Gesundheit heute

Nierensteine und Nierenkolik

Nierensteine (Harnsteine, Nephrolithiasis, Urolithiasis): Feste Gebilde in den Nieren und den ableitenden Harnwegen, die den Harnabfluss behindern. Sie bestehen aus auskristallisierten Substanzen, die normalerweise gelöst im Urin vorkommen. Je nachdem, wo sich die Steine befinden, spricht der Arzt von Nierensteinen, Nierenbeckensteinen, Harnleitersteinen oder Blasensteinen. Die Steine können mehr als haselnussgroß, aber auch winzig klein sein (Harngrieß) und verursachen abhängig von ihrer Lage starke bis stärkste wellenförmige Schmerzen.

Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen, am häufigsten im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Die Mehrzahl der Steine geht spontan mit dem Urin ab, die anderen lassen sich fast immer durch ärztliche Behandlung entfernen. Da Nierensteine sich immer wieder neu bilden, wird nach Abgang oder Entfernung des Steins häufig eine medikamentöse Prophylaxe oder spezielle Diät empfohlen.

Nierenkolik: Stärkste wellenförmig bis krampfartige Schmerzen im hinteren seitlichen Unterbauchraum (Nierenlager) infolge einer Einklemmung von Nieren- oder Harnleitersteinen, selten auch durch Blutgerinnsel oder abgestorbenes Nierengewebe. Dadurch kann der Urin nicht mehr abfließen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • (Äußerst) starke, krampfartige Schmerzen (Koliken) im unteren seitlichen Rückenbereich und/oder im Unterbauch mit Ausstrahlung in Hoden oder Schamlippen
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Blut im Urin.

Wann zum Arzt

Heute noch, wenn

  • Blut im Urin ist.

Sofort den Arzt rufen, wenn

  • Koliken auftreten.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Nieren-, Nierenbecken- und Harnleitersteine (kurz: Nierensteine) können aus ganz verschiedenen Materialien bestehen. Am häufigsten sind Kalziumoxalatsteine (kalk- und oxalathaltig, ~ 70 %), Harnsäuresteine (Uratsteine ~ 15 %) und Struvitsteine (Magnesium-Ammonium-Phosphat-Steine, ~ 10 %). Allen gemeinsam ist der Mechanismus der Steinbildung: Am Anfang steht eine Substanz (Kalzium, Oxalat, Harnsäure), die in hoher Konzentration im Urin vorliegt. Normalerweise sind diese Festsubstanzen im Urin gelöst, so wie Zucker im Tee. Ab einer gewissen Menge wird die Löslichkeit der Substanz jedoch überschritten und sie kristallisiert, wird also fest. An das Kristall lagern sich nun immer mehr gleichartige Moleküle an und der Stein wächst.

Nierensteine kommen selten nur einmalig vor, die Gefahr einer wiederholten (rezidivierenden) Steinbildung ist sehr groß.

Risikofaktoren

Besonders rasch entwickeln sich Nierensteine bei:

  • Hohem Eiweißkonsum (Fleisch, Milchprodukte)
  • Starkem Kaffee-, Schwarztee- und Alkoholgenuss
  • Ungenügender Flüssigkeitszufuhr
  • Harnstauung, Harnwegsinfekten
  • Blasenentzündungen
  • Erhöhter Kalziumkonzentration im Blut.

Komplikation

Eine Kolik tritt auf, wenn sich ein Nierenstein aus dem Nierenbecken löst und in Richtung Blase wandert. Der Stein bleibt im engen Harnleiter stecken und reizt die Schleimhaut. Die Muskulatur in der Harnleiterwand verkrampft sich und löst so den starken Schmerz aus. Hat sich der Stein bis zur Blase vorgearbeitet, hört der Schmerz schlagartig auf.

Durch die Harnstauung drohen zudem Harnwegsinfektion, Nierenbeckenentzündung und Urosepsis.

