Gesundheit heute

Ursachen von Übergewicht

Einfach weniger essen und mehr Sport machen”  - solche gutgemeinten Ratschläge reichen oft nicht aus, um Übergewicht langfristig zu reduzieren. Denn Schuld am Übergewicht ist häufig nicht ein Mangel an Disziplin. Stattdessen sind die überschüssigen Kilos Folge eines komplizierten Zusammenspiels aus Veranlagung, Umwelt, Psyche und dem sozialem Umfeld.

Veranlagung. Mit Sicherheit spielen die Gene bei der Entstehung von Übergewicht eine Rolle. Aus Zwillingsstudien ist bekannt, dass die erbbedingten Anlagen (genetische Einflüsse) etwa die Hälfte des Unterschieds im Körpergewicht zwischen verschiedenen Menschen ausmachen. [233] Insgesamt hat ein Kind mit einem übergewichtigen Elternteil eine etwa 50%-ige Wahrscheinlichkeit, im späteren Leben selbst übergewichtig zu werden, das von zwei übergewichtigen Eltern eine 80%-ige. Der Einfluss der Mutter ist dabei etwas stärker als der des Vaters – was auch zeigt, dass die Gene nicht alles sind, sondern dass auch die Umwelt ein Wörtchen mitredet.

Es gibt heute keinen Zweifel, dass der Volksmund, der schon lange gute und schlechte „Futterverwerter“ kennt, recht hat: Manche Menschen bleiben selbst bei üppiger Nahrungszufuhr mager, während andere rascher Fett ansetzen. In einem Experiment mit Freiwilligen konnten Forscher zeigen, dass bei einer erzwungenen Überernährung von über 6 000 Kalorien pro Tag manche Versuchsteilnehmer rasch über 10% ihres Körpergewichts zulegten, während sich bei anderen das Gewicht selbst nach einem Monat kaum veränderte [280]. Hinter der unterschiedlichen Futterverwertung steckt ein Bündel möglicher Ursachen:

  • Unterschiede in der Regulierung des Appetits. Schon beim chemischen Signalempfang im Appetitzentrum des Gehirns reagiert ein Teil der extrem Übergewichtigen deutlich anders als der Normalgewichtige.
  • Unterschiede im Stoffwechsel. Es gibt Hinweise, dass sich bei adipösen und nicht adipösen Menschen die Konzentration bestimmter Eiweißstoffe (der uncoupling proteins) in den Körperzellen unterscheidet. Diese beeinflussen, welcher Anteil der Nahrungsenergie als Wärme verpufft, anstatt als Fett abgespeichert zu werden.
  • Nach neueren Untersuchungen könnte auch die Darmflora bei der unterschiedlichen Futterverwertung eine Rolle spielen: So hat die Zusammensetzung der Bakterienflora nachweislich einen Einfluss darauf, wie viel Gewicht der Einzelne bei einer Diät verliert [281].
  • Unterschiedliches Bewegungsverhalten. Schon Neugeborene zeigen ein sehr unterschiedliches spontanes Bewegungsverhalten, und Kinderärzte berichten, dass manche Säuglinge im ersten Lebensmonat fast doppelt so viel Säuglingsmilch trinken wie andere – und trotzdem nicht unbedingt schneller zunehmen. Und so könnte das Klischee der quirligen Schlanken und der gemütlichen Dicken tatsächlich eine Entsprechung im Bewegungsverhalten der Menschen haben.

Umwelt. Damit Übergewicht bei einem Menschen entsteht, bedarf es neben der genetischen Veranlagung auch umweltbedingter Einflüsse. Und die stehen im Falle der Adipositas zweifelsfrei fest: zu üppige Ernährung (Überernährung) und Bewegungsmangel. Wie stark ihre Wirkung ist, zeigt die Tatsache, dass Adipositas in Kriegs- und Hungerzeiten kaum beobachtet wurde und dass die Deutschen noch vor 30 Jahren weitaus schlanker waren als heute. Gene können sich jedoch von einer Generation zur nächsten nicht nennenswert ändern.

