Gesundheit heute

Schleudertrauma

Schleudertrauma (Beschleunigungsverletzung, HWS-Distorsion, Peitschenschlagverletzung): Zerrungen der Muskeln und Bänder an der Halswirbelsäule, verbunden mit schmerzhaften Verspannungen der Nacken- und Halsmuskulatur. Ursache ist eine unvorhergesehene Beschleunigung, meist von hinten, die eine plötzliche Kopfbewegung gegenüber dem fixierten Rumpf verursacht, z. B. bei Auffahrunfällen. Neben Schmerzen und Bewegungseinschränkung des Halses kommt es bei manchen Betroffenen auch zu vegetativen Beschwerden wie Übelkeit, Zittern und vermehrtem Schwitzen, selten auch zu Tinnitus oder Sehstörungen. Die Beschwerden halten in der Regel wenige Wochen an, werden aber in 2–3 % der Fälle auch chronisch.

Bei starken Schmerzen verordnet der Arzt Schmerzmittel. Eine Ruhigstellung der Halswirbelsäule mit Halskrawatte und körperliche Schonung ist hingegen in den meisten Fällen nicht nur unnötig, sondern sogar schädlich.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule gleich nach dem Ereignis oder am darauffolgenden Tag
  • Ausstrahlung der Beschwerden in Schulter und Arm möglich
  • Evtl. Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, Übelkeit, Schwitzen und/oder Zittern
  • Evtl. Sehstörungen, Ohrgeräusche oder Taubheitsgefühle in Armen, Gesicht oder Schultern.

Wann zum Arzt

Innerhalb weniger Tage bei

  • anhaltender schmerzhafter Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule
  • anhaltendem Schwindel oder Kopfschmerzen nach einem Unfall.

Innerhalb eines Tages bei

  • Lähmungserscheinungen oder Sehstörungen oder nach einem Unfall.

Sofort zum Arzt bei

  • Bewusstlosigkeit und Gedächtnisschwund zum Ausschluss eines Schädel-Hirn-Traumas.

Die Erkrankung

Ursachen und Risikofaktoren

Ein Beschleunigungstrauma entsteht in der Regel durch eine plötzliche Beschleunigung oder einen Aufprall von hinten, zum Beispiel bei einem Autounfall, Autoscooterfahren oder auch beim Kampfsport. Durch die ruckartige und unerwartete Beugung und Überstreckung der Halswirbelsäule kommt es zu einer Zerrung der dortigen Bänder und Muskeln. Fast im gleichen Augenblick ist zu spüren, wie sich die Nacken- und Halsmuskulatur blitzartig verspannt. Dieser schmerzhafte Vorgang wird durch einen Reflex ausgelöst, der dem lebenswichtigen Schutz der Halswirbelsäule dient; er sorgt dafür, dass nur selten Verletzungen an den Bandscheiben oder gar am Rückenmark auftreten und bis zu 95 % der Schleudertraumen als leicht bis mäßig einzustufen sind (siehe Klassifikation unten).

Meist klingen die Beschwerden – mit oder ohne Behandlung – innerhalb einiger Tage wieder ab. Gelegentlich gehen sie jedoch in langwierige Nackenschmerzen über, oft mit Ausstrahlung in Kopf und Arme. Solche Beschwerden sind schwer zu fassen und nachzuweisen, da sie meist eine starke psychische Komponente enthalten.

Klinik und Verlauf

Die Beschwerden beim Schleudertrauma entwickeln sich meist direkt nach dem Unfallereignis. In leichteren Fällen können Nackenschmerzen und Übelkeit aber auch erst am darauffolgenden Tag auftauchen. Je nach Schweregrad halten die Beschwerden unterschiedlich lange an.

  • Schweregrad 1 zeichnet sich vor allem durch Nackenschmerzen aus, die in der Regel einige Tage bis Wochen dauern.
  • Beim Schweregrad 2 kommen Muskelverspannungen dazu, hier braucht es meist mehrere Wochen bis zur Abheilung.
  • Schweregrad 3 ist gekennzeichnet von Nervenschädigungen, bei Schweregrad 4 sind die Knochen (z. B. mit Brüchen) beteiligt. In diesen sehr seltenen Fällen kann die Heilung jahrelang dauern.

Im Durchschnitt sind die Beschwerden nach etwa einem Monat wieder verschwunden. Längere Verläufe sind auch bei leichten Schweregrad möglich, Risikofaktoren dafür sind beispielsweise

  • Weibliches Geschlecht
  • Hohes Alter
  • Hohe Schmerzstärke zu Beginn
  • Psychogene Faktoren wie Depressionen, Ängste, Stress und Konfliktsituationen.

