Gesundheit heute

Schulterverrenkung

Schulterverrenkung (Schulterausrenkung, Schulterluxation): Auskugeln des Schultergelenks zwischen Schultergelenkpfanne und Oberarmkopf, oft beim Sturz auf den nach hinten ausgestreckten Arm. Kein Gelenk ist häufiger von einer Verrenkung betroffen als das Schultergelenk. Bemerkbar macht sich die Ausrenkung durch starke Schmerzen beim Versuch, den Arm im Schultergelenk zu bewegen.

Um Folgeschäden zu verhindern, ist es wichtig, das ausgekugelte Gelenk schnellstmöglich wieder einzurichten. Dafür gibt es mehrere geschlossene Verfahren, in manchen Fällen muss jedoch auch operiert werden. Eine erstmalige Schulterverrenkung ohne wesentliche Begleitverletzungen heilt meist ohne bleibende Folgen, bei jungen Patient*innen ist allerdings die Gefahr einer erneuten Schulterverrenkung hoch.

Hinweis: Die Schulterverrenkung ist ein Notfall, die Betroffenen müssen so schnell wie möglich medizinisch versorgt werden. Als erste Hilfe ist der Arm mit gebeugtem Ellbogengelenk ruhig zu stellen, z. B. in einem Dreieckstuch oder mithilfe einer breiten Bandage. Der Arm darf weder bewegt noch durch einen Laien eingerichtet (eingerenkt) werden!

Symptome und Leitbeschwerden

  • Starke Schmerzen beim Versuch, den betroffenen Arm im Schultergelenk zu bewegen
  • Haltung des Oberarms in leicht abgespreizter, nach vorn geführter und nach außen gedrehter Stellung bei vorderer Schulterverrenkung
  • Bei hinterer Schulterverrenkung sog. Hinkelsteinhaltung – der Arm wird an den Körper gezogen und nach innen gedreht, so als würde man wie Obelix einen Hinkelstein tragen
  • Federnde Fixation: Der Arm wird nach jeder Bewegung sofort in eine halbwegs erträgliche Stellung zurückgeführt
  • Sicht- und tastbare Delle in der Schulterkontur, seitlich und unterhalb der Schulterhöhe (Epaulettenphänomen).

Wann zur Arztpraxis

Sofort, wenn

  • sich oben genannte Beschwerden zeigen.

Die Erkrankung

Jede zweite Gelenkausrenkung beim Menschen ist eine Schulterverrenkung, insgesamt sind pro Jahr etwa 15 von 100.000 Deutschen davon betroffen, Frauen etwa dreimal so häufig wie Männer. Aus zwei Gründen ist die Schulterverrenkung so häufig: Zum einen ist die Schultergelenkpfanne klein und flach und besitzt dadurch nur eine geringe Kontaktfläche zum relativ großen Oberarmkopf. Damit sich der Arm in der Schulter in alle Richtungen gut bewegen kann, ist der Oberarmkopf außerdem in seiner Position nur wenig gesichert, v. a. durch relativ nachgiebige Strukturen, wie Gelenkkapsel und Bänder, sowie durch die Sehnen und Muskeln der Rotatorenmanschette.

Ursachen und Risikofaktoren

Häufigste Ursache von Schulterverrenkungen sind (unfallbedingte) Stürze, bei jüngeren Menschen vor allem beim Sport. Ältere Menschen fallen aufgrund ihres erhöhten Sturzrisikos dagegen im Alltag leicht auf ihre Schulter, z. B. indem sie über eine Teppichkante stolpern oder an einem Möbelstück hängen bleiben.