Diagnosesicherung

Anhand der charakteristischen Schmerzen der Nierenkolik schöpft der Arzt meist schnell den Verdacht auf ein Nierensteinleiden. Per Ultraschall sichert er die Diagnose und bestimmt die aktuelle Position und Größe der Nierensteine, die ab einem Durchmesser von 0,5 cm gut sichtbar sind. Oft fertigt er ein CT an, mit dem er nicht nur Harnstau und Nierenstau nachweist, sondern auch wichtige Differenzialdiagnosen ausschließt. Da die meisten Nieren- und Harnleitersteine Kalzium enthalten, erkennt der Arzt sie auch deutlich als helle Strukturen im Röntgenbild, verkalkte Lymphknoten oder Venen können aber genauso aussehen. Wird eine operative Therapie geplant, veranlasst der Arzt auch ein Urogramm oder eine retrograde Ureteropyelografie (Darstellung der Harnwege, bei der das Kontrastmittel vom Ende des Harnleiters oder der Harnröhre "retrograd" nach oben gespritzt wird)

Urin- und Blutuntersuchungen geben Aufschluss darüber, ob zusätzlich eine Infektion der ableitenden Harnwege oder eine Nierenschädigung vorliegt. Wichtige Laboruntersuchungen sind z. B.

  • Urinsediment und Urinkultur, Urin-pH-Wert
  • Blut: Nierenwerte (Kreatinin, Cystatin), Harnsäure, Natrium, Kalium und Kalzium

Vor allem bei Patienten, die immer wieder an Nierensteinen leiden, wird nach der Steinentfernung die genaue Zusammensetzung der Steine untersucht. Die Kenntnis der einzelnen Substanzen und die Bestimmung der Kalzium- und Phosphatwerte im Blut erleichtern die Vorbeugung weiterer Rückfälle.

Differenzialdiagnose. Ähnliche starke Flanken- oder Rückenschmerzen kommen auch vor bei Gallenkolik, Perforation eines Magengeschwürs, Adnexitis, Divertikulitis, Blinddarmentzündung, Hodentorsion oder bei einem Bandscheibenvorfall.

Behandlung

Akute Kolik. Bei Koliken hat die Behandlung der Schmerzen höchste Priorität: Der Arzt verabreicht Schmerzmittel, z. B. Metamizol intravenös, das gleichzeitig auch krampflösend wirkt, bei leichteren Schmerzen auch Paracetamol als Zäpfchen oder Tabletten. Falls diese Schmerzmittel nicht ausreichen, verordnet er Opiate wie etwa Pethidin (Dolantin®); gleichzeitig verschreibt er entzündungshemmende Medikamente (z. B. Diclofenac®).

Steinentfernung. Zur Behandlung von Nierensteinen stehen dem Arzt Medikamente und verschiedene operative Verfahren zur Verfügung. Welche Methode zum Einsatz kommt, hängt von Art und Größe der Steine ab:

Eine konservative Therapie mit Medikamenten und Abwarten auf den spontanen Abgang der Steine kommt vor allem in Frage bei Harnleitersteinen, die kleiner als 5 mm sind; in manchen Fällen empfehlen die Ärzte sie auch bei Harnleitersteinen bis zu 10 mm.

Für alle anderen Nierensteine sowie bei erfolgloser medikamentöser Steinauflösung stehen z. B. folgende Verfahren zur Verfügung:

  • Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL)
  • Ureterorenoskopie (URS)
  • Offene Operation.

Konservative Therapie

Bettruhe ist nicht erforderlich, im Gegenteil: Der Patient soll sich bewegen und so viel wie möglich trinken, um den Steinabgang zu fördern. Gegen Schmerzen verordnet der Arzt Diclofenac®, bei Bedarf zusätzlich Metamizol. Die meisten kleineren Nierensteine bis zu 5 mm Größe gehen auf diese Weise spontan innerhalb von 4 bis 6 Wochen ab. In dieser Zeit bekommt der Patient ein Sieb, um seinen Urin zu filtern und den Stein dabei aufzufangen. Das dient nicht nur dem Nachweis des Steinabgangs, die aufgefangenen Konkremente können auch auf ihre Bestandteile analysiert werden. Kennt der Arzt die Zusammensetzung der Nierensteine, kann er die Präventionsbehandlung genau daran anpassen.

Eine medikamentöse Steinentfernung (orale Chemolitholyse) gelingt in manchen Fällen bei Harnsäuresteinen in einer langwierigen Therapie über mehrere Monate mit dem Medikament Allopurinol (z. B. Zyloric®), das die Harnsäurebildung im Blut verringert.

Operative Behandlung

Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL). Dieser Eingriff ist heute bei ~ 90 % der Nierenstein-Behandlungen der häufigste. Hierbei liegt der Patient auf einem speziellen Behandlungstisch mit einer Aussparung, in der eine Ankopplung des Körpers an die Behandlungseinheit mittels schallleitenden Gels erfolgt. Unter kombinierter Röntgen-Ultraschall-Kontrolle kann der Stein lokalisiert werden. Die Schallwellen werden exakt auf die Körperstelle ausgerichtet, an der sich der Nierenstein befindet, sodass es in mehreren Sitzungen zur Zerkleinerung (Desintegration) des Steins kommt. Die Bruchstücke gehen danach problemlos über den Urin ab.

