende, tief sitzende Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in die Oberschenkel und zunehmende Steifigkeit in der Lendenwirbelsäule
  • Steifigkeit und Schmerzen vor allem in den frühen Morgenstunden
  • Besserung bei Bewegung und Verschlimmerung bei Ruhe, so dass es die Patient*in aus dem Bett treibt
  • Wechselnde Schmerzen und Schwellungen einzelner großer Gelenke (Knie, Hüften, Schultern, Ellbogen), an der Ferse oder an anderen Sehnenansätzen
  • Augenschmerzen, erhöhte Lichtempfindlichkeit 
  • Schmerzen beim Niesen oder Husten über dem Brustbein, Beschwerden beim Einatmen.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen oder Wochen, wenn

  • Rückenschmerzen in Ruhe auftreten und über Wochen anhalten
  • große Gelenke schmerzhaft geschwollen sind.

Die Erkrankung

Häufigkeit und Vorkommen

An einem Morbus Bechterew leiden in Deutschland etwa 0,5 % der erwachsenen Bevölkerung, d. h. ca. 340.000 Frauen und Männer. Letztere sind 2,5- bis 5-mal häufiger betroffen als Frauen. Expert*innen gehen jedoch bei den Frauen von einer hohen Dunkelziffer aus, weil diese oft nicht die "typischen" Beschwerden haben.

Erkrankungsursache

Die Ursache der Erkrankung ist ungeklärt. Vermutet wird eine genetische Fehlfunktion des Immunsystems, die in Kombination mit einem Trigger die chronische Entzündung auslöst. Als Trigger gelten nach aktuellem Wissenstand Infektionen, vor allem im Bereich der Verdauungsorgane oder Harnwege.

Hinter der genetischen Veranlagung steckt das Merkmal HLA-B27. Dieses Antigen ist auf allen Gewebezellen zu finden, nachgewiesen wird es auf den weißen Blutkörperchen. Über 90 % der Bechterew-Patient*innen tragen dieses Merkmal. Doch nicht jeder Mensch, der positiv für HLA-B27 ist, erkrankt an Morbus Bechterew. Der Marker ist nämlich auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen und sogar bei bis zu 10 % klinisch gesunder Menschen nachweisbar.

Die Erkrankung beginnt langsam und schleichend, die ersten Beschwerden treten meist im 2. bis 3. Lebensjahrzehnt auf. Zunächst stehen Schmerzen an der Wirbelsäule im Vordergrund. Sie äußern sich in lageunabhängigen, dumpfen, tiefsitzenden Rückenschmerzen, die durch Bewegung im Tagesverlauf meist besser werden. Hinter den Beschwerden steckt eine Entzündung der Kreuzbeingelenke (Iliosakralgelenke), der Wirbelsäulengelenke und selten auch der Bandscheiben. Oft werden die Rückenschmerzen zunächst fehlgedeutet bzw. nicht ernst genommen. Aus diesem Grund dauert es bei Männern durchschnittlich 5 bis 10 Jahre, bis die Erkrankung erkannt wird. Bei Frauen verläuft der Morbus Bechterew oft milder, was bei ihnen die Zeit bis zur Diagnose auf bis zu 14 Jahre verlängert.

Der Morbus Bechterew verläuft in Schüben und sehr variabel. Bei manchen Patient*innen kommt die Erkrankung nach einigen Jahren zum Stillstand. Bei anderen führt die chronische Entzündung zu einer knöchernen Versteifung der Wirbelsäule (Ankylosierung). Ist die Wirbelsäule erst einmal steif, schmerzt sie nicht mehr. Je nachdem, in welchem Stadium sie versteift, können sich die Betroffenen nicht mehr aufrichten oder bücken oder den Kopf zur Seite drehen. Im Röntgenbild sieht man, dass die einzelnen Wirbelkörper verschmolzen sind: Die Wirbelsäule gleicht einem großen Bambusstab. Die Veränderungen an den Wirbelgelenken schränken auch die Beweglichkeit des Brustkorbs ein. Dadurch ist die Atmung erschwert.

Einige Patient*innen leiden unter schmerzhaften Entzündungen an den Sehnenansatzstellen (Enthesitis). Oft ist die Achillessehnen betroffen, was zu unangenehmen Fersenschmerzen führt. Bei bis zu einem Drittel der Erkrankten kommt es zum entzündlichen Befall großer Gelenke, vor allem von Hüft-, Schulter oder Kniegelenk. Manchmal sind auch die Gelenke an Händen und Füßen entzündet.

