Gesundheit heute

Herzinfarkt, akutes Koronarsyndrom und instabile Angina pectoris

Herzinfarkt (Myokardinfarkt): Absterben von Herzmuskelanteilen aufgrund plötzlicher Minderdurchblutung. Ursache der Minderdurchblutung ist eine Verengung der Herzkranzgefäße, meistens treten in den Wochen und Monaten vor dem Infarkt Angina-pectoris-Anfälle auf. Pro Jahr erleiden in Deutschland 300.000 Menschen einen Herzinfarkt, von denen 50.000 tödlich verlaufen. Rechtzeitig behandelt hat der (erste) Herzinfarkt eine gute Prognose. Auch eine annähernd normale Lebensqualität kann oft wieder erreicht werden, wenn der Lebensstil umgestellt wird. Es gilt, körperliche Belastungen und Stress zu vermeiden, den Kaffeekonsum einzuschränken und auf Alkohol, Nikotin und fettes Essen zu verzichten. Daneben behandeln die Ärzte die verengten Gefäße mit Medikamenten, erweitern sie mit einem Katheter oder pflanzen dem Patienten einen Bypass ein (Bypass-Operation), um die Minderdurchblutung zu verbessern.

Akutes Koronarsyndrom (ACS, akuter Thoraxschmerz): Oberbegriff für anhaltende lebensbedrohliche Durchblutungsstörungen des Herzens, erkennbar an instabiler Angina pectoris und akutem Herzinfarkt. Das ACS führt unbehandelt zum plötzlichen Herztod.

Instabile Angina pectoris (Ruheangina): Angina pectoris bereits bei geringer Belastung oder in Ruhe. Die instabile Angina pectoris gehört in Deutschland zu den häufigsten Gründen für eine stationäre Aufnahme ins Krankenhaus. Und das zu Recht, denn sie ist der letzte "Warnschuss" vor einem Herzinfarkt und kann bei fehlender Behandlung in diesen übergehen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Länger als 5 Minuten anhaltende dumpfe, brennende oder stechende Schmerzen im Brustkorb, die in Schulterblätter, Arme, Rücken, Hals, Kiefer oder Oberbauch ausstrahlen können
  • Zusammenpressendes Druckgefühl im Brustkorb, verbunden mit Atemnot ("als wenn der Brustkorb eingeschnürt würde")
  • Schwächegefühl, Übelkeit, Erbrechen, fahle Hautfarbe, Ausbruch von kaltem Schweiß
  • Todesangst, Vernichtungsgefühl, bei älteren Menschen oft akute Verwirrtheit
  • Keine anhaltende Besserung der Beschwerden durch Ruhe oder Nitrate
  • Bei Frauen sind Luftnot, Übelkeit, Erbrechen und Oberbauchbeschwerden nicht selten die einzigen Alarmzeichen
  • Herzrhythmusstörungen.

Bei immerhin 15–20 % der Herzinfarkte spürt der Betroffene keine Schmerzen. Vor allem langjährige Diabetiker erleiden so genannte stumme Herzinfarkte.

Wann zum Arzt

Sofort den Notarzt (112) rufen, wenn

  • die genannten Leitbeschwerden auftreten. Keine Scheu vor Fehlalarm, eine Viertelstunde kann über Leben oder Tod entscheiden!

Erste Hilfe

  • Lassen Sie sich von eng sitzenden Kleidungsstücken (z. B. Hemdkragen) befreien und warten Sie mit hoch gelagertem Oberkörper und Zufuhr von frischer Luft auf die Ankunft des Notarztes.
  • Wenn es im Haushalt Acetylsalicylsäure gibt (z. B. Aspirin® oder ASS®, häufig Inhaltsstoff von Kopfschmerz- oder Grippetabletten), nehmen Sie zwei Tabletten ein (ca. 1000 mg), außer Sie leiden unter Magenproblemen oder Magengeschwüren oder nehmen bereits aus anderen Gründen Acetylsalicylsäure ein. Die Einnahme von Acetylsalicylsäure kann entscheidend dazu beitragen, dass nur wenig Herzmuskelgewebe abstirbt.
  • Hat Ihnen der Hausarzt Nitrospray (z. B. Nitrolingual®) verschrieben, sprühen Sie 2 Hübe unter die Zunge – Nitrate senken nebenbei auch den Blutdruck. Ist Ihr Blutdruck niedrig, müssen Sie daher mit Schwindel oder Kreislaufschwäche rechnen.
  • Ihre Angehörigen sollten Ihre derzeitige Medikamentenverordnung sowie aktuelle Arztbriefe bereithalten. Dies kann für schnelle Therapieentscheidungen wichtig sein.

Die Erkrankung

Häufigkeit und Risikofaktoren

Wie erwähnt, erleiden etwa 300.000 Menschen in Deutschland pro Jahr einen Herzinfarkt. Diese Anzahl ist seit geraumer Zeit konstant. Zurückgegangen sind dagegen die Todesfälle durch Herzinfarkte: Während 1990 noch über 80.000 Herzinfarktpatienten verstarben, waren dies 2015 nur noch knapp 50.000. Hintergrund sind unter anderem die besseren Möglichkeiten der sofortigen Diagnose und Therapie mit dem Herzkatheter (Herzkatheteruntersuchung). Von diesem technischen Fortschritt profitieren leider nicht alle Herzinfarktpatienten. Viele von ihnen versterben schon bevor sie das Krankenhaus erreichen.

