Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie…
mehr
Morbus Bechterew (Spondylitis ankylosans, Spondylitis ancylopoetica, SA axiale Spondylarthritis): Chronisch-rheumatische Erkrankung aus der Gruppe der Spondyloarthritiden, die zu tiefsitzenden Rückenschmerzen und Steifigkeit der Lendenwirbelsäule führt. Auch Knie- oder Schultergelenke und die Ansatzstellen der Sehnen sind oft entzündlich verändert, seltener Organe wie Darm oder Lunge. Die Erkrankung beginnt im Alter zwischen 15 und 40 Jahren, Männer erkranken deutlich häufiger als Frauen. Der Morbus Bechterew verläuft in Schüben und sehr variabel. Das Spektrum reicht von milden Formen mit wenig Beschwerden bis zu hochaggressiven Verläufen, bei denen es schon in jungen Jahren zur Versteifung der Wirbelsäule kommt. Eine konsequente Physiotherapie hilft, die Beweglichkeit so lange wie möglich zu erhalten. Daneben kommen je nach Krankheitsaktivität nichtsteroidale Antirheumatika, Kortison oder auch Biologika zum Einsatz.
In den nächsten Tagen oder Wochen, wenn
An einem Morbus Bechterew leiden in Deutschland etwa 0,5 % der erwachsenen Bevölkerung, d. h. ca. 340.000 Frauen und Männer. Letztere sind 2,5- bis 5-mal häufiger betroffen als Frauen. Expert*innen gehen jedoch bei den Frauen von einer hohen Dunkelziffer aus, weil diese oft nicht die "typischen" Beschwerden haben.
Die Ursache der Erkrankung ist ungeklärt. Vermutet wird eine genetische Fehlfunktion des Immunsystems, die in Kombination mit einem Trigger die chronische Entzündung auslöst. Als Trigger gelten nach aktuellem Wissenstand Infektionen, vor allem im Bereich der Verdauungsorgane oder Harnwege.
Hinter der genetischen Veranlagung steckt das Merkmal HLA-B27. Dieses Antigen ist auf allen Gewebezellen zu finden, nachgewiesen wird es auf den weißen Blutkörperchen. Über 90 % der Bechterew-Patient*innen tragen dieses Merkmal. Doch nicht jeder Mensch, der positiv für HLA-B27 ist, erkrankt an Morbus Bechterew. Der Marker ist nämlich auch bei anderen rheumatischen Erkrankungen und sogar bei bis zu 10 % klinisch gesunder Menschen nachweisbar.
Die Erkrankung beginnt langsam und schleichend, die ersten Beschwerden treten meist im 2. bis 3. Lebensjahrzehnt auf. Zunächst stehen Schmerzen an der Wirbelsäule im Vordergrund. Sie äußern sich in lageunabhängigen, dumpfen, tiefsitzenden Rückenschmerzen, die durch Bewegung im Tagesverlauf meist besser werden. Hinter den Beschwerden steckt eine Entzündung der Kreuzbeingelenke (Iliosakralgelenke), der Wirbelsäulengelenke und selten auch der Bandscheiben. Oft werden die Rückenschmerzen zunächst fehlgedeutet bzw. nicht ernst genommen. Aus diesem Grund dauert es bei Männern durchschnittlich 5 bis 10 Jahre, bis die Erkrankung erkannt wird. Bei Frauen verläuft der Morbus Bechterew oft milder, was bei ihnen die Zeit bis zur Diagnose auf bis zu 14 Jahre verlängert.
Der Morbus Bechterew verläuft in Schüben und sehr variabel. Bei manchen Patient*innen kommt die Erkrankung nach einigen Jahren zum Stillstand. Bei anderen führt die chronische Entzündung zu einer knöchernen Versteifung der Wirbelsäule (Ankylosierung). Ist die Wirbelsäule erst einmal steif, schmerzt sie nicht mehr. Je nachdem, in welchem Stadium sie versteift, können sich die Betroffenen nicht mehr aufrichten oder bücken oder den Kopf zur Seite drehen. Im Röntgenbild sieht man, dass die einzelnen Wirbelkörper verschmolzen sind: Die Wirbelsäule gleicht einem großen Bambusstab. Die Veränderungen an den Wirbelgelenken schränken auch die Beweglichkeit des Brustkorbs ein. Dadurch ist die Atmung erschwert.
Einige Patient*innen leiden unter schmerzhaften Entzündungen an den Sehnenansatzstellen (Enthesitis). Oft ist die Achillessehnen betroffen, was zu unangenehmen Fersenschmerzen führt. Bei bis zu einem Drittel der Erkrankten kommt es zum entzündlichen Befall großer Gelenke, vor allem von Hüft-, Schulter oder Kniegelenk. Manchmal sind auch die Gelenke an Händen und Füßen entzündet.
