Gesundheit heute

Dialyse

Dialyse. Reinigung des Bluts außerhalb (Hämodialyse) oder innerhalb (Peritonealdialyse) des Körpers bei völligem Versagen beider Nieren. Rund 60 000 Patienten in Deutschland sind dauerhaft auf die Dialyse angewiesen.

Hämodialyse

Die Aufgabe der Nieren, Schadstoffe aus dem Blut zu filtern, wird ersatzweise von einer Maschine („künstliche Niere“) übernommen, an die der Patient mehrmals pro Woche angeschlossen wird. Das Blut wird durch einen externen Filter geleitet, gereinigt und wieder in den Körper zurückgeführt.

Behandlungsort. Normalerweise sucht der Patient für die Dauer der Dialyse eine spezielle Dialysestation im Krankenhaus oder ein ambulantes Dialysezentrum auf. Ist ein Patient gesundheitlich stabil, kann die Hämodialyse unter gewissen Voraussetzungen auch zu Hause durchgeführt werden (Heimdialyse).

Wirkprinzip. Zunächst wird dem Patienten in einer kleinen Gefäßoperation am Unterarm ein (Cimino-)Shunt gelegt, ein Gefäßkurzschluss zwischen Unterarmarterie und -vene. Über diesen Zugang wird das Blut des Patienten in das Dialysegerät geleitet. In der Maschine strömt das Blut an einer Flüssigkeit (Dialysat) vorbei, die im Wesentlichen aus Wasser, Salzen und eventuell Blutzucker besteht. Blut und Dialysat fließen in entgegensetzte Richtungen und sind durch eine halbdurchlässige Membran getrennt. Diese Membran arbeitet wie eine Filterstation („Blutwäscher“): Da die Konzentration von Feststoffen im Dialysat anders ist als im Blut, treten Schadstoffe und Wasser aus dem Blut in das Dialysat über – das Blut wird gereinigt und überschüssiges Wasser aus dem Körper entfernt. Gleichzeitig erhält der Patient aus dem Dialysat lebensnotwendige Salze. Nach einiger Zeit wird das gereinigte Blut in den Blutkreislauf des Patienten zurückgepumpt. Damit sich während der Dialyse keine Blutgerinnsel in den Schläuchen bilden, wird die Gerinnung des Bluts mit Medikamenten verhindert.

Komplikationen. Folgenden Komplikationen können bei einer (Hämo-)Dialyse auftereten:

  • Der Shunt stellt bei mangelnder Hygiene eine Infektionsgefahr (vor allem durch Hautkeime) für den Patienten dar, denn er stellt eine direkte Verbindung zwischen Außenwelt und Blutkreislauf des Körperinneren dar. Möglich sind die Bildung von Abszessen und Blutvergiftung.
  • Durch den Flüssigkeitsentzug während der Dialyse sinkt der Blutdruck ab. Dadurch leiden manche Patienten unter Kreislaufproblemen.
  • In Folge der Blutverdünnung kommt es manchmal an den Einstichstellen zu unstillbaren Blutungen. Umgekehrt kann der Shunt auch durch geronnenes Blut verstopfen.
  • Selten treten durch ein zu schnelles Entfernen von Harnstoff aus dem Blut Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen und Krampfanfälle auf.

Heim-(Hämo-)Dialyse. Blutreinigung außerhalb des Körpers nach dem Prinzip der Hämodialyse, aber an einem speziell eingerichteten häuslichen Behandlungsplatz. Hierfür muss der Patient in einem medizinisch stabilen Zustand sein. Der große Vorteil für den Patienten liegt darin, dass seine Unabhängigkeit und seine Privatsphäre zu Hause gewahrt bleiben. Da die Heimdialyse nicht alleine durchführbar ist, braucht der Patient einen Partner, der für die Bedienung des Dialysegeräts geschult wurde.

Voraussetzungen. Für eine Heimdialyse benötigt man viel Platz für das Dialysegerät und das zugehörige Material. Manchmal müssen auch einige Umbauten (Wasseranschluss, Klimaanlage) vorgenommen werden. Zur Sicherheit müssen Arzt und Pflegepersonen jederzeit telefonisch erreichbar und in der Nähe sein.

Peritonealdialyse

Peritonealdialyse. Blutreinigung ohne Dialysemaschine. Das gut durchblutete Bauchfell dient als Filterstation. Sie wird deshalb auch Bauchfelldialyse genannt. Der Patient führt diese zu Hause durch.

