Gesundheit heute

Nierenversagen, akutes

Akutes Nierenversagen (akute Niereninsuffizienz, Schockniere, ANV): Plötzlicher Funktionsverlust beider Nieren bei vorher Nierengesunden. Durch das Nierenversagen wird zu wenig Flüssigkeit ausgeschieden und es sammeln sich harnpflichtige Abfallprodukte im Körper an. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von schwerem Schock über Nierenerkrankungen bis zu akuten Abflussstörungen in den Harnwegen.

Wird die Ursache des akuten Nierenversagens sofort beseitigt und der Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt stabilisiert, erholen sich die Nieren rasch wieder. Bleibt das akute Nierenversagen unbehandelt, droht die Zerstörung der Nieren mit Dialysepflicht. Gefährlich ist das akute Nierenversagen für Patient*innen, die bereits schwer krank sind: Von ihnen überlebt nur die Hälfte.

Symptome und Leitbeschwerden

Frühsymptome:

  • Häufig verminderte Harnausscheidung (unter 500 ml Urin pro Tag)
  • Selten vermehrte Harnausscheidung (über 2500 ml pro Tag).

Spätsymptome:

  • Starke Müdigkeit
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Juckreiz
  • Herzstolpern
  • Wassereinlagerungen im Körpergewebe (Ödeme)
  • Atemnot durch Flüssigkeit in den Lungen.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn

  • trotz normaler Trinkmengen von Woche zu Woche weniger Urin ausgeschieden wird und sich gleichzeitig Flüssigkeit im Körpergewebe einlagert.

In den nächsten Stunden, wenn

  • trotz genügender Flüssigkeitszufuhr die Urinmenge stark absinkt.
  • angstauslösendes Herzstolpern oder Atemnot auftreten.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung und Einteilung

Wird die Niere so stark geschädigt, dass es zu Oligurie oder Anurie kommt, wird der Körper in der Folge mit schädlichen Substanzen überschwemmt. Je nachdem, wo die Ursache für die Schädigung der Nieren liegt, wird das akute Nierenversagen unterteilt in prärenal (vor der Niere), renal (in der Niere) oder postrenal (nach der Niere).

Das prärenale akute Nierenversagen ist die häufigste Form. Alle massiven Störungen der Blutzirkulation (wie z. B. starker Blutverlust oder schwere Herzinsuffizienz) führen im Körper zum gleichen Ergebnis: Obwohl die Nieren und andere Organe bereits nicht mehr ausreichend durchblutet werden, verengen sie ihre zuführenden Gefäße, um das verbleibende Blut für die wichtigsten Körperorgane zu reservieren, also für Herz, Lunge und Gehirn. Wenn also starker Blutverlust, mangelnde Flüssigkeitsaufnahme, Blutvergiftung (Sepsis) oder Herzschwäche (Herzinsuffizienz) die Nierendurchblutung unter den kritischen Blutdruckwert von 80 mmHg senken, bilden die Nieren kaum oder keinen Urin mehr, was zur Oligurie oder Anurie führt. Begünstigt wird diese Form des akuten Nierenversagens durch eine Arteriosklerose der Nierenarterien (besonders bei älteren Menschen) sowie durch die Einnahme bestimmter Schmerzmittel und Medikamente wie ACE-Hemmer.

Wird das Nierengewebe direkt geschädigt, liegt ein renales akutes Nierenversagen vor. Häufige Ursachen sind bereits bestehende Nierenkrankheiten wie die tubulo-interstitielle Nierenerkrankung, Glomerulonephritis, Gefäßentzündungen und der Verschluss von Nierenarterien oder -venen. Auch Medikamente und Chemikalien können das Nierengewebe direkt schädigen, so einige Antibiotika, Schmerzmittel (NSAR), Medikamente zur Krebsbehandlung (Zytostatika) und Röntgenkontrastmittel.

