Gesundheit heute

Interstitielle Zystitis

(Chronische) Interstitielle Zystitis (IC, nicht bakterielle Blasenentzündung, Syndrom der schmerzenden Blase): Chronische Entzündung der tieferen Blasenwandschichten ohne bakterielle Beteiligung, geprägt von sehr häufigem, nicht beherrschbarem Harndrang und Schmerzen. Zu 90 % sind Frauen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren betroffen. Die Ursache ist unklar, die Therapie schwierig und häufig unbefriedigend. Die Erkrankung ist nicht lebensbedrohlich, führt aber aufgrund des hohen Leidensdrucks häufig zu einer deutlich eingeschränkten Lebensqualität.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Der Zwang, auf die Toilette zu gehen – bis zu 50-mal täglich –, beherrscht den Alltag
  • Schlafmangel durch nächtliche Toilettengänge
  • Blasenschmerzen bzw. Schmerzen im Unterbauch bessern sich nach der Blasenentleerung nur für kurze Zeit
  • Häufig gleichzeitig Schmerzbeschwerden an anderer Stelle wie migräneartige Kopfschmerzen, rheumaartige Gelenkschmerzen, Magen- oder Darmschmerzen
  • Diese oft als unerträglich erlebten Schmerzen können monatelang andauern, aber in Art und Häufigkeit wechseln (fluktuieren).

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen bei

  • oben genannten Beschwerden.

Die Erkrankung

Der Begriff "interstitielle Zystitis" weist darauf hin, dass hier nicht die Blasenschleimhaut, sondern vielmehr die tieferen Zwischenräume in der Blasenwand entzündet sind. Eine zentrale Rolle spielen Mastzellen, also spezielle Immunzellen, die zur körpereigenen Abwehr nötig sind. Diese Mastzellen lösen eine entzündliche Reaktion aus, die zu einer vermehrten Durchlässigkeit der Blasenschleimhaut, bindegewebigem Umbau und einer Verkleinerung der Harnblasenkapazität führt.

Ursachen

Warum sich eine interstitielle Zystitis entwickelt ist unklar. Als Ursache dieser Erkrankung werden frühere Blasenentzündungen, eine unzureichende Schutzfunktion der Blasenschleimhaut als Barriere gegen Bakterien, äußere Schadstoffe und neurologische, hormonelle und gefäßbedingte Störungen sowie allergische oder rheumatologische Erkrankungen vermutet.

In jedem Fall aber ist die interstitielle Zystitis keine psychosomatische Erkrankung. Die psychischen Veränderungen, die die Betroffenen an sich und die Ärzte an ihnen feststellen, bedeuten eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität und -führung und sind Folge der Erkrankung – nicht umgekehrt.

Diagnosesicherung

In der Regel vermutet der Urologe anhand der Beschwerden zunächst, dass es sich um eine akute oder chronische Blasenentzündung handelt. Wenn aber keine Bakterien oder weißen Blutkörperchen im Urin nachweisbar sind, steht die Verdachtsdiagnose "interstitielle Zystitis" im Raum. Für eine interstitielle Zystitis sprechen folgende Befunde:

  • Urinausscheidung < 250 ml/Tag, Abstand des Wasserlassens < 2 Stunden, nächtliches Wasserlassen (Nykturie)
  • kein Erregernachweis in Urinkultur und Urinsediment, keine Zeichen eines Harnblasenkrebses in der mikroskopischen Urinuntersuchung
  • keine Anzeichen von anderen Erkrankungen des Urogenitaltrakts im Ultraschall
  • auffallende Befunde in der Harnblasenspiegelung (aufgrund der starken Schmerzen immer unter Vollnarkose) wie z. B. punktförmige Einblutungen oder Geschwüre bei Blasenfüllung (nicht bei allen Patienten)
  • Vermehrung von weißen Blutkörperchen und Bindegewebsfasern in den tieferen Blasenwandschichten. Gewebe für die Untersuchung wird im Rahmen der Blasenspiegelung als Biopsie entnommen
  • Schmerzen bei der Injektion von Kalium in die Blase. Dieser sogenannte Kaliuminstillationstest wird heute allerdings nur noch selten durchgeführt.

