Gesundheit heute

LWS-Syndrom

Häufigkeit: 5

LWS-Syndrom (Lendenwirbelsäulensyndrom, Lumbalsyndrom): Sammelbezeichnung für verschiedene, durch Störungen im Bereich der Lendenwirbelsäule hervorgerufene Beschwerden, allen voran Rückenschmerzen (sogenannte Kreuzschmerzen). Ein LWS-Syndrom kann sich über einen längeren Zeitraum entwickeln (chronisches LWS-Syndrom), hier sind verschleißbedingte Veränderungen an der Wirbelsäule sowie Muskelverspannungen und Fehlhaltungen die Hauptursachen. Zu einem akuten LWS-Syndrom kommt es dagegen bei Wirbelblockaden oder Bandscheibenvorfällen.

Bei chronischen Beschwerden stehen Lebensstiländerungen, Rückenschule und Krankengymnastik zur Stärkung der Rumpfmuskulatur im Zentrum der Behandlung, daneben helfen Schmerzmittel und physiotherapeutische Maßnahmen.

Beim akuten LWS-Syndrom kommen je nach Ursache und Ausmaß der Beschwerden Schmerzmitteln, Stufenbettlagerung zur Entlastung der Lendenwirbelsäule und Physiotherapie zum Einsatz. In seltenen Fällen (z. B. bei Lähmungen durch einen Bandscheibenvorfall) muss die Patient*in auch operiert werden.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Schmerzen im Bereich der unteren Wirbelsäule
  • Je nach Ursache dumpfer, sich schleichend entwickelnder Schmerz (z. B. bei degenerativen Prozessen)
  • Plötzliche stechende Schmerzen nach vorangegangener Fehlhaltung/Fehlbelastung beim akuten LWS-Syndrom
  • Verstärkung der Schmerzen durch Husten, Niesen oder Bauchpresse
  • Veränderung der Schmerzen beim Wechsel der Position
  • Starke Einschränkung der Bewegung
  • Ausstrahlen der Schmerzen bis in Beine und Füße, Lähmungen und Verlust der Kontrolle über Urin und Stuhlgang möglich (bei Druck auf Nervenwurzeln).

Wann zum Arzt

Nach 1–2 Wochen bei

  • lokalen Schmerzen ohne Ausstrahlungen.

Innerhalb weniger Tage bei

  • leichter, anhaltender Taubheit im Bein.

Innerhalb eines Tages bei

  • Lähmungen oder ausgedehnter Taubheit im Bein.

Sofort bei

  • zusätzlichen Blasen- und Stuhlgangsproblemen.

Die Erkrankung

Das LWS-Syndrom ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein Beschwerdekomplex, der bei vielen Wirbelsäulenerkrankungen auftritt. Unterschieden wird zwischen einem akuten und einem chronischen LWS-Syndrom.

Chronisches LWS-Syndrom. Das chronische LWS-Syndrom ist durch dauerhafte oder immer wiederkehrende Schmerzen im unteren Rücken gekennzeichnet. Bei stärkerer Belastung kommt es auch zu plötzlichen Schmerzspitzen. Meist ist die Muskulatur über der betroffenen Stelle verhärtet, was die Schmerzen weiterhin verstärkt. Sind die Wirbelgelenke mit betroffen, strahlen die Schmerzen manchmal bis in das Knie aus. Aufgrund der Schonhaltung kommt es bei manchen Patienten*innen auch zu Schmerzen in Waden, Achillessehne und Füßen.

Mögliche Ursachen eines chronischen LWS-Syndroms sind

  • Osteochondrose
  • Facettensyndrom
  • Bandscheibenvorwölbung
  • Spinalkanalstenose
  • Wirbelgleiten
  • Skoliose
  • Osteoporose
  • Fehlhaltungen, Verspannungen der Rückenmuskulatur
  • Tumoren
  • Entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule (Wirbelsäuleninfektionen).

