Gesundheit heute

Tics

Tics (Ticks): Plötzliche, unwillkürliche, wiederholte, aber unrhythmische Bewegung oder Lauterzeugungen, die sich allenfalls kurzzeitig unterdrücken lassen. Typische Beispiele für motorische Tics sind krampfhaftes, unwillkürliches Augenblinzeln, Grimassieren oder Körperverdrehungen. Vokale Tics äußern sich im Aussprechen obszöner Wörter, Räuspern oder durch Laut-Wiederholungen.

Tic-Störungen. Störungen, bei denen die Betroffenen wiederholt unter Tics leiden. Kindliche Tic-Störungen sind häufig: 15 % aller Kinder im Grundschulalter haben Tics, die im Verlauf von Wochen und Monaten meist wieder verschwinden (transiente Tic-Störungen). Zu den chronischen Tic-Störungen gehört vor allem das Tourette-Syndrom (Gilles-de-la-Tourette-Syndrom). Hierbei handelt es sich um eine neuropsychiatrische Erkrankung mit motorischen und vokalen Tics, die sich im Kindesalter ausbildet und meist ein Leben lang bestehen bleibt. Das Tourette-Syndrom ist bei Männern häufiger als bei Frauen.

Grundlage der Behandlung bei Tic-Störungen sind Informationen und Aufklärung, sowohl des Betroffenen, der Familie als auch des Umfelds. Daneben gibt es verhaltenstherapeutische Ansätze, die bei Tic-Störungen zu einer Besserung führen. Sind die Tics sehr belastend, kommen Medikamente wie Neuroleptika zum Einsatz. Bei schweren, nicht therapierbaren Fällen kann bei Erwachsenen das Einpflanzen eines Hirnschrittmachers erwogen werden.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Unwillkürliches, wiederholtes Blinzeln, Naserümpfen, Mundöffnen, Räuspern oder Schulterzucken
  • Manchmal komplexe Tics, z. B. Körperverdrehung oder das automatische Nachsprechen von gehörten Wörtern
  • Bewegungen nur für kurze Zeit willkürlich unterdrückbar, Verstärkung bei Stress
  • Oft unangenehmes Vorgefühl vor dem Tic
  • Beim Tourette-Syndrom: Beginn häufig mit Blinzel-Tic, dann Entwicklung verschiedener Tics, selten in Verbindung mit dem Gebrauch obszöner Worte oder Gesten.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn

  • wiederholt oben genannte auffällige Bewegungen auftreten.

Die Erkrankung

Tics werden nach ihrer Qualität (motorisch/vokal) und ihrer Komplexität (einfach/komplex) eingeteilt. Sie treten einzeln oder in Serien auf. Beispiele für Tics sind:

  • Einfache motorische Tics: Blinzeln, Stirnrunzeln, Grimassieren, Beißen in die Wangeninnenseite, Kopf schütteln, Fußbewegungen
  • Komplexe motorische Tics: Sprünge, Körperverdrehungen, Zupfen an Kleidung, Echopraxie (ungewollte Wiederholung von Bewegungen anderer Menschen), Kopropraxie (unflätige Gesten)
  • Einfache vokale Tics: Räuspern, Schmatzen, Bellen, Pfeifen, Summen, Ausrufen von einzelnen Silben
  • Komplexe vokale Tics: Echolalie (automatisches, ungewolltes Nachsprechen von Gehörtem), Koprolalie (Aussprechen obszöner Wörter, z. B. aus der Fäkalsprache).

Einfache motorische Tics wie Naserümpfen oder Blinzeln treten bei etwa 15 % aller Kinder im Grundschulalter auf. Meist gibt sich der Tic nach Wochen bis Monaten wieder (begünstigt durch konsequentes Ignorieren), um später noch ein- oder mehrfach zu erscheinen und schließlich ganz zu verschwinden. Solche Tics sind keine Erkrankung und sollten deshalb nicht problematisiert werden. Ärzte nennen dieses Auftreten von Tics auch transiente Tic-Störung.

