Gesundheit heute

Gebärmuttersenkung und Gebärmuttervorfall

Gebärmuttersenkung (Descensus uteri, Uterusprolaps, Genitalprolaps) und Scheidensenkung (Descensus vaginae): Absinken der Gebärmutter durch nachlassende Spannung des Beckenbodens. Sie geht in der Regel mit einer Scheidensenkung sowie einer Lageveränderung von Harnblase und Mastdarm einher.

Die Senkung betrifft zumeist Frauen nach den Wechseljahren mit Übergewicht und kann in verschiedenen Ausprägungen vorliegen; die schwerste Form ist der komplette Gebärmuttervorfall (Totalprolaps, Prolaps uteri et vaginae) durch die umgestülpte Scheide nach außen. Eine erfolgreiche Behandlung ist fast immer möglich, auch im hohen Lebensalter.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Stärker werdendes Druckgefühl nach unten, fühl- und tastbarer "Fremdkörper" am äußeren Genitale
  • Schmerzen im Bereich von Kreuzbein und Steißbein
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
  • Unwillkürlicher Urinabgang ("Harntröpfeln")
  • Ständiger Harndrang
  • Verstopfung und erschwerter Stuhlgang
  • Vermehrter Ausfluss
  • (Leichte) Blutungen durch Druckgeschwüre in der Scheide
  • Im Spätstadium: sicht- und fühlbarer Vorfall von Organen.

Wann zum Frauenarzt

In den nächsten Tagen oder Wochen

  • je nach Ausmaß der Beschwerden.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Der Beckenboden stützt die inneren Geschlechts- und Harnorgane von unten. Er besteht aus drei übereinanderliegenden Muskelschichten, die in verschiedenen Richtungen verlaufen. Gleichzeitig werden die Organe mit Bändern aus Bindegewebe untereinander und an der seitlichen Beckenwand gehalten.

Durch den aufrechten Gang und den erheblichen Druck beim Pressen während des Stuhlgangs treten für den Beckenboden große Belastungen auf. Wenn dieser durch Schwangerschaften und schwere Geburten zusätzlich geschwächt wird, lässt die Stärke der Muskeln und Bänder im höheren Lebensalter irgendwann nach, es kommt zur Senkung. Je nach Schwere der Senkung tritt der unwillkürliche Harnabgang als weiteres, sehr belastendes Symptom dazu.

Ursachen

Als Ursachen für eine Gebärmuttersenkung gelten eine angeborene Bindegewebsschwäche, eine Überanstrengung der Beckenbodenmuskulatur sowie eine nicht ausreichend ausgeprägte Bauchmuskulatur. Ist diese geschwächt, kann sie die Gebärmutter, aber auch andere Organe des kleinen Beckens, nicht mehr am richtigen Platz halten, sodass es zu einer Senkung kommt. Oft liegt die Gebärmutter von Geburt an in einer ungünstigen Lage (z. B. steife Streckstellung der Beine).

Risikofaktoren

  • Angeborene Bindegewebsschwäche
  • Vaginale oder Zangengeburt, vor allem bei großen Babys und nach Dammriss oder Dammschnitt
  • Häufiges Tragen schwerer Gewichte
  • Übergewicht
  • Fehlhaltungen
  • Chronische Verstopfung (Obstipation)
  • Chronischer Husten
  • Rauchen
  • Gebärmutterentfernung (Hysterektomie)
  • Östrogenmangel.

Verlauf

Die Senkung verläuft unbehandelt in mehreren Stadien von einer leichten Senkung über den teilweisen Vorfall bis zum totalen Vorfall, entsprechend verstärken sich die Beschwerden: Aufgrund der Verformung der Harnblase wird diese möglicherweise nicht richtig entleert. Der zurückbleibende Restharn stellt ein Reservoir für Bakterien dar, die sich vermehren und Harnwegsinfektionen auslösen können. Auch entsteht eine Stressinkontinenz, bei der es ohne spürbaren Harndrang zu einem unwillkürlichen Urinverlust kommt, vor allem beim Niesen, Husten, Lachen oder beim Heben oder Lastentragen.

