Gesundheit heute

Gips, Verbände und orthopädische Hilfsmittel

Ob operiert wird oder nicht: Ein allgemeines Behandlungsprinzip in Unfallchirurgie und Orthopädie lautet, dass erkrankte oder verletzte Teile des Bewegungsapparats – v. a. in der Akutphase – Ruhe und Entlastung brauchen, um heilen zu können. Manchmal reicht es aus, den entsprechenden Körperteil für begrenzte Zeit zu schonen und schmerzhafte Bewegungen oder Belastungen zu vermeiden. Oft sind jedoch verschiedene Hilfsmittel erforderlich, um den betroffenen Skelettabschnitt ruhig zu stellen. Neben dem traditionellen Gipsverband und seinen modernen Nachfahren aus Kunststoff gibt es zu diesem Zweck eine Vielzahl ausgeklügelter Spezialverbände, sowie eine große Auswahl vorgefertigter Schienen und Apparate.

Gipsverbände. Beim echten Gips oder Weißgips handelt es sich um pulverisiertes Gipsmineral, das auf Mullbinden aufgetragen ist und bei der Verarbeitung mit Wasser unter Wärmeentwicklung zum festen Gips abbindet. Es eignet sich für alle festen Stützverbände und zur Ruhigstellung nach Brüchen, Operationen oder bei Entzündungen.

Der Kunststoffgips oder Castverband besteht dagegen aus einem Netz von Kunstfasern, z. B. Glasfasern, das mit Kunstharz, z. B. Polyurethan, getränkt ist und unter Wassereinwirkung aushärtet. Vorteile gegenüber dem Weißgips sind schnelleres Aushärten, geringeres Gewicht und bessere Widerstandsfähigkeit gegenüber Nässe. Nachteilig sind die zehnfach höheren Kosten.

Ein geschlossener Gips (zirkulärer Gips, Rundgips) umschließt den gesamten Körperteil. Er eignet sich zur langfristigen Behandlung vieler Knochenbrüche. Als hülsenförmigen Gipstutor setzt ihn der Arzt auch ein, um Erkrankungen, z. B. Kapsel-, Band- und Meniskusverletzungen oder Entzündungen, zu behandeln. Ein Spaltgips ist ein geschlossener Gips, der unmittelbar nach dem Aushärten der Länge nach aufgesägt wird; eine Gipsschiene ist dagegen primär so angelegt, dass sie die erkrankte Gliedmaße nur teilweise umschließt. Spaltgips und Gipsschiene fixiert der Arzt mit elastischen Binden am betreffenden Körperteil.

Spaltgips und Gipsschiene eignen sich besonders für frische Verletzungen, bei denen mit einer zunehmenden Weichteilschwellung zu rechnen ist. Ein geschlossener Gips ist nicht zulässig, da bei einer Schwellung eine Druckerhöhung und eine Durchblutungsstörung im umschlossenen Gewebe droht. Gefürchtete Folge ist das Kompartmentsyndrom, das unbehandelt zum Absterben von Muskelgewebe und zu Nervenschädigungen mit dauerhaften Lähmungsfolgen führt. Es tritt v. a. an Unterschenkel und Unterarm auf und äußert sich in erheblichen Schmerzen und einem starken Spannungsgefühl in der Muskulatur. In diesem Fall lassen sich nur durch eine sofortige Operation mit Spaltung der betroffenen Muskulatur Dauerschäden vermeiden.

Unabhängig von der Behandlungsursache ist eine längerfristige Gipsbehandlung mit typischen Folgen und Risiken verbunden: Sie reichen von einem Muskelabbau (Muskelatrophie) über eine Versteifung der ruhig gestellten Gelenke bis hin zur Möglichkeit von Thrombosen und Embolien. Bei engen oder unzureichend gepolsterten, zirkulären Gipsverbänden drohen außerdem, neben dem oben erwähnten Kompartmentsyndrom, Hautverletzungen und direkte Druckschädigungen von Nerven.