Ein weiteres Problem von Bechterew-Patient*innen ist die verminderte Knochendichte. Fast zwei Drittel zeigen eine Osteopenie, bis zu 20 % sogar eine Osteoporose. Betroffen sind vor allem Männer mit hoher Krankheitsaktivität. Diese Patient*innen haben ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche.
Der Morbus Bechterew zeigt sich nicht nur an Wirbelsäule, Gelenken und Sehnen. Er führt auch zu Allgemeinsymptomen, die die Lebensqualität der Erkrankten erheblich beeinträchtigen. Dazu gehört neben Fieber und Gewichtsverlust vor allem die Fatigue, also ein extremer Erschöpfungszustand. Unter Fatigue leiden insbesondere die erkrankten Frauen. Zudem werden auch Organe in Mitleidenschaft gezogen:
Diagnosesicherung
Der erste Verdacht auf einen Morbus Bechterew ergibt sich durch die Beschwerden der Patient*in und die klinische Untersuchung. Charakteristisch sind eine eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule und Schmerzen in den Kreuzdarmbeingelenken (Iliosakralgelenken). Zur Prüfung wendet die Ärzt*in verschiedene Tests an:
Die Blutuntersuchung weist bei über 90 % der Patient*innen HLA-B27 nach, während die üblichen Entzündungszeichen wie BSG und CRP in vielen Fällen negativ ausfallen. Ebenfalls negativ sind in der Regel rheumatische Antikörper wie z. B. der Rheumafaktor.
Goldstandard bei den bildgebenden Verfahren zur Diagnose eines Morbus Bechterew ist die Magnetresonanztomographie der Kreuzdarmbeingelenke. Darin lassen sich entzündliche Veränderungen schon früh erkennen. Konventionelle Röntgenaufnahmen eignen sich nicht für die Frühdiagnose. Sie weisen aber im weiteren Verlauf die knöchernen Strukturveränderungen nach, die sich aufgrund der chronischen Entzündungsprozesse ergeben. Typische Befunde im Röntgenbild sind dann beispielsweise
Differenzialdiagnosen. Der Morbus Bechterew muss insbesondere von anderen rheumatischen Wirbelsäulenerkrankungen wie der reaktiven Spondyloarthritis oder der Psoriasisarthritis abgegrenzt werden. Ähnliche Beschwerden verursachen außerdem die Osteoporose und Bandscheibenvorfälle.
Therapie
Die Schmerzen lassen sich gut mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) bekämpfen. Sie helfen tagsüber dabei, Schonhaltungen zu vermeiden und die erforderlichen Übungen zu absolvieren. Nachts ermöglichen NSAR oft das Durchschlafen. Die Auswahl und die Dosis richten sich nach der Intensität der Beschwerden und der Verträglichkeit der Medikamente. Sie können bei Beschwerdefreiheit abgesetzt werden.
Reichen NSAR nicht aus oder werden diese nicht vertragen, kommen Biologika ins Spiel. Diese antirheumatischen Wirkstoffe gehören zu den DMARD (disease modifying drugs = krankheitsverändernde Wirkstoffe). Eingesetzt werden meist TNF-alpha-Blocker oder Interleukin-17A-Inhibitoren.
Bei starken Beschwerden ist eine lokale Injektion von Kortison möglich, z. B. in ein schwer entzündetes Kreuzdarmbeingelenk oder an schmerzhafte Sehnenansatzstellen.
Damit die allmähliche Versteifung der Wirbelsäule möglichst langsam verläuft und in einigermaßen aufrechter Haltung endet, ist die tägliche, konsequente Krankengymnastik sehr wichtig. Hierzu gibt es dem jeweiligen Erkrankungsstadium angepasste Übungsprogramme, die in Gruppen oder in der physiotherapeutischen Praxis durchgeführt und erlernt werden. Tägliche morgendliche Übungen helfen gleichzeitig gegen die Morgensteifigkeit und die damit zusammenhängenden Schmerzen. So erreichen viele Patient*innen eine deutliche Besserung.
Bei einer Entzündung der Sehnen sind Ultraschallbehandlungen und Schwachstromtherapie (Iontophorese) zu empfehlen. Therapien mit Gleichstrom (hydrogalvanische Vollbäder) lindern die Beschwerden der Kreuzdarmbeinentzündung. Bei schweren Formen hilft vermutlich das radioaktive Edelgas Radon, das (z. T. in Kombination mit Überwärmung) in einigen Kurorten angeboten wird.
Versteift die Wirbelsäule in starker Beugung, sind Aufrichtungsoperationen möglich. Diese werden in extra dafür spezialisierten Zentren vorgenommen. Hat der Morbus Bechterew ein oder beide Hüftgelenke zerstört, kommt eine Totalendoprothese (TEP) zum Einsatz.