Komplikationen

Da die Scheidenwand durch den Gebärmutterdruck ständig gereizt wird, kommt es zu vermehrtem Ausfluss und Entzündungen. Der teilweise oder vollständige Vorfall der Gebärmutter behindert beim Gehen und Sitzen und führt schnell zu Entzündungen und Geschwüren am Muttermund.

Senkt sich zusätzlich der Mastdarm (Rektozele), wird der Stuhlgang immer schwieriger. Im Spätstadium muss beim Stuhlgang mit der Hand nachgeholfen werden, um die Entleerung zu ermöglichen.

Diagnosesicherung

Je nach Ausprägung der Gebärmuttersenkung sieht der Arzt bereits bei der gynäkologischen Untersuchung die zu tief liegenden Organe. Nach der Aufforderung, wie zum Stuhlgang zu pressen, wird auch eine leichte Senkung sichtbar. Eine Vorwölbung des Mastdarms in die Scheide (Rektozele) ist in der rektalen Untersuchung tastbar. Stehen Blasenbeschwerden im Vordergrund, sind eine Blasenspiegelung und weitere urologische Untersuchungen notwendig, die die Funktion von Harnblasenfüllung und -entleerung prüfen: Harnstrahlmessung, Restharnbestimmung, Blasendruckmessung.

Behandlung

Eine Behandlung ist nur bei Beschwerden notwendig oder wenn Schädigungen an den Nachbarorganen drohen, z. B. wenn die Gebärmutter ihre Position stark verändert hat.

Die beginnende Gebärmuttersenkung lässt sich mit einfachen gymnastischen Übungen zur Stärkung des Beckenbodens gut behandeln. Auch empfiehlt der Frauenarzt, ein eventuelles Übergewicht zu reduzieren sowie schweres Heben zu vermeiden.

Bei stärkeren Senkungsbeschwerden kann die Gebärmutter mit speziellen Pessaren aus Hartgummi oder Silikon angehoben werden. Hierbei ist es meistens die Aufgabe des Frauenarztes, das Pessar einzusetzen, herauszunehmen und zu reinigen. Das ist jedoch umständlich und deshalb keine dauerhafte Lösung, weshalb Pessare oft nur die Zeit bis zur Operation überbrücken sollen.

Pharmakotherapie

Bei Patientinnen kurz vor oder in den Wechseljahren werden zusätzlich zu obigen Maßnahmen Vaginalzäpfchen oder eine östrogenhaltige Salbe (z. B. Linoladiol®, OeKolp®) verschrieben. Diese verhindert, dass die Scheide schrumpft und/oder austrocknet. Als weitere Medikamente sind vor allem Östrogene effektiv (die straffend auf das Bindegewebe wirken), wegen des Krebsrisikos sollen sie aber mit Gestagenen kombiniert werden. Außerdem stehen Medikamente zur Stressinkontinenz-Therapie zur Verfügung.

Operative Behandlung

Bei ausgeprägten Beschwerden versucht man, Gebärmutter und Scheide operativ anzuheben und zu stabilisieren. Früher wurde häufig auch die Gebärmutterentfernung (Hysterektomie) empfohlen, heutzutage kommen aber immer mehr plastisch-chirurgische Operationsverfahren zum Einsatz, die die Stützfunktion des Beckens z. B. mit Kunststoffnetzen (Biomesh) oder -schlingen verbessern.