Akutes LWS-Syndrom. Beim akuten LWS-Syndrom treten die Schmerzen plötzlich auf, oft sind ruckartige, alltägliche Bewegungen wie Bücken oder Heben der Auslöser. Der Volksmund nennt das LWS-Syndrom Hexenschuss, weil es neben den sehr starken Schmerzen oft zu extremen Bewegungseinschränkungen des Rückens kommt. Die Ärzt*in bezeichnet diese plötzlichen Schmerzen in der Lendenwirbelsäule als Lumbago, strahlen sie über Beeinträchtigung des Ischiasnerven auch in das Bein aus, als Lumboischialgie.

Mögliche Ursachen des akuten LWS-Syndroms sind

  • Wirbelblockaden, Muskelzerrungen
  • Bandscheibenvorfall
  • Wirbelbruch.

Komplikationen

Je nach Ursache der LWS-Beschwerden werden auch die Nerven und Nervenwurzeln in Mitleidenschaft gezogen, etwa weil großer Druck auf sie ausgeübt wird Ein typisches Beispiel dafür ist das akute LWS-Syndrom aufgrund eines Bandscheibenvorfalls. Solche oder Nervenreizungen und -schäden führen zu Beschwerden wie Missempfindungen, Gangstörungen oder Lähmungen, aber auch ein Verlust der Kontrolle über Wasserlassen und Stuhlgang ist möglich.

Diagnosesicherung

Die Ärzt*in fragt ausführlich nach der Art des Schmerzes, wie lange er schon anhält, ob er immer wieder auftaucht und ob er sich bei bestimmten Bewegungen verstärkt oder schwächer wird. Bei der körperlichen Untersuchung achtet sie auf Schon- oder Fehlhaltungen der Patient*in, auf Bewegungseinschränkungen sowie auf Schmerzen bei passiven oder aktiven Bewegungen. Durch Abtasten des Rückens erkennt die Ärzt*in, ob Muskelverspannungen und/oder Druckschmerzen an der Wirbelsäule vorliegen.

Zum Ausschluss oder Nachweis einer Nervenbeteiligung dient die neurologische Untersuchung. Mit dem Lasègue-Versuch prüft die Ärzt*in beispielsweise, ob der Ischiasnerv gereizt ist. Dabei hebt der sie das gestreckte Bein der auf dem Rücken liegenden Patient*in an, was bei einer Nervenreizung zu einem schmerzhaften Nervendehnungsschmerz führt (Lasègue-Zeichen positiv). Außerdem prüft die Ärzt*in die Sensibilität der Haut und die Muskeleigenreflexe. Diese neurologischen Untersuchungen geben wichtige Hinweise, ob und in welcher Höhe der Wirbelsäule auf Nervenwurzeln gedrückt wird. Fällt z. B. beim Schlag mit dem Reflexhammer auf die Sehne unterhalb der Kniescheibe der Kniesehnenreflex (Patellareflex) aus, liegt die Störung im Bereich des 3. oder 4. Lendenwirbels.

Bildgebende Verfahren wie das Röntgen der Wirbelsäule in 2 Ebenen, MRT oder CT dienen vor allem zum Ausschluss von Erkrankungen wie Bandscheibenvorfall, Spinalstenose, Osteoporose, Wirbelbrüchen oder Facettensyndrom. Besteht ein Verdacht auf Tumoren oder entzündliche Veränderungen der Wirbelsäule als Auslöser der LWS-Beschwerden, kommen zusätzlich Laboruntersuchungen, Szintigrafie und andere Spezialuntersuchungen zum Einsatz.

Differenzialdiagnosen. Das LWS-Syndrom ist kein eigenständiges Krankheitsbild, weshalb die Ärzt*in prinzipiell alle möglichen (u. a. die oben genannten) Ursachen ausschließen wird. Bei Frauen können LWS-Syndrom-typische Beschwerden auch durch gynäkologische Erkrankungen hervorgerufen werden.

Behandlung

Liegt dem LWS-Syndrom eine fassbare Ursache zugrunde, wird diese behandelt. Die jeweilige Therapie der oben genannten möglichen Erkrankungen wird in den dazugehörenden Beiträgen erläutert.

Vor allem beim chronischen LWS-Syndrom sind die Beschwerden häufig nicht auf eine klare Ursache zurückzuführen. Verschleißerscheinungen weisen fast alle Wirbelsäulen ab einem gewissen Alter auf. Inwieweit diese für die Kreuzschmerzen verantwortlich sind, ist nicht immer eindeutig zu klären. Die Behandlung besteht deshalb neben der Beseitigung der Schmerzen vor allem daraus, mit geeigneten Maßnahmen die Rumpfmuskulatur zu stärken und im Alltag rückenfreundlicher zu leben.