In 95 % der Fälle ist der Oberarmkopf, die Kugel des Schultergelenks, nach vorne oder nach vorne unten ausgekugelt. Auslöser ist z. B. ein Sturz auf den nach hinten ausgestreckten Arm, ein starker Schlag auf die Schulterrückseite oder eine übermäßige Hebelwirkung auf den angehobenen und nach außen oder hinten geführten Arm, z. B. im Rahmen einer Rempelei oder eines Sturzes beim (Fußball-)Sport. Nur in 5 % der Fälle renkt sich der Oberarm nach hinten aus, meist durch einen direkten Schlag von vorn gegen die Schulter.

Begünstigt werden erstmalige oder wiederholte Schulterverrenkungen durch folgende Risikofaktoren:

  • Bleibende Schäden nach einer vorangegangenen Schulterverrenkung (posttraumatisch rezidivierende Schulterverrenkung)
  • Altersbedingte Schwächung des Kapsel-Band-Apparates
  • Anlagebedingte Anomalien des Kapsel-Band-Apparates oder der Schultergelenkpfanne
  • Angeborene Bindegewebsschwäche wie beim Marfan-Syndrom oder beim Ehler-Danlos-Syndrom.

Habituelle Schulterverrenkung

War eine Schulter schon mehrfach ausgerenkt, führen Überdehnung und Risse der Kapsel oft zu anhaltenden Beschwerden und zur Schulterinstabilität. Häufig reichen dann bereits ausladende Bewegungen, wie z. B. gleichzeitiges Heben und Außendrehen des Arms, um die Schulter auszurenken. Ab dem dritten Ereignis innerhalb kurzer Zeit spricht die Ärzt*in dann von einer "gewohnheitsmäßigen", also habituellen Schulterverrenkung. Sie kommt auch gelegentlich ohne vorangehende Verletzung als Folge einer anlagebedingten Schulterinstabilität vor.

Komplikationen

Beim Auskugeln des Oberarmkopfs entstehen oft weitere Verletzungen des Schultergelenks, insbesondere Risse in der Gelenkkapsel und der Rotatorenmanschette. Zusätzliche Abrisse der knorpeligen Gelenklippe am vorderen unteren Rand der Schultergelenkpfanne heißen Bankart-Läsion. Verletzungen an Gelenkkapsel, Rotatorenmanschette und insbesondere Gelenklippe vermindern die Gelenkstabilität und begünstigen damit das Auftreten späterer, wiederholter Verrenkungen. Manchmal treten als Begleitverletzung auch Knochenabrisse und -brüche am Oberarmkopf oder – sehr selten – an der Schultergelenkpfanne auf.

Bei jeder 10. Patient*in wird durch die Schulterverrenkung der N. axillaris verletzt. Dieser Nerv innerviert mit seinen motorischen Fasern zwei Schultermuskeln, den M. deltoideus und den M. teres minor. Außerdem leitet er über seine sensiblen Fasern die Gefühlsempfindung aus dem äußeren Bereich der Schulter (über dem M. deltoideus) zum Gehirn. Eine Schädigung des N. axillaris zeigt sich darin, dass das Heben und Auswärtsdrehen des Oberarms erschwert ist, häufig kommt es auch zu Kribbeln oder Taubheitsgefühl an der Außenseite von Oberarm und Schulter.

Diagnosesicherung

Anhand des typischen Beschwerdebilds stellt die Ärzt*in ihre Verdachtsdiagnose, meist kann sie die leere Gelenkpfanne sowohl sehen als auch tasten. Durch die Delle unterhalb des Schulterdaches ähnelt die Schulter von vorne einer Epaulette, weshalb die Ärzt*innen hier auch vom Epaulettenphänomen sprechen. Röntgenaufnahmen der Schulter sichern den Verdacht und klären, ob knöcherne Begleitverletzungen vorliegen.

Um eine Nerven- oder Gefäßverletzung nicht zu übersehen, wird der sogenannten DMS-Status geprüft, d. h. die Durchblutung, die Motorik und die Sensibilität des betroffenen Arms. Dazu fühlt sie z. B. den Puls, beurteilt die Nagelbettdurchblutung, lässt die Patient*in die Finger bewegen und streicht mit einem feinen Pinsel oder einer Nadel über die Haut von Hand und Fingern.