Bis zum 75. Lebensjahr erleiden Männer einen Herzinfarkt dreimal häufiger als Frauen. Zigarettenraucher haben das höchste Herzinfarktrisiko. Neuesten Erkenntnissen zufolge sind jedoch auch die Luftverschmutzung durch Autoabgase und Industrieemissionen ein entscheidender Risikofaktor. Weitere bekannte Risikofaktoren sind

  • Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen
  • Genetische Faktoren, Lebensalter
  • Übergewicht.

Krankheitsentstehung

Bei der koronaren Herzkrankheit lagert sich durch die arteriosklerotischen Prozesse Fett in den Herzkranzgefäßen ab. An diesen Stellen reißt die Gefäßinnenhaut leicht ein und es bildet sich sofort ein Blutgerinnsel, das diesen kleinen Riss abdichtet (Plaque-Ruptur). Dieser "Reparaturmechanismus" führt zur Verstopfung und Minderdurchblutung im dahinter liegenden Versorgungsgebiet der betroffenen Herzkranzarterie. Die im Blut befindlichen gerinnungshemmenden Faktoren sind manchmal in der Lage, das störende Blutgerinnsel wieder aufzulösen. Hält die Durchblutungsstörung und damit der Sauerstoffmangel aber an, wird der betroffene Herzmuskelabschnitt zunächst funktionsunfähig und stirbt dann langsam ab. Es kommt zum Herzinfarkt. Je länger der Sauerstoffmangel anhält, umso mehr Herzmuskelgewebe geht unwiederbringlich zugrunde. Deshalb kommt es bei rettenden Behandlungsmaßnahmen auf jede Minute an.

Der Betroffene verspürt durch den Sauerstoffmangel plötzliche, in dieser Form bisher nicht gekannte, anhaltende Angina-pectoris-Beschwerden. Bei etwa einem Drittel aller Betroffenen ist der Herzinfarkt sogar der erste Angina-pectoris-Anfall überhaupt – diese Patienten haben nichts von ihrer KHK gewusst und vorher noch nie einen Angina-pectoris-Anfall erlebt. Der Übergang zwischen instabiler Angina pectoris und Herzinfarkt ist fließend. Daher spricht man zunächst vom akuten Koronarsyndrom. Die instabile Angina pectoris kann sich zur stabilen KHK zurückbilden oder in einen akuten Herzinfarkt mit allen Komplikationen übergehen. Der Begriff "akutes Koronarsyndrom" macht deutlich, dass während der nächsten Stunden zunächst immer mit dem Schlimmsten gerechnet werden muss.

Der Arzt erkennt den Übergang von der instabilen Angina pectoris zum Herzinfarkt an charakteristischen Laborwerten und damit meist verbundenen typischen EKG-Veränderungen. Sind im Blut Substanzen aus dem Inneren von Herzmuskelzellen nachweisbar (Troponin, CK-MB), so muss Herzmuskelgewebe zugrunde gegangen sein.

Verlauf

Das beim Herzinfarkt abgestorbene Gewebe vernarbt und wird funktionslos. Dadurch wird die Pumpfunktion des Herzens eingeschränkt, wodurch manchmal eine Herzinsuffizienz entsteht.

Einteilung

Der Infarkt kann alle Herzmuskelschichten (transmuraler Herzinfarkt) oder nur Teile davon (Innenschichtinfarkt) betreffen. Im Nachhinein lässt das EKG eine Unterscheidung zu. Wenn größere Herzmuskelanteile zerstört sind, verläuft die ST-Strecke im EKG mit einer Hebung. Ein Herzinfarkt ohne Hebung der ST-Strecke ist meist Ausdruck eines geringen Herzmuskelschadens durch einen Innenschichtinfarkt.

Daher wird der Herzinfarkt in zwei Gruppen eingeteilt:

  • Nicht-ST-Hebungsinfarkte (Non-STEMI): Meist Ausdruck eines kleineren Herzinfarkts, bei dem nur die inneren Schichten der Herzmuskulatur geschädigt sind. In der Klinik werden auch hier im weiteren Verlauf noch 2–9 % tödliche Komplikationen beobachtet.
  • ST-Hebungsinfarkte (STEMI): Der Herzinfarkt umfasst alle Herzmuskelschichten. Hier muss selbst nach Aufnahme in die Klinik noch mit einer Sterblichkeit von 10–20 % gerechnet werden.

Auslöser

Ein Herzinfarkt kann zu jeder Tages- und Nachtzeit und in jeder Situation auftreten. Besonders häufig ereignet er sich jedoch in den frühen Morgen- und Nachmittagsstunden, in Zusammenhang mit erhöhter Kreislaufaktivität, ungewohnten körperlichen oder psychischen Belastungen sowie fieberhaften Infekten. Auch Kälte kann einen Herzinfarkt auslösen: Alle Jahre wieder warnt die Deutsche Herzstiftung Menschen mit koronarer Herzkrankheit vor Anstrengungen bei Minustemperaturen, wie z. B. dem frühmorgendlichen Schneeschippen.

Hinweis: Die Einnahme von Kokain steigert das Risiko für ein Akutes Koronarsyndrom und verschlimmert auch den Verlauf der Erkrankung. Bei Patienten, die Kokain konsumieren, verlaufen Herzinfarkte deutlich schwerer als bei kokainabstinenten Patienten. Ihr Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, ist um das Zehnfache erhöht.

Komplikationen

Besonders gefährlich sind die ersten Stunden nach Schmerzbeginn, weil lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen wie das Kammerflimmern bevorzugt in gerade untergehendem Herzmuskelgewebe entstehen.