Ein weiteres Problem von Bechterew-Patient*innen ist die verminderte Knochendichte. Fast zwei Drittel zeigen eine Osteopenie, bis zu 20 % sogar eine Osteoporose. Betroffen sind vor allem Männer mit hoher Krankheitsaktivität. Diese Patient*innen haben ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche.

Beschwerden außerhalb des Bewegungsapparates

Der Morbus Bechterew zeigt sich nicht nur an Wirbelsäule, Gelenken und Sehnen. Er führt auch zu Allgemeinsymptomen, die die Lebensqualität der Erkrankten erheblich beeinträchtigen. Dazu gehört neben Fieber und Gewichtsverlust vor allem die Fatigue, also ein extremer Erschöpfungszustand. Unter Fatigue leiden insbesondere die erkrankten Frauen. Zudem werden auch Organe in Mitleidenschaft gezogen:

  • Am Auge droht die Entzündung der Augenhaut (Uvea, bestehend aus Iris, Ziliarkörper und Aderhaut): Jede Vierte entwickelt eine einseitige Iritis (Entzündung der Regenbogenhaut) oder Iridozyklitis. Sie äußert sich in schmerzhaft geröteten Augen, Lichtscheu und Tränenträufeln.
  • Auch entzündliche Veränderungen im Magen-Darm-Bereich sind bei Bechterew-Patient*innen häufig. 60 % haben Entzündungen in Dickdarm oder Dünndarm, die ohne Beschwerden bleiben. Bei etwa 5 bis 10 % der Betroffenen kommt es jedoch zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen mit Durchfall oder Bauchschmerzen.
  • Weitere mögliche (aber seltene) Folgen eines Morbus Bechterew sind Entzündungen der Prostata, Herzrhythmusstörungen, Herzklappenerkrankungen und eine Autoimmunerkrankung der Niere (IgA-Nephropathie).

Diagnosesicherung

Der erste Verdacht auf einen Morbus Bechterew ergibt sich durch die Beschwerden der Patient*in und die klinische Untersuchung. Charakteristisch sind eine eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule und Schmerzen in den Kreuzdarmbeingelenken (Iliosakralgelenken). Zur Prüfung wendet die Ärzt*in verschiedene Tests an:

  • Schober-Test. Hier markiert man auf dem Rücken der stehenden Patient*in einen Punkt in Höhe des 5. Lendenwirbelkörpers und einen zweiten Punkt etwa 10 cm darüber. Dann bückt sich die Patient*in so tief wie möglich. Bei normaler Beweglichkeit der Wirbelsäule gehen die Punkte etwa 4 cm auseinander. Werte unter 4 cm zeigen eine krankhaft verminderte Beweglichkeit der Wirbelsäule an.
  • Brustkorbbeweglichkeit. Dazu misst man den Umfang des Brustkorbs bei maximaler Ein- bzw. Ausatmung. Normal liegen die gemessenen Werte mindestens 5 cm auseinander. Liegen sie darunter, ist die Brustkorbbeweglichkeit eingeschränkt.
  • Druckschmerzen auf den Kreuzdarmbein-Gelenken. Bei dieser Untersuchung liegt die Patient*in auf dem Bauch. Die Ärzt*in fixiert mit einer Hand das Steißbein und überstreckt mit der anderen Hand ein Bein der Patient*in vorsichtig nach hinten-oben. Beim Morbus Bechterew ist diese Prozedur meist schmerzhaft. In Rückenlage prüft die Ärzt*in den Schmerz bei Druck auf beide Darmbeinschaufeln.

Die Blutuntersuchung weist bei über 90 % der Patient*innen HLA-B27 nach, während die üblichen Entzündungszeichen wie BSG und CRP in vielen Fällen negativ ausfallen. Ebenfalls negativ sind in der Regel rheumatische Antikörper wie z. B. der Rheumafaktor.