Da bei einer Schulterverrenkung der oben genannte N. axillaris besonders oft Schaden nimmt, muss vor allem die Empfindlichkeit über der äußeren Schulter geprüft werden. Auch das Einrenken selbst gefährdet den Nerven, weshalb die Sensibilität danach erneut getestet wird.

Durch Ultraschall, CT oder Kernspin lassen sich Verletzungen der Weichteile (Kapsel, Rotatorenmanschette) nachweisen.

Differenzialdiagnosen: Zu ähnlichen Beschwerden kommt es auch beim Oberarmkopfbruch oder anderen Verletzungen des Schultergürtels.

Behandlung

Eine ausgekugelte Schulter muss so schnell wie möglich wieder eingerichtet werden, damit es durch den verschobenen Oberarmkopf nicht zu (weiteren) Schäden an Gelenkkapsel, Rotatorenmanschette, Nerven oder Blutgefäßen kommt. Weil ohne Röntgen oder Ultraschall ein gleichzeitiger Oberarmbruch nicht ausgeschlossen werden kann, sollte das Einrichten nur in der Klinik und nicht etwa "blind" im Rettungswagen erfolgen. Eingerichtet wird die ausgekugelte Schulter durch Manipulationen am Patientenarm (sogenannte geschlossene Reposition) oder operativ im Rahmen einer Gelenkspiegelung oder einer offenen Operation.

Geschlossenes Einrichten

Zum geschlossenen Einrichten spritzt die Ärzt*in bei Bedarf muskelentspannende und schmerzlindernde Medikamente (Analgosedierung). Eine ausreichende Schmerzlinderung ist wichtig, da die Patient*in sonst unwillkürlich gegenspannt und das Einrichten erschwert. Um solch eine Gegenspannung zu verhindern, bietet sich als Alternative auch eine kurze Vollnarkose an.

Zum geschlossenen Einrichten der Schulter gibt es mehrere Möglichkeiten, bei denen die Patient*in entweder sitzt oder in Bauch- oder Rückenlage liegt. Eine häufig angewandte Methode ist z. B. das Verfahren nach Stimson. Hier liegt die Patient*in auf dem Bauch, ihre verletzte Schulter hängt – leicht erhöht durch ein Kissen – über den Rand der Liege herab. Durch 2 Methoden gelangt der Oberarmkopf wieder in die Pfanne:

  • Es wird ein bis zu 7 kg schweres Gewicht am Arm befestigt und abgewartet. Durch den langsamen, aber steten Zug unter Muskelentspannung rutscht der Oberarmkopf nach 20 bis 30 Minuten wieder in die Gelenkpfanne.
  • Die Ärzt*in kniet neben der Liege und zieht leicht und stetig unter leichten Drehbewegungen am Oberarm der Patient*in, bis der Oberarmkopf in die Pfanne gleitet.
  • Beim Verfahren nach Milch liegt die Patient*in auf dem Rücken. Die Ärzt*in beugt den ausgekugelten Arm im Ellenbogengelenk, führt ihn unter leichter Außendrehung nach außen, hebt ihn und legt ihn in Über-Kopf-Lage auf der Liege ab. Durch diese Bewegung rutscht der Oberarmkopf oft in die Pfanne, wenn nicht, zieht die Ärzt*in den Oberarm nochmals vorsichtig kopfwärts.
  • Die früher bevorzugte Einrenkung nach Hippokrates oder die Einrenkung nach Arlt werden heute nicht mehr empfohlen, da bei ihnen die Gefahr der Nervenschädigung größer ist als bei den oben genannten (und anderen gebräuchlichen) Verfahren.