Bei ausgedehnten Herzinfarkten wird das Pumpvermögen des Herzens herabgesetzt, es kommt zu Lungenödem und Blutdruckabfall bis hin zum Bewusstseinsverlust. Ist das Herz nicht mehr in der Lage, den Körper ausreichend mit Blut zu versorgen, liegt ein kardiogener Schock (Herzschock) vor. Als dessen Folge droht das lebensgefährliche Multiorganversagen.

Manchmal werden Herzklappen undicht oder es zerreißen abgestorbene Muskelanteile, sodass Blut in den Herzbeutel fließt und die Herzfunktion behindert. In selteneren Fällen entstehen auch Kurzschlussverbindungen zwischen rechtem und linkem Herzen, die das Herz zusätzlich belasten.

Diagnosesicherung

Ein akutes Koronarsyndrom führt zur sofortigen Krankenhauseinweisung. Der Notarzt legt schon auf dem Weg dorthin einen venösen Zugang, überwacht den Herzrhythmus und verabreicht

  • Schmerz- und Beruhigungsmittel (z. B. Morphin intravenös oder subkutan, und ein Benzodiazepin wie Diazepam)
  • Nitrate (z. B. Nitroglycerin sublingual als Kapsel oder intravenös)
  • Thrombozytenaggregationshemmer (Acetylsalicylsäure plus Ticagrelor oder Prasugrel)
  • Gerinnungshemmende Medikamente (z. B. Enoxaparin oder Heparin)
  • Evtl Betablocker (nicht bei Schock oder einem systolischen Blutdruck < 90mmHg)
  • Ggf. Sauerstoff über eine Nasensonde.

Ein Ruhe-EKG und wiederholte Blutuntersuchungen innerhalb der nächsten Stunden verschaffen Klarheit darüber, ob ein Herzinfarkt oder eine instabile Angina pectoris vorliegt.

  • Das EKG weist bei gravierendem Sauerstoffmangel des Herzmuskels oft sofort typische Veränderungen auf.
  • Erste herzinfarktspezifische Blutwerte sind hingegen frühestens 3 Stunden nach Schmerzbeginn zu erwarten. Zu diesen Herzenzymen gehören vor allem das Troponin, Myoglobin und die herzmuskelspezifische Kreatinkinase CK-MB. In der Praxis ist das Troponin der wichtigste und am schnellsten reagierende Marker für den Herzinfarkt und das akute Koronarsyndrom.

Komplikationen wie einen Herzbeutelerguss oder den Abriss einer Herzklappe erkennt der Arzt mithilfe der Echokardiografie oder der Farbduplexsonografie.

Klingt die Angina pectoris unter der medikamentösen Therapie ab, bleiben EKG und Blutwerte auch bei wiederholten Kontrollen unauffällig und liegen keine der genannten Risikofaktoren vor, so ist die akute Gefahr zunächst gebannt und die weitere Diagnostik erfolgt wie bei der koronaren Herzkrankheit.

Differenzialdiagnosen. Ebenfalls lebensbedrohliche Erkrankungen mit starken Brustschmerzen sind z. B. die Lungenembolie, der Spannungspneumothorax, die Aortendissektion und das Mallory-Weiss-Syndrom.

Behandlung

ST-Hebungsinfarkte (STEMI). Ist ein akuter Herzinfarkt durch das EKG und die typischen Beschwerden nachgewiesen, müssen die Ärzte das verschlossene Gefäß so schnell wie möglich wiedereröffnen. Prinzipiell stehen dafür 2 Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Primäre perkutane Koronarintervention (PCI), die mechanische Wiedereröffnung des Gefäßes über eine Herzkatheteruntersuchung
  • Medikamentöse Thrombolyse (Lysetherapie), die Auflösung des Thrombus durch intravenös verabreichte Fibrinolytika (z. B. Alteplase oder Reteplase).

Maßnahme erster Wahl ist die sofortige Herzkatheteruntersuchung mit interventioneller Therapie (PCI) oder baldiger notfallmäßiger Bypass-Operation. Bei anhaltenden Angina-pectoris-Beschwerden, bei zunehmender Beeinträchtigung der Pumpfunktion des Herzens und bei erhöhten Risikofaktoren wie höherem Lebensalter, Diabetes, bereits überstandenem Herzinfarkt oder nach einer Bypass-Operation streben die Ärzte auch ohne akuten Infarkthinweis frühzeitig eine Koronarangiografie über den Herzkatheter an.

Primäre perkutane Koronarintervention (PCI)

Bei der PCI führt der Arzt einen speziellen Herzkatheter, an dessen Spitze sich ein zusammengefalteter Ballon (Ballonkatheter) befindet, in die verengte Arterie ein. Wenn er Flüssigkeit in den Ballon spritzt, entfaltet sich dieser und nimmt die Größe des ursprünglichen Gefäßdurchmessers an. Eine Aufweitung des Infarktgefäßes gelingt in etwa 90 % der Fälle. Die Ballonaufdehnung kann auch noch Tage nach einem Herzinfarkt verbliebene Engstellen beseitigen und damit die Infarktgröße und die Sterblichkeitsrate reduzieren. Damit die aufgedehnte Engstelle länger offenbleibt legen die Ärzte häufig eine Gefäßstütze (Stent) ein (siehe auch Interventionelle Verfahren über den Katheter unter Koronare Herzkrankheit).