Welcher der beiden Umwelteinflüsse, Bewegungsmangel oder Überernährung, trägt mehr zu dem Übergewichtsproblem unserer Gesellschaft bei? In Einzelfällen lässt sich das oft leicht beantworten: Jeder kennt einen Übergewichtigen, der nach der Arbeit im Büro zwar ein gesundes Mahl verzehrt, aber danach einfach nur noch vor dem Fernseher „abhängt“. Klare Diagnose: Bewegungsmangel. Und natürlich kennt man auch einen Übergewichtigen, der immer mit einem Bissen im oder knapp vor dem Mund herumläuft, dabei aber auch ganz gerne einmal mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt. Egal ob im Einzelfall die Bewegung oder die Ernährung die Nase vorne hat: Bei der Überernährung handelt es sich in aller Regel nicht um eine Essstörung! Letztere kommen in der industrialisierten Welt zwar auch immer häufiger vor und in Einzelfällen kann eine Essstörung wie Bulimie langfristig zu einem Übergewicht führen. Essstörungen haben aber insgesamt andere Ursachen als das Übergewicht und betreffen vornehmlich junge Frauen.

Übergewicht ist ein durch Umwelteinflüsse ausgelöstes Phänomen, das auf dem Boden genetischer Faktoren gedeiht.

Soziale Einflüsse. Um unter heutigen Bedingungen schlank zu bleiben, muss man entweder von der Natur ein gutes Blatt Karten auf die Hand bekommen haben oder es gelingt einem, Bewegung zu einem wichtigen Hobby zu machen und sich gesund zu ernähren. Während man für Ersteres wenig tun kann, erfordern die letzten beiden Strategien einiges an Einsicht, Kraft und sonstige – psychische wie soziale – Ressourcen. Und gerade diese sind in vielen Fällen nicht vorhanden. Was wir essen und wie viel wir uns bewegen, hängt stark davon ab, in welcher sozialen Schicht wir leben, wie ihre Traditionen und die von ihr vermittelten Lebensentwürfe aussehen. Bei Erwachsenen sind Mitglieder der benachteiligten Schichten etwa dreimal häufiger von Übergewicht betroffen als die übrige Bevölkerung. Und damit kommt der Druck aus zwei Richtungen: Zum einen leben die Menschen in einer zunehmend übergewichtsfördernden Umwelt, zum anderen leben viele von ihnen in sozialen Zusammenhängen, in denen gesundheitsbewusstes Verhalten nicht zum vorgesehenen oder tradierten Lebensstil gehört. Die Epidemie des Übergewichts ist damit zumindest teilweise ein Spiegel des sozialen Wandels.

Psychische Ursachen. Übergewichtige Menschen sind in der Tat psychisch stärker belastet als Normalgewichtige. Allerdings sind die psychischen Probleme oft nicht die Ursache, sondern die Folge des Übergewichts. Auch leben übergewichtige Menschen häufiger in sozialen Randschichten, was allein schon psychische Probleme hervorruft – unabhängig vom Körpergewicht. Deshalb gilt: Psychische Faktoren können an der Entstehung der Adipositas beteiligt sein, sie erklären aber bei Weitem nicht alle Fälle: Manche Menschen neigen unter Stressbedingungen zum Überessen, anderen verschlägt es eher den Appetit. Folgende psychische oder psychosomatische Faktoren können aber in Einzelfällen das Übergewicht mit verursachen:

  • Störung des Sättigungsgefühls: Der Betroffene fühlt nicht, dass er satt ist.
  • Essen aus Frustration: Im Rahmen psychischer Krisen kann Essen als „psychischer Füllstoff“ verwendet werden („Kummerspeck“).
  • Essen als Ersatzhandlung: In dysfunktionalen Familien wird möglicherweise die emotionale Zuwendung durch orale Zuwendung ersetzt.