Behandlungsoptionen bei der akuten Schmerzphase des LWS-Syndroms:

  • Lagerung im Stufenbett, um den Rücken zu entlasten, alternativ Lagerung der Beine auf einem Würfel (Hüfte und Kniegelenke etwa 90° gebeugt)
  • Schmerz- und entzündungshemmende Medikamente wie z. B. Diclofenac (z. B. Voltaren® oder Diclac®), Ibuprofen (z. B. Ibu® oder Brufen®)
  • Kortison
  • Physiotherapie mit Kälte oder milder Wärme.

Behandlungsoptionen in der chronischen Phase des LWS-Syndroms:

  • Krankengymnastik
  • Massagen zur Lösung von Muskelverspannungen
  • Rückenschule
  • Entzündungshemmende Schmerzmittel
  • Evtl. Lendenkreuz-Stütz-Bandagen oder Mieder
  • Elektrotherapie, Physiotherapie mit Wärme.

Ausführliche Informationen zu den einzelnen Therapiemöglichkeiten finden Sie im Übersichtsbeitrag Rückenschmerzen.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Linderung akuter Schmerzen. Ohne Linderung der akuten Schmerzen schafft es kaum eine Betroffene, überhaupt wieder in Bewegung zu kommen. Hier bieten sich folgende Möglichkeiten der Selbsthilfe an:

  • Zögern Sie nicht, bei akuten Rückenschmerzen Schmerzmittel einzunehmen. Wenn Sie sonst gesund sind, spricht nichts gegen eine kurzzeitige, maximal dreitägige Anwendung von rezeptfreien Schmerzmitteln wie Diclofenac (z. B. Voltaren® oder Diclac®), Ibuprofen (z. B. Ibu® oder Brufen®) oder Paracetamol (z. B. ben-u-ron®). Sie helfen, den Teufelskreis von Schmerz und Verspannung zu durchbrechen.
  • Suchen Sie eine Haltung, in der Ihre Schmerzen möglichst gering sind. Erfahrungsgemäß wird Liegen und Gehen als angenehmer empfunden als Stehen und Sitzen.
  • Viele Therapeut*innen empfehlen die Rückenlage mit um 90° gebeugten Hüft- und Kniegelenken (Stufenlagerung, Stufenbettlagerung, siehe oben). Für manche Schmerzgeplagte ist auch die Bauchlage mit erhöhtem Oberkörper oder die Seitenlage mit angezogenen Beinen schmerzlindernd.
  • Versuchen Sie, sich bewusst zu entspannen, wenn Sie eine schmerzarme Haltung gefunden haben: Atmen Sie bewusst und tief, hören Sie intensiv Musik, lesen Sie ein interessantes Buch.
  • Gehen Sie spazieren, sobald es die Schmerzen zulassen. Langsames Gehen bewegt die Rückenmuskulatur schonend und entspannt sie zugleich.

Die Selbsthilfe bei Rückenschmerzen beruht auf drei Prinzipien: Bewegung, Bewegung und Bewegung – soweit sie nicht schmerzt. Dabei spielt das Engagement der Betroffenen im Rahmen der Selbsthilfe eine ebenso wichtige Rolle wie die Behandlung durch die Ärzt*in. Dies gilt neben der Behandlung von Rückenschmerzen umso mehr für deren Vorbeugung: Auch nach der wirkungsvollsten Behandlung kehren Rückenschmerzen wieder, wenn die Betroffenen im Alltag nicht weiterhin auf ihren Rücken achten. Allerdings führen die meisten Menschen längerfristig nur solche Bewegungsarten aus, die ihnen entweder Spaß machen oder sich leicht in ihren Alltag integrieren lassen.