Besteht gleichzeitig eine Stressinkontinenz, kann in derselben Operation auch ein Kunststoff- oder Vaginalband (Tension-free Vaginal Tape, TVT) vor der Harnröhre fixiert werden, sodass diese bei steigendem abdominalen Druck nicht sofort nachgibt. Eine Besserung der Beschwerden gelingt durch eine Operation fast immer, in etwa 20 % ist aber der Erfolg nur vorübergehend, sodass ein 2. Mal operiert werden muss.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Beckenbodentraining. Wie erwähnt: Leichtere Senkungsbeschwerden lassen sich mit Beckenbodenübungen gut in den Griff bekommen. Regelmäßig und richtig durchgeführt verhindern diese das weitere Fortschreiten der Senkung. Bei entsprechenden Beschwerden gibt es einige Stunden Beckenbodentraining häufig sogar auf Rezept, das bei einem Physiotherapeuten gegen geringe Selbstbeteiligung eingelöst werden kann. Aber auch viele Volkshochschulen oder Sportstudios bieten Beckenbodentraining in (kostengünstigen) Kursen an. Trotzdem sollte das Training nicht auf die wenigen Übungsstunden unter fachlicher Anleitung beschränkt bleiben, sondern auch regelmäßig zu Hause durchgeführt und ein fester Bestandteil des Tagesablaufs werden.

Übungen für zu Hause:

  • Spannen Sie die Beckenbodenmuskulatur immer wieder an, zum Beispiel beim Sitzen am Schreibtisch, in der Bahn oder im Auto. Halten Sie die Spannung 10 Sekunden lang, dann lassen Sie wieder locker – mehrmals pro Tag und mindestens 10-mal. Stellen Sie sich dabei vor, Sie ziehen einen Lift über mehrere Etagen Ihres Beckenbodens hoch und lassen ihn dann langsam wieder absinken.
  • Legen Sie sich auf den Rücken und stellen Sie die Füße bei leicht gebeugten Knien auf. Atmen Sie ein, spannen Sie Ihre Bauch- und Beckenbodenmuskeln an und heben Sie ganz langsam das Gesäß an, bis Oberschenkel und Bauch eine Linie bilden. Die Schultern und der Kopf bleiben dabei locker am Boden liegen. Halten Sie die Spannung 10 Sekunden lang, atmen Sie aus und senken Sie dabei das Gesäß wieder ganz langsam. Wiederholen Sie die Übung 5-mal.
  • Steigerung: Klemmen Sie sich ein kleines Kissen zwischen die Knie und führen Sie dann die vorherige Übung wie beschrieben aus, nur pressen Sie dabei noch das Kissen zusammen. Das verstärkt die Anspannung der Beckenbodenmuskulatur.
  • Setzen Sie sich auf einen Gymnastikball und rollen Sie das Becken vor und zurück, um die vorderen und hinteren Anteile der Beckenbodenmuskulatur zu erspüren.

Elektrostimulation. Einen ähnlichen Effekt hat die Elektrostimulation der Beckenbodenmuskulatur. Sie eignet sich für Frauen, die zu Beginn des Beckenbodentrainings ihren Beckenboden weder fühlen noch bewusst anspannen können. Da in diesem Fall meistens die Nervenfunktionen zwischen Rückenmark und Beckenbodenmuskulatur gestört sind, versucht man, diese mittels Elektrostimulation anzuregen. Durch die geringen Stromimpulse bewegen sich die Beckenbodenmuskeln. Das beugt einem weiteren Muskelabbau vor und fördert im Idealfall auch die Orgasmusfähigkeit. Dieses Verfahren ist vergleichbar mit aktivem Muskeltraining. Dafür wird eine tampongroße Elektrode in die Scheide eingeführt, die in regelmäßigen Abständen Stromimpulse an die Beckenbodenmuskulatur und ihrer zuführenden Nerven abgibt. Erste Erfolge zeigen sich normalerweise nach etwa 4 Wochen. Die Kosten werden im Krankheitsfall von den gesetzlichen Krankenkassen (bei privaten Krankenkassen auf Anfrage) getragen. Elektrostimulationsgeräte sollten nicht während der Menstruation, in der Schwangerschaft oder im Wochenbett benutzt werden. Nebenwirkungen sind nicht bekannt.