Ureterorenoskopie (URS). Nierensteine über 2 cm Größe, Nierensteine im Nierenbecken und Harnleitersteine müssen, wenn möglich, endoskopisch entfernt werden. Dazu wird das Endoskop zum Stein vorgeschoben, und zwar bei der Ureterorenoskopie (URS) über Harnröhre und Harnblase, bei der perkutanen Nephrolithotomie PNL alternativ durch einen Schnitt in der Haut. Mit Laser oder Ultraschall zerkleinert der Arzt dann den Stein und entfernt die Bruchstücke mit einer kleinen Schlinge oder Zange aus dem Harnleiter (Schlingenextraktion).

Offene Steinoperation. Bei kompletten Ausgusssteinen(d. h. einem Nierenstein, der das gesamte Nierenbecken und manchmal auch die Kelche komplett ausfüllt), gleichzeitigen Fehlbildungen oder sehr großen Harnleitersteinen, die endoskopisch nicht entfernt werden können, ist eine offene Steinoperation notwendig.

Prognose

  • 50 % aller Harnleitersteine < 5 mm gehen spontan ab. Sind sie größer als 6 mm, beträgt die Chance eines Spontanabgangs nur etwa 5 %.
  • Mehr als die Hälfte der Betroffenen entwickelt einen weiteren Nierenstein im Verlauf ihres Lebens, 10–20 % von ihnen sogar 3 und mehr.
  • Durch eine ESWL werden im Durchschnitt 73 % der Patienten steinfrei.
  • Bei der Ureterorenoskopie können je nach Methode bis 90 % der Nierensteine entfernt werden.

Ihr Apotheker empfiehlt

Prävention

Oft reichen einfache Vorkehrungen, um eine Nierensteinbildung zu verhindern:

  • Trinken Sie täglich 2–3 l Flüssigkeit, am besten Wasser, Fruchtsäfte (außer Apfel- und Grapefruitsaft) sowie Kräutertees.
  • Sorgen Sie für einen möglichst stark verdünnten (hellen) Urin. Dazu können sie mit einem Urin-Teststreifen das spezifische Gewicht (= Konzentration) bestimmen. Es sollte den Wert von 1,010 g/l nicht überschreiten.
  • Trinken Sie schwarzen Tee und Alkohol nur in Maßen – diese Getränke entziehen dem Körper Wasser (umstritten ist aber der Rat, auch auf Kaffee zu verzichten).
  • Reduzieren Sie den Fleischkonsum und meiden Sie Innereien, wenn Sie zu Harnsäuresteinen neigen.
  • Meiden Sie Schokolade, Spinat und Rhabarber bei Kalziumoxalatsteinen.

Reichen diese vorbeugenden Maßnahmen nicht aus, gibt es verschiedene Medikamente, die die Neubildung von Nierensteinen erschweren, indem sie z. B. den pH-Wert des Urins so ändern, dass die steinbildenden Mineralien gelöst bleiben und nicht auskristallisieren.

Von: Dr. André Lauber, Dr. med Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Gezielt gegen Blasenschwäche

Bei einer Blasenschwäche ist nicht nur der erhöhte Wäscheaufwand ein Problem für die Betroffenen.

Gezielt gegen Blasenschwäche

Mit Training und Medikamenten

Immer noch ein Tabu, aber weit verbreitet: Unter einer Blasenschwäche leiden in Deutschland Millionen von Frauen und Männern. Gegen den unwillkürlichen Urinverlust helfen allgemeine Maßnahmen und das Trainieren von Blase und Beckenboden. Reicht das nicht aus, kommen Medikamente ins Spiel.

Eingeschränkte Lebensqualität

Blasenschwäche (Harninkontinenz) ist die Unfähigkeit, den Urin in der Harnblase zu halten. Es kommt stattdessen zu unkontrolliertem Urinverlust, entweder tröpfchenweise oder auch im Schwall. Darunter leiden viele Menschen. Bei den 40- bis 60-Jährigen ist jede Zehnte betroffen, bei den Über-60-Jährigen jede Vierte.