  • Gehen Sie möglichst zu Fuß oder benutzen Sie das Fahrrad. Ziehen Sie die Treppe dem Lift oder der Rolltreppe vor.
  • Machen Sie Sport. Rückenschonende und die Rumpfmuskulatur trainierende Sportarten sind Schwimmen, Aquajogging, Radfahren, Nordic Walking, Skilanglauf, aber auch Pilates und Yoga sind vor allem beim LWS-Syndrom hilfreich.
  • Beginnen Sie ein Krafttraining im Fitnessstudio, wenn Ihnen diese Art Sport liegt. Unter kompetenter Betreuung lässt sich damit gezielt Muskulatur aufbauen, die den Rücken stärkt.
  • Wenn Sie beruflich viel im Auto sitzen, leisten Sie sich einen guten Autositz und nutzen Sie die Pausen zum Umhergehen, zum Recken und Strecken.
  • Wenn Sie im Büro tätig sind, erledigen Sie möglichst viel im Stehen oder Gehen. Insbesondere bei Stress sind solche Bewegungspausen wichtig, um eine Anspannung der Nacken- und Rückenmuskulatur zu verhindern. Ändern Sie beim Sitzen regelmäßig Ihre Position, abwechselnd leicht vorgeneigt, aufrecht und zurückgelehnt.

Arbeitsplatzergonomie. Arbeitsstühle mit der Funktion "dynamisches Sitzen" sind sinnvoll. Sie verfügen über eine Rückenlehne, die sich mitbewegt und gleichzeitig den Rücken stützt. Wenn Ihnen eine häufige Änderung der Sitzhaltung schwerfällt, wählen Sie eine dauerhafte Sitzposition, die zwischen Rücken und Oberschenkel einen Winkel von etwa 120° einschließt. Was früher als schlampige Haltung empfunden wurde, hat sich in neueren, wissenschaftlichen Studien als deutlich rückenfreundlicher erwiesen als eine "gerade" Sitzhaltung mit einem rechten Winkel in der Hüfte. Wichtig für die Arbeitsplatzergonomie ist auch die richtige Höhe von Tisch und Stuhl. Idealerweise bilden Ober- und Unterarme sowie Ober- und Unterschenkel mindestens einen rechten Winkel. Wenn die Arme locker auf den Armlehnen aufliegen, entlastet diese Position den Schulterbereich. Handballenauflagen vor der Tastatur entspannen beim Tippen ebenfalls die Schultern, tun aber auch dem Nacken gut.

Rückenschonend bewegen. Wenn Sie körperlich arbeiten, vermeiden Sie möglichst Tätigkeiten, die den Rücken belasten. Gelingt dies nicht, führen Sie die erforderlichen Arbeiten rückenschonend aus. Heben und tragen Sie Gegenstände mit geradem Rücken und gleichmäßiger Verteilung auf beide Arme. Tragen Sie schwere Lasten dicht am Körper und vermeiden Sie dabei unbedingt, den Oberkörper im Stand zu drehen. Besser: In die Hocke gehen, statt sich zu bücken, soweit es Ihre Kniegelenke erlauben.

Gewicht normalisieren. Bauen Sie vorhandenes Übergewicht ab. Sie entlasten damit nicht nur Ihren Rücken, sondern steigern zugleich auch die Bewegungs- und Lebensfreude.

Komplementärmedizin

Wärme beruhigt und entspannt die Muskulatur und hilft dadurch, den Schmerz zu lindern. Bewährt haben sich warme Vollbäder (beruhigend: Melisse, Lavendel; anregend und durchblutungsfördernd: Rosmarin), warme Wickel (Heublume, Fango), Wärmflasche oder Wärmekissen im Bett, durchblutungsfördernde Pflaster (z. B. ABC-Wärmepflaster), Einreibungen z. B. mit Pferdesalbe, wärmende Unterwäsche aus Angorawolle, Wollschals oder auch ein Saunabesuch. Herzkranke Menschen müssen wegen der Kreislaufbelastung erst Rücksprache mit ihrem Arzt halten, bevor sie sich mit Vollbädern, Wickeln oder Saunabesuchen behandeln.