Prävention

  • Seien Sie vorsichtig mit Bauchmuskeltraining, denn dies verstärkt den Druck auf den Beckenboden.
  • Wenn Sie schwanger sind, heben Sie insbesondere im letzten Drittel der Schwangerschaft und im Wochenbett keine schweren Lasten.
  • Machen Sie bereits in der Schwangerschaft Beckenbodengymnastik.
  • Führen Sie nach jeder Geburt konsequent die Rückbildungsgymnastik durch, die gute Übungen zur Stärkung des Beckenbodens umfasst.
  • Und, so schwer es fällt, versuchen Sie bei Übergewicht langsam und dauerhaft abzunehmen.

Weiterführende Informationen

  • H. Höfler: Beckenboden. Kräftigung – Entspannung – Sensibilisierung. BLV-Verlag 2017. Beckenbodentraining für Frauen und Männer. Übungen für eine gute Körperhaltung, in der Schwangerschaft, nach der Geburt, für mehr Spaß am Sex und mehr. Abwechslungsreich trainieren mit Pezzi-Ball, Thera-Band®, Redondo-Ball & Co.
  • H. Höfler: Energiequelle Beckenboden. Wirkungsvolle Übungen für mehr Lebensqualität und Kraft. Mankau, 2017. Der Ratgeber erklärt Aufbau und Funktion der Beckenbodenmuskulatur und zeigt Übungen für einen kräftigen und elastischen Beckenboden.

Von: Dr. med. Astrid Waskowiak, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen Symptome und Leitbeschwerden“, „Die Erkrankung“, Behandlung“, „Prognose“ und „Ihre Apotheke empfiehlt“: Dagmar Fernholz
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Gezielt gegen Blasenschwäche

Bei einer Blasenschwäche ist nicht nur der erhöhte Wäscheaufwand ein Problem für die Betroffenen.

Gezielt gegen Blasenschwäche

Mit Training und Medikamenten

Immer noch ein Tabu, aber weit verbreitet: Unter einer Blasenschwäche leiden in Deutschland Millionen von Frauen und Männern. Gegen den unwillkürlichen Urinverlust helfen allgemeine Maßnahmen und das Trainieren von Blase und Beckenboden. Reicht das nicht aus, kommen Medikamente ins Spiel.

Eingeschränkte Lebensqualität

Blasenschwäche (Harninkontinenz) ist die Unfähigkeit, den Urin in der Harnblase zu halten. Es kommt stattdessen zu unkontrolliertem Urinverlust, entweder tröpfchenweise oder auch im Schwall. Darunter leiden viele Menschen. Bei den 40- bis 60-Jährigen ist jede Zehnte betroffen, bei den Über-60-Jährigen jede Vierte.

Ob jünger oder älter – eine Blasenschwäche ist immer sehr belastend. Je nach Ausmaß wird die Lebensqualität durch die Inkontinenz stark eingeschränkt. Weil sie sich schämen, gehen viele Menschen trotz ihrer Beschwerden nicht zur Ärzt*in. Dabei ist es wichtig, eine Blasenschwäche zu behandeln. Denn nicht nur die psychischen Folgen wie Depressionen und Vereinsamung sind erheblich. Es drohen Hautentzündungen im Intimbereich und wiederkehrende Harnwegsinfektionen bis hin zum Nierenschaden. Zudem fallen alte Menschen mit Blasenschwäche häufiger hin, weil sie die Toilette schnell erreichen wollen. Solche Stürze enden oft mit einer fatalen Oberschenkelhalsfraktur.

Hinweis: Frauen leider öfter an Blasenschwäche als Männer. Ihr Beckenboden ist dehnbarer und hat mehr Durchgänge als der männliche Beckenboden. Außerdem wird der Blasenverschluss beim Mann durch die unter der Blase liegende Prostata unterstützt.

Welche Blasenschwäche ist es?

Blasenschwäche ist nicht gleich Blasenschwäche. Um die Beschwerden zu dokumentieren und besser interpretieren zu können, ist ein Blasentagebuch hilfreich. Darin hält man täglich fest, wieviel man trinkt und wie häufig man auf die Toilette muss. Wenn möglich, misst man auch die Menge des täglich ausgeschiedenen Urins. Mithilfe dieser Informationen kann die Ärzt*in die Blasenschwäche meist gut einordnen.