Ob jünger oder älter – eine Blasenschwäche ist immer sehr belastend. Je nach Ausmaß wird die Lebensqualität durch die Inkontinenz stark eingeschränkt. Weil sie sich schämen, gehen viele Menschen trotz ihrer Beschwerden nicht zur Ärzt*in. Dabei ist es wichtig, eine Blasenschwäche zu behandeln. Denn nicht nur die psychischen Folgen wie Depressionen und Vereinsamung sind erheblich. Es drohen Hautentzündungen im Intimbereich und wiederkehrende Harnwegsinfektionen bis hin zum Nierenschaden. Zudem fallen alte Menschen mit Blasenschwäche häufiger hin, weil sie die Toilette schnell erreichen wollen. Solche Stürze enden oft mit einer fatalen Oberschenkelhalsfraktur.

Hinweis: Frauen leider öfter an Blasenschwäche als Männer. Ihr Beckenboden ist dehnbarer und hat mehr Durchgänge als der männliche Beckenboden. Außerdem wird der Blasenverschluss beim Mann durch die unter der Blase liegende Prostata unterstützt.

Welche Blasenschwäche ist es?

Blasenschwäche ist nicht gleich Blasenschwäche. Um die Beschwerden zu dokumentieren und besser interpretieren zu können, ist ein Blasentagebuch hilfreich. Darin hält man täglich fest, wieviel man trinkt und wie häufig man auf die Toilette muss. Wenn möglich, misst man auch die Menge des täglich ausgeschiedenen Urins. Mithilfe dieser Informationen kann die Ärzt*in die Blasenschwäche meist gut einordnen.

Belastungsinkontinenz. Jede zweite Frau mit Blasenschwäche leidet an einer Belastungsinkontinenz (früher auch Stressinkontinenz genannt). Dabei verliert die Betroffene Urin, ohne dass sie vorher einen Harndrang bemerkt hat. Der muskuläre Verschluss am Ausgang der Blase funktioniert nicht mehr gut, etwa weil die Beckenbodenmuskulatur schwach ist oder die Beckenbänder geschädigt sind. Dann genügt schon ein kleiner Druckanstieg in der Blase und die Betroffene verliert Urin. Der Druck in der Blase steigt an, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht. Dazu kommt es schon bei ganz normalen körperlichen Beanspruchungen wie Husten, Niesen oder dem Heben schwerer Gegenstände. Begünstigt wird die Belastungsinkontinenz durch eine Gebärmuttersenkung und Übergewicht.

Dranginkontinenz. Bei der Dranginkontinenz muss die Betroffene plötzlich ganz dringend auf die Toilette, ohne dass die Blase richtig gefüllt ist. Wer nicht schnell genug ist, verliert kleine Tropfen Urin, manchmal aber auch einen ganzen Schwall. Das passiert sowohl tagsüber als auch nachts. Auslöser ist eine Störung in der Blasenwandmuskulatur, z.B. durch Entzündungen, Blasensteine oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson. Beim Mann kommt als Ursache auch eine Prostatavergrößerung in Frage.

Mischinkontinenz. Hier leiden die Betroffenen unter beiden Formen der Blasenschwäche. Sie haben wie bei einer Dranginkontinenz auch bei nicht gefüllter Blase Harndrang und ungewollten Urinverlust. Außerdem verlieren sie Urin bei körperlicher Beanspruchung.

Überaktive Blase. Bei dieser Blasenschwäche zieht sich der Muskel am Blasenausgang immer wieder zusammen und lässt dann wieder los. Das Phänomen ist nervenbedingt oder psychisch. Die Patient*innen leiden unter sehr starkem, manchmal sogar schmerzhaftem Harndrang, der sie mehr als acht Mal täglich und auch nachts zur Toilette zwingt. Solange der Beckenboden noch funktioniert, können die Betroffenen den Urin aber noch willkürlich zurückhalten.

Daneben gibt es weitere Formen der Blasenschwäche. Befindet sich z.B. am Blasenausgang ein Tumor oder Blasenstein, entleert sich die Blase beim Wasserlassen nicht komplett. Es bleibt Urin in der Blase, d.h. die Menge an sog. Restharn steigt an. Die Blase ist überfüllt und kann überlaufen. Patient*innen haben meist einen dauerhaften Harndrang und verlieren ständig kleine Mengen an Urin. Andere Ursachen für Blasenschwäche sind Nervenerkrankungen wie z.B. die Querschnittlähmung. Dabei lösen Reflexe (etwa bei gefüllter Blase) das Pinkeln aus. Man spricht dann von einer Reflexinkontinenz.