Wird der Abfluss der ableitenden Harnwege auf beiden Seiten plötzlich behindert oder unterbunden, führt das zu dem eher seltenen postrenalen akuten Nierenversagen. Bei chronischer Harnstauung in einem Nierenbecken erweitert sich dieses durch den nicht mehr abfließenden Urin und erdrückt förmlich das umgebende Nierengewebe, das dadurch abstirbt. Weitere Ursachen eines postrenalen Nierenversagens sind eine Prostatavergrößerung, Tumoren, die sich im Becken ausbreiten (z. B. beim Eierstockkrebs), oder beidseitige Nierensteine.

Diagnosesicherung

Bei der körperlichen Untersuchung fallen dem Arzt häufig niedrige Blutdruckwerte, Schwäche, Atemnot und Wassereinlagerungen auf. Blut- und Urinuntersuchungen geben ihm Hinweise auf die Restleistung der Nieren. Untersucht werden insbesondere

  • Urinsediment und Urinkultur
  • 24-Stunden-Sammelurin
  • Kreatinin, Elektrolyte und Eiweiß im Urin
  • Labor: u. a. Blutbild, Elektrolyte, Cystatin C, Harnsäure, Eiweiß, CRP, Gerinnungsstatus

Da beim akuten Nierenversagen die Nieren oft vergrößert sind, untersucht sie die Ärzt*in per Ultraschall. Auch Nierensteine und andere Behinderungen des Urinabflusses kann er dabei gut erkennen. Bei speziellen Fragen veranlasst die Ärzt*in manchmal eine CT, eine MRT und evtl. auch eine Biopsie.

Bei Patient*innen, die während eines Krankenhausaufenthalts ein akutes Nierenversagen entwickeln, fahndet die Ärzt*in nach möglichen Ursachen des Nierenversagens wie z. B.

  • Blutdruckabfälle während einer Vollnarkose oder einem kardiogenem Schock
  • Kontrastmittelgaben
  • Antibiotikatherapie.

Behandlung

Die Behandlung erfolgt im Krankenhaus. Dort wird die Ursache festgestellt und möglichst beseitigt, etwa durch

  • Das Entfernen von Nierensteinen
  • Das Legen eines Blasenkatheters
  • Bluttransfusionen
  • Das Absetzen verdächtiger Medikamente
  • Immunsuppression (z. B. bei Glomerulonephritis)
  • Revaskularisation einer Nierenarterienstenose.

Parallel werden Blutdruck sowie Wasser- und Elektrolythaushalt des Patienten stabilisiert und engmaschig überwacht. Je nach Ursache setzen die Ärzt*innen beim akuten Nierenversagen auch Diuretika ein, z. B. bei starker Überwässerung der Patient*in im Fall eines Lungenödems oder einer Herzinsuffizienz.

Weitere Maßnahmen

  • Kontrollierte Flüssigkeitszufuhr. Solange die Urinausscheidung nicht ausreichend ist, muss die Flüssigkeitszufuhr (Trinkmenge) reduziert werden. Zur Kontrolle wird die Patient*in täglich gewogen und sein Blutdruck überwacht. Die starke Einschränkung der Trinkmenge führt beim Patient*in zu großem Durst – hier bringt eine sorgfältige Mundhygiene mit häufigem Ausspülen Erleichterung.
  • Kontrollierte Ernährung. Eine kohlenhydratreiche, eiweiß- und salzarme Ernährung entlastet die Nieren und damit den ganzen Körper von harnpflichtigen Stoffen (Substanzen, die über den Urin ausgeschieden werden). In schweren Fällen des akuten Nierenversagens erfolgt die Ernährung parenteral, also über eine Infusion.
  • Blutwäsche. Verschlechtert sich die Nierenfunktion trotz der Behandlung, muss sich die Patient*in einer Dialyse unterziehen.