Bypass-Operation

Die Bypass-Operation kommt beim akuten Herzinfarkt nur zum Einsatz, wenn die Gefäßverengung nicht mit der PCI behandelbar ist. Die Komplikationsrate bei einer notfallmäßigen Bypass-OP ist hoch.

Lysetherapie

Wenn absehbar ist, dass sich innerhalb von 90–120 Minuten kein Herzkatheterlabor erreichen lässt, entscheiden sich die Ärzte für eine Lysetherapie (Fibrinolyse). Dabei verändern sie die Gerinnungseigenschaft des Bluts durch die Infusion von Thrombolytika wie Alteplase oder Reteplase so, dass sich thrombotisch verschlossene oder verengte Herzkranzgefäße in etwa 60 % der Fälle wieder öffnen. Die Erfolgsrate ist sehr zeitabhängig und beträgt 60–70 %. Je eher die Lysetherapie beginnt (möglichst innerhalb der ersten 6 Stunden), umso erfolgreicher ist sie.

Doch nicht jeder Herzinfarktpatient kann damit behandelt werden. Die Lysetherapie führt manchmal durch ihre massive Beeinflussung des Gerinnungssystems unbeabsichtigt zu gefährlichen Blutungen (Magenblutung, Hirnblutung, Einblutungen in verletzte, geprellte Körperteile oder in Einstichstellen von Spritzen). Daher müssen die Ärzte vor einer Lysetherapie immer prüfen, ob Risiken für gefährliche Blutungen vorliegen.

Akutes Koronarsyndrom ohne ST-Hebung, NSTEMI. Hier unterscheiden die Ärzte zwischen Patienten mit hohem und niedrigem Risiko für die Entwicklung eines STEMI oder Tod. Ein hohes Risiko besteht bei

  • erhöhten Troponinwerten
  • Herzrhythmusstörungen
  • Angina pectoris in Ruhe.

Diese Patienten mit hohem Risiko müssen innerhalb von 24 Stunden eine Herzkatheteruntersuchung erhalten. Je nach Befund führen die Ärzte gleich eine perkutane Koronarintervention durch, d. h. sie erweitern das verengte Gefäß mit einem Ballon und pflanzen häufig einen Stent ein.

Patienten mit unauffälligem EKG, unauffälligem Troponin und normalen Kreislaufwerten haben ein niedriges Risiko für die Entwicklung eines STEMI oder Tod. Sie werden einer ausführlichen KHK-Diagnostik zugeführt (siehe KHK).

Nachsorge

Nach einem überstandenen Herzinfarkt ohne größere Komplikationen beginnen meist schon am nächsten Tag unter krankengymnastischer Anleitung die ersten Bewegungsübungen. Diese werden dann innerhalb der nächsten Tage von Übungen an der Bettkante über Gehen im Zimmer und auf dem Flur bis hin zum Treppensteigen ausgedehnt. Die Behandlung im Krankenhaus endet je nach Größe des Infarkts nach etwa 4–14 Tagen, häufig schließt sich dann eine Rehabilitation an.

Rehabilitation

In der Rehabilitation (Reha-Behandlung) werden die Herzfunktion unter zunehmender Belastung sowie die Medikamenteneinstellung geprüft. Zum Fitnessprogramm gehören Krankengymnastik, Training auf dem Ergometer, Schwimmen und zunehmend längere Spaziergänge. Ist der Patient nach überstandenem Infarkt anhaltend beschwerdefrei, wird die Höhe der Belastung von der Herzfrequenz abhängig gemacht. Anfänglich soll die Herzfrequenz bei Dauerbelastung 100 Schläge pro Minute nicht überschreiten. Später legen die behandelnden Ärzte höhere Herzfrequenzen individuell fest (60–75 % der persönlichen Ausbelastungsfrequenz). Während einer Reha-Behandlung wird auch eine eventuell notwendige berufliche Veränderung besprochen und auf die Minimierung von Risikofaktoren hingewirkt.

Nachkontrollen

Nach einem Herzinfarkt prüft ein Internist oder Kardiologe in etwa halbjährlichen bis jährlichen Abständen, ob sich Hinweise für erneute Durchblutungsstörungen des Herzens ergeben, ob sich die Pumpfunktion oder die Größe des Herzens verändert, ob eine Ausbeulung der Herzmuskulatur (Herzwandaneurysma) entsteht oder ob bedeutsame Herzrhythmusstörungen auftreten. Ein besonderes Augenmerk richtet sich auf die Kontrolle der Risikofaktoren für eine KHK.

Wenn es Wochen nach einem gut überstandenen Herzinfarkt plötzlich zu Herzschmerzen in Verbindung mit Fieber und Entzündungszeichen im Blut kommt, besteht der Verdacht auf eine Herzbeutelentzündung. Die Ursache dieser als Dressler-Syndrom (Postmyokardsyndrom) bezeichneten Entwicklung ist nicht bekannt. Die Erkrankung klingt unter der Gabe entzündungshemmender Medikamente ab.

