Gesundheit heute

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)

Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME): Entzündung der Hirnhäute (allein oder kombiniert mit einer Entzündung des Gehirns und selten auch des Rückenmarks), verursacht durch bei einem Zeckenstich übertragene FSME-Viren. Bei Erwachsenen reichen die Beschwerden von grippeähnlichen Symptomen bis hin zu Lähmungen und Bewusstseinsstörungen, zudem besteht die Gefahr von bleibenden Schäden. Bei Kindern verläuft die Erkrankung meistens leicht und heilt folgenlos ab.

Behandelt wird die FSME rein symptomatisch, d. h. mit fiebersenkenden und schmerzlindernden Medikamenten. Zur Vorbeugung gibt es eine Schutzimpfung gegen FSME, ansonsten gilt es, Zeckenstiche durch Schutzmaßnahmen zu vermeiden.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Grippeähnliche Symptome wie Abgeschlagenheit, Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen
  • Später erneuter Fieberanstieg, (heftige) Kopfschmerzen, möglicherweise auch Nackensteifigkeit, Übelkeit und Erbrechen
  • Lähmungen, Gleichgewichtsstörungen, Sprech- und Schluckstörungen und Bewusstseinsstörungen (bei zusätzlicher Entzündung des Gehirns).

Wann zum Arzt

Heute noch, wenn

  • oben genannte Beschwerden auftreten

Die Erkrankung

Epidemiologie und Übertragung

Die Frühsommer-Meningoenzephalitis wird durch FSME-Viren ausgelöst, deren Hauptwirte Kleintiernager des Waldes und – selten– auch Ziegen sind. Zecken nehmen beim Stechen dieser Wirtstiere die FSME-Viren auf und übertragen sie dann durch Zeckenstiche auf Menschen. In Risikogebieten sind etwa 3 % der Zecken mit dem FSME-Virus infiziert – wobei nur ein Bruchteil der gestochenen Personen auch tatsächlich erkrankt. Als Risikogebiete gelten große Teile Süddeutschlands, aber auch einzelne Kreise in Rheinland-Pfalz, Hessen und sogar in Niedersachsen gehören laut Robert Koch-Institut inzwischen dazu (Links zu den aktuellen Karten siehe unter "Weiterführende Informationen").

FSME-Infektionen erfolgen vor allem zwischen März und November mit einem Gipfel in den Sommermonaten. Je nach "Zeckenaufkommen" schwanken die jährlichen Erkrankungszahlen, im Jahr 2017 wurden dem Robert Koch-Institut beispielsweise 485 FSME-Erkrankungen gemeldet.

Die meisten Menschen, die von einer mit FSME-Viren infizierten Zecke gestochen werden, zeigen 1–2 Wochen nach dem Stich allenfalls leichte grippeähnliche Beschwerden, die nach einigen Tagen wieder abklingen.

Bei knapp 10 % der Infizierten kommt es jedoch nach 3–4 Wochen zu erneutem Fieberanstieg und einer schweren Entzündung des Nervensystems. In 50 % dieser Fälle bleibt es bei einer reinen Hirnhautentzündung. Bei etwa 40 % der Patienten breitet sich die Entzündung jedoch zusätzlich auf das Gehirn aus und es entwickelt sich eine (Meningoenzephalitis) mit Lähmungen und Bewusstseinsstörungen. Sehr selten kommt es zu einer Entzündung des Rückenmarks (Myelitis).

Diagnosesicherung

Bei Verdacht auf FSME entnimmt der Arzt Blut und Liquor (Entnahme von Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit), um den Erreger direkt nachzuweisen oder nach Antikörpern gegen das FSME-Virus und Entzündungszeichen des Nervensystems zu suchen. Zusätzlich ist manchmal ein Kernspin des Gehirns oder Rückenmarks erforderlich, vor allem, um die wichtigste Differenzialdiagnose, die Herpes-simplex-Gehirnentzündung (Gehirnentzündung) abzugrenzen.