Wirkprinzip. Das Dialysat wird aus einem Beutel über einen implantierten Katheter in die Bauchhöhle des Patienten geleitet. Eine blutzuckerhaltige Flüssigkeit im Dialysat entzieht dem Blut Wasser und Schadstoffe, wobei das Bauchfell als Filter zwischen Blut und Dialysat wirkt, ähnlich der halbdurchlässigen Membran bei der Hämodialysemaschine. Während der Filterzeit kann der Patient sich frei bewegen. Darin liegt der Hauptvorteil dieser Dialysemethode. Nach einer gewissen Zeit wird das verbrauchte Dialysat in den externen Beutel abgelassen. Es gibt zwei verschiedene Methoden:

Bei der kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse (CAPD) wechselt der Patient vier- bis fünfmal pro Tag das Dialysat (~2 l) in der Bauchhöhle, muss allerdings immer die Flüssigkeit im Bauchraum mit sich herumtragen.

Die automatisierte Peritonealdialyse (APD) findet überwiegend während der Nacht statt, sodass der Patient dank dieser Methode tagsüber unabhängiger ist. Daher eignet sie sich besonders für Berufstätige. Mit einer automatischen Pumpe, dem Cycler, werden etwa 12–15 l Dialysat in mehreren Durchgängen durch den Bauchraum geleitet und gewechselt.

Komplikationen. Sie drohen vor allem, wenn der implantierte Katheter verunreinigt ist und so Keime in die Bauchhöhle verschleppt werden und auf das Bauchfell übergreifen. Solche Bauchfellentzündungen sind lebensbedrohlich, weil sie rasch zur Blutvergiftung führen.

Selbsthilfe

Hämodialysepflichtig zu sein bedeutet einen großen Einschnitt in die persönliche Freiheit der Betroffenen. Die Dialyse bedeutet zugleich „Fluch und Segen“ für den Patienten: Fluch, da sie etliche Stunden pro Woche in Anspruch nimmt und der Patient seinen Alltag auf die Behandlung abstimmen muss. Segen, da sie lebenserhaltend und verlängernd ist. Viele Patienten realisieren erst nach und nach, dass die Hämodialyse sie ein Leben lang begleiten wird und ihr Leben von ihr abhängt. Zu Beginn der Therapie sind die Betroffenen froh, dass sie sich viel besser fühlen. Mit der Zeit führt die große Belastung für den Patienten und seine Familie jedoch zu psychischen und sozialen Problemen:

  • Sie können nicht mehr frei über ihre Zeit verfügen.
  • Die Karriere muss überdacht werden. Eventuell muss auf Teilzeit umgestellt oder die Arbeit ganz aufgegeben werden.
  • Trotz Hämodialyse muss eine strenge Diät eingehalten werden, was große Disziplin erfordert.
  • Viele Betroffene empfinden die Abhängigkeit von Dialysemaschine, Pflegepersonal und Ärzten als eine Art Entmündigung.
  • Da es keine Aussicht auf schnelle Heilung gibt – eine Nierentransplantation bietet den einzigen Ausweg aus der Dialysepflicht – entwickeln manche Patienten mit der Zeit eine Depression.

Deswegen gibt es für Dialysepatienten professionelle Hilfe zu vielen Problemen, denen sie sich im Alltag stellen müssen (Versicherungs- und Rentenfragen, geeignete Ferienorte, Sport, Ernährung).

Weiterführende Informationen

  • www.kfh-dialyse.de – Website des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation, Neu-Isenburg: Viele Informationen zu Nierenversagen, Dialyse und Nierentransplantation.
  • H. Sperschneider: Der Dialyse-Ratgeber. Trias, 2000. Wie Sie sich auf ein verändertes Leben leichter einstellen. Ratgeber mit alltagsnahen Tipps für Betroffene und Angehörige.
  • H. Eder: Bunte Küche für Dialysepatienten. Kirchheim, 2007. Soll Dialysepatienten die Lust am Essen wieder zurückbringen. Nützlicher Ratgeber für Betroffene und deren Familien.

Von: Dr. med. André Lauber, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Gezielt gegen Blasenschwäche

Bei einer Blasenschwäche ist nicht nur der erhöhte Wäscheaufwand ein Problem für die Betroffenen.

Gezielt gegen Blasenschwäche

Mit Training und Medikamenten

Immer noch ein Tabu, aber weit verbreitet: Unter einer Blasenschwäche leiden in Deutschland Millionen von Frauen und Männern. Gegen den unwillkürlichen Urinverlust helfen allgemeine Maßnahmen und das Trainieren von Blase und Beckenboden. Reicht das nicht aus, kommen Medikamente ins Spiel.