Pharmakotherapie nach überstandenem Infarkt

Ziel der medikamentösen Behandlung ist, das Fortschreiten der Herzgefäßverengungen und damit einen neuen Infarkt zu verhindern sowie die Leistung des Herzmuskels wieder zu verbessern oder zumindest zu erhalten. Folgende Medikamente stehen zur Verfügung:

  • Die regelmäßige Einnahme von Plättchenhemmern (Thrombozytenaggregationshemmer) wie Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel verhindern das schnelle Verklumpen des Bluts in den Blutgefäßen und beugen damit neuen Blutgerinnseln in geschädigten Herzkranzgefäßen vor. Zwischenzeitlich wurde die Einnahme beider Wirkstoffe empfohlen. Diese Kombination ist zwar besonders effektiv, aber wegen möglicher Blutungskomplikationen nicht unumstritten. Weil die Blutungsgefahr etwas höher ist, wird die kombinierte Einnahme auf 12 Monate begrenzt, danach wird oft mit Acetylsalicylsäure ohne Clopidogrel weiterbehandelt. Als Alternative zu Clopidogrel gibt es seit Kurzem den Wirkstoff Ticagrelor. Er erwies sich als wirkungsvoll bei leichterem Herzinfarkt ohne typische EKG-Veränderungen oder bei einer instabilen Angina pectoris. Inzwischen darf Ticagrelor auch gemeinsam mit niedrig dosierter ASS nach Herzinfarkt zur Prävention von arteriellen Thromben eingesetzt werden. Bewertungen durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen legen einen leichten Zusatznutzen der Ticagrelor-ASS-Kombination gegenüber einer ASS-Monotherapie nahe.
  • Die gleichen Ziele können auch mit der Einnahme von Marcumar® erreicht werden. Dies ist allerdings aufgrund der notwendigen Gerinnungskontrollen viel aufwendiger und auch risikoreicher.
  • Betablocker (z. B. Metoprolol, Atenolol, Bisoprolol oder Carvedilol) schützen das Herz vor zu schnellem Herzschlag und verhindern so gefährliche Herzrhythmusstörungen.
  • Statine (CSE-Hemmer) senken den Cholesterinspiegel im Blut und hemmen das Fortschreiten der Arteriosklerose (z. B. Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin). Nach einem Herzinfarkt wird ein LDL-Cholesterin von unter 100 mg/dl angestrebt, was durch eine Ernährungsumstellung allein kaum je erreicht wird. Zusätzlich hemmen die Statine offenbar auch neue Fettansammlungen in den Gefäßwänden, Plaques. Führen Statine nicht zu einer ausreichenden Senkung der Blutfette, verordnen die Ärzte zusätzlich Colestyramin oder Ezetimib. Fibrate (z. B. Bezafibrat) sind eine Option, wenn der Patient Statine nicht verträgt.
  • ACE-Hemmer verhindern ungünstige Umbauvorgänge in der infarktgeschädigten Herzmuskulatur und erhalten oder verbessern damit die Pumpfunktion des Herzens. Zudem wirken sie blutdrucksenkend.

Prognose

Die langfristige körperliche Belastbarkeit und Prognose nach einem überstandenen Herzinfarkt hängt im Wesentlichen vom Umfang der Schädigung des Herzmuskels und der zukünftigen Entwicklung der koronaren Herzkrankheit ab.

Betroffene messen der Akuttherapie oft einen zu großen Wert bei und belächeln das strenge Einhalten von vorbeugenden Maßnahmen. Aber beides gehört zusammen. Die Reduzierung der Risikofaktoren, die gesunde Lebensführung bzw. eine Änderung des Lebensstils und die medikamentöse Langzeittherapie sind für den weiteren Verlauf einer KHK ebenso bedeutsam wie die erfolgreiche Akuttherapie. Nur so kann es in vielen Fällen gelingen, eine normale Lebenserwartung und gute altersentsprechende Leistungsfähigkeit zu erreichen.

Da die Langzeitprognose nach einem Herzinfarkt besser ist, wenn möglichst viele Herzkranzgefäße durchgängig sind, ist zu empfehlen, an eine Lysetherapie eine Herzkatheteruntersuchung anzuschließen. Wird das Risiko einer Herzkatheteruntersuchung vom Patienten gescheut, so ist dies nur vertretbar, wenn Belastungsuntersuchungen wie das Belastungs-EKG völlig unauffällig verlaufen.

Trotz aller Verbesserungen der Notfallmedizin stirbt immer noch die Hälfte der Herzinfarktpatienten innerhalb des ersten Jahres nach dem Infarkt – der größte Anteil davon, nämlich 30 %, bereits vor Eintreffen des Arztes.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Damit Sie wirklich etwas in Ihrem Leben ändern können, sollten Sie sich eine mehrmonatige Auszeit vom Beruf oder anderen Belastungen (z. B. in der Familie oder im Verein) verordnen, bevor Sie sich wieder voll in den Alltag stürzen. Lehnen Sie deshalb niemals Angebote für Rehabilitationsmaßnahmen ab.

Alle Selbsthilfeempfehlungen bei einer koronaren Herzerkrankung gelten auch nach überstandenem Herzinfarkt, sie sind nur noch dringender geworden.

Was Sie dort, aber auch durch Lesen von Ratgebern und in Gesprächen mit Therapeuten und Mitbetroffenen lernen: Es lohnt sich, bewusster zu leben. Viele profitieren zum Beispiel davon, sich täglich einen Zeitplan zu erstellen, der neben den beruflichen Aufgaben auch ausreichende Möglichkeiten für sportliche Aktivitäten, soziale Kontakte, Ruhe, Entspannung und Schlaf berücksichtigt.

Nehmen Sie Ihre Medikamente regelmäßig ein, Sie schützen damit Ihr Herz vor ungünstigen Einflüssen. Schließen Sie sich einer koronaren Herzsportgruppe an: Möglichkeiten in Ihrer Umgebung kennt Ihr behandelnder Arzt.