Goldstandard bei den bildgebenden Verfahren zur Diagnose eines Morbus Bechterew ist die Magnetresonanztomographie der Kreuzdarmbeingelenke. Darin lassen sich entzündliche Veränderungen schon früh erkennen. Konventionelle Röntgenaufnahmen eignen sich nicht für die Frühdiagnose. Sie weisen aber im weiteren Verlauf die knöchernen Strukturveränderungen nach, die sich aufgrund der chronischen Entzündungsprozesse ergeben. Typische Befunde im Röntgenbild sind dann beispielsweise

  • verwachsene Gelenke ohne Gelenkspalt
  • zunehmende Steilstellung der Lendenwirbelsäule
  • Knochenanbauten
  • verknöchernde Sehnenansätze (z. B. als Fersensporn)
  • Bambusrohrform der Wirbelsäule im Endstadium.

Differenzialdiagnosen. Der Morbus Bechterew muss insbesondere von anderen rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen wie der reaktiven Spondyloarthritis oder der Psoriasisarthritis abgegrenzt werden. Ähnliche Beschwerden verursachen außerdem die Osteoporose und Bandscheibenvorfälle.

Therapie

Medikamentöse Behandlung

Die Schmerzen lassen sich gut mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) bekämpfen. Sie helfen tagsüber dabei, Schonhaltungen zu vermeiden und die erforderlichen Übungen zu absolvieren. Nachts ermöglichen NSAR oft das Durchschlafen. Die Auswahl und die Dosis richten sich nach der Intensität der Beschwerden und der Verträglichkeit der Medikamente. Sie können bei Beschwerdefreiheit abgesetzt werden.

Reichen NSAR nicht aus oder werden diese nicht vertragen, kommen Biologika ins Spiel. Diese antirheumatischen Wirkstoffe gehören zu den DMARD (disease modifying drugs = krankheitsverändernde Wirkstoffe). Eingesetzt werden meist TNF-alpha-Blocker oder Interleukin-17A-Inhibitoren.

Bei starken Beschwerden ist eine lokale Injektion von Kortison möglich, z. B. in ein schwer entzündetes Kreuzdarmbeingelenk oder an schmerzhafte Sehnenansatzstellen.

Physiotherapie

Damit die allmähliche Versteifung der Wirbelsäule möglichst langsam verläuft und in einigermaßen aufrechter Haltung endet, ist die tägliche, konsequente Krankengymnastik sehr wichtig. Hierzu gibt es dem jeweiligen Erkrankungsstadium angepasste Übungsprogramme, die in Gruppen oder in der physiotherapeutischen Praxis durchgeführt und erlernt werden. Tägliche morgendliche Übungen helfen gleichzeitig gegen die Morgensteifigkeit und die damit zusammenhängenden Schmerzen. So erreichen viele Patient*innen eine deutliche Besserung.

Physikalische Therapie

Bei einer Entzündung der Sehnen sind Ultraschallbehandlungen und Schwachstromtherapie (Iontophorese) zu empfehlen. Therapien mit Gleichstrom (hydrogalvanische Vollbäder) lindern die Beschwerden der Kreuzdarmbeinentzündung. Bei schweren Formen hilft vermutlich das radioaktive Edelgas Radon, das (z. T. in Kombination mit Überwärmung) in einigen Kurorten angeboten wird.

Operative Therapie

Versteift die Wirbelsäule in starker Beugung, sind Aufrichtungsoperationen möglich. Diese werden in extra dafür spezialisierten Zentren vorgenommen. Hat der Morbus Bechterew ein oder beide Hüftgelenke zerstört, kommt eine Totalendoprothese (TEP) zum Einsatz.

Prognose

Der Morbus Bechterew verläuft chronisch und ist nicht heilbar. Mit Physiotherapie und medikamentöser Behandlung kann man die Beschwerden mildern und ihr Fortschreiten oft bremsen. Fortschritte in Diagnose und Therapie ermöglichen, dass heute ein Großteil der Patient*innen auch noch Jahrzehnte nach der Diagnose eigenständig lebt. Die Lebenserwartung wird durch einen Morbus Bechterew nicht verkürzt. Allerdings sollten bei regelmäßigen Kontrolluntersuchungen Herz und Lunge geprüft werden, um sie bei einem eventuellen Befall frühzeitig zu behandeln.