Erfolgskontrolle. Ist der Arm wieder eingerichtet, merkt das deie Patient*in daran, dass – nach einer kurz auftretenden Schmerzspitze – der Schmerz nunmehr verschwunden ist. Die Ärzt*in kann das "Einkugeln" meist direkt spüren oder als Schnappen bzw. Reiben hören. Auch das Röntgenbild zeigt, ob der Oberarmkopf wieder in seiner Pfanne sitzt. Um sicherzustellen, dass bei der Prozedur keine Gefäße oder Nerven verletzt wurden, prüft die Ärzt*in erneut den oben genannten DMS-Status.

Behandlungskomplikationen. Wichtige Komplikationen beim Einrichten einer Schulterverrenkung ist die Schädigung des N. axillaris. Bei manchen Methoden (z. B. bei der oben nicht näher aufgeführten Methode nach Kocher) droht durch das Einrenken vor allem bei älteren Patient*innen ein Bruch des Oberarmknochens.

Operativ

Eine operative Behandlung empfiehlt sich vornehmlich bei begleitenden Knochen- oder Weichteilverletzungen, etwa einem Bruch oder Abriss des Gelenkpfannenrands, einem Riss in der Gelenkkapsel oder in der Rotatorenmanschette. Außerdem wird die Operation erforderlich, wenn sich die Schulter mit den oben genannten konservativen Verfahren nicht einrichten lässt. Bei habituellen Schulterverrenkungen raten die Ärzt*innen meist zu einer Operation, wenn sie mindestens dreimal in einem Jahr ohne vorangegangenen Unfall auftreten.

Operiert wird entweder offen oder im Rahmen einer Gelenkspiegelung (arthroskopisch). Ziel ist, das Gelenk wiederherzustellen und zu stabilisieren. Typische Maßnahmen dafür sind die Raffung der Gelenkkapsel oder eine Naht der Rotatorenmanschette.

Nachbehandlung

Ruhigstellung. Nach dem Einrichten stellt die Ärzt*in die verletzte Schulter in einem Schulter-Arm-Verband ruhig (z. B. mit einem Gilchrist-Verband oder einer Außenrotationsorthese). Bei geschlossener Einrichtung reicht dazu oft eine Woche, bei der operativen Versorgung ist manchmal eine Ruhigstellung bis zu 6 Wochen erforderlich.

Schmerztherapie. Bestehen noch Schmerzen, verordnet die Ärzt*in Schmerzmittel wie Ibuprofen (z. B. Dolgit® oder Ibuprofen AbZ) oder auch Metamizol (z. B. Novalgin® oder Novaminsulfon-ratiopharm®).

Physiotherapie. Noch während der Ruhigstellungsphase beginnt eine vorsichtige krankengymnastische Übungsbehandlung; zunächst mit passiven, später mit aktiven Bewegungen von Ellbogen-, Hand- und Fingergelenken. Schließlich kommen Übungen zum Muskelaufbau des Schultergürtels dazu. Meist ist nach etwa 8–12 Wochen eine normale (sportliche) Belastung des betroffenen Gelenks erlaubt.

Spätfolgen

Nach einer Schulterverrenkung kann es durch eine lange Ruhigstellung des Gelenks zur Schrumpfung der Gelenkkapsel mitsamt Bewegungseinschränkung der Schulter kommen (sekundäre Schultersteife). Eine weitere Spätfolge ist die Entwicklung einer Schultergelenkarthrose (Omarthrose) durch Verletzung der knöchernen Strukturen. Bei manchen Patient*innen zeigt sich auch eine Überbeweglichkeit des Schultergelenks, die sich in dem Gefühl der Instabilität und Schmerzen äußern kann.