Eingeschränkte Lebensqualität

Blasenschwäche (Harninkontinenz) ist die Unfähigkeit, den Urin in der Harnblase zu halten. Es kommt stattdessen zu unkontrolliertem Urinverlust, entweder tröpfchenweise oder auch im Schwall. Darunter leiden viele Menschen. Bei den 40- bis 60-Jährigen ist jede Zehnte betroffen, bei den Über-60-Jährigen jede Vierte.

Ob jünger oder älter – eine Blasenschwäche ist immer sehr belastend. Je nach Ausmaß wird die Lebensqualität durch die Inkontinenz stark eingeschränkt. Weil sie sich schämen, gehen viele Menschen trotz ihrer Beschwerden nicht zur Ärzt*in. Dabei ist es wichtig, eine Blasenschwäche zu behandeln. Denn nicht nur die psychischen Folgen wie Depressionen und Vereinsamung sind erheblich. Es drohen Hautentzündungen im Intimbereich und wiederkehrende Harnwegsinfektionen bis hin zum Nierenschaden. Zudem fallen alte Menschen mit Blasenschwäche häufiger hin, weil sie die Toilette schnell erreichen wollen. Solche Stürze enden oft mit einer fatalen Oberschenkelhalsfraktur.

Hinweis: Frauen leider öfter an Blasenschwäche als Männer. Ihr Beckenboden ist dehnbarer und hat mehr Durchgänge als der männliche Beckenboden. Außerdem wird der Blasenverschluss beim Mann durch die unter der Blase liegende Prostata unterstützt.

Welche Blasenschwäche ist es?

Blasenschwäche ist nicht gleich Blasenschwäche. Um die Beschwerden zu dokumentieren und besser interpretieren zu können, ist ein Blasentagebuch hilfreich. Darin hält man täglich fest, wieviel man trinkt und wie häufig man auf die Toilette muss. Wenn möglich, misst man auch die Menge des täglich ausgeschiedenen Urins. Mithilfe dieser Informationen kann die Ärzt*in die Blasenschwäche meist gut einordnen.

Belastungsinkontinenz. Jede zweite Frau mit Blasenschwäche leidet an einer Belastungsinkontinenz (früher auch Stressinkontinenz genannt). Dabei verliert die Betroffene Urin, ohne dass sie vorher einen Harndrang bemerkt hat. Der muskuläre Verschluss am Ausgang der Blase funktioniert nicht mehr gut, etwa weil die Beckenbodenmuskulatur schwach ist oder die Beckenbänder geschädigt sind. Dann genügt schon ein kleiner Druckanstieg in der Blase und die Betroffene verliert Urin. Der Druck in der Blase steigt an, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht. Dazu kommt es schon bei ganz normalen körperlichen Beanspruchungen wie Husten, Niesen oder dem Heben schwerer Gegenstände. Begünstigt wird die Belastungsinkontinenz durch eine Gebärmuttersenkung und Übergewicht.

Dranginkontinenz. Bei der Dranginkontinenz muss die Betroffene plötzlich ganz dringend auf die Toilette, ohne dass die Blase richtig gefüllt ist. Wer nicht schnell genug ist, verliert kleine Tropfen Urin, manchmal aber auch einen ganzen Schwall. Das passiert sowohl tagsüber als auch nachts. Auslöser ist eine Störung in der Blasenwandmuskulatur, z.B. durch Entzündungen, Blasensteine oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson. Beim Mann kommt als Ursache auch eine Prostatavergrößerung in Frage.

Mischinkontinenz. Hier leiden die Betroffenen unter beiden Formen der Blasenschwäche. Sie haben wie bei einer Dranginkontinenz auch bei nicht gefüllter Blase Harndrang und ungewollten Urinverlust. Außerdem verlieren sie Urin bei körperlicher Beanspruchung.

Überaktive Blase. Bei dieser Blasenschwäche zieht sich der Muskel am Blasenausgang immer wieder zusammen und lässt dann wieder los. Das Phänomen ist nervenbedingt oder psychisch. Die Patient*innen leiden unter sehr starkem, manchmal sogar schmerzhaftem Harndrang, der sie mehr als acht Mal täglich und auch nachts zur Toilette zwingt. Solange der Beckenboden noch funktioniert, können die Betroffenen den Urin aber noch willkürlich zurückhalten.

Daneben gibt es weitere Formen der Blasenschwäche. Befindet sich z.B. am Blasenausgang ein Tumor oder Blasenstein, entleert sich die Blase beim Wasserlassen nicht komplett. Es bleibt Urin in der Blase, d.h. die Menge an sog. Restharn steigt an. Die Blase ist überfüllt und kann überlaufen. Patient*innen haben meist einen dauerhaften Harndrang und verlieren ständig kleine Mengen an Urin. Andere Ursachen für Blasenschwäche sind Nervenerkrankungen wie z.B. die Querschnittlähmung. Dabei lösen Reflexe (etwa bei gefüllter Blase) das Pinkeln aus. Man spricht dann von einer Reflexinkontinenz.