Ist die Form der Blasenschwäche erkannt, wird nach der Ursache gesucht. Je nach Verdachtsdiagnose kommen spezielle Untersuchungen zum Einsatz. Dazu gehören z.B. die Restharnbestimmung und die Urinanalyse, z.T. auch Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Nierenfunktion. Bei Frauen ist eine gynäkologische Untersuchung empfehlenswert, da Veränderungen im Becken häufig eine Blasenschwäche auslösen oder verstärken. Beim Mann ist die Untersuchung der Prostata obligat. In manchen Fällen sind auch Ultraschalluntersuchungen oder eine Blasenspiegelung nötig.

Was gegen die Blasenschwäche hilft

Liegt der Harninkontinenz eine Erkrankung zugrunde, wird diese entsprechend therapiert. Dies ist zum Beispiel bei der Prostatavergrößerung oder bei Blasensteinen der Fall. Häufig gibt es aber keine behandelbare Ursache. In diesen Fällen geht man den ungewollten Urinverlust in Stufen an. Basis sind folgende Allgemeinmaßnahmen:

  • Koffeinkonsum reduzieren. Kaffee, Cola und schwarzer Tee haben aufgrund des Koffeins eine ausschwemmende Wirkung. Bei manchen Betroffenen wird die Blasenschwäche besser, wenn sie diese Genussmittel vermeiden.
  • Übergewicht verringern. Zu viele Kilos erhöhen den Druck im Bauch und folglich auch den Druck auf die Blase. Abnehmen bessert deshalb vor allem die Belastungsinkontinenz.
  • Verstopfung behandeln. Starkes Pressen beim Stuhlgang belastet die Beckenbodenmuskulatur und schwächt diese auf Dauer.
  • Flüssigkeitszufuhr kontrollieren. Vor allem bei der überaktiven Blase kann es helfen, etwas weniger zu trinken. Aber Vorsicht, diese Maßnahme sollte man immer mit der Ärzt*in besprechen. Auf keinen Fall darf man aufgrund seiner Blasenschwäche eine Austrocknung (Dehydrataion) riskieren.
  • Mehr bewegen. Spazierengehen und auch Hausarbeit sind besser als Herumsitzen und Schonen. Denn auch moderate körperliche Bewegung stärkt den Beckenboden.
  • Ungünstige körperliche Belastungen vermeiden. Schweres Heben schadet dem Beckenboden, ebenso sind manche Sportarten ungünstig. Dazu gehören z.B. Trampolinspringen oder Crossfit-Training.
  • Rauchen aufgeben. Raucherhusten geht oft mit einer Belastungsinkontinenz einher.

Tipp: Manche Medikamente verursachen oder fördern eine Harninkontinenz. Dazu gehören Anticholinergika zur Behandlung von Atemwegserkrankungen oder Parkinson, muskelentspannende Mittel, indirekte Parasympathikomimetika oder Beruhigungsmittel. Mit der Ärzt*in sollte besprochen werden, ob diese Arzneimittel reduziert oder ersetzt werden können.

Blase oder Beckenboden trainieren

Auch Training kann bei einer Blasenschwäche helfen. Gestärkt werden dabei je nach Form der Blasenschwäche entweder die Blase selbst oder der Beckenboden.

Das Blasentraining hilft besonders gegen die Dranginkontinenz. Es zielt darauf ab, die Zeiträume zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Zunächst versucht die Betroffene, nicht gleich beim ersten Anzeichen eines Harndrangs zur Toilette zu gehen. Schritt für Schritt wird der Gang zur Toilette immer länger verzögert. Hilfreich dabei sind Entspannungsübungen. Auf diese Weise vergrößert sich das Aufnahmevolumen der Blase, der Harndrang wird geringer und das Wasserlassen besser kontrolliert.

Intensives Beckenbodentraining ist dagegen die passende Maßnahme für eine Belastungsinkontinenz. Diese Übungen erlernt man am besten in einer Physiotherapie. Spüren Betroffene mit Belastungsinkontinenz ihre Beckenbodenmuskulatur nicht, kann die Elektrostimulation helfen. Dazu verschreibt die Ärzt*in spezielle Geräte, die über die Scheide oder den Dammbereich elektrische Impulse abgeben.

Tipp: In die Scheide eingelegte Pessare stabilisieren die Harnröhre von innen. Sie helfen besonders bei unwillkürlichem Urinverlust durch körperliche Belastungen im Rahmen einer Belastungsinkontinenz.