Belastungsinkontinenz. Jede zweite Frau mit Blasenschwäche leidet an einer Belastungsinkontinenz (früher auch Stressinkontinenz genannt). Dabei verliert die Betroffene Urin, ohne dass sie vorher einen Harndrang bemerkt hat. Der muskuläre Verschluss am Ausgang der Blase funktioniert nicht mehr gut, etwa weil die Beckenbodenmuskulatur schwach ist oder die Beckenbänder geschädigt sind. Dann genügt schon ein kleiner Druckanstieg in der Blase und die Betroffene verliert Urin. Der Druck in der Blase steigt an, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht. Dazu kommt es schon bei ganz normalen körperlichen Beanspruchungen wie Husten, Niesen oder dem Heben schwerer Gegenstände. Begünstigt wird die Belastungsinkontinenz durch eine Gebärmuttersenkung und Übergewicht.

Dranginkontinenz. Bei der Dranginkontinenz muss die Betroffene plötzlich ganz dringend auf die Toilette, ohne dass die Blase richtig gefüllt ist. Wer nicht schnell genug ist, verliert kleine Tropfen Urin, manchmal aber auch einen ganzen Schwall. Das passiert sowohl tagsüber als auch nachts. Auslöser ist eine Störung in der Blasenwandmuskulatur, z.B. durch Entzündungen, Blasensteine oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson. Beim Mann kommt als Ursache auch eine Prostatavergrößerung in Frage.

Mischinkontinenz. Hier leiden die Betroffenen unter beiden Formen der Blasenschwäche. Sie haben wie bei einer Dranginkontinenz auch bei nicht gefüllter Blase Harndrang und ungewollten Urinverlust. Außerdem verlieren sie Urin bei körperlicher Beanspruchung.

Überaktive Blase. Bei dieser Blasenschwäche zieht sich der Muskel am Blasenausgang immer wieder zusammen und lässt dann wieder los. Das Phänomen ist nervenbedingt oder psychisch. Die Patient*innen leiden unter sehr starkem, manchmal sogar schmerzhaftem Harndrang, der sie mehr als acht Mal täglich und auch nachts zur Toilette zwingt. Solange der Beckenboden noch funktioniert, können die Betroffenen den Urin aber noch willkürlich zurückhalten.

Daneben gibt es weitere Formen der Blasenschwäche. Befindet sich z.B. am Blasenausgang ein Tumor oder Blasenstein, entleert sich die Blase beim Wasserlassen nicht komplett. Es bleibt Urin in der Blase, d.h. die Menge an sog. Restharn steigt an. Die Blase ist überfüllt und kann überlaufen. Patient*innen haben meist einen dauerhaften Harndrang und verlieren ständig kleine Mengen an Urin. Andere Ursachen für Blasenschwäche sind Nervenerkrankungen wie z.B. die Querschnittlähmung. Dabei lösen Reflexe (etwa bei gefüllter Blase) das Pinkeln aus. Man spricht dann von einer Reflexinkontinenz.

Ist die Form der Blasenschwäche erkannt, wird nach der Ursache gesucht. Je nach Verdachtsdiagnose kommen spezielle Untersuchungen zum Einsatz. Dazu gehören z.B. die Restharnbestimmung und die Urinanalyse, z.T. auch Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Nierenfunktion. Bei Frauen ist eine gynäkologische Untersuchung empfehlenswert, da Veränderungen im Becken häufig eine Blasenschwäche auslösen oder verstärken. Beim Mann ist die Untersuchung der Prostata obligat. In manchen Fällen sind auch Ultraschalluntersuchungen oder eine Blasenspiegelung nötig.