Funktionelle Verbände stellen ein Gelenk oder eine Extremität nicht völlig ruhig, sondern erlauben bestimmte Bewegungen (Funktionen), während sie andere selektiv blockieren. Bekanntestes Beispiel sind Tapeverbände: Mehrere Streifen eines stark haftenden Klebebands werden im Gelenkbereich so auf die Haut geklebt, dass unerwünschte Bewegungen verhindert werden. Tapeverbände eignen sich zur Behandlung bei Zerrungen und Verstauchungen, chronischer Gelenküberlastung und Schwäche des Kapsel-Band-Apparats.

Funktionelle Schienen schützen in ähnlicher Weise vor extremen Bewegungen. Besonders bei Sprunggelenkverletzungen mit Überdehnungen und Rissen des Außenbands verordnen Ärzte häufig Schienen (z. B. die Aircast-Schiene), die das Umknicken des Fußes verhindern, das Abrollen des Fußes aber zulassen.

Orthopädische Hilfsmittel. Eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Unfallfolgen wie auch von orthopädischen Erkrankungen spielen verschiedenartige technische Hilfsmittel in Form von Orthesen. Hierzu zählen z. B. Schienen, Bandagen, Stützapparate, Schuherhöhungen zur Beinlängenkorrektur, Einlagen oder spezielle orthopädische Maßschuhe bei Verformungen und mangelnder Stabilität des Fußes. Nicht zuletzt stehen als Hilfsmittel auch verschiedenste Prothesen zur Verfügung, die fehlende Gliedmaßenabschnitte ersetzen.

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Knie-OP: Physio geht auch per Video

Mit einer genauen Anleitung lässt sich eine Physiotherapie auch per Video erfolgreich durchführen.

Knie-OP: Physio geht auch per Video

Nach der Knie-Prothesen-OP

Nach dem Einpflanzen einer Knieprothese ist erstmal die Rehabilitation angesagt. Ein wichtiger Teil davon ist die Physiotherapie. Die klappt auch gut mit virtueller Anleitung.

Ohne Reha geht es nicht

Damit ein künstliches Kniegelenk (Knie-TEP) gut einheilt und funktioniert, ist eine Rehabilitation nötig, also eine spezifische Anschlussheilbehandlung. Sie beginnt direkt nach der Operation und wird dann in Rehakliniken oder ambulant fortgesetzt. Neben Schmerzbehandlung und Beratung ist die Physiotherapie der wichtigste Bestandteil der Maßnahme. Durch spezielle Übungen wird dafür gesorgt, dass das Knie wieder gebeugt und gestreckt werden kann. Außerdem werden die Muskeln gestärkt. Das ist besonders wichtig, weil sie das Kniegelenk führen und stabilisieren sollen.

Normalerweise wird die Physiotherapie unter persönlicher Betreuung durchgeführt. Dass sie bei ausgewählten Patient*innen auch virtuell erfolgreich ist, haben jetzt kanadische Forschenden gezeigt. In ihrer Studie untersuchten sie die Reha-Ergebnisse von 275 Personen nach einer Knie-TEP. 100 von ihnen hatten ihre Physiotherapie zweimal wöchentlich per Video online erhalten. 175 Betroffene turnten zwei Mal die Woche in 5er-Gruppen unter persönlicher Anleitung einer Physiotherapeut*in.

Schmerzen in beiden Gruppen gleich

In der Videogruppe erreichten 85% der Betroffenen eine Kniebeugung von über 120°, und 96 Prozent ein Kniestreckungsdefizit von weniger als 5% (das bedeutet, dass sie das Knie fast komplett strecken konnten). Bei den persönlich Betreuten waren das zwar etwas mehr (91 und 98 Prozent), der Unterschied war jedoch nicht signifikant. Die Schmerzen waren in beiden Gruppen vergleichbar.

Etwa 10% aus der Videogruppe kamen mit der Videoanleitung nicht zurecht und mussten auf die persönliche Betreuung wechseln. Dabei handelte es sich vor allem um Frauen über 65, deren Kniebeugung direkt nach Operation stark eingeschränkt war.

Physio per Video war beliebt

Das virtuelle Programm kann bei ausgewählten Patient*innen die persönliche Betreuung ersetzen, meinen die Forschenden. Die meisten Patient*innen, die bis zum Schluss per Video trainiert wurden, sahen dies genauso: 80 Prozent von ihnen würden sich wieder für eine virtuelle Physiotherapie entscheiden.

Quelle: Ärztezeitung

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Giorgio Fochesato