Medikamente gegen Urinverlust

Wenn allgemeine Maßnahmen und Training nicht zum erwünschten Erfolg führen, sind stärkere Geschütze geboten. Leider gibt es wenig Hilfe aus dem Reich der Pflanzen. Zwar werden zur Linderung der Beschwerden zahlreiche Extrakte angeboten. Klinische Studien mit eindeutigen Daten zur Wirksamkeit fehlen in den meisten Fällen. Für Kürbissamen gibt es aus einer Beobachtungsstudie mit 117 Betroffenen Hinweise, dass sie Frauen mit überaktiver Blase helfen können.

Anders sieht das mit synthetischen Arzneimitteln aus. Für die Dranginkontinenz und die überaktive Blase gelten Muskarinrezeptor-Antagonisten als effektive Option. Sie verringern spontane Mikrobewegungen in der Blasenwandmuskulatur und reduzieren den Harndrang. Allerdings blockieren die Wirkstoffe nicht nur die Muskarinrezeptoren in der Blase, sondern im gesamten Organismus. Deshalb haben diese Substanzen auch zahlreiche Nebenwirkungen. Dazu gehören u.a. Mundtrockenheit, Sehstörungen und Verstopfung. Oxybutynin führt bei älteren Menschen sogar zu Verwirrtheit und Denkstörungen, vor allem wenn es abgeschluckt wird.

Einige Muskarinrezeptor-Antagonisten (z.B. Tolterodin) sollen beinahe nur auf die Blase wirken und so weniger Nebenwirkungen auslösen. Letzteres gilt auch für Präparate, deren Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, sog. retardierte Arzneistoffe.

Eine neue Therapieoption gegen Dranginkontinenz und eine überaktive Blase ist Mirabegron. Die Substanz bindet an Betarezeptoren in der Harnblasenmuskulatur und entspannt dadurch die Blase. Eingesetzt wird Mirabegron, wenn Muskarinrezeptor-Antagonisten nicht ausreichend wirken. Sie sind auch bei älteren Menschen geeignet, weil sie seltener Verwirrtheit oder Denkstörungen auslösen. Als Nebenwirkung ist allerdings eine Erhöhung des Blutdrucks zu beachten.

Ein Wirkstoff zur Behandlung der Belastungsinkontinenz ist das Antidepressivum Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es stärkt den Schließmuskel der Blase und erhöht ihr Fassungsvermögen. Dadurch kommt es seltener zu unwillkürlichem Urinverlust. Das hat allerdings auch bei Duloxetin seinen Preis: Typisch sind Nebenwirkungen im Verdauungstrakt wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Vor allem bei psychisch nicht gesunden Menschen soll der Wirkstoff aber auch vermehrt Angst und innere Unruhe auslösen.

Mit Operationen an die Blasenschwäche

Manchmal helfen auch Medikamente nicht ausreichend. Ist der Leidensdruck hoch, sind interventionelle oder operative Verfahren eine Option.

Interventionelle Verfahren. Bei der überaktiven Blase und bei der Dranginkontinenz kann die Ärzt*in den Wirkstoff Onabotulinumtoxin A in die Blase instillieren. Dadurch entspannt sich die Blasenmuskulatur und der Harndrang wird weniger. Die Wirkung setzt jedoch erst zwei Wochen nach dem Eingriff ein und hält nur einige Wochen bis Monate an. Eine weitere Option bei überaktiver Blase ist die sakrale Neuromodulation. Dabei wird eine Art Schrittmachers in die Blase eingesetzt. Dieser sendet sanfte elektrische Impulse an den Sakralnerv, der die Blase versorgt. Auf diese Weise lässt sich sowohl eine Überaktivität als auch eine Unteraktivität der Blasenmuskulatur kontrollieren.

Operationen. Die Belastungsinkontinenz kann auch relativ einfach mit einer Band- oder Schlingen-Operationen behandelt werden. Dabei wird das natürliche Band, das die Harnröhre in ihrer Position hält, durch ein künstliches Band verstärkt. Eine weitere Möglichkeit ist das Injizieren von Gel in den Bereich des Harnröhrenabgangs von der Blase. Es entsteht ein Polster, das den Blasenausgang besser verschließt. Manchmal empfehlen die Ärzt*innen auch das operative Anheben des Blasenhalses. Ist bei Männern eine vergrößerte Prostata die Ursache der Blasenschwäche, hilft deren komplette oder teilweise Entfernung.

Quelle: S2k-Leitlinie Harninkontinenz der Frau

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Giuseppe Anello / Alamy / Alamy Stock Photos