Prognose

Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Schulterverrenkung ist vor allem bei jungen Patient*innen hoch, die Mehrzahl der Betroffenen unter 30 Jahren erleidet nach der ersten Schulterverrenkung eine weitere. Wurde die Verrenkung operativ versorgt, ist die Rezidivrate jedoch deutlich niedriger.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Muskelaufbau. Um weiteren Schulterverrenkungen vorzubeugen, gilt es, die stabilisierende Schultermuskulatur zu kräftigen. Besonders bedeutend ist dabei das Training des Unterschulterblattmuskels (M. subscapularis) und des Brustmuskels (M. pectoralis), da die Sehnen dieser Muskeln den vorderen Anteil der Schultergelenkkapsel stabilisieren. Eine häufig dafür empfohlene kräftigende Übung ist der Unterarmstütz (das sind Liegestützen, bei denen man sich nicht auf die Hände, sondern auf die Unterarme stützt).

Nicht Autofahren. Ein Fahrzeug zu lenken ist meist nach etwa 4 bis 5 Wochen wieder möglich. Wer mit ruhig gestelltem Arm selbst fährt und einen Unfall verursacht, riskiert Probleme mit seiner Haftpflichtversicherung.

Sport. In der Regel gilt etwa 2 Monate lang nach einer Verrenkung ein Sportverbot. Schulterbelastende Sportarten dürfen frühestens ein halbes Jahr später wieder aufgenommen werden, besser ist, gänzlich darauf zu verzichten. Dazu gehören typischerweise Handball, Speerwerfen, Wasserball und andere armbetonte Sportarten. Aber auch Kontaktsportarten wie Fußball und Rugby gefährden die Schulter und können eine erneute Ausrenkung provozieren.

Schulterbelastung reduzieren. Um einer erneuten Schulterverrenkung vorzubeugen, sollten schulterbelastende Tätigkeiten vermieden werden. Dazu gehören längere Arbeiten in Schulter- und Kopfhöhe, vor allem, wenn dabei schwere Lasten getragen werden.

Von: Dr. med. Michael Bedall, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Hühnerauge - Wenn der Schuh drückt

Neben hornhautaufweichende Tinkturen und Pflaster gehört vor allem das Fußbad zu den Waffen gegen lästige Hühneraugen.

Hühnerauge - Wenn der Schuh drückt

Schmerzhafte Wucherung

Hühneraugen sind lästig und schmerzhaft – aber zum Glück meistens harmlos. Deshalb kann man sie in der Regel gut selbst behandeln. Wirksame Methoden reichen von neuen (passenden) Schuhen bis zu speziellen Pflastern und Tinkturen aus der Apotheke. Und damit es nicht zu neuen Verhornungen kommt, lässt sich gegen Hühneraugen auch vorbeugen.

Wo kommt das Hühnerauge her?

Ein Hühnerauge ist eine punktuelle, verstärkte Verhornung der Haut (Hyperkeratose). Sie bildet sich kreis- oder linsenförmig aus. In der Mitte befindet sich eine kleine, oft glasige Kuppe, der sogenannte Hornkegel. Sein Inneres kann weit in die Tiefe reichen. Die Haut um den Kegel herum ist gelblich-beige. Insgesamt sieht das Ganze ein bisschen so aus wie ein rundes Hühnerauge – deshalb der volkstümliche Name. Medizinisch heißt das Hühnerauge Clavus, in der Mehrzahl Clavi.

Hühneraugen entstehen durch dauerhaften oder immer wiederkehrenden Druck. Betroffen sind insbesondere solche Hautbereiche, die dicht über dem Knochen liegen – also Füße und Hände. Auf Druck und Reibung reagiert die Haut mit einer Verdickung. Das Wachstum der hornbildenden Zellen (Keratinozyten) in den unteren Schichten der Haut wird angeregt und es bilden sich immer mehr davon.

Normalerweise wandern diese Hautzellen von unten nach oben, verhornen immer mehr und werden dann an der Hautoberfläche abgeschilfert. Durch den Druck und die verstärkte Verhornung gelingt das den verhornten Hautzellen nicht mehr. Sie bilden im Inneren des Hühnerauges eine harte Hornmasse. Je länger dieser Zustand anhält, desto tiefer wächst der Hornkegel nach innen. Dort kann er auf Nervenenden treffen und starke Schmerzen auslösen.