Tourette-Syndrom und weitere chronische Tic-Störungen

Anders beim Tourette-Syndrom: Anstatt zu verschwinden, kommen neue Tics hinzu, auch vokale Tics mit unwillkürlichen Laut- und Wortäußerungen. Diese vielen Tics, manchmal mit obszöner Bedeutung, werden von der Umgebung oft als Provokation fehlgedeutet und führen dadurch zu Problemen. Das Auftreten von obszönen Gesten und Lauten ist jedoch selten und tritt nur bei 5–10 % der Erkrankten auf. Einige Tics gehen bis zur Selbstverletzung (z. B. durch wiederholtes Beißen in die Wangeninnenseite), eine Gefährdung anderer hingegen ist extrem selten. 80 bis 90 % der Patienten mit einem Tourette-Syndrom leiden zusätzlich an einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, bis zu 70 % an Zwängen und bis zu 40 % an Ängsten.

Neben dem Tourette-Syndrom gibt es noch zwei weitere chronische Tic-Störungen: die chronische vokale Tic-Störung und die chronische motorische Tic-Störung. Als Diagnosekriterien gilt bei beiden Störungen, dass sie mindestens ein Jahr andauern und die ersten Symptome vor dem 18. Lebensjahr aufgetreten sind. Die beiden Krankheiten unterscheiden sich darin, dass bei der chronischen vokalen Tic-Störung die Betroffenen nur unter vokalen Tics leiden, bei der chronischen motorischen Tic-Störung dagegen unter motorischen Tics.

Ursachen

Woher Tic-Störungen und das Tourette-Syndrom kommen, ist unklar. Als sicher gilt eine erbliche Veranlagung. Es mehren sich die Hinweise auf eine Botenstoffwechselstörung mit einem Dopaminüberschuss im Gehirn als organische Grundlage, auch Streptokokkeninfektionen werden als mitursächlich diskutiert. Die Störungen betreffen vor allem die Basalganglien im Gehirn, dies sind Regionen, in denen reguliert wird, welchen Impulsen ein Mensch nachgibt und welchen nicht.

Manchmal treten Tics sekundär im Rahmen anderer Erkrankungen auf, z. B. beim Morbus Wilson oder der Huntington Erkrankung. In seltenen Fällen können auch Drogen (Kokain) oder Medikamente Tics auslösen, z. B. Carbamazepin oder Phenytoin.

Diagnosesicherung

Zur Diagnose von Tics und Tic-Störungen genügt dem erfahrenen Arzt meist das klinische Bild, technische Untersuchungen dienen zum Ausschluss anderer Erkrankungen.

Für das Vorliegen eines Tourette-Syndroms müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Mindestens zwei motorische Tics
  • Mindestens ein vokaler Tic
  • Krankheitsbeginn in der Kindheit
  • Krankheitsdauer mindestens ein Jahr (Unterbrechungen möglich).

Differenzialdiagnosen. Krampfhaftes Blinzeln findet sich z. B. beim Blepharospasmus, ansonsten kommen Muskelzuckungen des Gesichts auch als Spasmus hemifacialis, z. B. durch Druck auf den Gesichtsnerven (N. fazialis) vor. Des Weiteren können Tics auch verwechselt werden mit Zwangshandlungen oder allgemeiner Hyperaktivität.

Behandlung

Eine ursächliche Behandlung der Tic-Störungen und des Tourette-Syndroms ist nicht möglich. Oft ist den Betroffenen schon geholfen, wenn ihre Umgebung über die Erkrankung aufgeklärt wird und ihnen daher mehr Verständnis entgegenbringt.

Stören die Tics sehr, können sie durch Medikamente gelindert werden. In Deutschland verordnen die Ärzte dazu vor allem Neuroleptika wie Tiaprid (z. B. Tiapridex®), Sulpirid (z. B. Dogmatil®), Aripiprazol (Abilify) und Risperidon (Risperdal®). Neuroleptika werden vorsichtig aufdosiert, weil sie eine ganze Reihe von unerwünschten Wirkungen haben.