Ihre Apotheke empfiehlt

Durch den Morbus Bechterew krümmt sich die Wirbelsäule tendenziell nach vorne. Um dies zu verhindern, müssen Sie alles unternehmen, um langfristig Ihre aufrechte Haltung zu bewahren. Die regelmäßigen Bewegungsübungen sind ein ganz wesentlicher Teil der Therapie, aber auch im Alltag gilt es, Einiges zu beachten:

Beruf. Ideal ist eine berufliche Tätigkeit, die Ihnen abwechselnd Sitzen, Stehen und Gehen ermöglicht und Ihnen erlaubt, sich mittags 10–20 Minuten lang ganz flach hinzulegen, damit sich die Wirbelsäule wieder geraderichtet. Achten Sie beim Sitzen darauf, dass das Becken nicht nach hinten kippt, suchen Sie sich Ihren geeigneten Stuhl, probieren Sie einen Sitzkeil (eventuell auch beim Autofahren). Ein Zeichenbrett, eine schräge Tischplatte oder ein verstellbarer Pultaufsatz helfen, damit Sie sich nicht ständig nach vorne beugen müssen. Falls Sie Schwierigkeiten haben, diese für Sie notwendigen Maßnahmen an Ihrem Arbeitsplatz einzuführen oder auf Unverständnis stoßen, sprechen Sie mit Ihrer Ärzt*in oder Arbeitgeber*in oder versuchen Sie z. B. mithilfe eines Ratgebers Ihre Lage zu erklären.

Schlaf. Schlafen Sie auf einer festen Matratze, sie darf auf keinen Fall durchhängen. Auf Reisen legen Sie die Matratze im Notfall auf den Fußboden. Benutzen Sie ein kleines Kopfkissen, sodass der Kopf gerade liegt und nicht in den Nacken kippt. Schlafen in der Bauchlage ist günstig, in der Seitenlage mit gekrümmtem Rücken dagegen eher ungünstig.

Sport. Die Diagnose Morbus Bechterew bedeutet kein Sportverbot. Im Gegenteil: Jede körperliche Aktivität ist gut und falls Sie eine Sportart beherrschen, bleiben Sie ruhig dabei und passen Sie sie, falls nötig, an Ihr Krankheitsstadium an. Bedenken Sie aber, dass der Sport nicht die Krankengymnastik ersetzt. Besonders geeignet sind Sportarten, bei denen Sie sich strecken müssen und keine großen Erschütterungen auftreten, aber dennoch alle Muskeln und Gelenke beansprucht werden. Empfehlenswert sind Schwimmen (um den Hals nicht zu überstrecken, schwimmen Sie eher auf dem Rücken), Skilanglauf, Wandern (mit Teleskopstöcken) und Radfahren (mit hohem Lenker und nach vorn gekipptem, weich gefedertem Sattel) sowie Volleyball.

Weiterführende Informationen

www.bechterew.de – Gute Internetseite der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e. V., Schweinfurt: Mit Erklärungen zur Krankheitsentstehung, Diagnose und Therapie, besonders der Bewegungstherapie, Ratschlägen zur Alltagsbewältigung und Literaturtipps.

Leitlinie "Axiale Spondyloarthritis inklusive Morbus Bechterew und Frühformen" unter https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/060-003.html.

Von: Dr. rer. nat. Katharina Munk, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Was Männerknochen stabil hält

Die Milch macht`s - auch im Kampf gegen die männliche Osteoporose.

Was Männerknochen stabil hält

Osteoporose vorbeugen

Osteoporose ist kein reines Frauenproblem. Auch Männerknochen werden mürbe – und das meist mit drastischeren Folgen als bei Frauen. Lesen Sie hier, wann auch Männer an eine Osteoporose denken sollten und wie das Vorbeugen gelingt.

Später Bruch mit schweren Folgen

Eigentlich sind Männer in Sachen Knochenstabilität klar im Vorteil: Denn bei Ihnen ist die sogenannte „Knochenmasse“ in aller Regel prinzipiell höher als bei Frauen. Hinzu kommt, dass Männer keine Menopause durchmachen – also die Phase, in der Frauen hormonell bedingt am schnellsten und am meisten Knochenmasse verlieren. Doch auch bei Männern gilt: Nach dem dritten Lebensjahrzehnt nimmt die Knochenmasse kontinuierlich ab. Und zwar so stark, dasswahrscheinlich jeder zehnte Mann über 65 von Osteoporose betroffen ist.

Bei Männern reduziert sich die Knochenmasse allerdings eher schleichend. Deshalb kommt es bei im Vergleich zu Frauen meist erst viel später zu osteoporotischen Knochenbrüchen. Weil die betroffenen Männer dann aber schon sehr alt sind, stecken sie den Bruch deutlich schlechter weg als die vergleichsweise früher betroffenen Frauen. So zeigen Studien, dass über ein Drittel der Männer mit Hüftfraktur im ersten Jahr nach dem Trauma verstirbt. Und diejenigen, die überleben, kommen oft nicht mehr richtig auf die Beine.