Komplikationen

Eine wichtige Komplikation des Schleudertraumas ist die psychogene Fixierung der Krankheitszeichen. Allein die Bezeichnung "Schleudertrauma" führt bei manchen Patienten zu dem Eindruck, dass die Verletzung an der Halswirbelsäule weitaus größer ist als in Realität. Aus Angst und Anspannung bleiben Kopf- und Nackenschmerzen dann lange bestehen, auch wenn es dafür keinen körperlichen Grund gibt. Die Tatsache, dass ein Schleudertrauma meist durch Fremdverschulden entsteht, bestärkt bei manchen Menschen auch das Gefühl des Ausgeliefertseins und die Fehlverarbeitung des Geschehens.

Diagnosesicherung

Je nach Ursache und Ausmaß der Beschwerden zeigt die körperliche Untersuchung eine verminderte oder (selten) erhöhte Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Um eine Gehirnerschütterung auszuschließen, prüft der Arzt den neurologischen Status des Patienten und die Augenbeweglichkeit, zum Ausschluss eines Wirbelbruchs dient die Röntgenuntersuchung.

Weitere spezielle Untersuchungen ordnet der Arzt nur bei begründetem Verdacht an. Zum Ausschluss einer Bandverletzung der Wirbelsäule ist beispielsweise ein Kernspin erforderlich. Bei Verdacht auf eine Verletzung von Nerven oder Gleichgewichtsorgan veranlasst der Arzt die dafür erforderlichen Untersuchungen wie z. B. die Messung von Nervenleitgeschwindigkeit, Otoskopie und die Prüfung des Gleichgewichtorgans mithilfe der thermischen Labyrinthprüfung.

Differenzialdiagnosen. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind der Wirbelkörperbruch, Gehirnerschütterung, Schädel-Hirn-Trauma und andere Verletzungen des Schädels.

Behandlung

Die Folgen eines Schleudertraumas lassen sich in den allermeisten Fällen gut konservativ behandeln. Eine operative Therapie ist nur sehr selten erforderlich, und zwar dann, wenn es dabei zu Nervenschäden oder Wirbelbruch gekommen ist.

Hinweis: Das Tragen spezieller Halsbandagen (Zervikalstütze, Cervicalstütze, "Halskrause") empfiehlt sich nicht. Durch die Fixierung des Halses in einer Position werden die Nackenmuskeln geschwächt und die Muskeln und Bänder versteifen, was den Heilungsverlauf verzögert.

Die Behandlung des normalen Schleudertraumas besteht aus folgenden Komponenten:

  • Aufklärung des Patienten über die Harmlosigkeit des Schleudertraumas und dessen gute Prognose.
  • Schmerztherapie. Starke Schmerzen erfordern anfangs oft eine Behandlung mit Schmerzmitteln, z. B. Paracetamol oder NSAR, eventuell auch mit muskelentspannenden Medikamenten, z. B. Tetrazepam. Bei lange anhaltenden Nackenschmerzen spritzt der Arzt möglicherweise ein Betäubungsmittel oder ein muskelentspannendes Medikament in die Nähe des schmerzenden Bereichs.
  • Physiotherapie und Wärme. Bei Muskelverspannungen helfen physiotherapeutische Dehnungsgriffe sowie Kälte- oder Wärmeanwendungen (z. B. Fango). Auch die Massage der verspannten Muskulatur und möglicher Triggerpunkte wird zur Therapie von Schmerzen und Verspannungen nach Schleudertrauma eingesetzt. In manchen Fällen empfiehlt der Arzt auch die Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS).
  • Psychotherapie. Gelegentlich rät der Arzt zu einer psychotherapeutischen Behandlung, vor allem, wenn er vermutet, dass der Unfall bei dem Betroffenen zu einem langanhaltenden psychischen Stress führt.

Wenn die Beschwerden nicht innerhalb von 1–2 Wochen nach einem Unfall abklingen, wiederholt der Arzt die anfänglichen Untersuchungen oder ergänzt sie in Zweifelsfällen, um bisher nicht diagnostizierte Begleitverletzungen zu erkennen.

Prognose

Die Beschwerden eines Schleudertraumas verschwinden in der Regel in einem Zeitraum von bis zu 4 Wochen. Bei jedem zehnten Patienten dauert es jedoch bis zu einem halben Jahr, bis sich die Beschwerden wie Nacken- oder Schulterschmerzen komplett zurückgebildet haben. Bis zu 3 % der Betroffenen leiden noch nach 2 Jahren so stark unter Spätfolgen, dass sie bei der Ausübung ihres Berufs behindert sind.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Wärme an den Hals. Viele Schleudertrauma-Patienten profitieren von Wärme, weil verspannte Muskeln so leichter entkrampfen. Der schmerzende Nacken lässt sich z. B. durch Schals, Rollkragenpullover, erwärmte Kirschkernkissen oder Kartoffelwickel warmhalten.