Komplementärmedizin

In der Akutphase des Herzinfarkts haben komplementärmedizinische Maßnahmen keinen Platz. Der damit verbundene Zeitverlust verschlechtert nur die Aussichten des Patienten.

Im Rahmen der Rehabilitationsbehandlung kommen begleitend die bei der KHK beschriebenen Verfahren in Betracht.

Weiterführende Informationen

  • www.herzstiftung.de – Internetseite der Deutschen Herzstiftung, Frankfurt: Bietet Informationen rund um den Herzinfarkt.
  • www.chd-taskforce.de – Internetseite einer international arbeitenden, gemeinnützigen Stiftung zur besseren Vorbeugung gegen KHK, Münster: Verständliche umfassende Informationen zu KHK, Herzinfarkt, Risikofaktoren, gesunder Ernährung (Tipps zum Einkaufen und Kochen) sowie Hinweise auf Broschüren und Ratgeber.
  • www.dge.de – Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Bonn: Mit Tipps zur Ernährung und Bewertung von Nahrungsmitteln.
  • P. Mathes: Ratgeber Herzinfarkt. Springer, 2017. Informationen zu Vorbeugung, Früherkennung, Behandlung, Nachsorge und Rehabilitation bei Herzinfarkt. Für Patienten und Angehörige.

Von: Dr. med. Dieter Simon in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
Zurück
So kriegt das Blut sein Fett weg

Auch regelmäßiges Sport treiben hilft dabei, die Blutfette im Zaum zu halten.

So kriegt das Blut sein Fett weg

Cholesterin und Triglyceride zu hoch

Jeder zweite Erwachsene in Deutschland hat zu hohe Cholesterinwerte oder ein Zuviel an Triglyceriden im Blut. Dadurch wird eine Arteriosklerose begünstigt und es drohen Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz. Die Mehrzahl der Betroffenen erhält keine Behandlung. Dabei könnten eine konsequente Lebensstiländerung und Medikamente die Blutfette ins Lot bringen und viele Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern.

Fette sind Fluch und Segen

Ohne Fette (Lipide) geht nichts im Organismus: Cholesterin spielt z.B. eine Schlüsselrolle bei der Bildung von Zellmembranen, Hormonen, Gallensäuren und Vitamin D. Triglyceride dienen als Energielieferant und können als Energiereserve in Fettzellen gespeichert werden. Phospholipide wiederum tragen zur Funktion der Zellen bei.

Aufnahme, Transport, Bereitstellung und Ausscheidung der Fette werden über den Fettstoffwechsel reguliert:

  • Cholesterin stammt aus zwei Quellen: Es wird sowohl aus der Nahrung aufgenommen als auch in der Leber gebildet. Für den Transport im Blut ist es in Eiweißhüllen verpackt (Lipoproteine). Als LDL-Cholesterin gelangt es zu den Körperzellen. Als HDLkommt es zurück zur Leber.
  • Triglyceride werden in der Leber, den Fettzellen und in der Darmschleimhaut aus Glycerin und Fettsäuren zusammengesetzt. Die Fettsäuren dafür kommen aus den Nahrungsfetten. Die Lipoproteine, die Triglyceride transportieren, heißen Chylomikronen.

Wenn der Fettstoffwechsel gestört ist, kommt es zu einem Zuviel oder Zuwenig von Fetten im Blut. Die beiden wichtigsten Fettstoffwechselstörungen sind ein erhöhtes LDL-Cholesterin und erhöhte Triglyceride, beides kann auch zusammen auftreten. Als häufigste Ursachen dafür gelten eine falsche Ernährung und genetische Faktoren, also die Vererbung. Begünstigt werden hohe Blutfette zudem durch Rauchen und Bewegungsmangel. Triglyceride steigen außerdem bei hohem Alkoholkonsum an.

Es gibt auch Erkrankungen, die die Blutfette beeinflussen und Fettstoffwechselstörungen auslösen können. Dazu gehören insbesondere der Diabetes mellitus, aber auch die Unterfunktion der Schilddrüse und verschiedene Nierenerkrankungen.

Hinweis: Viele Medikamente beeinflussen die Blutfette ebenfalls. Gestagene und Androgene erhöhen z.B. das LDL-Cholesterin. Die Konzentration von Triglyceriden im Blut kann durch Kortison, die „Pille“, Betablocker und Entwässerungsmittel steigen.

Gefäßverfettung mit gefährlichen Folgen

Fettstoffwechselstörungen haben erhebliche Folgen für die Gesundheit: Befindet sich dauerhaft zuviel LDL-Cholesterin im Blut, lagert sich das Fett als Plaques in den Gefäßwänden der Arterien ab. Diese Plaques verengen die Gefäße oder verschließen sie sogar komplett - es kommt zur Arteriosklerose. Dadurch drohen nicht nur Herzinfarkt und Schlaganfall. Die verschlechterte Durchblutung der Organe begünstigt die Entwicklung vieler Erkrankungen, wie z. B. Demenz, Niereninsuffizienz, Herzschwäche und erektile Dysfunktion.

Auch hohe Triglycerid-Werte tragen zur Verfettung der Gefäße bei und fördern damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders stark wirkt sich dies in Kombination mit hohem Cholesterin und anderen Risikofaktoren wie Rauchen und Bluthochdruck aus. Extrem hohe Triglycerid-Werte können zusätzlich die Bauchspeicheldrüse angreifen und die insulinbildenden Zellen zerstören, d.h. einen Diabetes auslösen.

