Gesundheit heute

Ernährung heute

Als die gefürchteten ernährungsbedingten Mangelkrankheiten beseitigt und die Supermärkte mit hygienisch einwandfreien und billigen Lebensmitteln gut bestückt waren, wurde es vorübergehend still um das Thema Ernährung. Erst seit die in die Breite gehende XXL-Generation die Schlagzeilen – und die Arztpraxen – füllt, ist die Frage nach der richtigen Ernährung wieder aktuell.

Die bisherigen Antworten der Ernährungsmedizin sind dabei alles andere als befriedigend. Nach wie vor steigt das Körpergewicht jedes Deutschen Jahr für Jahr im Durchschnitt um fast ein halbes Kilo – und das, obwohl die Bevölkerung den Rat der Ernährungsexperten angenommen hat, weniger Fett zu essen. Auch die Zahl der Diabetiker nimmt weiter zu – Kritiker sagen, dass daran die vielen Kohlenhydrate schuld seien, mit denen die Menschen jetzt ihre fettarmen Mahlzeiten strecken.

Während die Ernährungsmedizin noch immer nach einem Ausweg aus dem Dilemma der Überflussgesellschaft – dem Übergewicht – sucht, weisen immer mehr Forscher darauf hin, dass dem Problem mit Nährwerttabellen, Kalorienzählen und Fettreduktion womöglich gar nicht beizukommen ist. Denn welche Ernährung Menschen langfristig beibehalten können, hat auch etwas mit der „geschmacklichen Biografie“ jedes Einzelnen zu tun.

Zudem „wirkt“ Ernährung immer auch im Zusammenhang mit dem sonstigen Lebensstil: Eine Ernährung, die bei einem Bewegungsmuffel den Stoffwechsel schwer beeinträchtigt, wird von einem körperlich tätigen Menschen oft problemlos vertragen. Kein Wunder, dass das Wort „Diät“ im ursprünglichen, von den Griechen der Antike geprägten Sinn nicht nur für Ernährung, sondern allgemein für „Lebensführung“ stand.

Die soziale Rolle der Ernährung. Ernährung ist in den letzten 30 Jahren immer stärker zu einem von Schicht zu Schicht unterschiedlichen Phänomen geworden: Die gebildete Mittelschicht isst bio oder mediterran, die sozial benachteiligten Schichten dagegen fettreich und ungesund. Soziologen erklären das über den neuen sozialen Wert des Körpers. Nachdem Kleidung heute nicht mehr als Statussymbol funktioniert (jeder kann heute für wenig Geld schick aussehen), ist Schlankheit ein rares Gut geworden, das einen gehobenen Status signalisiert. Und damit ist Ernährung auch zu einem Instrument geworden, bei dem es längst nicht mehr nur um Sättigung und Geschmack geht, sondern auch um soziale Signale: Seht her, ich bin ein Gewinner – ich bin fit, schlank und gesund. Angesichts dieser sozialen Bedeutung der Ernährung ist es kein Wunder, dass Essstörungen zu den am schnellsten zunehmenden Krankheiten gehören.

Von: Dr. med. Herbert Renz-Polster in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014).
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Nanoplastik in Wasserflaschen

Beim Trinken aus einer Plastikflasche wird mit dem Wasser offenbar auch Mikroplastik und winziges Nanoplastik aufgenommen.

Nanoplastik in Wasserflaschen

Gefährlicher als Mikroplastik

Plastik wird offenbar zu einem immer größeren Problem: Forschende haben in Trinkwasser aus PET-Flaschen massenweise Plastikfragmente gefunden, die noch kleiner sind als Mikroplastik – und dadurch über das Blut bis in das Gehirn eindringen könnten.

Mikroplastik ist überall

Plastik ist fast überall vorhanden: In Kosmetika, Folien, synthetischen Textilien, Reifen und massenweise anderen Produkten. Über den Abwasch von Plastiktellern, den Abrieb aus Textilien in der Waschmaschine oder über den Müll gelangt der Kunststoff in die Umwelt. Dort zerfällt er in immer kleinere Teile – zu sogenanntem Mikroplastik. Diese etwa 1 Mikrometer bis 5 mm großen Bruchstücke gelangen über Wasser und Böden in Lebensmittel und Trinkwasser und werden vom Menschen wieder aufgenommen. Welche Auswirkungen das für die Gesundheit hat, ist noch klar.

Nanoplastik gelangt ins Blut

Doch Mikroplastik ist womöglich nur die Spitze des Eisbergs: Ein amerikanisches Team konnte mit einer neuen Mikroskopiertechnik Plastibruchstücke nachweisen, die noch kleiner als 1 Mikrometer sind. Diese Nanokunststoffe sind so winzig, dass sie – im Gegensatz zu Mikroplastik – über den Darm oder die Lunge in den Blutkreislauf gelangen. Über das Blut können sie dann mit Leichtigkeit in Organe wie das Herz oder das Gehirn eindringen und bei Schwangeren sogar das ungeborene Kind erreichen.

Bis zu 100 000 Teilchen in einem Liter Wasser

Nachgewiesen haben die Wissenschaftler*innen das Nanoplastik in Trinkwasser aus Plastikflaschen namhafter amerikanischer Herstellerfirmen. In einem Liter tummelten sich neben dem bekannten Mikroplastik bis zu 100 000 dieser winzigen Plastikmoleküle. Einige Kunststoffe konnten dabei identifiziert werden. Dazu gehörten Polyamid (das wahrscheinlich aus Filtern stammt, mit denen das abzufüllende Wasser gereinigt wird), PET (vermutlich aus den Wasserflaschen selbst und anderen Lebensmittelbehältern) und Polystyrol, Polyvinylchlorid und Polymethylmetacrylat. Dem größten Anteil der Nanopartikel konnte jedoch keine Kunststoffart mehr zugeordnet werden.

Nanoplastik wächst sich damit zu einer großen Bedrohung aus, meinen die Forschenden. Denn je kleiner die Partikel sind, desto leichter können sie in den Organismus eindringen. Jetzt gilt es zu untersuchen, ob und wieviel Nanoplastik in normalem Leitungswasser vorhanden ist. Das Autorenteam vermutet darin weitaus geringere Mengen als in den Proben aus den Plastikflaschen.

Quelle: Medscape

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Westend61 / Ivana Kojic