Verschiedene Formen der Verhaltenstherapie (Reaktionsumkehr-Behandlung, Exposure and responsive prevention) gelten als Behandlungsalternative zu den Medikamenten.

Für Erwachsene mit hohem Leidensdruck und schwerem, mit Medikamenten nicht behandelbarem Tourette-Syndrom, kommt auch die tiefe Hirnstimulation in Frage. Das Einpflanzen eines solchen "Hirnschrittmachers" ist bei Tics allerdings noch nicht so etabliert wie bei der Parkinson-Krankheit und die Ergebnisse sind zum Teil noch widersprüchlich.

Prognose

Transiente Tic-Störungen kommen nur bei Kindern vor, bestehen nur für einige Wochen oder Monate und benötigen meist keine Therapie.

Bei Patienten mit chronischen Tic-Störungen wie dem Tourette-Syndrom verstärken sich die Symptome oft in der Pubertät, danach kommt es jedoch häufig zu einer spontanen Verbesserung.

Ihr Apotheker empfiehlt

  • Selbsthilfegruppen. Neben umfassenden Informationen über die Erkrankung ist für die Betroffenen und ihre Familienangehörigen oft der Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe hilfreich.
  • Schwerbehindertenausweis. Lassen Sie prüfen, ob bei Ihrem Kind mit Tourette-Syndrom die Voraussetzungen für einen Schwerbehindertenausweis gegeben sind. Ab einem gewissen Grad der Behinderung haben die Kinder Anspruch auf Nachteilsausgleiche, z. B. auf spezielle Hilfsmittel für die Schule, Zugabe von Arbeitszeit bei Leistungstests oder auf Begleitung durch eine dritte Person. Ausführliche Informationen dazu gibt es beim knw Kindernetzwerk e. V.
  • Pflegeleistungen. Ist der Pflegebedarf Ihres Kindes durch eine Tic-Störung erhöht, haben Sie eventuell Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung.

Weiterführende Informationen

www.tourette-gesellschaft.de – Internetseite der Tourette-Gesellschaft Deutschland e. V. (TGD, Göttingen): Bietet eine große Auswahl an Informationen zum Tourette-Syndrom wie Erfahrungsberichte und Behandlungsmethoden.

Der Interessenverband Tic & Tourette Syndrome bietet Unterstützung und praktische Hilfe für Betroffene. Link zur Webseite: https://iv-ts.de/

Ausführliche Informationen zum Nachteilsausgleich für Kinder mit einer schweren Behinderung finden sich unter https://www.kindernetzwerk.de/downloads/aktiv/2019/2018_Nachteilsausgleich.pdf

Die interessante Biografie des Neurologen Gilles de la Tourette, Erstbeschreiber der Tics, findet sich unter https://www.iv-ts.de/wp-content/uploads/2014/09/biografie.pdf

Von: Dr. med. Nicole Menche in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
Zurück
Wenn Beine keine Ruhe geben

Unruhige Beine können den Nachtschlaf erheblich stören und zu ausgeprägter Tagesmüdigkeit führen.

Wenn Beine keine Ruhe geben

Restless legs

Wenn nachts im Liegen die Beine nicht zu Ruhe kommen wollen, sie kribbeln und schmerzen, können Restless Legs dahinterstecken. Bei leichten Beschwerden helfen oft einfache Maßnahmen wie Schlafhygiene oder Ablenkung. Doch häufig stören die unruhigen Beine den Schlaf so sehr, dass sie die Lebensqualität empfindlich einschränken. Spätestens dann kommen Medikamente zum Einsatz.

Herumlaufen statt Schlafen

Unangenehmer Bewegungsdrang in den Beinen, gepaart mit Missempfindungen und Schmerzen: Das sind die Hauptbeschwerden beim Restless-Legs-Syndrom (RLS). Die störenden Empfindungen sind vielfältig, sie reichen von Jucken, Kribbeln, Ziehen und Reißen bis zu starken Schmerzen. Sie treten vor allem im ruhigen Sitzen oder Liegen auf, also z.B. abends vor dem Fernseher oder nachts im Bett.