Der schädliche Druck kann verschiedenen Ursachen haben. Neben Fußfehlstellungen zählt falsch sitzendes, drückendes Schuhwerk zu den Hauptauslösern von Hühneraugen. In diesen Fällen sind meist die Zehen betroffen. Dort sitzen sie gerne zwischen dem vierten und fünften Zeh oder an der Oberseite der zweiten Zehe.

Auch ein Hallux valgus (Ballenzeh) ändert die Druckverhältnisse und begünstigt an der betroffenen Großzehe die Bildung eines Hühnerauges. Beim Spreizfuß wiederum sind Ballen und Sohle besonders belastet, worauf die Haut ebenfalls mit Hyperkeratosen und Hühneraugen antwortet. Gleiches passiert, wenn durch Fußfehlstellungen Zehen aneinander oder gegen den Schuh drücken. Gefördert wird die Bildung von Hühneraugen zudem durch trockene Haut.

Manchmal entwickeln sich Hühneraugen sogar an den Händen. Auch dort ist dauerhafter Druck schuld, z.B. beim intensiven Hantieren mit Arbeits- oder Sportgeräten. Betroffen sind davon Tennisspieler*innen, Mechaniker*innen oder Musiker*innen.

Hinweis: Menschen mit einer diabetischen Polyneuropathie oder einer anderen Nervenerkrankungen bemerken schädlichen Druck an den Füßen häufig nicht. Sie sind deshalb besonders gefährdet, Hühneraugen zu entwickeln.

Hühnerauge ist nicht gleich Hühnerauge

Hühneraugen können in verschiedenen Formen auftreten. Manche sind hart, andere weich, in einige Hühneraugen wachsen mit der Zeit kleine Blutgefäße ein, andere werden von Nerven durchzogen. Expert*innen unterscheiden deshalb acht Typen:

  • Der Clavus durus ist das bekannteste und klassische Hühnerauge. Er ist hart und befindet sich vor allem unter den Zehengrundgelenken, manchmal auch am Zehenrücken. Der Kegel reicht oft stark in die Tiefe, wodurch sich das Hühnerauge bei Druck von oben äußerst schmerzhaft bemerkbar machen kann.
  • Bei einem Clavus molle handelt es sich um ein weiches Hühnerauge. Es sitzt zwischen den Zehen und bleibt wegen dem dort feuchten Klima weich.
  • Ein Clavus vascularis ist hart und enthält kleinste Blutgefäße. Deshalb kann er leicht bluten. Diese Hühneraugen entstehen bei besonders starker Belastung der Haut.
  • Der Clavus neurovascularis ist nicht nur von Blutgefäßen, sondern auch von Nervenenden durchzogen. Diese Hühneraugen sitzen meist an den Zehenkuppen, bluten leicht und schmerzen oft besonders stark.
  • Der großflächige und harte Clavus neurofibrosus befindet sich an der Fußsohle.
  • Ein Clavus papillaris zeichnet sich durch einen weichen Kern aus.
  • Clavi miliares kommen in großen Ansammlungen vor und schmerzen nicht. Bei ihnen handelt es sich um eine stoffwechselbedingte Fehlverhornung.
  • Der Clavus subungualis sitzt unterhalb der Nagelplatte.

Nicht alle diese Hühneraugen darf man selbst behandeln. Möglich ist die Therapie in Eigenregie bei den häufigsten Formen, dem Clavus durus und dem Clavus molle. Hühneraugen, die bluten, in großen Ansammlungen vorkommen oder unter dem Nagel sitzen, schauen sich besser die Hausärzt*in oder Dermatolog*in an und entscheiden, wie man sie am besten angeht.