Ist die Form der Blasenschwäche erkannt, wird nach der Ursache gesucht. Je nach Verdachtsdiagnose kommen spezielle Untersuchungen zum Einsatz. Dazu gehören z.B. die Restharnbestimmung und die Urinanalyse, z.T. auch Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Nierenfunktion. Bei Frauen ist eine gynäkologische Untersuchung empfehlenswert, da Veränderungen im Becken häufig eine Blasenschwäche auslösen oder verstärken. Beim Mann ist die Untersuchung der Prostata obligat. In manchen Fällen sind auch Ultraschalluntersuchungen oder eine Blasenspiegelung nötig.

Was gegen die Blasenschwäche hilft

Liegt der Harninkontinenz eine Erkrankung zugrunde, wird diese entsprechend therapiert. Dies ist zum Beispiel bei der Prostatavergrößerung oder bei Blasensteinen der Fall. Häufig gibt es aber keine behandelbare Ursache. In diesen Fällen geht man den ungewollten Urinverlust in Stufen an. Basis sind folgende Allgemeinmaßnahmen:

  • Koffeinkonsum reduzieren. Kaffee, Cola und schwarzer Tee haben aufgrund des Koffeins eine ausschwemmende Wirkung. Bei manchen Betroffenen wird die Blasenschwäche besser, wenn sie diese Genussmittel vermeiden.
  • Übergewicht verringern. Zu viele Kilos erhöhen den Druck im Bauch und folglich auch den Druck auf die Blase. Abnehmen bessert deshalb vor allem die Belastungsinkontinenz.
  • Verstopfung behandeln. Starkes Pressen beim Stuhlgang belastet die Beckenbodenmuskulatur und schwächt diese auf Dauer.
  • Flüssigkeitszufuhr kontrollieren. Vor allem bei der überaktiven Blase kann es helfen, etwas weniger zu trinken. Aber Vorsicht, diese Maßnahme sollte man immer mit der Ärzt*in besprechen. Auf keinen Fall darf man aufgrund seiner Blasenschwäche eine Austrocknung (Dehydrataion) riskieren.
  • Mehr bewegen. Spazierengehen und auch Hausarbeit sind besser als Herumsitzen und Schonen. Denn auch moderate körperliche Bewegung stärkt den Beckenboden.
  • Ungünstige körperliche Belastungen vermeiden. Schweres Heben schadet dem Beckenboden, ebenso sind manche Sportarten ungünstig. Dazu gehören z.B. Trampolinspringen oder Crossfit-Training.
  • Rauchen aufgeben. Raucherhusten geht oft mit einer Belastungsinkontinenz einher.

Tipp: Manche Medikamente verursachen oder fördern eine Harninkontinenz. Dazu gehören Anticholinergika zur Behandlung von Atemwegserkrankungen oder Parkinson, muskelentspannende Mittel, indirekte Parasympathikomimetika oder Beruhigungsmittel. Mit der Ärzt*in sollte besprochen werden, ob diese Arzneimittel reduziert oder ersetzt werden können.

Blase oder Beckenboden trainieren

Auch Training kann bei einer Blasenschwäche helfen. Gestärkt werden dabei je nach Form der Blasenschwäche entweder die Blase selbst oder der Beckenboden.

Das Blasentraining hilft besonders gegen die Dranginkontinenz. Es zielt darauf ab, die Zeiträume zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Zunächst versucht die Betroffene, nicht gleich beim ersten Anzeichen eines Harndrangs zur Toilette zu gehen. Schritt für Schritt wird der Gang zur Toilette immer länger verzögert. Hilfreich dabei sind Entspannungsübungen. Auf diese Weise vergrößert sich das Aufnahmevolumen der Blase, der Harndrang wird geringer und das Wasserlassen besser kontrolliert.

Intensives Beckenbodentraining ist dagegen die passende Maßnahme für eine Belastungsinkontinenz. Diese Übungen erlernt man am besten in einer Physiotherapie. Spüren Betroffene mit Belastungsinkontinenz ihre Beckenbodenmuskulatur nicht, kann die Elektrostimulation helfen. Dazu verschreibt die Ärzt*in spezielle Geräte, die über die Scheide oder den Dammbereich elektrische Impulse abgeben.

Tipp: In die Scheide eingelegte Pessare stabilisieren die Harnröhre von innen. Sie helfen besonders bei unwillkürlichem Urinverlust durch körperliche Belastungen im Rahmen einer Belastungsinkontinenz.