Was gegen die Blasenschwäche hilft

Liegt der Harninkontinenz eine Erkrankung zugrunde, wird diese entsprechend therapiert. Dies ist zum Beispiel bei der Prostatavergrößerung oder bei Blasensteinen der Fall. Häufig gibt es aber keine behandelbare Ursache. In diesen Fällen geht man den ungewollten Urinverlust in Stufen an. Basis sind folgende Allgemeinmaßnahmen:

  • Koffeinkonsum reduzieren. Kaffee, Cola und schwarzer Tee haben aufgrund des Koffeins eine ausschwemmende Wirkung. Bei manchen Betroffenen wird die Blasenschwäche besser, wenn sie diese Genussmittel vermeiden.
  • Übergewicht verringern. Zu viele Kilos erhöhen den Druck im Bauch und folglich auch den Druck auf die Blase. Abnehmen bessert deshalb vor allem die Belastungsinkontinenz.
  • Verstopfung behandeln. Starkes Pressen beim Stuhlgang belastet die Beckenbodenmuskulatur und schwächt diese auf Dauer.
  • Flüssigkeitszufuhr kontrollieren. Vor allem bei der überaktiven Blase kann es helfen, etwas weniger zu trinken. Aber Vorsicht, diese Maßnahme sollte man immer mit der Ärzt*in besprechen. Auf keinen Fall darf man aufgrund seiner Blasenschwäche eine Austrocknung (Dehydrataion) riskieren.
  • Mehr bewegen. Spazierengehen und auch Hausarbeit sind besser als Herumsitzen und Schonen. Denn auch moderate körperliche Bewegung stärkt den Beckenboden.
  • Ungünstige körperliche Belastungen vermeiden. Schweres Heben schadet dem Beckenboden, ebenso sind manche Sportarten ungünstig. Dazu gehören z.B. Trampolinspringen oder Crossfit-Training.
  • Rauchen aufgeben. Raucherhusten geht oft mit einer Belastungsinkontinenz einher.

Tipp: Manche Medikamente verursachen oder fördern eine Harninkontinenz. Dazu gehören Anticholinergika zur Behandlung von Atemwegserkrankungen oder Parkinson, muskelentspannende Mittel, indirekte Parasympathikomimetika oder Beruhigungsmittel. Mit der Ärzt*in sollte besprochen werden, ob diese Arzneimittel reduziert oder ersetzt werden können.

Blase oder Beckenboden trainieren

Auch Training kann bei einer Blasenschwäche helfen. Gestärkt werden dabei je nach Form der Blasenschwäche entweder die Blase selbst oder der Beckenboden.

Das Blasentraining hilft besonders gegen die Dranginkontinenz. Es zielt darauf ab, die Zeiträume zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Zunächst versucht die Betroffene, nicht gleich beim ersten Anzeichen eines Harndrangs zur Toilette zu gehen. Schritt für Schritt wird der Gang zur Toilette immer länger verzögert. Hilfreich dabei sind Entspannungsübungen. Auf diese Weise vergrößert sich das Aufnahmevolumen der Blase, der Harndrang wird geringer und das Wasserlassen besser kontrolliert.

Intensives Beckenbodentraining ist dagegen die passende Maßnahme für eine Belastungsinkontinenz. Diese Übungen erlernt man am besten in einer Physiotherapie. Spüren Betroffene mit Belastungsinkontinenz ihre Beckenbodenmuskulatur nicht, kann die Elektrostimulation helfen. Dazu verschreibt die Ärzt*in spezielle Geräte, die über die Scheide oder den Dammbereich elektrische Impulse abgeben.

Tipp: In die Scheide eingelegte Pessare stabilisieren die Harnröhre von innen. Sie helfen besonders bei unwillkürlichem Urinverlust durch körperliche Belastungen im Rahmen einer Belastungsinkontinenz.

Medikamente gegen Urinverlust

Wenn allgemeine Maßnahmen und Training nicht zum erwünschten Erfolg führen, sind stärkere Geschütze geboten. Leider gibt es wenig Hilfe aus dem Reich der Pflanzen. Zwar werden zur Linderung der Beschwerden zahlreiche Extrakte angeboten. Klinische Studien mit eindeutigen Daten zur Wirksamkeit fehlen in den meisten Fällen. Für Kürbissamen gibt es aus einer Beobachtungsstudie mit 117 Betroffenen Hinweise, dass sie Frauen mit überaktiver Blase helfen können.