Warum Männerknochen brechen

Und noch einen weiteren Unterschied zur „weiblichen“ Osteoporose gibt es. Frauen leiden in den meisten Fällen unter einer primären Osteoporose. Dazu zählt die Osteoporose auf Grund des altersbedingten Knochenabbaus und die postmenopausale Osteoporose. Die primäre Osteoporose wird begünstigt durch falsche Ernährung, Rauchen und Bewegungsmangel.

Bei Männern hingegen ist die Osteoporose meist – in zwei Drittel der Fälle -sekundär, d.h., der Auslöser sind andere Erkrankungen wie z. B.

  • Hormonstörungen wie Hypogonadismus, Schilddrüsenüberfunktion oder Hyperparathareoidismus
  • rheumatische Erkrankungen
  • Diabetes, chronische Nierenerkrankungen, Herzinsuffizienz
  • entzündliche Darmerkrankungen
  • alkoholische Lebererkankung, Alkoholismus.

Auch die Einnahme von Medikamenten kann zu einer sekundären Osteoporose führen. Besonders häufig ist dies bei Glukokortikoiden der Fall. Hier kommt es manchmal schon nach drei Monaten Glukokortikoidtherapie zu einer verringerten Knochendichte. Ebenfalls begünstigt wird die Osteoporose durch Arzneimittel gegen männliche Geschlechtshormone, die beim Prostatakrebs verschrieben werden. Weitere knochengefährdende Arzneimittel sind Protonenpumpeninhibitoren zur Behandlung von Magengeschwüren, bestimmte Antidepressiva (SSRI), Insulinsensitizer zur Behandlung des Diabetes mellitus oder Antiepileptika und Immunsuppressiva.

Tipp: Mit Hilfe eines Online-Tests kann man das eigene Osteoporose-Risiko abschätzen. Wer dabei mehr als fünf Fragen mit „Ja“ beantwortet, sollte das Thema Osteoporose bei der behandelnden Ärzt*in ansprechen.

Obacht bei Rückenschmerzen im Alter!

Leider ist es für Männer oft gar nicht so leicht, eine Osteoporose zu erkennen. Erst spät stellen sich Rückenschmerzen ein, z. B., wenn es durch den Knochenschwund zu Wirbelkörperbrüchen gekommen ist. Häufig wird eine Osteoporose auch dann entdeckt, wenn sich der Betroffene bei einem leichten Sturz Arm, Bein oder Hüfte bricht.

b aufgrund von Rückenschmerzen oder zur Abklärung eines verdächtigen Knochenbruchs: Diagnostiziert wird die Osteoporose mit bildgebenden Verfahren. Die Knochendichtemessung (Dual X-ray-Absorptiometry, kurz DEXA) gibt Auskunft über die Qualität des Knochens. Gemessen wird an der Lendenwirbelsäule, am Oberschenkelhals und am Oberschenkelknochen. Das Ergebnis ist der T-Wert, der die sogenannte Knochenmineraldichte widerspiegelt. Ausschlaggebend für die Diagnose ist der niedrigste der drei ermittelten Werte. Ein T-Wert ≤2,5 gilt nach Vorgaben der WHO als Osteoporose. Bei Werten zwischen -1 und -2,5 handelt es sich um eine Osteopenie, die Vorstufe der Osteoporose.

Neben der Knochendichtemessung helfen beim Verdacht auf Osteoporose auch konventionelle Röntgenaufnahmen. Sie zeigen auf, ob es schon zu osteoporotischen Veränderungen oder unbemerkten Brüchen an den Wirbelkörpern gekommen ist. Im Zweifel wird auch eine Kernspinuntersuchung herangezogen, da diese Veränderungen im Knochen noch deutlicher darstellt.

Blutuntersuchungen gehören beim Abklären einer Osteoporose ebenfalls dazu. Sie geben nicht nur Aufschluss darüber, wie es mit dem Kalzium- und dem Vitamin-D-Haushalt aussieht. Die Bestimmung von Hormonen, Nieren- und Leberwerten lässt zwischen einer primären und einer sekundären Osteoporose unterscheiden und die Ursache für eine zugrundeliegende Erkrankung erkennen.