Besonders wirksam ist die heiße Rolle: Falten Sie ein Küchenhandtuch und zwei Frotteehandtücher der Länge nach. Wickeln Sie das Küchenhandtuch der Breite nach zu einer festen Rolle zusammen. Die beiden anderen Tücher werden schräg darum herumgewickelt, sodass das Ganze aussieht wie ein Trichter bzw. wie ein nur an einer Seite geöffnetes Bonbon. Gießen Sie nun etwa einen Dreiviertel Liter brühheißes Wasser in die Rolle (Vorsicht Verbrennung!) und wickeln Sie die Frotteehandtücher vollends um die jetzt nasse Innenrolle. Prüfen Sie die Wärme. Ist die Rolle zu heiß, so wickeln Sie ein weiteres Frotteetuch darum herum. Mit dieser heißen Rolle rollen, tupfen und massieren Sie über den Rücken. Wenn die Rolle kühler wird, nehmen Sie eine Frotteeschicht ab.

Bei akuten Reizzuständen wirkt Kälte manchmal besser als Wärme. Bewährt haben sich Kühlpacks aus der Apotheke oder zerstoßene, in einem Waschlappen verpackte Eiswürfel, mehrmals täglich 1–5 Minuten lang auf die schmerzende Stelle aufgelegt. Um Erfrierungen vorzubeugen, empfiehlt es sich, die Auflagen in ein Tuch einzuschlagen und direkten Kontakt mit der Haut zu vermeiden.

Pflanzenheilkunde. Bei starken akuten Rückenschmerzen sind standardisierte Pflanzenextrakte kaum eine Alternative zu den im Allgemeinen gut wirksamen synthetisch hergestellten Schmerzmitteln. Dementsprechend sind schmerzlindernde Kombinationspräparate wie z. B. Eschenrinde in Verbindung mit Zitterpappel (enthalten z. B. in Phytodolor® Tinktur) allenfalls dann empfehlenswert, wenn es sich um leichtere bzw. abklingende Rückenschmerzen handelt.

Sind Muskelverspannungen die Ursache für Rückenschmerzen, können Einreibungen mit ätherischen Ölen wie Arnikaöl, Johanniskrautöl, Rosmarinöl oder Eukalyptusöl (enthalten z. B. in Dolocyl® Muskel- und Gelenköl) die Beschwerden lindern.

Akupunktur. Das Einstechen feiner Nadeln in standardisierte Akupunkturpunkte hat zum Ziel, einen gestörten "Energiefluss" zu normalisieren. Die Wirksamkeit ist bei chronischen Rückenschmerzen wissenschaftlich nachgewiesen. In den entsprechenden Studien war ein Therapieerfolg auch dann zu sehen, wenn die Nadeln außerhalb der vorgesehenen Punkte gesetzt wurden. Manche Kritiker*innen gehen deshalb von einer unspezifischen Wirkung aus.

Biofeedback. Das in chronischen Fällen sinnvolle Verfahren visualisiert Anspannungs- und Entspannungszustände und versetzt so den Rückenschmerzpatienten in die Lage, mit stress- bzw. schmerzauslösenden Situationen besser umzugehen.

Weiterführende Informationen

Von: Dr. med. Sonja Kempinski unter Verwendung von Textauszügen aus: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014).
Zurück
Hühnerauge - Wenn der Schuh drückt

Neben hornhautaufweichende Tinkturen und Pflaster gehört vor allem das Fußbad zu den Waffen gegen lästige Hühneraugen.

Hühnerauge - Wenn der Schuh drückt

Schmerzhafte Wucherung

Hühneraugen sind lästig und schmerzhaft – aber zum Glück meistens harmlos. Deshalb kann man sie in der Regel gut selbst behandeln. Wirksame Methoden reichen von neuen (passenden) Schuhen bis zu speziellen Pflastern und Tinkturen aus der Apotheke. Und damit es nicht zu neuen Verhornungen kommt, lässt sich gegen Hühneraugen auch vorbeugen.

Wo kommt das Hühnerauge her?

Ein Hühnerauge ist eine punktuelle, verstärkte Verhornung der Haut (Hyperkeratose). Sie bildet sich kreis- oder linsenförmig aus. In der Mitte befindet sich eine kleine, oft glasige Kuppe, der sogenannte Hornkegel. Sein Inneres kann weit in die Tiefe reichen. Die Haut um den Kegel herum ist gelblich-beige. Insgesamt sieht das Ganze ein bisschen so aus wie ein rundes Hühnerauge – deshalb der volkstümliche Name. Medizinisch heißt das Hühnerauge Clavus, in der Mehrzahl Clavi.

