Gesundheit heute

Ellenbogenverrenkung

Ellenbogenverrenkung (Ellenbogenluxation, humeroulnare Luxation): Auskugeln des Ellenbogengelenks zwischen Oberarmknochen und Elle, meist beim Sturz auf den ausgestreckten Arm. Um Dauerschäden an Nerven und Gefäßen zu vermeiden, ist eine schnellstmögliche Einrenkung erforderlich, gefolgt von einer kurzen Ruhigstellung. Begleitverletzungen an Knochen, Nerven oder Blutgefäßen benötigen – ebenso wie eine ausgeprägte Instabilität des Ellenbogengelenks – eine offene oder arthroskopische Operation. Ob konservativ oder operativ behandelt: Nach etwa 3 Monaten ist der Ellenbogen meist wieder voll belastbar.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Deformiertes, weitgehend bewegungsunfähiges Ellenbogengelenk
  • Schmerzen und zunehmende Schwellung
  • Eventuell Kribbeln oder Taubheitsgefühl in Unterarm und Hand.

Wann in die Arztpraxis

Sofort bei

  • Bewegungsunfähigkeit des Ellenbogens und/oder Taubheitsgefühlen des Unterarms und der Hand.

Die Erkrankung

Der Ellenbogen ist nach der Schulter am zweithäufigsten von einer Verrenkung betroffen. Typischerweise (zu 90 %) schlägt oder hebelt ein Sturz auf den gestreckten Arm den Unterarm nach hinten aus dem Ellenbogengelenk zur Streckseite des Ellenbogens heraus. In der Folge liegen Elle und Speiche dann hinter dem Oberarmknochen (dorsale Luxation).

Sehr selten kugelt sich dagegen das Speichenköpfchen isoliert aus (isolierte Luxation), noch seltener landen Elle und Speiche durch das Auskugeln vor oder neben dem Oberarmknochen (ventrale oder divergierende Luxation).

Bei einer Ellenbogenverrenkung kommt es immer zu einer Zerreißung der Gelenkkapsel. Häufig sind auch begleitende Bänderrisse oder Knochenverletzungen wie z. B. der Bruch des Speichenköpfchens. Ebenso können Nerven, Venen und Arterien im Bereich des Ellenbogengelenks geschädigt werden.

Diagnosesicherung

Meist ist die Ellenbogenverrenkung als typische Blickdiagnose für die Ärzt*in sofort erkennbar. Der Arm wird in gebeugter Stellung getragen, das Gelenk ist geschwollen und deformiert, beim (vorsichtigen!) Abtasten fühlt die Ärzt*in die leere Gelenkpfanne. Röntgenaufnahmen dienen dazu, die Diagnose zu sichern und begleitende Knochenbrüche auszuschließen.

Um eine Nerven- oder Gefäßverletzung nicht zu übersehen, prüft die Ärzt*in den sogenannten DMS-Status, d. h. die Durchblutung, die Motorik und die Sensibilität des betroffenen Arms.

  • Am Ellenbogengelenk sind drei Nerven in Gefahr. Schädigungen am Speichennerv (Nervus radialis) machen sich durch die sog. "Fallhand" bemerkbar, bei der die Patient*in Hand und Finger nicht mehr strecken kann. Diese hängen dann schlaff vom angehobenen Unterarm herab. Bei Schädigung des Ellennervs (Nervus ulnaris) kommt es zu Störungen der Handinnenmuskeln und zu Gefühlsstörungen an der Handaußenseite. Es entsteht eine sogenannte "Krallenhand". Ist der Mittelarmnerv (Nervus medianus) betroffen, droht die Lähmung von Ringfinger und kleinem Finger. Da diese dann nicht mehr ausgestreckt werden können, spricht man auch von einer "Schwurhand". Außerdem ist die Sensibilität von Daumen und Zeigefingerkuppe gestört.
  • Ob die Speichenarterie (Arteria radialis) in Mitleidenschaft gezogen wurde, erkennt die Ärzt*in an einem abgeschwächten oder fehlenden Puls am Handgelenk.