Hinweis: Hühneraugen und Warzen sehen auf den ersten Blick sehr ähnlich aus. Schaut man genauer hin, lassen sich Unterschiede erkennen: Bei Warzen fehlt der glasige Hornkern in der Mitte. Stattdessen findet sich unter einer oberflächlichen Verhornung warzenartiges Gewebe, das mit schwarzroten Pünktchen versetzt ist.

Weg mit Druck und Verhornung!

Um Hühneraugen zum Verschwinden zu bringen, muss der betroffene Bereich als erstes entlastet werden. Sind drückende Schuhe der Auslöser, sollten sie nicht mehr getragen werden. Stattdessen wählt man ausreichend weite und gut passende Schuhe. Schuhe kaufen sollte man übrigens am besten abends: Denn nach einem ganzen Tag auf den Beinen sind Füße oft angeschwollen und deshalb etwas größer als morgens.

Bei Fehlstellungen kann die Orthopäd*in helfen. Sie begutachtet den Fuß und verordnet wenn nötig Einlagen. Damit lassen sich Fehlstellungen korrigieren, die zu dem Druck geführt haben. Manche Betroffenen profitieren auch von speziellen ringförmigen Polstern. Sie klebt man so auf die Haut, dass eventueller Druck davon ferngehalten wird.

Allein die Entfernung des Drucks kann Hühneraugen zur Rückbildung bewegen. Das dauert allerdings eine Weile und funktioniert auch nicht immer zuverlässig. Besser ist es, gleichzeitig die Verhornung zu beseitigen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Zunächst nimmt man ein lauwarmes Fußbad, das die Haut aufweicht. Ein Teil der obersten Hautschicht löst sich dann und kann vorsichtig mit Bimsstein oder einem trockenen Frottee-Handtuch abgetragen werden. Fußhobel oder andere Werkzeuge sollten wegen der Verletzungsgefahr nicht dafür benutzt werden. Danach behandelt man das Hühnerauge mit Keratolytika (hornhautauflösenden Substanzen) wie Salicylsäure oder Milchsäure. Diese Wirkstoffe lockern die oberste Hautschicht. Dadurch weicht der Clavus weiter auf, sodass er beim nächsten Fußbad leichter entfernt werden kann. Die Wirkstoffe gibt es als Tinkturen und als Pflaster.

  • Tinkturen muss man mehrmals täglich auf das Hühnerauge auftragen. Die nicht verhornte Haut um den Clavus herum sollte vor dem Wirkstoff geschützt werden. Dafür cremt man sie vorsichtig mit Vaseline oder einer Fettsalbe ein. Die Salicyl- oder Milchsäure trocknet nach dem Auftragen und bildet einen Film auf dem Hühnerauge. Dieser Film muss vor dem nächsten Auftragen wieder entfernt werden. Wie häufig das Hühnerauge behandelt werden muss, richtet sich nach dem jeweiligen Produkt. Meist soll die Tinktur ein- bis zweimal täglich verwendet und nach drei bis vier Tagen die Hornhaut in einem Fußbad entfernt werden. Ganz wichtig: Nach dem Hantieren mit der Tinktur muss man sich die Hände waschen, damit die Säure nicht in die Augen oder auf andere empfindliche Hautstellen gerät. Die gesamte Prozedur ist recht aufwendig. Menschen, die nicht mehr gut sehen oder weniger beweglich sind, sollten sich dabei von Angehörigen helfen lassen oder eine Podolog*in aufsuchen.
  • Pflaster mit Salicylsäure oder Milchsäure sind etwas leichter zu handhaben. Sie werden so auf den Clavus geklebt, dass der wirkstoffhaltige Anteil genau auf dem Hornkegel zu liegen kommt. Zu beachten ist dabei, dass die Haut sauber und trocken ist. Manche Produkte haben zusätzlich zu ihrem Wirkstoffkern ein Druckschutzpolster, um beim Gehen die Schmerzen zu mindern. Je nach Produkt bleibt das wirkstoffhaltige Pflaster ein bis drei Tage kleben. Oft verschwindet das Hühnerauge dann schon beim Entfernen des Pflasters. Bei manchen Präparaten wird empfohlen, die aufgeweichte Haut nach einem Fußbad abzutragen, andere Pflaster sollen mehrmals ausgetauscht werden. Weil die Handhabung je nach Produkt stark variiert, ist es wichtig, vor Anwendung die Gebrauchsanweisung genau zu lesen.