Hühneraugen entstehen durch dauerhaften oder immer wiederkehrenden Druck. Betroffen sind insbesondere solche Hautbereiche, die dicht über dem Knochen liegen – also Füße und Hände. Auf Druck und Reibung reagiert die Haut mit einer Verdickung. Das Wachstum der hornbildenden Zellen (Keratinozyten) in den unteren Schichten der Haut wird angeregt und es bilden sich immer mehr davon.

Normalerweise wandern diese Hautzellen von unten nach oben, verhornen immer mehr und werden dann an der Hautoberfläche abgeschilfert. Durch den Druck und die verstärkte Verhornung gelingt das den verhornten Hautzellen nicht mehr. Sie bilden im Inneren des Hühnerauges eine harte Hornmasse. Je länger dieser Zustand anhält, desto tiefer wächst der Hornkegel nach innen. Dort kann er auf Nervenenden treffen und starke Schmerzen auslösen.

Der schädliche Druck kann verschiedenen Ursachen haben. Neben Fußfehlstellungen zählt falsch sitzendes, drückendes Schuhwerk zu den Hauptauslösern von Hühneraugen. In diesen Fällen sind meist die Zehen betroffen. Dort sitzen sie gerne zwischen dem vierten und fünften Zeh oder an der Oberseite der zweiten Zehe.

Auch ein Hallux valgus (Ballenzeh) ändert die Druckverhältnisse und begünstigt an der betroffenen Großzehe die Bildung eines Hühnerauges. Beim Spreizfuß wiederum sind Ballen und Sohle besonders belastet, worauf die Haut ebenfalls mit Hyperkeratosen und Hühneraugen antwortet. Gleiches passiert, wenn durch Fußfehlstellungen Zehen aneinander oder gegen den Schuh drücken. Gefördert wird die Bildung von Hühneraugen zudem durch trockene Haut.

Manchmal entwickeln sich Hühneraugen sogar an den Händen. Auch dort ist dauerhafter Druck schuld, z.B. beim intensiven Hantieren mit Arbeits- oder Sportgeräten. Betroffen sind davon Tennisspieler*innen, Mechaniker*innen oder Musiker*innen.

Hinweis: Menschen mit einer diabetischen Polyneuropathie oder einer anderen Nervenerkrankungen bemerken schädlichen Druck an den Füßen häufig nicht. Sie sind deshalb besonders gefährdet, Hühneraugen zu entwickeln.

Hühnerauge ist nicht gleich Hühnerauge

Hühneraugen können in verschiedenen Formen auftreten. Manche sind hart, andere weich, in einige Hühneraugen wachsen mit der Zeit kleine Blutgefäße ein, andere werden von Nerven durchzogen. Expert*innen unterscheiden deshalb acht Typen:

  • Der Clavus durus ist das bekannteste und klassische Hühnerauge. Er ist hart und befindet sich vor allem unter den Zehengrundgelenken, manchmal auch am Zehenrücken. Der Kegel reicht oft stark in die Tiefe, wodurch sich das Hühnerauge bei Druck von oben äußerst schmerzhaft bemerkbar machen kann.
  • Bei einem Clavus molle handelt es sich um ein weiches Hühnerauge. Es sitzt zwischen den Zehen und bleibt wegen dem dort feuchten Klima weich.
  • Ein Clavus vascularis ist hart und enthält kleinste Blutgefäße. Deshalb kann er leicht bluten. Diese Hühneraugen entstehen bei besonders starker Belastung der Haut.
  • Der Clavus neurovascularis ist nicht nur von Blutgefäßen, sondern auch von Nervenenden durchzogen. Diese Hühneraugen sitzen meist an den Zehenkuppen, bluten leicht und schmerzen oft besonders stark.
  • Der großflächige und harte Clavus neurofibrosus befindet sich an der Fußsohle.
  • Ein Clavus papillaris zeichnet sich durch einen weichen Kern aus.
  • Clavi miliares kommen in großen Ansammlungen vor und schmerzen nicht. Bei ihnen handelt es sich um eine stoffwechselbedingte Fehlverhornung.
  • Der Clavus subungualis sitzt unterhalb der Nagelplatte.