Typisch ist, dass Bewegung und Aktivität die Beschwerden lindern. Stark Betroffene müssen dann immer wieder aufstehen und herumlaufen, was den Schlaf stört. Das hat viele Folgen. Zum einen fördern Schlafstörungen Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Außerdem führt schlechter Schlaf zu Tagesmüdigkeit, was wiederum die Lebensqualität einschränkt. Dabei leidet das soziale Leben nicht nur durch die RLS-bedingte Erschöpfung. Der teils unstillbare Bewegungsdrang macht manchen Betroffenen Konzert- oder Theaterbesuche unmöglich, ebenso werden Flugreisen erschwert. Das kann so weit führen, dass sich die Patient*innen ganz aus dem geselligen Leben zurückziehen.

Tipp: Nicht immer wachen die Patient*innen durch ihre unruhigen Beine auf. Bei manchen macht sich das RLS auch dadurch bemerkbar, dass im Schlaf die Beine oder Füße zucken. Wenn dies von der Bettpartner*in bemerkt wird, sollte man ein mögliches RLS bei der Ärzt*in abklären lassen.

Warum die Beine nicht zur Ruhe kommen

Die Erkrankung Restless Legs ist zwar nicht so bekannt wie die Migräne, aber ebenso häufig: Bis zu 10% der Bevölkerung sollen davon betroffen sein, vor allem Frauen im mittleren Lebensalter. Zum Glück sind bei den meisten die Beschwerden mit allgemeinen Maßnahmen beherrschbar. Doch immerhin bis zu 5% der Patient*innen benötigen Medikamente, um ihre Beine zur Ruhe zu bringen.

Die Ursache der neurologischen Erkrankung ist nicht bekannt. Expert*innen vermuten Stoffwechselstörungen im Gehirn, betroffen sein sollen der Eisenstoffwechsel und das Dopaminsystem. Offenbar ist auch die genetische Veranlagung wichtig. Inzwischen wurden verschiedene Gene identifiziert, die beim RLS eine Rolle spielen. Außerdem hat etwa die Hälfte der Betroffenen Verwandte mit den gleichen Beschwerden.

In einigen Fällen treten Restless Legs auch mit anderen Erkrankungen zusammen auf. Dazu gehören die Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) und Polyneuropathien (Erkrankungen von Nervenfasern). Medikamente können ebenfalls RLS-Beschwerden auslösen, allen voran Antipsychotika, Antidepressiva und Metoclopramid.

Hinweis: Das RLS entwickelt sich manchmal auch im Rahmen einer Schwangerschaft. Meist bilden sich die Beschwerden nach der Entbindung wieder zurück.

Checkliste und L-Dopa-Test

Bei oben genannten Beschwerden ist es wichtig, die Hausarztpraxis aufzusuchen. Zur Vorbereitung kann man die RLS-Checkliste der Deutschen Restless-Legs-Vereinigung aus dem Internet ausdrucken und die darin gestellten zehn Fragen vorab beantworten. Das hilft der Ärzt*in bei der Abklärung, ob es sich bei den Beschwerden um ein RLS handelt. Neben der Krankengeschichte wird zur Diagnose häufig der sogenannte L-Dopa-Test herangezogen.

Beim L-Dopa-Test nimmt die Patient*in einmal abends L-Dopa und einen Decarboxylasehemmstoff ein. Gehen die Missempfindungen zurück, handelt es sich um ein RLS. Allerdings schließt ein Nicht-Ansprechen ein RLS nicht sicher aus - in solchen Zweifelsfällen hilft eine Untersuchung im Schlaflabor weiter.

In unklaren Fällen muss die Ärzt*in andere Krankheiten mit Beinschmerzen, Kribbeln oder Bewegungsdrang ausschließen. Dazu gehören beispielsweise die Spinalkanalstenose (eine Verengung des Wirbelkanals), Gelenkentzündungen, Venenerkrankungen oder Durchblutungsstörungen.