Differenzialdiagnosen. Je nach Ausprägung gibt es zahlreiche andere Erkrankungen, die ähnliche Beschwerden wie eine FSME verursachen. Dazu gehört an erster Stelle – weil eine sofortige Behandlung erforderlich ist – die Herpes-simplex-Gehirnentzündung. Weitere mögliche Differenzialdiagnosen sind z. B. Hirnhautentzündungen und Hirnentzündungen anderer Ursachen (z. B. Borreliose, Influenza); stehen neurologische Symptome im Vordergrund aber auch Schlaganfall und Hirnblutung.

Behandlung

Patienten mit Verdacht auf eine Frühsommer-Meningoenzephalitis weist der Arzt in ein Krankenhaus ein, weil immer das Risiko einer dramatischen Verschlechterung besteht und sich zum Beispiel eine Atemlähmung entwickeln kann.

Gegen die Infektion selbst gibt es bisher keinen Wirkstoff. Ist die Krankheit ausgebrochen, behandeln die Ärzte die Beschwerden mit Schmerzmitteln und fiebersenkenden Medikamenten, z. B. mit Paracetamol oder Metamizol. Falls die Diagnose nicht eindeutig ist, empfehlen die Leitlinien beim geringsten Verdacht auf eine Herpes-simplex-Gehirnentzündung auch eine sofortige antivirale Behandlung mit Aciclovir (bis zur endgültigen Sicherung der Diagnose).

Bei etwa 5 % der Patienten wird eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich, weil sie eine schwere Bewusstseinsstörung oder Atemlähmung entwickeln. Ein Teil der Patienten benötigt aufgrund von Lähmungen und Sprachstörungen auch krankengymnastische oder logopädische Betreuung.

Prognose

Sind nur die Hirnhäute betroffen, heilt die FSME in der Regel folgenlos aus. Etwa 20 % der Patienten mit zusätzlicher Entzündung des Gehirns behalten dauerhaft Störungen zurück, z. B. Konzentrations- oder Koordinationsstörungen, Hör- oder Sprachschäden sowie Lähmungen.

Ihr Apotheker empfiehlt

Vor einer Frühsommer-Meningoenzephalitis schützen die FSME- oder Zeckenimpfung und das Vermeiden von Zeckenstichen.

Zeckenimpfung

Die Zeckenimpfung (Encepur®, FSME-Immun®) ist ab dem vollendeten 1. Lebensjahr möglich und empfiehlt sich vor allem für Menschen, die in Risikogebieten leben und dort in Kontakt mit Zecken kommen. Geimpft wird insgesamt dreimal im Zeitraum von 9–12 Monaten. Erst dann besteht ein wirksamer Schutz. Die Impfung sollte alle 3–5 Jahre wiederholt werden, wenn weiterhin ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Der Impfstoff ist im Allgemeinen gut verträglich. Trotzdem sollten Kinder unter 3 Jahren erst nach sorgfältiger Risikoabwägung geimpft werden.

Risikogebiete für FSME sind in Deutschland vor allem Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz. Hinzu kommen weite Teile Österreichs und in der Schweiz. Da sich die Gebiete immer weiter ausbreiten sind jeweils die aktuellen Karten zu beachten (Links unter "Weiterführende Informationen").