Kalzium, Vitamin D und Osteoporosemedikamente

Basis für die Knochengesundheit ist seine ausreichende Versorgung mit Kalzium (siehe unten). Ob neben der Ernährung eine zusätzliche Kalziumgabe in Form von Tabletten erforderlich ist, entscheidet die Ärzt*in. Das gleiche gilt für Vitamin D. Je nachdem wie hoch die Vitamin-D-Werte im Blut sind sind, rät die Ärzt*in zur Einnahme von Vitamin-D-Tabletten. Empfohlen wird dabei meist eine Tagesdosis von 800 bis 2000 IE (Internationale Einheiten).

Spezielle Osteoporosemedikamente verbessern die Knochendichte und beugen damit Knochenbrüchen vor. Es gibt zwei Wirkansätze: Antiresorptive Substanzen wie Bisphosphonate oder Denosumab hemmen den Knochenabbau. Osteoanabole Wirkstoffe wie das Parathormon-Analogon Teriparatid fördern den Knochenaufbau Ihr Einsatz hängt von der gemessenen Knochendichte und dem Alter ab. Je älter der Patient ist, desto früher sollte damit begonnen werden. Nach den Leitlinien sollen Männer unter 50 Jahren bei einem T-Wert ≤ -4,0 spezifische Osteoporosemedikamente erhalten, 75-jährige Männern dagegen schon bei einem T-Wert ≤ -2,0.

  • Bisphosphonate wie Alendronat hemmen die Aktivität der knochenabbauenden Zellen und beugen nachgewiesenermaßen Knochenbrüchen vor. Ist noch kein osteoporotischer Knochenbruch aufgetreten, empfehlen Expert*innen die Einnahme für drei Jahre. Nach dem Absetzen geht man davon aus, dass der Knochen eine geraume Zeit stabil bleibt. Um dies zu überwachen sind regelmäßige Knochendichtemessungen erforderlich. Bisphoshonate können zu Magen-Darm-Unverträglichkeiten bis hin zu Magen- und Speiseröhrengeschwüren führen. Damit es dazu nicht kommt gelten folgende Einnahmeregeln:
    • Tabletten immer morgens auf nüchternem Magen und in aufrechter Position einnehmen.
    • Dazu ein großes Glas Leitungswasser trinken.
    • Das Frühstück frühestens eine halbe Stunde später einnehmen (bei anderen Bisphosphonaten wie Etidronat muss man sogar zwei Stunden nüchtern bleiben).
    • Frühestens 30 Minuten nach Einnahme des Wirkstoffs wieder hinlegen.
    • Um die Aufnahme der Wirkstoffe zu gewährleisten sind andere Medikamente nur mit größerem zeitlichen Abstand einzunehmen. Entscheidend dafür sind die Hinweise im Beipackzettel des jeweiligen Bisphosphonats.

  • Denosumab. Ein weiterer Hemmstoff des Knochenabbaus ist der Antikörper Denosumab. Er ist speziell zugelassen für Männer mit Prostatakrebs, die sich einer Hormonablationstherapie unterziehen (also künstlich den Testosteronspiegel gesenkt bekommen) und dadurch ein erhöhtes Osteoporose- und Knochenbruchrisiko haben. Er wird alle sechs Monate unter die Haut gespritzt.
  • Teriparatid. Für Männer mit besonders ausgeprägter Osteoporose und hohem Knochenbruchrisiko steht auch noch ein knochenaufbauender Wirkstoff zur Verfügung. Dabei handelt es sich um ein Analogon des körpereigenen Parathormons mit Namen Teriparatid. Es darf 24 Monate lang verabreicht werden, danach wird eine Therapie mit knochenabbauhemmenden Substanzen angeschlossen.

Insgesamt haben spezifische Osteoporosemedikamente eine ganze Reihe von Nebenwirkungen, weshalb sie meist nur für einen gewissen Zeitraum eingesetzt werden.

Hinweis: Bei der sekundären Osteoporose ist die Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung essenziell, damit sich der Knochen erholen kann. Ist die Ursache des Knochenabbaus ein Medikament, muss die Ärzt*in prüfen, ob man dieses vielleicht absetzen oder austauschen kann.

Gezielt turnen und ins Korsett

Zum Behandlungskonzept bei Osteoporose gehören auch physiotherapeutische Maßnahmen. Denn nur durch gezielte Übungen lässt sich die Beweglichkeit erhalten oder wiederherzustellen. Durch die Belastung bessern sich auch der Knochenstoffwechsel und der Aufbau von Knochensubstanz. Ein spezielles Gang- und Standtraining soll zudem Stürzen vorbeugen.