Diuretika

Hoch dosierte Diuretika (harntreibende Mittel, Medikamente zur Entwässerung) kurbeln die Urinproduktion an. Diese Arzneimittelgruppe entfaltet ihre Wirkung in den Nieren und befördert über verschiedene Mechanismen Salz und Wasser aus dem Körper. Diuretika werden bei Herzkrankheiten, insbesondere Herzinsuffizienz, bei Bluthochdruck, Ödemen, Leber- und Nierenkrankheiten eingesetzt.

Hinweis: Diuretika erhöhen zwar die Urinausscheidung, sie können aber nicht die Nierenfunktionen verbessern oder ein fortschreitendes Nierenversagen aufhalten.

Diuretika bringen die körpereigene Feinjustierung der Ausscheidung von Mineralien durcheinander. Deshalb kontrolliert die Ärzt*in je nach Art und Dosierung des verordneten Diuretikums die Mineralkonzentration im Blut täglich, wöchentlich oder monatlich, um frühzeitig einen Mangel oder Überschuss im Blut zu erkennen. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Kalium. Je nach Präparat und Begleiterkrankungen werden zusätzlich die Natrium- und Kalziumspiegel überwacht.

Abhängig von ihrer Wirkung werden Diuretika in drei Gruppen eingeordnet:

  • Thiazide hemmen die Rückresorption von Natrium und Chlor aus dem Primärharn in den Körper, sodass diese in Form von Salzen vermehrt über den Urin ausgeschwemmt werden. Diese Salze "ziehen" Wasser mit sich, sodass sich sowohl Blutdruck als auch eventuell vorhandene Ödeme verringern. Die Urinmenge steigt nur mäßig. Nebenwirkungen sind Übelkeit, Magnesium- und Kaliummangel, Anstieg von Blutzucker, Harnsäure und Blutfetten. Thiazide kommen vor allem bei der Behandlung von Bluthochdruck oder Herzinsuffizienz zum Einsatz, oft in Kombination mit anderen Wirkstoffen.
    • Beispiele: Hydrochlorothiazid (z. B. HCT beta®, Esidrix®, HCT-Hexal®), Xipamid (z. B. Xipamid-ratiopharm®, Aquaphor®).
  • Schleifendiuretika wirken ähnlich wie die Thiazide, jedoch viel stärker, sodass sie auch bei fortgeschrittenem Nierenversagen eingesetzt werden. Schleifendiuretika dienen dazu, schnell viel Wasser aus dem Körper zu schwemmen, z. B. beim Lungenödem. Die Nebenwirkungen ähneln denen der Thiazide. In der Praxis ist vor allem der oft starke Kaliumverlust nachteilig. Zusätzlich sind Kalziummangel und vorübergehende Hörminderungen möglich.
    • Beispiele: Furosemid (Furosemid-ratiopharm®, Furesis® comp, Furobeta®, Furogamma®, Lasix®); Piretanid (z. B. Piretanid Hexal®, Arelix®); Torasemid (z. B. Torem®, Unat®); Thiazide und Schleifendiuretika werden manchmal gemeinsam eingesetzt.
  • Kaliumsparende Diuretika: Wie der Name bereits sagt, vermindern diese Diuretika den Kaliumverlust. Bei vielen Patient*innen kommt es sogar zu einem Kaliumüberschuss. Da sie alleine nur schwach wirken, kombiniert man sie meist mit anderen Diuretika. Nebenwirkungen sind Brustvergrößerung beim Mann (Gynäkomastie), Übelkeit, erektile Dysfunktion und die Anreicherung von Kalium. Deshalb werden sie beim fortgeschrittenen akuten bzw. chronischen Nierenversagen nicht mehr eingesetzt. Die klassische Indikation der kaliumsparenden Diuretika ist die chronische Herzinsuffizienz. Hier werden sie oft gemeinsam mit Thiaziden verwendet.