Differenzialdiagnosen. Entscheidend bei der Diagnose ist der Ausschluss anderer Erkrankungen wie Blasenentzündung, Tuberkulose, Prostatitis, Prostatakarzinom, Harnblasensteine und Blasenkrebs sowie gynäkologische Erkrankungen wie Adnexitis oder Vaginitis.

Behandlung

Dem Arzt stehen verschiedene therapeutische Ansätze zur Verfügung, die aber alle nur einem Teil der Betroffenen helfen:

  • Das Dehnen der Blase mit Wasser unter Vollnarkose. Etwa 20 % der Patienten erfahren dadurch eine kurzfristige Besserung der Beschwerden.
  • Das Einspritzen von Medikamenten über einen Katheter in die Blase, so z. B. DMSO (Dimethylsulfoxid), Lidocain oder Dexamethason, um die Entzündung zu hemmen. Auch Injektionen von Botulinumtoxin A werden bei diesem Krankheitsbild vorgenommen.
  • Die regelmäßige Verabreichung von Pentosanpolysulfat oder Heparin in die Blase, um die Schutzschicht der Blase wiederherzustellen. Diese Therapie ist sehr teuer. Die Kosten werden von den Krankenkassen nicht übernommen, weil die Wirkung bisher nicht überzeugend nachgewiesen werden konnte.
  • Die Einnahme verschiedener Medikamente, z. B. speziell auf die Blase einwirkende Psychopharmaka oder Schmerzmittel (NSAR oder Opiate), die aber nicht immer die erhoffte Wirkung erzielen. Zudem muss der Arzt sie off label verordnen, da sie keine Zulassung für die Erkrankung interstitielle Zystitis haben. Eingesetzt werden außer Schmerzmitteln z. B. Pentosanpolysulfat (z. B. elmiron®) und Amitriptylin (z. B. Amineurin®). Eine gute Wirkung zeigt oft Ciclosporin, nachteilig sind hier die häufig schweren Nebenwirkungen, weshalb das Präparat nur bei gleichzeitiger Autoimmunerkrankung empfohlen wird.
  • Die sakrale Nervenstimulation mithilfe eines eingepflanzten kleinen Neurostimulators, der regelmäßig Impulse an die Sakralnerven abgibt, lindert bei manchen Patienten die Schmerzen.
  • Die operative Entfernung von Teilen der Blase und Vergrößerung des Fassungsvermögens durch Darmteile, wenn alle anderen Therapien erfolglos bleiben.

Auch die psychische Begleitung, etwa durch einen verständnisvollen Hausarzt, ist wichtig, weil die Beschwerden betroffene Patienten oft stark belasten .

Prognose

Die interstitielle Zystitis ist keine lebensbedrohliche Erkrankung, führt aber bei vielen Patienten zu einer äußerst eingeschränkten Lebensqualität. Die therapeutischen Möglichkeiten sind vielfältig und bezüglich ihres Erfolges ungewiss. In manchen Fällen bilden sich die Beschwerden nach mehreren Monaten von selbst wieder zurück.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Stress reduzieren. Viele Betroffene berichten, dass sich ihre Beschwerden unter übermäßiger psychischer, aber auch körperlicher Anspannung verschlimmern. Oft helfen Mind-Body-Therapien wie Autogenes Training und die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, besser mit Stress im Alltag umzugehen und entspannt zu bleiben. Hilfreich sind auch warme Bäder.
Blase trainieren.
Versuchen Sie, seltener Wasser zu lassen, um die Kapazität der Harnblase zu erhöhen. Ideal ist es, nur etwa alle 2–3 Stunden Wasser zu lassen. Hilfreich bei einem solchen Blasentraining sind

  • Ein Blasentagebuch, in dem Sie notieren, wann Sie die Toilette aufsuchen und Wasser lassen
  • Ein Toilettenplan, mit dem Sie das Wasserlassen regelmäßig in festen Zeitabständen planen
  • Ablenkung zwischen den Toilettengängen. Versuchen Sie bei Harndrang, den Toilettengang um 5 Minuten aufzuschieben. Dabei hilft, sich im Sitzen auf einem Stuhl leicht nach vorn zu beugen.