Ob Tinkturen oder Pflaster: Die über die Haut aufgenommene Salicylsäure kann in das Blut gelangen und auch im Körper wirken. Deshalb sollten Tagesdosen von 2,0 g für Erwachsene und 0,2 g für Kinder nicht überschritten werden. Bei Kleinkindern und Schwangeren darf man zudem maximal eine Fläche von 5 cm2 behandeln. Wer unsicher ist, lässt sich dazu am besten in der Apotheke beraten.

Vorsicht geboten ist auch bei Patient*innen, die eine eingeschränkte Nierenfunktion haben. Bei ihnen können sich Wirkstoffe im Körper leicht anstauen. Sie sollten deshalb besser wirkstofffreie Hühneraugenpflaster verwenden. Diese bestehen aus einem Hydrokolloid und nehmen Flüssigkeit auf. Dadurch entsteht nicht nur ein schützendes Polster. Der Clavus wird aufgeweicht, sodass sich die verhornte Haut nach Abnahme des Pflasters meist gut abtragen lässt.

Hinweis: Diabetiker*innen haben eine besonders empfindliche Haut, und kleine Verletzungen heilen bei ihnen schlechter. Für sie ist es ratsam, Hühneraugen nicht in Eigenregie zu entfernen, sondern vor einer Behandlung immer ärztlichen Rat einzuholen.

So beugt man Hühneraugen vor

Hühneraugen beugt man vor, indem man Druck vermeidet. Dazu dienen die gleichen Maßnahmen wie bei der Behandlung eines Clavus. Am wichtigsten ist es, gut passende, nicht zu enge Schuhe zu tragen. Mancmhal ist es allerdings nicht möglich, dauerhaft drückendes Schuhwerk zu vermeiden, etwa im Beruf. Dann sollte man die Schuhe in den Pausen ausziehen und auf dem Weg zur Arbeit bequeme Schuhe tragen. Von der Orthopäd*in verschriebene Einlagen oder spezielles Schuhwerk wirkt zudem nur vorbeugend, wenn es auch benutzt wird.

Hühneraugen an den Händen lässt sich mit speziell gepolsterten Handschuhen oder Schaumstoffgriffen entgegenwirken. Treten sie bei der Arbeit auf, kann man den Arbeitgeber auf Schutzmaßnahmen ansprechen.

Die zweite Säule zur Vermeidung von Hühneraugen ist eine gute Fußpflege:

  • Regelmäßige Fußbäder, um die Haut weich zu halten.
  • Raue und verdickte Stellen vorsichtig mit Bimsstein oder einem Frotteehandtuch abreiben.
  • Füße zweimal täglich mit einer speziellen Pflegecreme massieren, vor allem an den verdickten Bereichen. Günstig für trockene, verdickte und verhornte Hautbereiche sind Cremes mit Harnstoff sowie Frucht- und Glykolsäuren, angereichert mit pflegenden Panthenol oder Ölen.

Manche Menschen sehen nicht gut oder haben Schwierigkeiten, ihre Füße zu erreichen. Dann ist für deren Pflege Hilfe nötig. Am besten ist es, dafür regelmäßig eine Fußpflege aufzusuchen. In manchen Fällen trägt die Gesetzliche Krankenkasse die Kosten für die Fußpflege. Dies ist z. B. bei krankhaften Veränderungen am Fuß der Fall, also bei einemr Diabetes oder eine Neuropathie.

Quelle: DAZ 2021, Nr. 20, S. 42

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Ypps