Ist ein RLS diagnostiziert, muss geklärt werden, ob zusätzlich eine begünstigende Erkrankung vorliegt. Bei einem entsprechenden Verdacht decken Laboruntersuchungen Eisenmangel, Nierenschwäche und andere Erkrankungen auf. Neurologische Spezialuntersuchungen kommen einer möglichen Nervenerkrankung auf die Spur.

Hinweis: Besonders wichtig bei der Diagnostik ist die ausführliche Medikamentenanamnese, d.h. die Abfrage, welche Arzneien die Patient*in einnimmt. Einige Wirkstoffe sind bekannt dafür, dass sie zu RLS-Symptomen führen oder diese verstärken. Dazu gehören Cimetidin, Flunarizin, Lithium und andere Antidepressiva sowie Antipsychotika wie Haldol, Clozapin und Risperidon.

Schlafhygiene, Eisen und Bewegung

Behandelt werden beim RLS sowohl die Symptome als auch – sofern gefunden - die Ursache. Liegt z.B. eine begleitende Erkrankung vor, muss diese therapiert werden. Sind Medikamente der Auslöser, wird die Ärzt*in diese absetzen bzw. ersetzen.

Zur Linderung der Beschwerden empfehlen Expert*innen zunächst eine Eisensubstitution. Bei leichteren Missempfindungen und niedrigen Ferritinwerten (≤ 75 µg/l Blut) erfolgt die Eisengabe oral. Ein schweres RLS mit eingeschränkter Lebensqualität sowie eine Transferrinsättigung <20% im Blut erfordern die intravenöse Gabe. Meist werden einmal 1000 mg oder zweimal 500 mg innerhalb einer Woche verabreicht.

Zusätzlich unterstützen folgende allgemeine Maßnahmen die Therapie:

  • Schlafhygiene verbessern. Dazu gehören ein dunkler, ruhiger und angenehm temperierter Schlafraum und eine gute Matratze. Abends sollten Aufregungen (aufwühlende Filme, belastende Nachrichten) und anstrengender Sport gemieden werden. Stattdessen helfen Rituale, die immer dem gleichen Rhythmus folgen. Etwa ein Abendspaziergang, ein Tee oder ein warmes Bad.
  • Beruhigende Ernährung. Lebensmittel mit raffiniertem Zucker oder kohlensäurehaltige Getränke wirken ungünstig auf ein RLS und sind deshalb zu reduzieren.
  • Aufputscher meiden. Betroffene berichten häufig, dass Alkohol, Kaffee, Cola und Rauchen die Beschwerden verschlimmern. Expert*innen empfehlen, nach 15 Uhr kein Koffein und ab vier Stunden vor dem Zubettgehen keinen Alkohol zu sich zu nehmen. Raucher*innen sollten versuchen, sich das Rauchen abzugewöhnen.
  • Körperliche Bewegung. Regelmäßige körperliche Aktivitäten, bei den die Beine beansprucht werden, können sich auf ein RLS positiv auswirken. Allerdings sollte man am Vormittag oder frühen Nachmittag Sport treiben. Spätere Anstrengungen können das RLS triggern.
  • Ablenkung. Wenn die Beschwerden abends vor dem Zubettgehen auftreten, helfen Ablenkung durch Hobbys, Spiele oder Basteln. Beim Fernsehen profitieren manche Patient*innen von Handarbeiten wie Stricken oder Häkeln.
  • Bettfahrrad. Niereninsuffiziente Patient*innen entwickeln häufig während ihrer Dialyse RLS-Symptome. Ihnen hilft es, wenn sie während der Dialyse ein Bettfahrrad benutzen.

Hinweis: Vorsicht mit Entspannungsübungen. Es gibt Hinweise, dass autogenes Training oder die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen die RLS-Beschwerden verschlechtern können. Wer dies nach Entspannungseinheiten bemerkt, sollte darauf lieber verzichten.

Wann Medikamente ran müssen

In manchen Fällen bleiben die Beschwerden trotz allgemeiner Maßnahmen und Eisengabe bestehen. Ist der Leidensdruck groß, sind im Gehirn wirkende Medikamente angezeigt. Dabei müssen jedoch die teils ausgeprägten unerwünschten Wirkungen der Medikamente bedacht und frühzeitig erkannt werden, um darauf zu reagieren.