Richtige Ernährung. Vermeiden Sie Lebensmittel oder Genussmittel, die Ihre Beschwerden verschlimmert haben. Bei manchen Betroffenen sind dies Kaffee, Alkohol, Zitrusfrüchte, Nüsse und scharfe Gewürze. Eine gute Selbstbeobachtung oder auch ein Beschwerdetagebuch helfen, für sich selbst herauszufinden, was Auslöser für eine Symptomverschechterung sind.

Komplementärmedizin

  • Akupunktur. Wer gute Erfahrungen mit der TCM gemacht hat, kann es bei interstitieller Zystitis mit Akupunktur versuchen. Viele Betroffene berichten, dass sich ihre Beschwerden nach der Behandlung verbessert haben.

Weiterführende Informationen

www.ica-ev.de

Von: Dr. med. Martina Sticker, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Inkontinent durch Crossfit-Training?

Eine typische Übung beim CrossFit-Training ist das Trainieren mit Kugelhanteln.

Inkontinent durch Crossfit-Training?

Beckenboden schützen

Vorsicht beim Fitnesstraining: Einige der häufig empfohlenen Übungen überlasten den Beckenboden. Und das kann bei Frauen leicht zu Blasenschwäche führen.

Knackpunkt Beckenboden

Das CrossFit-Training wird auch in Deutschland immer beliebter. Dabei handelt es sich um ein knallhartes Zirkeltraining, bei dem man durch besonders intensive Übungen Kraft und Ausdauer verbessert. Ein wichtiger Bestandteil sind Sprünge und Gewichtheben. Beides belastet den Beckenboden. Der ist jedoch bei Frauen aufgrund ihrer Gebärfähigkeit weniger straff aufgebaut als bei Männern. Deshalb befürchten Expert*innen, dass das CrossFit-Training bei Frauen zu einer Harninkontinenz beitragen kann.

Druckanstieg im Bauch

Um dies zu prüfen wertete ein spanisches Team 13 Studien aus. In allen war das Auftreten einer Harninkontinenz im Zusammenhang mit Fitnesstraining untersucht worden. Von den fast 5000 Frauen im Alter zwischen 18 und 71 Jahren nahmen 91% an CrossFit-Trainings teil. 1637 von ihnen (45%) litten unter einer Blasenschwäche, am häufigsten handelte es sich dabei um eine leichte bis moderate Stressinkontinenz. Zum Vergleich: In der weiblichen Normalbevölkerung geht man in puncto Harninkontinenz von einem Anteil von 25 bis 27% aus.

Damit scheint das CrossFit-Training eine Harninkontinenz zu begünstigen. Als Ursache vermutet man einen trainingsbedingten Anstieg des Drucks im Bauch, der zur Überlastung des Beckenbodens führt. Um diesem negativen Effekt vorzubeugen empfehlen die Studienautor*innen

  • vor dem Training nicht zuviel zu trinken und die Blase zu entleeren,
  • gezielt Übungen zur Stärkung des Beckenbodens zu integrieren und
  • sprunglastige Workouts und schweres Gewichtheben zu vermeiden.

Trampolinspringen noch riskanter für die Kontinenz

Unter den Sportarten befindet sich das CrossFit-Training in puncto Begünstigung einer Harninkontinenz im Mittelfeld, bemerkt das Autorenteam. Weniger riskant für den Beckenboden sind Schwimmen und Radfahren, hier droht etwa 15% bzw. 10% der praktizierenden Frauen eine Harninkontinenz. Gefährlicher als das CrossFit-Training sind Turnen und Trampolinspringen für den Beckenboden. 60 bzw. über 80% der jeweiligen Sportlerinnen sollen unter einer Blasenschwäche leiden.

Quelle: Ärztezeitung

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Ivana Kojic