  • Beispiele: Spironolacton (z. B. Aldactone®, Spirobeta®); Triamteren (z. B. Neotri®, Dytide® H); Amilorid (z. B. Amilorid HCT AL®, Amilorid comp.-ratiopharm®).

Prognose

50 % der betroffenen Patient*innen versterben, zumeist an der auslösenden Grunderkrankung wie Schock oder Sepsis. Bei den überlebenden Patient*innen erholt sich die Nierenfunktion innerhalb von 2 bis 3 Wochen, bei jedem 2. bleiben Nierenschäden zurück. Bis zu 10 % der Patient*innen, die ein akutes Nierenversagen überleben, entwickeln eine chronische Niereninsuffizienz oder werden dialysepflichtig.

Ihr Apotheker empfiehlt

Das akute Nierenversagen muss immer ärztlich behandelt werden.

Von: Dr. André Lauber, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Gezielt gegen Blasenschwäche

Bei einer Blasenschwäche ist nicht nur der erhöhte Wäscheaufwand ein Problem für die Betroffenen.

Gezielt gegen Blasenschwäche

Mit Training und Medikamenten

Immer noch ein Tabu, aber weit verbreitet: Unter einer Blasenschwäche leiden in Deutschland Millionen von Frauen und Männern. Gegen den unwillkürlichen Urinverlust helfen allgemeine Maßnahmen und das Trainieren von Blase und Beckenboden. Reicht das nicht aus, kommen Medikamente ins Spiel.

Eingeschränkte Lebensqualität

Blasenschwäche (Harninkontinenz) ist die Unfähigkeit, den Urin in der Harnblase zu halten. Es kommt stattdessen zu unkontrolliertem Urinverlust, entweder tröpfchenweise oder auch im Schwall. Darunter leiden viele Menschen. Bei den 40- bis 60-Jährigen ist jede Zehnte betroffen, bei den Über-60-Jährigen jede Vierte.

Ob jünger oder älter – eine Blasenschwäche ist immer sehr belastend. Je nach Ausmaß wird die Lebensqualität durch die Inkontinenz stark eingeschränkt. Weil sie sich schämen, gehen viele Menschen trotz ihrer Beschwerden nicht zur Ärzt*in. Dabei ist es wichtig, eine Blasenschwäche zu behandeln. Denn nicht nur die psychischen Folgen wie Depressionen und Vereinsamung sind erheblich. Es drohen Hautentzündungen im Intimbereich und wiederkehrende Harnwegsinfektionen bis hin zum Nierenschaden. Zudem fallen alte Menschen mit Blasenschwäche häufiger hin, weil sie die Toilette schnell erreichen wollen. Solche Stürze enden oft mit einer fatalen Oberschenkelhalsfraktur.

Hinweis: Frauen leider öfter an Blasenschwäche als Männer. Ihr Beckenboden ist dehnbarer und hat mehr Durchgänge als der männliche Beckenboden. Außerdem wird der Blasenverschluss beim Mann durch die unter der Blase liegende Prostata unterstützt.

Welche Blasenschwäche ist es?

Blasenschwäche ist nicht gleich Blasenschwäche. Um die Beschwerden zu dokumentieren und besser interpretieren zu können, ist ein Blasentagebuch hilfreich. Darin hält man täglich fest, wieviel man trinkt und wie häufig man auf die Toilette muss. Wenn möglich, misst man auch die Menge des täglich ausgeschiedenen Urins. Mithilfe dieser Informationen kann die Ärzt*in die Blasenschwäche meist gut einordnen.