Bei Verdacht auf komplizierte Begleitverletzungen veranlasst die Ärzt*in zusätzliche CT- oder MRT-Aufnahmen – zum einen für die Diagnose, zum anderen für die Planung der Therapie.

Differenzialdiagnose. Schmerzen und Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk finden sich auch bei Prellung oder Zerrung im Bereich des Gelenks, bei Brüchen des Oberarms, der Elle und der Speiche und vor allem bei der Chassaignac-Lähmung.

Behandlung

Geschlossenes Einrichten des Gelenks. Nach der Diagnose richtet die Ärzt*in die Verrenkung schnellstmöglich ein, um eine anhaltende Quetschung oder Überdehnung der benachbarten Nerven und Blutgefäße mit dauerhaften Folgeschäden zu vermeiden. Vor dem Einrichten spritzt sie in der Regel starke Schmerz- und Beruhigungsmittel, damit die Patient*in durch Muskelanspannung die Manipulation nicht erschwert. Wird die Patient*in im Krankenhaus behandelt, kommen auch Kurznarkosen zum Einsatz.

Kontrolle des Einrichtens. Nach dem Einrichten überprüft die Ärzt*in die Position von Oberarm, Speiche und Elle mit einer Röntgenaufnahme. Noch während sich die Patient*in in Kurznarkose oder unter starker Schmerzbehandlung befindet, untersucht die Ärzt*in die Stabilität des eingerichteten Ellenbogengelenks. Dazu beugt und streckt die Ärzt*in das Gelenk und knickt es nach innen und nach außen. Da auch beim Einrichten Gefäße und Nerven beschädigt werden können, überprüft sie erneut den DMS-Status.

Wahl der Weiterbehandlung. Finden sich im Röntgen und beim DMS-Status keine Auffälligkeiten und bleibt bei der Funktionsprüfung das Gelenk stabil, wird konservativ weiterbehandelt. Operiert wird, wenn die Funktionsprüfung eine starke Instabilität zeigt, das Gelenk beim Beugen und Strecken in Narkose erneut auskugelt oder sich gar nicht erst richtig einrenken lässt. Auch bei Knochenbrüchen, offener Gelenkverrenkung und verletzten Gefäßen oder Nerven ist eine operative Versorgung erforderlich.

  • Konservative Weiterbehandlung. Hier wird der Arm für maximal 1 Woche in Funktionsstellung (etwa 90° gebeugt) in einer Oberarmschiene oder einem Oberarmcast ruhiggestellt. Danach bekommt die Patient*in meist eine bewegliche Ellenbogenorthese. Die Behandlung der Schmerzen erfolgt mit Schmerzmitteln wie Ibuprofen (z. B. Dolgit® oder Ibuprofen AbZ) oder auch Metamizol (z. B. Novalgin®). Nach Abklingen der akuten Schmerzen verordnet die Ärzt*in Bewegungsübungen unter krankengymnastischer Anleitung. Nach etwa 6 Wochen kann der Ellenbogen unter Alltagsbedingungen belastet werden, nach 3 Monaten ist er in der Regel ausgeheilt und wieder voll belastbar.
  • Operative Weiterbehandlung. Je nach Befund und erforderlichem Eingriff erfolgt die Operation arthroskopisch oder offen. Dabei richten die Unfallchirurg*innen das Gelenk wieder ein, fixieren gebrochene Knochen oder abgerissene Knochenfragmente und nähen Bänder, verletzte Nerven und Gefäße wieder zusammen. Danach wird der Ellenbogen häufig mit Hilfe eines Fixateur externe von außen fixiert, manchmal bekommen die Patient*innen auch eine bewegliche Ellenbogenprothese. Um zu verhindern, dass das Ellenbogengelenk einsteift, steht auch nach der Operation so früh wie möglich eine erst passive, dann aktive Bewegungstherapie an. Alltägliche Belastungen sind dann nach etwa 6 Wochen, volle Belastung nach 3 Monaten möglich.

Prognose

Die einfache, konservativ behandelte Ellenbogenverrenkung heilt meist folgenlos aus. In 2 von 100 Fällen kommt es später zu einer weiteren Verrenkung.