Dopaminagonisten. Als Mittel der ersten Wahl gelten Dopaminagonisten. Sie werden eineinhalb bis zwei Stunden vor dem üblichen Beginn der Beschwerden eingenommen (Pramipexol oder Ropinirol) oder als Pflaster (Rotigotin) täglich neu aufgeklebt. Dabei verordnet die Ärzt*in die niedrigst wirksame Dosis, um eine sog. Augmentation zu vermeiden. Diese typische Komplikation der dopaminergen Therapie zeigt sich darin, dass die Beschwerden mit der Zeit deutlich früher beginnen, sich auf andere Körperteile ausbreiten, zunehmen oder die Wirkung der dopaminergen Substanz nachlässt.

Dopaminagonisten haben weitere Nebenwirkungen, die Patient*innen kennen müssen. In den ersten Wochen der Behandlung kann es zu Übelkeit, Schwindel und Benommenheit kommen. Bleiben diese unerwünschten Wirkungen bestehen, muss die Ärzt*in das Präparat absetzen oder austauschen. Eine weitere ernstzunehmende Nebenwirkung sind Impulskontrollstörungen, die bei jeder vierten Betroffenen auftreten. Dabei handelt es sich z. B. um Spiel- und Kaufsucht, zwanghaftes Essen und eine Steigerung der Libido. Kommt es dazu, muss die behandelnde Ärzt*in informiert und der Dopaminagonist ebenfalls abgesetzt werden.

Nach ärztlicher Rücksprache sofort abgesetzt wird der Dopaminagonist, wenn die Patient*in nachts wacher ist als ohne Therapie und die Tagesmüdigkeit erheblich zunimmt. Das Gleiche gilt, wenn es am Tag zu Schlafattacken kommt, die das Autofahren unmöglich machen.

Gabapentinoide. Pregabalin und Gabapentin sind wirksam gegen RLS-Beschwerden, in Deutschland dafür aber nicht zugelassen. Ihr Off-Label-Einsatz gilt den aktuellen Leitlinien zufolge als gerechtfertigt, wenn Dopaminagonisten z.B. aufgrund von Impulskontrollstörungen nicht gegeben werden können oder die Schmerzen besonders ausgeprägt sind. Vor allem bei älteren Patient*innen führen Gabapentinoide allerdings zu Schwindel, Gangstörungen, Benommenheit und Sehstörungen.

Opioide. Die Kombination von Oxycodon und Naloxon gilt als sicher und effektiv bei der Behandlung des RLS. Sie ist als zweite Wahl zugelassen, d.h. wenn andere Therapien versagt haben oder aufgrund von Nebenwirkungen nicht möglich sind. Neben unerwünschten Wirkungen wie Schwitzen, Juckreiz, Müdigkeit und Benommenheit droht bei chronischer Einnahme von Opioiden eine körperliche und psychische Abhängigkeit.

Neben diesen Wirkstoffen empfiehlt die RLS-Leitlinie zur Behandlung zwei nicht-medikamentöse Verfahren. So bessert die regelmäßige Bestrahlung der Beine mit Infrarotlicht die Beschwerden. Dahinter steckt vermutlich die Wirkung von Stickstoffmonoxid auf die Gefäße. Auch die transkutane spinale Gleichstromstimulation soll RLS-Beschwerden bessern. Dabei werden über der Wirbelsäule zwei Flächenelektroden aufgeklebt und niedrig dosierte Ströme appliziert.

Hinweis: Immer wieder werden auch Cannabinoide, Magnesium oder Benzodiazepine zur Behandlung des RLS vorgeschlagen. Aufgrund fehlender Wirknachweise empfiehlt die Leitlinie diese Therapien bisher nicht. Das Gleiche gilt für Laser- und Kältetherapien, Akupunktur und die pneumatische Kompression der Beine.

Quellen: Leitlinie, Deutsche Restless Legs Vereinigung

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images/Andriy Popov/Alamy/Alamy Stock Photos