Dass Dicke unglücklicher sind, wird oft behauptet, ist aber so leicht gar nicht zu beantworten. Klar scheint die Aussage für extreme Formen der Adipositas zu sein: Hier ist die Lebensqualität durchgängig vermindert [235]. Schon schwieriger ist es bei den weniger extremen Formen. Dicke berichten zwar im Durchschnitt über eine geringere Lebensqualität [236], aber wenn man andere Lebensfaktoren berücksichtigt, so schwächt sich der Zusammenhang deutlich ab. Bei einem hohen BMI ist die Lebensqualität zwar durchgehend schlechter, wurde aber berücksichtigt, wie viel sich die Betroffenen bewegten, so zeigte sich, dass die Bewegung für die Lebensqualität entscheidender ist als das Körpergewicht [237].

Fazit: Dicke sind mit ihrem Leben genauso zufrieden wie Dünne, solange sie nur fit sind und nicht zu den extrem Dicken gehören.

Weiterlesen:

Übergewicht - ein Bilanzproblem

Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen

Übergewicht und Adipositas bei Kindern

Von: Dr. med. Herbert Renz-Polster in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014).
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Kartoffeln fördern Diabetes

Vor allem in großen Mengen sind gekochte Kartoffeln und Pommes frites diabetogen.

Kartoffeln fördern Diabetes

Nicht jedes Gemüse ist gesund

Viel Gemüse zu essen ist gesund, heißt es immer wieder. So sollen Möhren, Paprika & Co. beispielsweise vor einem Diabetes schützen. Die Kartoffel ist dabei allerdings eine Ausnahme.

Knolle schon länger unter Verdacht

Eine gesunde Ernährung enthält immer auch einen großen Anteil an Gemüse. Es versorgt den Körper mit wertvollen Vitaminen, Antioxidanzien und Ballaststoffen. Auf diese Weise wird z.B. das Immunsystem gestärkt und das Gewicht im Zaum gehalten.

Allerdings macht es einen Unterschied, welche pflanzlichen Nahrungsmittel man verzehrt. So gibt es Hinweise darauf, dass ausgerechnet die Kartoffel negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat: Der Deutschen liebste Knolle soll die Entwicklung eines Diabetes begünstigen.

Gemüse senkt Diabetesrisiko

Ob das stimmt, untersuchte kürzlich eine dänische Arbeitsgruppe mithilfe der Daten aus einer 16 Jahre dauernden Beobachtungsstudie. Knapp 55 000 Menschen zwischen 50 und 64 Jahren hatten daran teilgenommen und ihre Ernährungsgewohnheiten angegeben. Auch die Gesundheitsdaten wurden erhoben, im Fokus stand die Entwicklung eines Diabetes im Studienzeitraum.

Um den Einfluss von Gemüse auf das Diabetesrisiko zu berechnen, wurden die Teilnehmenden je nach verzehrter Gemüsemenge (ohne Kartoffeln) in fünf Gruppen unterteilt. Diejenigen, die das meiste Gemüse aßen (im Schnitt 319 g/Tag), hatten im Vergleich zu denjenigen mit dem geringsten Konsum (durchschnittlich 67 g/Tag) ein um 21% reduziertes Diabetesrisiko.

Vor allem Pommes und Kartoffelbrei gefährlich

Bei der Kartoffel war das Gegenteil der Fall: Wer viel davon aß, erhöhte sein Risiko für die Zuckerkrankheit um 9% im Vergleich zu denjenigen, bei denen die Knolle nur selten auf den Tisch kam. Am gefährlichsten in puncto Diabetes erwiesen sich gekochte Kartoffeln, Kartoffelbrei sowie Pommes frites und Chips. Bratkartoffeln schienen das Risiko weniger stark zu erhöhen.

Grund für die diabetogene Wirkung der Kartoffel ist ihr glykämischer Index, erklärt Prof. Dr. Alfred Wirth. Nach ihrem Verzehr steigen Blutzucker und Insulin deutlich an. Das wird noch dadurch verstärkt, dass Kartoffeln oft in größeren Mengen genossen werden. Prof. Wirth empfiehlt Menschen mit hohem Diabetesrisiko, mehr Getreideprodukte und Reis zu essen und den Kartoffelkonsum zu reduzieren.

Quelle: Diabetes Care

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Jose hernandez antona / imageBROKER