Nicht alle diese Hühneraugen darf man selbst behandeln. Möglich ist die Therapie in Eigenregie bei den häufigsten Formen, dem Clavus durus und dem Clavus molle. Hühneraugen, die bluten, in großen Ansammlungen vorkommen oder unter dem Nagel sitzen, schauen sich besser die Hausärzt*in oder Dermatolog*in an und entscheiden, wie man sie am besten angeht.

Hinweis: Hühneraugen und Warzen sehen auf den ersten Blick sehr ähnlich aus. Schaut man genauer hin, lassen sich Unterschiede erkennen: Bei Warzen fehlt der glasige Hornkern in der Mitte. Stattdessen findet sich unter einer oberflächlichen Verhornung warzenartiges Gewebe, das mit schwarzroten Pünktchen versetzt ist.

Weg mit Druck und Verhornung!

Um Hühneraugen zum Verschwinden zu bringen, muss der betroffene Bereich als erstes entlastet werden. Sind drückende Schuhe der Auslöser, sollten sie nicht mehr getragen werden. Stattdessen wählt man ausreichend weite und gut passende Schuhe. Schuhe kaufen sollte man übrigens am besten abends: Denn nach einem ganzen Tag auf den Beinen sind Füße oft angeschwollen und deshalb etwas größer als morgens.

Bei Fehlstellungen kann die Orthopäd*in helfen. Sie begutachtet den Fuß und verordnet wenn nötig Einlagen. Damit lassen sich Fehlstellungen korrigieren, die zu dem Druck geführt haben. Manche Betroffenen profitieren auch von speziellen ringförmigen Polstern. Sie klebt man so auf die Haut, dass eventueller Druck davon ferngehalten wird.

Allein die Entfernung des Drucks kann Hühneraugen zur Rückbildung bewegen. Das dauert allerdings eine Weile und funktioniert auch nicht immer zuverlässig. Besser ist es, gleichzeitig die Verhornung zu beseitigen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Zunächst nimmt man ein lauwarmes Fußbad, das die Haut aufweicht. Ein Teil der obersten Hautschicht löst sich dann und kann vorsichtig mit Bimsstein oder einem trockenen Frottee-Handtuch abgetragen werden. Fußhobel oder andere Werkzeuge sollten wegen der Verletzungsgefahr nicht dafür benutzt werden. Danach behandelt man das Hühnerauge mit Keratolytika (hornhautauflösenden Substanzen) wie Salicylsäure oder Milchsäure. Diese Wirkstoffe lockern die oberste Hautschicht. Dadurch weicht der Clavus weiter auf, sodass er beim nächsten Fußbad leichter entfernt werden kann. Die Wirkstoffe gibt es als Tinkturen und als Pflaster.

  • Tinkturen muss man mehrmals täglich auf das Hühnerauge auftragen. Die nicht verhornte Haut um den Clavus herum sollte vor dem Wirkstoff geschützt werden. Dafür cremt man sie vorsichtig mit Vaseline oder einer Fettsalbe ein. Die Salicyl- oder Milchsäure trocknet nach dem Auftragen und bildet einen Film auf dem Hühnerauge. Dieser Film muss vor dem nächsten Auftragen wieder entfernt werden. Wie häufig das Hühnerauge behandelt werden muss, richtet sich nach dem jeweiligen Produkt. Meist soll die Tinktur ein- bis zweimal täglich verwendet und nach drei bis vier Tagen die Hornhaut in einem Fußbad entfernt werden. Ganz wichtig: Nach dem Hantieren mit der Tinktur muss man sich die Hände waschen, damit die Säure nicht in die Augen oder auf andere empfindliche Hautstellen gerät. Die gesamte Prozedur ist recht aufwendig. Menschen, die nicht mehr gut sehen oder weniger beweglich sind, sollten sich dabei von Angehörigen helfen lassen oder eine Podolog*in aufsuchen.
  • Pflaster mit Salicylsäure oder Milchsäure sind etwas leichter zu handhaben. Sie werden so auf den Clavus geklebt, dass der wirkstoffhaltige Anteil genau auf dem Hornkegel zu liegen kommt. Zu beachten ist dabei, dass die Haut sauber und trocken ist. Manche Produkte haben zusätzlich zu ihrem Wirkstoffkern ein Druckschutzpolster, um beim Gehen die Schmerzen zu mindern. Je nach Produkt bleibt das wirkstoffhaltige Pflaster ein bis drei Tage kleben. Oft verschwindet das Hühnerauge dann schon beim Entfernen des Pflasters. Bei manchen Präparaten wird empfohlen, die aufgeweichte Haut nach einem Fußbad abzutragen, andere Pflaster sollen mehrmals ausgetauscht werden. Weil die Handhabung je nach Produkt stark variiert, ist es wichtig, vor Anwendung die Gebrauchsanweisung genau zu lesen.