Hinweis: Trotz dieser gefährlichen Folgekrankheiten erhalten Menschen mit Fettstoffwechselstörungen viel zu selten eine wirkungsvolle Therapie. Nur etwa jede fünfte Hochrisikopatient*in erreicht in Deutschland die gewünschten Zielwerte bei den Blutfetten (siehe unten), in den europäischen Nachbarländern sieht das nicht viel anders aus.

Zufallsbefund oder Herzinfarkt

Fettstoffwechselstörungen verlaufen in den meisten Fällen jahrelang völlig unauffällig. Die Betroffenen wissen oft gar nichts von ihren erhöhten Blutwerten. Häufig werden sie erst diagnostiziert, wenn es zu Komplikationen wie z.B. einem Herzinfarkt oder einer Bauchspeicheldrüsenentzündung gekommen ist. Bei vielen Menschen werden erhöhte Blutfette auch zufällig in Kontrolluntersuchungen entdeckt, z.B. bei Einstellungsuntersuchungen oder beim Gesundheits-Checkup.

Die wichtigste Säule der Diagnostik ist die Blutuntersuchung. Bei Gesunden bestimmt die Ärzt*in oft nur das Gesamtcholesterin. Bei erhöhtn Werten ist eine erweiterte Lipiddiagnostik (Lipidstatus) nötig. Leidet die Patient*in bereits an Arteriosklerose oder sie einer Risikogruppe an, wird meist ein kompletter Lipidstatus veranlasst. Ermittelt werden dabei Gesamtcholesterin, Triglyceride, LDL-Cholesterin und je nach Bedarf weitere Parameter wie HDL-Cholesterin, Lipoprotein A und Apolipoprotein B.

Die gemessenen Blutfette sollten in ihrem jeweiligen Normbereich liegen. Bei den Triglyceriden ist das relativ einfach, hier gilt 150 mg/dl (1,7 5 mmol/L) als Grenzwert (nüchtern gemessen). Komplizierter wird es beim LDL-Cholesterin. Dessen Zielwerte hängen stark vom individuellen Risikoprofil der Patient*in ab und werden außerdem noch kontrovers diskutiert. Meist geht man von diesen Zielwerten aus:

  • Liegen keine Risikofaktoren wie z.B. eine Herz-Kreislauf-Erkrankung oder ein Diabetes vor, ist das Risiko gering. In diesen Fällen soll das LDL-Cholesterin unter 116 mg/dl (3,0 mmol/L) sein.
  • Bei moderatem Risiko gelten LDL-Cholesterin-Werte unter 100 mg/dl (2,6 mmol/L) als Ziel. Ein moderates Risiko haben z.B. Typ-2-Diabetiker*innen unter 50 Jahren und Menschen mit Typ-1-Diabetes unter 35 Jahren, die erst kürzer als zehn Jahre an einem Diabetes leiden.
  • Bei hohem Risiko werden LDL-Cholesterinwerte unter 70 mg/dl (1,8 mmol/L) gefordert. Ein hohes Risiko liegt vor, wenn ein Typ-2-Diabetes schon länger als zehn Jahre besteht, der Blutdruck über 180/110 mmHg liegt oder das Gesamt-Cholesterin über 310 mg/dl (8 mmol/L) und LDL-Cholesterin über 190 mg/dl (4,9 mmol/L).
  • Bei sehr hohem Risiko soll das LDL-Cholesterin unter 55 mg/dl (1,4 mmol/L) liegen. Zu dieser Gruppe gehören z.B. Patient*innen mit einer bekannten Herz-Kreislauf-Erkrankung (Koronare Herzkrankheit, pAVK), einem Typ-2-Diabetes mit Organschäden oder einer schweren chronischen Nierenerkrankung.

Werden erhöhte Blutfette erstmals festgestellt muss immer abgeklärt werden, ob eine Erkrankung wie z.B. eine Schilddrüsenunterfunktion dahintersteckt. Oft ergibt die genaue Erhebung der Krankengeschichte einen Hinweis darauf. Mit Labor (z.B. Blutzucker, Nierenwerte), Bildgebung und gründlicher körperlicher Untersuchung lässt sich eine mögliche Erkrankung weiter einkreisen.

Bei Verdacht auf eine genetisch bedingte Fettstoffwechselstörung kann die Ärzt*in eine molekulargenetische Diagnostik veranlassen. Dadurch lassen sich bestimmte Genmutationen feststellen, die z.B. den LDL-Rezeptor betreffen. An der Behandlung ändern die Ergebnisse nichts – die Blutfette müssen genauso gesenkt werden wie bei Patient*innen ohne genetische Störung. Diese Untersuchung ist jedoch wichtig, um ebenfalls betroffene, aber noch nicht entdeckte Verwandte zu finden. Denn je früher eine angeborene Fettstoffwechselstörung erkannt und behandelt wird, desto besser kann man das Herz-Kreislauf-Risiko reduzieren.

Hinweis: Für die Bestimmung der Triglyceride muss die Patient*in nüchtern sein, es darf also 12 Stunden vor Blutabnahme nichts gegessen werden. Außerdem sollte man am Abend davor keinen Alkohol trinken, da dies die Triglyceridwerte im Blut verfälscht.

Wie gut helfen Lebensstiländerungen?

