Gesundheit heute
Warum wir schlafen
Egal, ob man zu denjenigen gehört, die – wie es Napoleon oder Alexander von Humboldt nachgesagt wird – wenig Schlaf brauchen, oder ob man – wie angeblich Goethe und Einstein – eher zu den Langschläfern gehört: Ohne Schlaf kommt niemand aus.
Schlaf ist ein biologisches Grundbedürfnis wie Hunger oder Durst und folglich untrennbar mit der menschlichen Gesundheit verbunden. Rund ein Drittel seines Lebens verbringt der Mensch schlafend. Ohne ausreichenden Nachtschlaf fühlen wir uns erschöpft, abgespannt, gereizt, und unsere Konzentrationsfähigkeit ist eingeschränkt. Bei mehrtägigem Schlafentzug stellen sich zusätzlich Wahrnehmungsstörungen und Sinnestäuschungen ein. Andererseits teilt der Schlaf mit anderen physiologischen Bedürfnissen eine bemerkenswerte Flexibilität: So wie der Mensch nicht gleich krank wird, wenn er einen oder mehrere Tage lang weniger oder gar nichts isst, so wird auch ein kurzfristiges Schlafdefizit meist problemlos ausgeglichen.
Trotz vieler Erkenntnisse über den Schlaf und über die Vorgänge im schlafenden Organismus wissen die Schlafwissenschaftler immer noch nicht genau, warum wir eigentlich schlafen müssen. Auch die Gründe, warum das Schlafbedürfnis von Mensch zu Mensch so unterschiedlich ist, sind noch wenig erforscht.
Was Mediziner heute definitiv wissen, ist Folgendes:
- Insekten oder niedere Tiere, wie Würmer, schlafen nicht. Der Schlaf ist demnach erst im Laufe der Evolution entstanden. Wissenschaftler vermuten deshalb, dass Schlaf nötig wurde, um die Informationsverarbeitung zu optimieren, etwa um Gedächtnisinhalte zu speichern.
- Der Schlaf ist eng mit den neurologischen und hormonellen Funktionen des Körpers verbunden. Durch Kernspinaufnahmen konnte nachgewiesen werden, dass die meisten Eiweißstoffe im Gehirn während der traumlosen Schlafphasen gebildet werden; nur so kann in den Wachphasen der ständige Bedarf an Botenstoffen im Gehirn (Neurotransmitter) gedeckt werden. Im Tiefschlaf laufen zudem zahlreiche Reparaturarbeiten in den Zellen und Organen ab. Das Immunsystem produziert nachts besonders viele Immunstoffe, und auch das für das Längenwachstum bei Kindern benötigte Wachstumshormon wird v. a. nachts ausgeschüttet – Kinder wachsen im wahrsten Sinne des Wortes im Schlaf.
- Schlafen ist nicht mit „völliger Passivität“ gleichzusetzen, denn neben den Ruhe- oder Tiefschlafphasen gibt es im Schlaf auch Phasen erhöhter Gehirnaktivität.
- Schlafstörungen zeichnen sich weniger durch einen quantitativen Mangel als durch eine schlechte Schlafqualität aus.
- Schlaf ist wichtig für das Gedächtnis. In der Schlafperiode vor Mitternacht verarbeitet das Gehirn vornehmlich geistige Lerninhalte, z. B. neu gelernte Wörter einer Fremdsprache. Nach Mitternacht beschäftigt es sich dagegen eher mit körperlichen Lernerfahrungen, etwa Bewegungsabläufen einer Sportart. Wer nicht ausreichend bzw. mit schlechter Qualität schläft, bei dem funktioniert der Übertritt von Gelerntem in das Langzeitgedächtnis nicht. Die Patienten klagen in diesen Fällen darüber, dass sie sich an Gelerntes nicht oder nur schlecht erinnern können.

Einfach nicht einschlafen können – das kann auch an der Einnahme von Medikamenten liegen.
Schlafstörung als Nebenwirkung
Wenn Medikamente wachhalten
Viele Menschen leiden unter Schlafstörungen. Neben Stress und psychischer Belastung sind oft eine ungesunde Schlafumgebung oder zu viel Alkohol vor dem Zu-Bett-Gehen daran schuld. Manchmal liegt es aber auch an Medikamenten, wenn sich der Schlaf nicht einstellen will.
Ein Drittel der Deutschen hat Schlafprobleme
Schlafstörungen sind ein regelrechtes Massenphänomen: Mehr als ein Drittel der Deutschen berichtet von Schlafproblemen in den vorangegangenen zwölf Monaten. Ärztlich diagnostiziert werden Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien) immerhin bei etwa 7% der Bevölkerung.
Die Ursachen sind vielfältig. Ein eher weniger beachteter Auslöser von Schlafproblemen ist die Einnahme von Medikamenten. Dabei ist Schlaflosigkeit als Nebenwirkung gar nicht so selten: In einer Nebenwirkungs-Datenbank werden immerhin 636 Wirkstoffe aufgelistet, für die Insomnien als unerwünschte Wirkung bekannt sind.
Schlafstörende Aufputschmittel
Dafür gibt es viele Gründe: Manche Medikamente stimulieren z. B. die Nervenzellen. Kein Wunder, dass sie den Schlaf vereiteln können. Ein typisches Beispiel sind Kombipräparate, die bei Erkältung eingenommen werden. Einige enthalten Koffein als Muntermacher, andere aufputschendes Pseudoephedrin. Vor dem Schlafengehen sollte man auf diese Präparate besser verzichten. Appetitzügler, die ebenfalls in diese Gruppe gehören, werden generell nicht empfohlen.
Ebenso nachvollziehbar ist, dass stimmungsaufhellende und antriebssteigernde Antidepressiva den Schlaf stören können. Sie tun dies u. a. dadurch, dass sie mit Botenstoffen im Gehirn interagieren. Beispiele sind Serotonin-Wiederaufnahmehemmer wie Fluoxetin oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer wie Venlafaxin. Substanzen gegen Epilepsien oder Morbus Parkinson können ebenfalls den Schlaf verschlechtern.
Indirekter Angriff auf die Nachtruhe
Auch indirekt lässt sich die Nachtruhe stören. Das ist z. B. der Fall, wenn Entwässerungsmittel zu nächtlichem Harndrang führen. Schmerzmittel lösen bei regelmäßiger Einnahme oft Sodbrennen, Magenschmerzen und Verdauungsstörungen aus – all das verhindert einen erholsamen Schlaf Schlaf.
Schon lange bekannt ist die schlafstörende Wirkung der bei Bluthochdruck eingesetzten Betablocker. Dies gilt vor allem für die Präparate, die die Blut-Hirn-Schranke gut überwinden– wie z. B. Metoprolol. Der Betablocker Bisoprolol soll dagegen weniger Einfluss auf den Schlaf haben.
Schlussendlich können auch einige Antibiotika Probleme beim Schlafen verursachen. Diskutiert wird dabei eine Wirkung über das Darmmikrobiom. Das gegen viele Infekte verordnete Amoxicillin kann das Gehirn sogar direkt stimulieren und aufregen – und im schlimmsten Fall sogar eine Psychose auslösen.
Quelle: ptaheute