Ob Tinkturen oder Pflaster: Die über die Haut aufgenommene Salicylsäure kann in das Blut gelangen und auch im Körper wirken. Deshalb sollten Tagesdosen von 2,0 g für Erwachsene und 0,2 g für Kinder nicht überschritten werden. Bei Kleinkindern und Schwangeren darf man zudem maximal eine Fläche von 5 cm2 behandeln. Wer unsicher ist, lässt sich dazu am besten in der Apotheke beraten.

Vorsicht geboten ist auch bei Patient*innen, die eine eingeschränkte Nierenfunktion haben. Bei ihnen können sich Wirkstoffe im Körper leicht anstauen. Sie sollten deshalb besser wirkstofffreie Hühneraugenpflaster verwenden. Diese bestehen aus einem Hydrokolloid und nehmen Flüssigkeit auf. Dadurch entsteht nicht nur ein schützendes Polster. Der Clavus wird aufgeweicht, sodass sich die verhornte Haut nach Abnahme des Pflasters meist gut abtragen lässt.

Hinweis: Diabetiker*innen haben eine besonders empfindliche Haut, und kleine Verletzungen heilen bei ihnen schlechter. Für sie ist es ratsam, Hühneraugen nicht in Eigenregie zu entfernen, sondern vor einer Behandlung immer ärztlichen Rat einzuholen.

So beugt man Hühneraugen vor

Hühneraugen beugt man vor, indem man Druck vermeidet. Dazu dienen die gleichen Maßnahmen wie bei der Behandlung eines Clavus. Am wichtigsten ist es, gut passende, nicht zu enge Schuhe zu tragen. Mancmhal ist es allerdings nicht möglich, dauerhaft drückendes Schuhwerk zu vermeiden, etwa im Beruf. Dann sollte man die Schuhe in den Pausen ausziehen und auf dem Weg zur Arbeit bequeme Schuhe tragen. Von der Orthopäd*in verschriebene Einlagen oder spezielles Schuhwerk wirkt zudem nur vorbeugend, wenn es auch benutzt wird.

Hühneraugen an den Händen lässt sich mit speziell gepolsterten Handschuhen oder Schaumstoffgriffen entgegenwirken. Treten sie bei der Arbeit auf, kann man den Arbeitgeber auf Schutzmaßnahmen ansprechen.

Die zweite Säule zur Vermeidung von Hühneraugen ist eine gute Fußpflege:

  • Regelmäßige Fußbäder, um die Haut weich zu halten.
  • Raue und verdickte Stellen vorsichtig mit Bimsstein oder einem Frotteehandtuch abreiben.
  • Füße zweimal täglich mit einer speziellen Pflegecreme massieren, vor allem an den verdickten Bereichen. Günstig für trockene, verdickte und verhornte Hautbereiche sind Cremes mit Harnstoff sowie Frucht- und Glykolsäuren, angereichert mit pflegenden Panthenol oder Ölen.

Manche Menschen sehen nicht gut oder haben Schwierigkeiten, ihre Füße zu erreichen. Dann ist für deren Pflege Hilfe nötig. Am besten ist es, dafür regelmäßig eine Fußpflege aufzusuchen. In manchen Fällen trägt die Gesetzliche Krankenkasse die Kosten für die Fußpflege. Dies ist z. B. bei krankhaften Veränderungen am Fuß der Fall, also bei einemr Diabetes oder eine Neuropathie.

Quelle: DAZ 2021, Nr. 20, S. 42

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Ypps