Vor allem nach Ellenbogenverrenkungen mit Begleitverletzungen wie Knochenbrüchen oder Bänderschäden drohen nach der ohnehin verlängerten Heilungsphase Einschränkungen in der Beweglichkeit des Gelenks. Manchmal kommt es zu einer Einsteifung, die das Beugen und Strecken erschwert. Nach Verletzung des Speichenköpfchens können die Drehbewegungen des Unterarms behindert sein.

Ihre Apotheke empfiehlt

Prävention

Protektoren. Sportarten wie z. B. Skateboard-Fahren, Mountainbiken, Motocross aber auch Ski- und Snowboardfahren haben ein hohes Verletzungsrisiko für die Ellenbogen. Hier ist es ratsam, Ellenbogenprotektoren zu tragen.

Stolperfallen ausmerzen. Ältere Menschen sind oft besonders von Stürzen bedroht, sei es aufgrund einer Fehlsichtigkeit, eines verminderten Gleichgewichtsgefühls oder durch krankheitsbedingte Einschränkung ihrer Beweglichkeit. Deshalb sollte ihre Wohnung immer auf mögliche Stolperfallen wie Teppiche oder herumliegende Kabel untersucht und diese entfernt werden.

Von: Dr. med. Michael Bedall in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
Zurück
Knie-OP: Physio geht auch per Video

Mit einer genauen Anleitung lässt sich eine Physiotherapie auch per Video erfolgreich durchführen.

Knie-OP: Physio geht auch per Video

Nach der Knie-Prothesen-OP

Nach dem Einpflanzen einer Knieprothese ist erstmal die Rehabilitation angesagt. Ein wichtiger Teil davon ist die Physiotherapie. Die klappt auch gut mit virtueller Anleitung.

Ohne Reha geht es nicht

Damit ein künstliches Kniegelenk (Knie-TEP) gut einheilt und funktioniert, ist eine Rehabilitation nötig, also eine spezifische Anschlussheilbehandlung. Sie beginnt direkt nach der Operation und wird dann in Rehakliniken oder ambulant fortgesetzt. Neben Schmerzbehandlung und Beratung ist die Physiotherapie der wichtigste Bestandteil der Maßnahme. Durch spezielle Übungen wird dafür gesorgt, dass das Knie wieder gebeugt und gestreckt werden kann. Außerdem werden die Muskeln gestärkt. Das ist besonders wichtig, weil sie das Kniegelenk führen und stabilisieren sollen.

Normalerweise wird die Physiotherapie unter persönlicher Betreuung durchgeführt. Dass sie bei ausgewählten Patient*innen auch virtuell erfolgreich ist, haben jetzt kanadische Forschenden gezeigt. In ihrer Studie untersuchten sie die Reha-Ergebnisse von 275 Personen nach einer Knie-TEP. 100 von ihnen hatten ihre Physiotherapie zweimal wöchentlich per Video online erhalten. 175 Betroffene turnten zwei Mal die Woche in 5er-Gruppen unter persönlicher Anleitung einer Physiotherapeut*in.

Schmerzen in beiden Gruppen gleich

In der Videogruppe erreichten 85% der Betroffenen eine Kniebeugung von über 120°, und 96 Prozent ein Kniestreckungsdefizit von weniger als 5% (das bedeutet, dass sie das Knie fast komplett strecken konnten). Bei den persönlich Betreuten waren das zwar etwas mehr (91 und 98 Prozent), der Unterschied war jedoch nicht signifikant. Die Schmerzen waren in beiden Gruppen vergleichbar.

Etwa 10% aus der Videogruppe kamen mit der Videoanleitung nicht zurecht und mussten auf die persönliche Betreuung wechseln. Dabei handelte es sich vor allem um Frauen über 65, deren Kniebeugung direkt nach Operation stark eingeschränkt war.

Physio per Video war beliebt

Das virtuelle Programm kann bei ausgewählten Patient*innen die persönliche Betreuung ersetzen, meinen die Forschenden. Die meisten Patient*innen, die bis zum Schluss per Video trainiert wurden, sahen dies genauso: 80 Prozent von ihnen würden sich wieder für eine virtuelle Physiotherapie entscheiden.

Quelle: Ärztezeitung

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Giorgio Fochesato