Medikamente gegen Urinverlust

Wenn allgemeine Maßnahmen und Training nicht zum erwünschten Erfolg führen, sind stärkere Geschütze geboten. Leider gibt es wenig Hilfe aus dem Reich der Pflanzen. Zwar werden zur Linderung der Beschwerden zahlreiche Extrakte angeboten. Klinische Studien mit eindeutigen Daten zur Wirksamkeit fehlen in den meisten Fällen. Für Kürbissamen gibt es aus einer Beobachtungsstudie mit 117 Betroffenen Hinweise, dass sie Frauen mit überaktiver Blase helfen können.

Anders sieht das mit synthetischen Arzneimitteln aus. Für die Dranginkontinenz und die überaktive Blase gelten Muskarinrezeptor-Antagonisten als effektive Option. Sie verringern spontane Mikrobewegungen in der Blasenwandmuskulatur und reduzieren den Harndrang. Allerdings blockieren die Wirkstoffe nicht nur die Muskarinrezeptoren in der Blase, sondern im gesamten Organismus. Deshalb haben diese Substanzen auch zahlreiche Nebenwirkungen. Dazu gehören u.a. Mundtrockenheit, Sehstörungen und Verstopfung. Oxybutynin führt bei älteren Menschen sogar zu Verwirrtheit und Denkstörungen, vor allem wenn es abgeschluckt wird.

Einige Muskarinrezeptor-Antagonisten (z.B. Tolterodin) sollen beinahe nur auf die Blase wirken und so weniger Nebenwirkungen auslösen. Letzteres gilt auch für Präparate, deren Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, sog. retardierte Arzneistoffe.

Eine neue Therapieoption gegen Dranginkontinenz und eine überaktive Blase ist Mirabegron. Die Substanz bindet an Betarezeptoren in der Harnblasenmuskulatur und entspannt dadurch die Blase. Eingesetzt wird Mirabegron, wenn Muskarinrezeptor-Antagonisten nicht ausreichend wirken. Sie sind auch bei älteren Menschen geeignet, weil sie seltener Verwirrtheit oder Denkstörungen auslösen. Als Nebenwirkung ist allerdings eine Erhöhung des Blutdrucks zu beachten.

Ein Wirkstoff zur Behandlung der Belastungsinkontinenz ist das Antidepressivum Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es stärkt den Schließmuskel der Blase und erhöht ihr Fassungsvermögen. Dadurch kommt es seltener zu unwillkürlichem Urinverlust. Das hat allerdings auch bei Duloxetin seinen Preis: Typisch sind Nebenwirkungen im Verdauungstrakt wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Vor allem bei psychisch nicht gesunden Menschen soll der Wirkstoff aber auch vermehrt Angst und innere Unruhe auslösen.

Mit Operationen an die Blasenschwäche

Manchmal helfen auch Medikamente nicht ausreichend. Ist der Leidensdruck hoch, sind interventionelle oder operative Verfahren eine Option.

Interventionelle Verfahren. Bei der überaktiven Blase und bei der Dranginkontinenz kann die Ärzt*in den Wirkstoff Onabotulinumtoxin A in die Blase instillieren. Dadurch entspannt sich die Blasenmuskulatur und der Harndrang wird weniger. Die Wirkung setzt jedoch erst zwei Wochen nach dem Eingriff ein und hält nur einige Wochen bis Monate an. Eine weitere Option bei überaktiver Blase ist die sakrale Neuromodulation. Dabei wird eine Art Schrittmachers in die Blase eingesetzt. Dieser sendet sanfte elektrische Impulse an den Sakralnerv, der die Blase versorgt. Auf diese Weise lässt sich sowohl eine Überaktivität als auch eine Unteraktivität der Blasenmuskulatur kontrollieren.

Operationen. Die Belastungsinkontinenz kann auch relativ einfach mit einer Band- oder Schlingen-Operationen behandelt werden. Dabei wird das natürliche Band, das die Harnröhre in ihrer Position hält, durch ein künstliches Band verstärkt. Eine weitere Möglichkeit ist das Injizieren von Gel in den Bereich des Harnröhrenabgangs von der Blase. Es entsteht ein Polster, das den Blasenausgang besser verschließt. Manchmal empfehlen die Ärzt*innen auch das operative Anheben des Blasenhalses. Ist bei Männern eine vergrößerte Prostata die Ursache der Blasenschwäche, hilft deren komplette oder teilweise Entfernung.

Quelle: S2k-Leitlinie Harninkontinenz der Frau

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Giuseppe Anello / Alamy / Alamy Stock Photos