Belastungsinkontinenz. Jede zweite Frau mit Blasenschwäche leidet an einer Belastungsinkontinenz (früher auch Stressinkontinenz genannt). Dabei verliert die Betroffene Urin, ohne dass sie vorher einen Harndrang bemerkt hat. Der muskuläre Verschluss am Ausgang der Blase funktioniert nicht mehr gut, etwa weil die Beckenbodenmuskulatur schwach ist oder die Beckenbänder geschädigt sind. Dann genügt schon ein kleiner Druckanstieg in der Blase und die Betroffene verliert Urin. Der Druck in der Blase steigt an, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht. Dazu kommt es schon bei ganz normalen körperlichen Beanspruchungen wie Husten, Niesen oder dem Heben schwerer Gegenstände. Begünstigt wird die Belastungsinkontinenz durch eine Gebärmuttersenkung und Übergewicht.

Dranginkontinenz. Bei der Dranginkontinenz muss die Betroffene plötzlich ganz dringend auf die Toilette, ohne dass die Blase richtig gefüllt ist. Wer nicht schnell genug ist, verliert kleine Tropfen Urin, manchmal aber auch einen ganzen Schwall. Das passiert sowohl tagsüber als auch nachts. Auslöser ist eine Störung in der Blasenwandmuskulatur, z.B. durch Entzündungen, Blasensteine oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson. Beim Mann kommt als Ursache auch eine Prostatavergrößerung in Frage.

Mischinkontinenz. Hier leiden die Betroffenen unter beiden Formen der Blasenschwäche. Sie haben wie bei einer Dranginkontinenz auch bei nicht gefüllter Blase Harndrang und ungewollten Urinverlust. Außerdem verlieren sie Urin bei körperlicher Beanspruchung.

Überaktive Blase. Bei dieser Blasenschwäche zieht sich der Muskel am Blasenausgang immer wieder zusammen und lässt dann wieder los. Das Phänomen ist nervenbedingt oder psychisch. Die Patient*innen leiden unter sehr starkem, manchmal sogar schmerzhaftem Harndrang, der sie mehr als acht Mal täglich und auch nachts zur Toilette zwingt. Solange der Beckenboden noch funktioniert, können die Betroffenen den Urin aber noch willkürlich zurückhalten.

Daneben gibt es weitere Formen der Blasenschwäche. Befindet sich z.B. am Blasenausgang ein Tumor oder Blasenstein, entleert sich die Blase beim Wasserlassen nicht komplett. Es bleibt Urin in der Blase, d.h. die Menge an sog. Restharn steigt an. Die Blase ist überfüllt und kann überlaufen. Patient*innen haben meist einen dauerhaften Harndrang und verlieren ständig kleine Mengen an Urin. Andere Ursachen für Blasenschwäche sind Nervenerkrankungen wie z.B. die Querschnittlähmung. Dabei lösen Reflexe (etwa bei gefüllter Blase) das Pinkeln aus. Man spricht dann von einer Reflexinkontinenz.

Ist die Form der Blasenschwäche erkannt, wird nach der Ursache gesucht. Je nach Verdachtsdiagnose kommen spezielle Untersuchungen zum Einsatz. Dazu gehören z.B. die Restharnbestimmung und die Urinanalyse, z.T. auch Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Nierenfunktion. Bei Frauen ist eine gynäkologische Untersuchung empfehlenswert, da Veränderungen im Becken häufig eine Blasenschwäche auslösen oder verstärken. Beim Mann ist die Untersuchung der Prostata obligat. In manchen Fällen sind auch Ultraschalluntersuchungen oder eine Blasenspiegelung nötig.

Was gegen die Blasenschwäche hilft

Liegt der Harninkontinenz eine Erkrankung zugrunde, wird diese entsprechend therapiert. Dies ist zum Beispiel bei der Prostatavergrößerung oder bei Blasensteinen der Fall. Häufig gibt es aber keine behandelbare Ursache. In diesen Fällen geht man den ungewollten Urinverlust in Stufen an. Basis sind folgende Allgemeinmaßnahmen:

  • Koffeinkonsum reduzieren. Kaffee, Cola und schwarzer Tee haben aufgrund des Koffeins eine ausschwemmende Wirkung. Bei manchen Betroffenen wird die Blasenschwäche besser, wenn sie diese Genussmittel vermeiden.
  • Übergewicht verringern. Zu viele Kilos erhöhen den Druck im Bauch und folglich auch den Druck auf die Blase. Abnehmen bessert deshalb vor allem die Belastungsinkontinenz.
  • Verstopfung behandeln. Starkes Pressen beim Stuhlgang belastet die Beckenbodenmuskulatur und schwächt diese auf Dauer.
  • Flüssigkeitszufuhr kontrollieren. Vor allem bei der überaktiven Blase kann es helfen, etwas weniger zu trinken. Aber Vorsicht, diese Maßnahme sollte man immer mit der Ärzt*in besprechen. Auf keinen Fall darf man aufgrund seiner Blasenschwäche eine Austrocknung (Dehydrataion) riskieren.
  • Mehr bewegen. Spazierengehen und auch Hausarbeit sind besser als Herumsitzen und Schonen. Denn auch moderate körperliche Bewegung stärkt den Beckenboden.
  • Ungünstige körperliche Belastungen vermeiden. Schweres Heben schadet dem Beckenboden, ebenso sind manche Sportarten ungünstig. Dazu gehören z.B. Trampolinspringen oder Crossfit-Training.
  • Rauchen aufgeben. Raucherhusten geht oft mit einer Belastungsinkontinenz einher.

Tipp: Manche Medikamente verursachen oder fördern eine Harninkontinenz. Dazu gehören Anticholinergika zur Behandlung von Atemwegserkrankungen oder Parkinson, muskelentspannende Mittel, indirekte Parasympathikomimetika oder Beruhigungsmittel. Mit der Ärzt*in sollte besprochen werden, ob diese Arzneimittel reduziert oder ersetzt werden können.

Blase oder Beckenboden trainieren

Auch Training kann bei einer Blasenschwäche helfen. Gestärkt werden dabei je nach Form der Blasenschwäche entweder die Blase selbst oder der Beckenboden.

Das Blasentraining hilft besonders gegen die Dranginkontinenz. Es zielt darauf ab, die Zeiträume zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Zunächst versucht die Betroffene, nicht gleich beim ersten Anzeichen eines Harndrangs zur Toilette zu gehen. Schritt für Schritt wird der Gang zur Toilette immer länger verzögert. Hilfreich dabei sind Entspannungsübungen. Auf diese Weise vergrößert sich das Aufnahmevolumen der Blase, der Harndrang wird geringer und das Wasserlassen besser kontrolliert.

Intensives Beckenbodentraining ist dagegen die passende Maßnahme für eine Belastungsinkontinenz. Diese Übungen erlernt man am besten in einer Physiotherapie. Spüren Betroffene mit Belastungsinkontinenz ihre Beckenbodenmuskulatur nicht, kann die Elektrostimulation helfen. Dazu verschreibt die Ärzt*in spezielle Geräte, die über die Scheide oder den Dammbereich elektrische Impulse abgeben.

Tipp: In die Scheide eingelegte Pessare stabilisieren die Harnröhre von innen. Sie helfen besonders bei unwillkürlichem Urinverlust durch körperliche Belastungen im Rahmen einer Belastungsinkontinenz.

Medikamente gegen Urinverlust

Wenn allgemeine Maßnahmen und Training nicht zum erwünschten Erfolg führen, sind stärkere Geschütze geboten. Leider gibt es wenig Hilfe aus dem Reich der Pflanzen. Zwar werden zur Linderung der Beschwerden zahlreiche Extrakte angeboten. Klinische Studien mit eindeutigen Daten zur Wirksamkeit fehlen in den meisten Fällen. Für Kürbissamen gibt es aus einer Beobachtungsstudie mit 117 Betroffenen Hinweise, dass sie Frauen mit überaktiver Blase helfen können.