Anders sieht das mit synthetischen Arzneimitteln aus. Für die Dranginkontinenz und die überaktive Blase gelten Muskarinrezeptor-Antagonisten als effektive Option. Sie verringern spontane Mikrobewegungen in der Blasenwandmuskulatur und reduzieren den Harndrang. Allerdings blockieren die Wirkstoffe nicht nur die Muskarinrezeptoren in der Blase, sondern im gesamten Organismus. Deshalb haben diese Substanzen auch zahlreiche Nebenwirkungen. Dazu gehören u.a. Mundtrockenheit, Sehstörungen und Verstopfung. Oxybutynin führt bei älteren Menschen sogar zu Verwirrtheit und Denkstörungen, vor allem wenn es abgeschluckt wird.

Einige Muskarinrezeptor-Antagonisten (z.B. Tolterodin) sollen beinahe nur auf die Blase wirken und so weniger Nebenwirkungen auslösen. Letzteres gilt auch für Präparate, deren Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, sog. retardierte Arzneistoffe.

Eine neue Therapieoption gegen Dranginkontinenz und eine überaktive Blase ist Mirabegron. Die Substanz bindet an Betarezeptoren in der Harnblasenmuskulatur und entspannt dadurch die Blase. Eingesetzt wird Mirabegron, wenn Muskarinrezeptor-Antagonisten nicht ausreichend wirken. Sie sind auch bei älteren Menschen geeignet, weil sie seltener Verwirrtheit oder Denkstörungen auslösen. Als Nebenwirkung ist allerdings eine Erhöhung des Blutdrucks zu beachten.

Ein Wirkstoff zur Behandlung der Belastungsinkontinenz ist das Antidepressivum Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es stärkt den Schließmuskel der Blase und erhöht ihr Fassungsvermögen. Dadurch kommt es seltener zu unwillkürlichem Urinverlust. Das hat allerdings auch bei Duloxetin seinen Preis: Typisch sind Nebenwirkungen im Verdauungstrakt wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Vor allem bei psychisch nicht gesunden Menschen soll der Wirkstoff aber auch vermehrt Angst und innere Unruhe auslösen.

Mit Operationen an die Blasenschwäche

Manchmal helfen auch Medikamente nicht ausreichend. Ist der Leidensdruck hoch, sind interventionelle oder operative Verfahren eine Option.

Interventionelle Verfahren. Bei der überaktiven Blase und bei der Dranginkontinenz kann die Ärzt*in den Wirkstoff Onabotulinumtoxin A in die Blase instillieren. Dadurch entspannt sich die Blasenmuskulatur und der Harndrang wird weniger. Die Wirkung setzt jedoch erst zwei Wochen nach dem Eingriff ein und hält nur einige Wochen bis Monate an. Eine weitere Option bei überaktiver Blase ist die sakrale Neuromodulation. Dabei wird eine Art Schrittmachers in die Blase eingesetzt. Dieser sendet sanfte elektrische Impulse an den Sakralnerv, der die Blase versorgt. Auf diese Weise lässt sich sowohl eine Überaktivität als auch eine Unteraktivität der Blasenmuskulatur kontrollieren.

Operationen. Die Belastungsinkontinenz kann auch relativ einfach mit einer Band- oder Schlingen-Operationen behandelt werden. Dabei wird das natürliche Band, das die Harnröhre in ihrer Position hält, durch ein künstliches Band verstärkt. Eine weitere Möglichkeit ist das Injizieren von Gel in den Bereich des Harnröhrenabgangs von der Blase. Es entsteht ein Polster, das den Blasenausgang besser verschließt. Manchmal empfehlen die Ärzt*innen auch das operative Anheben des Blasenhalses. Ist bei Männern eine vergrößerte Prostata die Ursache der Blasenschwäche, hilft deren komplette oder teilweise Entfernung.

Quelle: S2k-Leitlinie Harninkontinenz der Frau

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Giuseppe Anello / Alamy / Alamy Stock Photos