Übungen. Lassen Sie sich vom Arzt oder Physiotherapeuten Übungen zeigen, die die Muskeln von Nacken und Schultern sanft lockern und stärken und die Beweglichkeit der Halswirbelsäule verbessern. Halten Sie auf jeden Fall Rücksprache, bevor sie mit falschem oder übermäßigem Training ihrer Halswirbelsäule schaden.

Komplementärmedizin

Entspannungsverfahren. Wenn Betroffene nach einem Schleudertrauma eine permanente psychische Anspannung entwickeln, leisten Entspannungsübungen wertvolle Dienste. Vor allem die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson hilft, den Wechsel von Anspannung und Entspannung bewusst zu erleben. Ebenso sind Yoga, andere fernöstliche Entspannungsmethoden oder Autogenes Training empfehlenswert, damit sich der verkrampfte Nacken löst.

Weiterführende Informationen

  • Umfangreiches Fachbuch zum Schleudertrauma mit interdisziplinärem Ansatz: Michael Graf et al., Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule: HWS-Schleudertrauma, Steinkopff Verlag 2009

Von: Dr. med. Sonja Kempinski unter Verwendung von Textauszügen aus: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014).
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6 Tipps für gekonntes Pflastern

Beim Daumen passen oft normale Pflaster, für die Langfinger bieten sich Fingerpflaster an.

6 Tipps für gekonntes Pflastern

Draufkleben und gut?

Aufkleben und fertig – für kleine Wunden sind Pflaster eine vermeintliche simple Sache. Tatsächlich kann man dabei aber einiges falsch machen. Hier gibt es sechs Tipps fürs richtige Pflastern.

Gepflastert wird seit über 100 Jahren

Knapp 130 Jahre ist das Pflaster schon alt. Zunächst nutzte man sie, um Arzneizubereitungen auf die Haut zu bringen. Ab den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts wurden sie jedoch mehr und mehr zur Wundversorgung eingesetzt. Das funktioniert aber nur, wenn man bei der Anwendung ein paar Punkte beachtet:

  • Hygienisch vorgehen. Um Infektionen vorzubeugen, sollten man vor der Wundversorgung die Hände waschen. Außerdem ist darauf zu achten, weder Wunde noch Wundauflagebereich des Pflasters zu berühren.
  • Das richtige Pflaster verwenden. Die Wahl des Pflasters richtet sich danach, wo die Wunde sitzt. So gibt es speziell für die Finger praktische Fingerpflaster. Elastische Pflaster eignen sich besonders gut für Wunden an Gelenken oder an Körperteilen, die viel bewegt werden. Wer sensible Haut hat, kann Pflaster für empfindliche Haut verwenden: Sie lassen sich besonders gut wieder entfernen. Ökotest hat im Oktober 2022 18 sogenannte Sensitivpflaster unter die Lupe genommen, die meisten davon sind empfehlenswert.
  • Spezialpflaster nicht zweckentfremden. Blasen- oder Hühneraugenpflaster sind extra für den jeweiligen Zweck entwickelt worden. Sie enthalten meist spezielle Gele oder Wirkstoffe und haben deshalb auf „normalen“ kleinen Wunden nichts zu suchen.
  • Die passende Größe wählen. Das Pflaster muss ausreichend groß sein. Das bedeutet, dass die Wundauflage größer ist als die Wunde. Bei ausgedehnten Wunden ist eine sterile Wundauflage mit Mullbinde oft die bessere Wahl.
  • Ablaufdatum beachten. Nach Ablauf des Verfallsdatums kleben Pflaster schlechter. Deshalb sollte man Hausapotheke und Verbandkasten regelmäßig auf abgelaufene Pflaster überprüfen und diese ersetzen.
  • Pflaster gekonnt entfernen. Vor allem Standardpflaster kleben sehr gut. Reißt man sie ab, sollte dies schnell und beherzt erfolgen. Bei kleinen Kindern führt diese Methode jedoch oft zu Tränen. In diesen Fällen helfen folgende Tricks:

  1. Klebestelle mit Babyöl benetzen und dies eine kurze Weile einwirken lassen.
  2. Am Schorf klebendes Pflaster vorsichtig mit einem in Babyöl getauchten Wattestäbchen lösen.
  3. Kind ausgiebig baden lassen – danach lassen sich Pflaster meist sehr gut lösen.

Quelle: Ökotest

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Csaba Deli/shutterstock.com