Anders sieht das mit synthetischen Arzneimitteln aus. Für die Dranginkontinenz und die überaktive Blase gelten Muskarinrezeptor-Antagonisten als effektive Option. Sie verringern spontane Mikrobewegungen in der Blasenwandmuskulatur und reduzieren den Harndrang. Allerdings blockieren die Wirkstoffe nicht nur die Muskarinrezeptoren in der Blase, sondern im gesamten Organismus. Deshalb haben diese Substanzen auch zahlreiche Nebenwirkungen. Dazu gehören u.a. Mundtrockenheit, Sehstörungen und Verstopfung. Oxybutynin führt bei älteren Menschen sogar zu Verwirrtheit und Denkstörungen, vor allem wenn es abgeschluckt wird.

Einige Muskarinrezeptor-Antagonisten (z.B. Tolterodin) sollen beinahe nur auf die Blase wirken und so weniger Nebenwirkungen auslösen. Letzteres gilt auch für Präparate, deren Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, sog. retardierte Arzneistoffe.

Eine neue Therapieoption gegen Dranginkontinenz und eine überaktive Blase ist Mirabegron. Die Substanz bindet an Betarezeptoren in der Harnblasenmuskulatur und entspannt dadurch die Blase. Eingesetzt wird Mirabegron, wenn Muskarinrezeptor-Antagonisten nicht ausreichend wirken. Sie sind auch bei älteren Menschen geeignet, weil sie seltener Verwirrtheit oder Denkstörungen auslösen. Als Nebenwirkung ist allerdings eine Erhöhung des Blutdrucks zu beachten.

Ein Wirkstoff zur Behandlung der Belastungsinkontinenz ist das Antidepressivum Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es stärkt den Schließmuskel der Blase und erhöht ihr Fassungsvermögen. Dadurch kommt es seltener zu unwillkürlichem Urinverlust. Das hat allerdings auch bei Duloxetin seinen Preis: Typisch sind Nebenwirkungen im Verdauungstrakt wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Vor allem bei psychisch nicht gesunden Menschen soll der Wirkstoff aber auch vermehrt Angst und innere Unruhe auslösen.

Mit Operationen an die Blasenschwäche

Manchmal helfen auch Medikamente nicht ausreichend. Ist der Leidensdruck hoch, sind interventionelle oder operative Verfahren eine Option.

Interventionelle Verfahren. Bei der überaktiven Blase und bei der Dranginkontinenz kann die Ärzt*in den Wirkstoff Onabotulinumtoxin A in die Blase instillieren. Dadurch entspannt sich die Blasenmuskulatur und der Harndrang wird weniger. Die Wirkung setzt jedoch erst zwei Wochen nach dem Eingriff ein und hält nur einige Wochen bis Monate an. Eine weitere Option bei überaktiver Blase ist die sakrale Neuromodulation. Dabei wird eine Art Schrittmachers in die Blase eingesetzt. Dieser sendet sanfte elektrische Impulse an den Sakralnerv, der die Blase versorgt. Auf diese Weise lässt sich sowohl eine Überaktivität als auch eine Unteraktivität der Blasenmuskulatur kontrollieren.

Operationen. Die Belastungsinkontinenz kann auch relativ einfach mit einer Band- oder Schlingen-Operationen behandelt werden. Dabei wird das natürliche Band, das die Harnröhre in ihrer Position hält, durch ein künstliches Band verstärkt. Eine weitere Möglichkeit ist das Injizieren von Gel in den Bereich des Harnröhrenabgangs von der Blase. Es entsteht ein Polster, das den Blasenausgang besser verschließt. Manchmal empfehlen die Ärzt*innen auch das operative Anheben des Blasenhalses. Ist bei Männern eine vergrößerte Prostata die Ursache der Blasenschwäche, hilft deren komplette oder teilweise Entfernung.

Quelle: S2k-Leitlinie Harninkontinenz der Frau

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Giuseppe Anello / Alamy / Alamy Stock Photos