Bei erhöhten Blutfetten kann die Betroffene selbst einiges zur Besserung der Triglycerid- und Cholesterinwerte beitragen. Grundvoraussetzung ist ein gesunder Lebensstil. Das bedeutet:

  • Sich regelmäßig bewegen. Körperliche Aktivität wirkt sich sehr positiv auf den Stoffwechsel aus. Sie senkt u.a. Triglyceride und LDL-Cholesterin im Blut. Empfohlen werden Ausdauer- und Muskeltraining. Insgesamt sollte man drei bis fünf Mal pro Woche für mindestens 30 Minuten zumindest moderat Sport treiben.
  • Rauchen beenden. Rauchen erhöht nicht nur die Triglyceride, es begünstigt auch eigenständig die Arteriosklerose. Bei hohen Blutfetten sollte deshalb komplett auf Nikotin und Nikotinprodukte verzichtet werden.
  • Gewicht halten bzw. Übergewicht reduzieren. Übergewicht hat über viele Mechanismen einen erheblichen Einfluss auf die Blutfette. So erhöht es z.B. sowohl die Triglyceride als auch das LDL-Cholesterin im Blut. Abnehmen kann deshalb das Lipidprofil verbessern.
  • Sich gesund ernähren. Eine ballaststoffreiche und fettmodifizierte Kost trägt zur Besserung der Blutfette bei. Empfohlen werden viel Gemüse, Rohkost, Vollkornprodukte. Zwei Mal pro Woche sollte Fisch verzehrt werden, der reich an gesunden Omega-3-Fettsäuren ist (Makrele, Hering, Lachs und Thunfisch). Nur 30% der Kalorienzufuhr sollte aus Fett stammen, insgesamt reichen etwa 60 bis 80 g Fett pro Tag aus. Zu vermeiden sind gesättigte Fettsäuren (Fleisch, Wurst, Käse), und Trans-Fettsäuren (Frittiertes, Blätterteig). Als günstig gelten dagegen Öle, vor allem Sonnenblumen-, Lein- und Walnussöl.

Hinweis: Wer zu hohe Triglyceride aufweist, sollte völlig auf Alkohol verzichten. Auch schnell abbaubare Kohlenhydrate wie Fruchtzucker und Haushaltszucker sind schädlich, weil sie den Insulinspiegel und damit die Freisetzung von Fettsäuren erhöhen.

Wie Medikamente die Blutfette bezwingen

Oft reicht ein gesunder Lebensstil nicht aus, um erhöhte Blutfette zu senken. Dann kommen Medikamente ins Spiel. Um LDL-Cholesterin und/oder Triglyceride in den gewünschten Zielbereich zu bringen, müssen die Wirkstoffe regelmäßig und meist lebenslang eingenommen werden. Zur Senkung von LDL-Cholesterin stehen folgende Medikamente zur Verfügung:

  • Statine sind die wichtigsten und bisher am besten untersuchten Medikamente zum Senken der Blutfette. Über eine Hemmung des Enzyms HMG-CoA-Reduktase erniedrigen sie das LDL-Cholesterin, und zwar je nach Präparat und Dosierung um 30 % bis 50%. Weil die Cholesterinproduktion in der Leber nachts besonders hoch ist, wird häufig die abendliche Einnahme der Wirkstoffe empfohlen. Eine häufig diskutierte Nebenwirkung ist die Statin-Myopathie mit Muskelschäden und Muskelschmerzen. Sie beruht in den meisten Fällen auf einem Nocebo-Effekt (d.h. der Patient verspürt Muskelschmerzen, weil er damit rechnet). Echte Muskelschäden mit einer Erhöhung der Muskelenzyme sind mit einer Häufigkeit von 1:1000 bis 1:10000 sehr selten. In diesen Fällen verordnet die Ärzt*in meist entweder ein anderes Statin oder einen anderen Lipidsenker.
  • Bempedoinsäure hemmt die Cholesterinbildung bereits in einer früheren Stelle im Stoffwechselt als Statine. Bei 180 mg/Tag wird das LDL-Cholesterin um etwa 23% reduziert, in Kombination mit einem Statin ist der Effekt etwas stärker. Myopathien löst Bempedoinsäure selten aus.
  • Ezetimib hemmt die Cholesterinaufnahme im Darm. Als alleinige Therapie ist der klinische Effekt vermutlich gering, weshalb es vor allem in Kombination mit einem Statin oder Bempedoinsäure verordnet wird. Zusammen mit einem Statin schafft es eine LDL-Senkung von circa 25%. 
  • PCSK9-Inhibitoren binden an LDL-Rezeptoren der Leber und senken auf diese Weise das LDL-Cholesterin im Blut. Diese relativ neuen Wirkstoffe sind hocheffektiv und reduzieren die Konzentration von LDL-Cholesterin um über 50%. Verordnet werden sie, wenn eine intensive Statintherapie nicht möglich ist oder nicht ausreichend wirkt. PCSK9-Hemmer gelten bisher als gut verträglich, Myopathien kommen kaum vor.

Erhöhte Triglyceride bekämpft man medikamentös meist mit Fibraten. Sie unterstützen den Abbau der Triglyceride und senken so die Werte im Blut. Fibrate können Muskelschmerzen und Myopathien auslösen. Zusätzlich empfehlen Ärzt*innen oft die Einnahme der verschreibungspflichtigen Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA. Die Maximaldosis liegt bei 4 g/Tag, da es unter höherer Dosierung zu Vorhofflimmern gekommen ist.

Hinweis: Medikamente können erhöhte Blutfette recht zuverlässig senken. Als alleinige Therapie reichen sie jedoch nicht aus: Der gesunde Lebensstil bleibt ein wesentlicher Teil der Behandlung.

Quellen Rose O, DAZ 2023:35, S. 38, Lipid-Liga

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Uwe Umstätter