Gesundheit heute

Physiotherapie

Physiotherapieverfahren werden sowohl eigenständig als auch begleitend zu anderen Behandlungsstrategien eingesetzt.

Krankengymnastik. Kernpunkt ist bei vielen, v. a. bei nicht akuten Erkrankungen, die Krankengymnastik. Sie hat zum Ziel, Kraft, Beweglichkeit und/oder Belastbarkeit erkrankter oder verletzter Teile des Bewegungsapparats zu erhalten oder wiederherzustellen. Manche Übungen trainieren außerdem Koordination und Gleichgewicht, um z. B. ungünstige Bewegungsmuster zu korrigieren oder das Risiko von Stürzen (z. B. bei Osteoporose) zu verringern.

Während und nach längerer Ruhigstellung hilft gezielte Krankengymnastik, negative Auswirkungen wie Muskelabbau und Gelenkversteifung zu bekämpfen. Geeignet sind dafür insbesondere isometrische Übungen. Sie trainieren vom Abbau gefährdete Muskulatur durch wiederholte aktive Anspannung gegen Widerstand, ohne dabei die zugehörigen Gliedmaßenabschnitte zu bewegen. Außerdem ist es wichtig, Gelenke, die für längere Zeit ruhig gestellt waren, aktiv und passiv durchzubewegen (Mobilisation), um einer Versteifung entgegenzuwirken und bestehende Bewegungseinschränkungen durch Dehnung verkürzter Muskeln, Sehnen, Gelenkkapseln und Bänder zu überwinden.

Physikalische Therapien. Neben der Krankengymnastik bietet sich zur Behandlung orthopädischer Erkrankungen und Verletzungen das gesamte Spektrum physikalischer Verfahren an: Massagen, Lymphdrainagen, Bäder (Balneotherapie), Anwendung von Wärme (Rotlicht, Heißluft oder Fangopackungen) oder Kälte (Kryotherapie), elektrischer Strom (Elektrotherapie, z. B. Reizstrom) und Ultraschall (Ultraschalltherapie). Die verschiedenen Verfahren der physikalischen Therapie haben das Ziel, die Durchblutung und damit die Nährstoffversorgung zu verbessern, das betroffene Gewebe abzuschwellen, Verspannungen zu lockern und Schmerzen zu lindern. Insbesondere bei älteren Menschen hat sich auch die Ergotherapie bewährt, eine Beschäftigungs- und Arbeitstherapie zum Training von Beweglichkeit, Geschicklichkeit und Kraft.

Als weiteres physikalisches Verfahren hat sich die extrakorporale Stoßwellentherapie (EKST) etabliert, die mit gebündelten, rhythmischen Schalldruckwellen arbeitet. Ursprünglich für die Zertrümmerung von Blasen- und Gallensteinen entwickelt, zeigt sie oft auch gute Erfolge bei der Behandlung von Tennisellenbogen, Fersensporn, Verkalkungen in der Schulter (PHS) und Störungen der Knochenbruchheilung (Falschgelenk). Für diese Erkrankungen übernehmen die gesetzlichen Kassen meist die Behandlungskosten.

Bei anderen Einsatzgebieten, z. B. Sehnenscheidenentzündungen am Handgelenk, Springerknie, Achillodynie oder Hüftkopfnekrose muss der Behandelte die Kosten selbst tragen.

Trotz intensiver Forschung ist jedoch bis heute unklar, warum die Wirkung der Therapie nie sicher vorauszusagen ist. Was den einen in wenigen Sitzungen dauerhaft von Schmerzen befreit, führt bei dem anderen sogar zur Verstärkung der Beschwerden.

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Nachtkorsett reicht oft bei Skoliose

Kinder mit Skoliose müssen regelmäßig orthopädisch untersucht werden.

Nachtkorsett reicht oft bei Skoliose

Verkrümmte Wirbelsäule

Eine Rumpforthese zu tragen ist für Jugendliche mit Wirbelsäulenverkrümmung oft ein Alptraum. Doch bei einigen geht es einfach nicht ohne. Für sie gibt es womöglich eine Alternative: Das ungeliebte Korsett nur nachts zu tragen.

Jede Zehnte braucht eine Therapie

Etwa 2% der Jugendlichen zwischen zehn und 18 Jahren sind von einer Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung) betroffen. Meistens wächst sich das von selbst wieder aus. In etwa jedem zehnten Fall ist jedoch eine spezielle Behandlung erforderlich, um die Wirbelsäule zu begradigen. Sie besteht aus Krankengymnastik und dem Tragen einer Orthese, also eines extra an den Rumpf angepassten Korsetts.

Aus Scham und Angst vor Spott lehnen manche Jugendliche das Korsett kategorisch ab. Ob hier das alleinige Tragen der Orthese in der Nacht eine Option ist, hat eine schwedische Forschergruppe untersucht. 135 Jungen und Mädchen mit Skoliose wurden in die Studie eingeschlossen. Ein Drittel von ihnen trug nachts eine Orthese, ein Drittel absolvierte Spezialübungen und das restliche Drittel erhielt gar keine Behandlung und diente als Kontrollgruppe.

Bei drei Viertel war das Nachtkorsett ausreichend

Die Wirkung der Behandlung (oder Nichtbehandlung) wurde mithilfe des Röntgens gemessen. Als Erfolg galt, wenn die Verkrümmung der Wirbelsäule nicht mehr als 6° zunahm. Das war nach zwei Jahren bei drei Viertel der Jugendlichen mit Nachtkorsett der Fall – d.h. bei nur 25% der Patienten verschlechterte sich die Wirbelsäule um über als 6°. In den beiden anderen Gruppen sah es weniger gut aus. Eine Zunahme der Skoliose um über 6° fand sich bei 42% der Turnenden und bei 47% der Nicht-Behandelten.

Jugendliche, bei denen die Krümmung im Verlauf deutlich stärker wurde, mussten auf ein ganztags zu tragendes Korsett umsteigen. Das waren in der Nachtkorsettgruppe sechs, in der Übungsgruppe elf und bei den Nichtbehandelten 14 Jugendliche. In jeder Gruppe gab es zudem jeweils drei Teilnehmende, die schließlich doch operiert werden mussten.

Regelmäßige Röntgenkontrolle muss sein

Für Jugendliche mit Skoliose, die das Tragen einer Ganztagsorthese strikt ablehnen, ist das Nachtkorsett eine Alternative, schreiben die Autor*innen. Während dieser Therapie ist es aber wichtig, die Krümmung der Wirbelsäule regelmäßig röntgenologisch zu kontrollieren und gegebenenfalls die Therapie anzupassen.

Quelle:JAMA

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Science Photo Library / Microgen Images