Der Morbus Bechterew verläuft chronisch und ist nicht heilbar. Mit Physiotherapie und medikamentöser Behandlung kann man die Beschwerden mildern und ihr Fortschreiten oft bremsen. Fortschritte in Diagnose und Therapie ermöglichen, dass heute ein Großteil der Patient*innen auch noch Jahrzehnte nach der Diagnose eigenständig lebt. Die Lebenserwartung wird durch einen Morbus Bechterew nicht verkürzt. Allerdings sollten bei regelmäßigen Kontrolluntersuchungen Herz und Lunge geprüft werden, um sie bei einem eventuellen Befall frühzeitig zu behandeln.
Durch den Morbus Bechterew krümmt sich die Wirbelsäule tendenziell nach vorne. Um dies zu verhindern, müssen Sie alles unternehmen, um langfristig Ihre aufrechte Haltung zu bewahren. Die regelmäßigen Bewegungsübungen sind ein ganz wesentlicher Teil der Therapie, aber auch im Alltag gilt es, Einiges zu beachten:
Beruf. Ideal ist eine berufliche Tätigkeit, die Ihnen abwechselnd Sitzen, Stehen und Gehen ermöglicht und Ihnen erlaubt, sich mittags 10–20 Minuten lang ganz flach hinzulegen, damit sich die Wirbelsäule wieder geraderichtet. Achten Sie beim Sitzen darauf, dass das Becken nicht nach hinten kippt, suchen Sie sich Ihren geeigneten Stuhl, probieren Sie einen Sitzkeil (eventuell auch beim Autofahren). Ein Zeichenbrett, eine schräge Tischplatte oder ein verstellbarer Pultaufsatz helfen, damit Sie sich nicht ständig nach vorne beugen müssen. Falls Sie Schwierigkeiten haben, diese für Sie notwendigen Maßnahmen an Ihrem Arbeitsplatz einzuführen oder auf Unverständnis stoßen, sprechen Sie mit Ihrer Ärzt*in oder Arbeitgeber*in oder versuchen Sie z. B. mithilfe eines Ratgebers Ihre Lage zu erklären.
Schlaf. Schlafen Sie auf einer festen Matratze, sie darf auf keinen Fall durchhängen. Auf Reisen legen Sie die Matratze im Notfall auf den Fußboden. Benutzen Sie ein kleines Kopfkissen, sodass der Kopf gerade liegt und nicht in den Nacken kippt. Schlafen in der Bauchlage ist günstig, in der Seitenlage mit gekrümmtem Rücken dagegen eher ungünstig.
Sport. Die Diagnose Morbus Bechterew bedeutet kein Sportverbot. Im Gegenteil: Jede körperliche Aktivität ist gut und falls Sie eine Sportart beherrschen, bleiben Sie ruhig dabei und passen Sie sie, falls nötig, an Ihr Krankheitsstadium an. Bedenken Sie aber, dass der Sport nicht die Krankengymnastik ersetzt. Besonders geeignet sind Sportarten, bei denen Sie sich strecken müssen und keine großen Erschütterungen auftreten, aber dennoch alle Muskeln und Gelenke beansprucht werden. Empfehlenswert sind Schwimmen (um den Hals nicht zu überstrecken, schwimmen Sie eher auf dem Rücken), Skilanglauf, Wandern (mit Teleskopstöcken) und Radfahren (mit hohem Lenker und nach vorn gekipptem, weich gefedertem Sattel) sowie Volleyball.
Weiterführende Informationen
www.bechterew.de – Gute Internetseite der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew e. V., Schweinfurt: Mit Erklärungen zur Krankheitsentstehung, Diagnose und Therapie, besonders der Bewegungstherapie, Ratschlägen zur Alltagsbewältigung und Literaturtipps.
Leitlinie "Axiale Spondyloarthritis inklusive Morbus Bechterew und Frühformen" unter https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/060-003.html.
Wärme und Kälte werden schon seit Jahrhunderten zur Behandlung von Schmerzen, Verletzungen und entzündlichen Erkrankungen eingesetzt. Inzwischen weiß man auch, dass Anwendungen wie…
mehr
Bei feuchtem Wetter wird das Rheuma schlimmer – das hat schon die Großmutter gewusst. Und auch heutzutage klagen darüber viele Menschen, die an Erkrankungen von Knochen, Muskeln…
mehr
Männer und Frauen mit Gicht leben gefährlich. Denn sie haben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie z.B. Schlaganfall, Thrombose oder Lungenembolie.
Gicht macht…
mehr
Patient*innen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen müssen gut auf ihre Knochen aufpassen. Sie haben oft schon zu Beginn der Erkrankung eine erniedrigte Knochendichte.
Darme…
mehr
Osteoporose ist kein reines Frauenproblem. Auch Männerknochen werden mürbe – und das meist mit drastischeren Folgen als bei Frauen. Lesen Sie hier, wann auch Männer an eine…
mehr
Schuhe müssen passen, damit der Fuß nicht leidet. Das gilt besonders für Füße, die von einer rheumatoiden Arthritis geplagt werden. Doch worauf müssen Rheumapatient*innen beim…
mehr