Vor allem nach osteoporosebedingten Wirbelkörperbrüchen bekommt die Patient*in häufig ein modernes Stützkorsett verschrieben. Je nach Variante richten sie den Körper auf, geben Halt und fördern die aktive Korrektur der Wirbelsäule. Dadurch werden nicht nur die Schmerzen gelindert. Das Korsett ermöglicht auch, die Mobilität zu erhalten und Stürze zu verhindern.

Hinweis: Männer sind im Alter häufig weniger autark als Frauen. Für sie sind daher Rehabilitationsmaßnahmen besonders wichtig, um ein ausreichendes Maß an Selbstständigkeit zu gewinnen oder bewahren.

Gesunder Lebensstil beugt vor

Vor einer Osteoporose ist niemand gefeit, denn älter wird jeder und weitere Risikofaktoren dafür gibt es viele. Mit einem gesunden Lebensstil kann man aber zumindest der primären Osteoporose vorbeugen:

  • Körperlich aktiv bleiben. Bewegung hält nicht nur den Knochen stark, sondern auch die ihn stützenden und führenden Muskeln, Sehnen und Bänder. Am besten ist es, täglich zu trainieren. Schon dreißig Minuten flottes Spazierengehen, Joggen oder Walken bringen den Stoffwechsel auf Trab und fördern damit auch die Versorgung des Knochens mit den nötigen aufbauenden Substanzen. Wer zusätzlich Muskelkraft und Koordination trainiert, beugt zudem Stürzen und damit Knochenbrüchen vor. Viele Fitnessstudios bieten spezielle Programme gegen Osteoporose an. Es lohnt sich, bei der Krankenkasse nachzufragen, ob diese die Kosten oder zumindest einen Teil davon übernimmt.
  • Knochenfreundlich ernähren. Eine gesunde Ernährung ist das A und O für den Knochenaufbau. Empfohlen wird die Aufnahme von 1000 bis 1500 mg Kalzium pro Tag. Gut geeignet sind Milch, Käse und Joghurt, aber auch Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse. Eine Scheibe Emmentaler (30 g) enthält beispielsweise etwa 330 mg Kalzium, ein Glas Milch oder Kefir 240 mg. Spitzenreiter bei den Gemüsen sind gegarter Blattspinat (310 mg Kalzium pro 210-g-Portion) und gegarter Grünkohl (280 mg/160 g). Andere wichtige Substanzen wie Folsäure, Kalium und Vitamin B12 sind in einer gesunden Mischkost meist ohnehin ausreichend erhalten.
  • Untergewicht vermeiden. Untergewicht ist ein Risikofaktor für die Osteoporose. Außerdem ist eine Gewichtsabnahme im Alter oft mit einem erhöhten Sturzrisiko verbunden. Der ideale Body Mass Index liegt zwischen 20 und 25.
  • Raus an die frische Luft! Sonnenlicht fördert die Bildung von Vitamin D, das im Körper zu Calcitriol umgebaut wird. Calcitriol ist wiederum notwendig, damit Kalzium über den Darm aufgenommen und in den Knochen eingebaut wird. Liegt ein Vitamin-D-Mangel vor, ist nach ärztlichem Rat die Einnahme von Vitamin-D-Tabletten zu erwägen.
  • Rauchen und Alkohol vermeiden. Rauchen verengt die Blutgefäße und verschlechtert dadurch die Versorgung der Knochen mit Nährstoffen. In der Folge ist der Knochenaufbau gestört und es entwickelt sich leichter eine Osteoporose. Auch übermäßiger Alkoholkonsum reduziert die Knochendichte: Alkohol hemmt die knochenaufbauenden Zellen und hat negative Wirkungen auf den Vitamin-D-Stoffwechsel.

Hinweis: Kalzium ist essenziell für die Knochen. Zuviel Kalzium ist aber auch nicht gesund. Bei einer täglichen Zufuhr über 1500 mg wird das Mineral über die Niere wieder ausgeschieden. Ist die Nierenfunktion gestört, lagert sich das im Organismus angesammelte Kalzium in Gefäßen und Geweben ab und trägt zur Verkalkung bei.

Quellen: DAZ 2021, Nr. 35, S. 4, RKI

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Maples Images/Shutterstock.com