Schutz vor Zeckenstichen

  • Zeckenorte meiden. Halten Sie sich möglichst nicht in hohem Gras und Unterholz auf. Zecken sitzen bodennah in der Vegetation, und zwar vor allem in einer Höhe von 30–60 cm. Sie fallen also nicht von den Bäumen, wie häufig behauptet wird.
  • Schützende Kleidung wählen. Tragen Sie beim Spazierengehen oder Wandern geschlossene Kleidung mit langen Ärmeln und lange Hosen. Ziehen Sie die Socken über die Hosenbeine, damit die Zecken nicht so leicht unter die Kleidung krabbeln können. Tragen Sie helle Kleidung – darauf können Sie Zecken besser erkennen.
  • Repellents verwenden. Sprühen Sie Hände, Hals und weitere unbedeckte Körperteile mit zeckenabweisenden Repellents ein.
  • Auf Zecken kontrollieren. Suchen Sie nach dem Spazierengehen oder Wandern Ihre Haut nach Zecken ab, vor allem die Kniekehle, Arme, Hals und Kopf und Intimbereich.
  • Beratung suchen. Informieren Sie sich über die Risikogebiete und lassen Sie sich beraten, ob bei Ihnen eine Impfung gegen FSME sinnvoll ist.
  • Hunde und Katzen vor Zecken schützen! Achten Sie darauf, dass Ihr Haustier keine Zecken mit nach Hause bringt. Vorbeugend wirken sogenannte Spot-on-Lösungen, die direkt auf die Haut aufgebracht werden oder spezielle Zeckenhalsbänder. Inzwischen gibt es auch Tabletten, die bis zu 3 Monate lang gegen Zecken wirken. Die Wirkstoffe der Tabletten schaden den Zecken jedoch in der Regel erst nach dem Biss. Damit verhindern die Tabletten die Kranheitsübertragung an Hund oder Katze. Wird die Zecke jedoch nur im Fell mitgebracht, nimmt sie den Wirkstoff nicht auf und kann sich noch ein anderes Opfer suchen. Daher sollte hier das Fell trotzdem noch auf mitgebrachte Zecken kontrolliert werden.

Weiterführende Informationen

    • o  

Von: Dr. med. Nicole Menche in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
Zurück
Keine Chance der Migräne!

Migräne beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen erheblich.

Keine Chance der Migräne!

Behandeln oder vorbeugen

Wer unter einer Migräneattacke leidet, möchte erstmal nur eines: Dass sie schnell wieder verschwindet. Mit modernen Wirkstoffen gelingt das heutzutage in den meisten Fällen auch. Sind die Attacken besonders schwer oder besonders häufig, gibt es mehrere Möglichkeiten, ihnen vorzubeugen.

Volkskrankheit mit üblen Folgen

Die Migräne ist eine sehr häufige Kopfschmerzerkrankung: Weltweit sollen mehr als eine Milliarde Menschen darunter leiden. In Deutschland sind laut Robert Koch-Institut 15% der Frauen und 6% der Männer von Migräne betroffen, manche Fachleute gehen sogar von noch höheren Zahlen aus.

Die immer wiederkehrenden Migräne-Attacken sind gekennzeichnet durch einseitige, pulsierende Kopfschmerzen unterschiedlicher Stärke, die sich bei Bewegung oft verschlimmern. Vielfach gehen sie mit Übelkeit und Erbrechen einher, und viele Betroffene sind überempfindlich gegenüber Licht, Geräusche oder Gerüche. Die Anfälle dauern zwischen vier Stunden und drei Tage. Auch die Häufigkeit der Migräneanfälle variiert erheblich: Manche Menschen haben nur wenige Attacken im Jahr, manche mehr als 15 Migränetage im Monat (dann spricht man von einer chronischen Migräne).

Bis zu 30% der Betroffenen erleben zusätzlich zu den Kopfschmerzen auch Auraphänomene. Eine Aura ist eine im Gehirn ausgelöste, sich wellenförmig über die Hirnrinde ausbreitende Nervenzellaktivität. Sie macht sich bemerkbar durch beidseitiges Doppeltsehen oder andere Sehstörungen wie

  • Einschränkungen des Gesichtsfelds, d.h., das Sehfeld wird kleiner und das räumliche Sehen erschwert
  • Flimmersehen
  • blendende, sich ausbreitende Kreise oder Vierecke sowie
  • Lichtblitze oder Sterne vor den Augen.

Weitere mögliche Auraphänomene sind Probleme beim Sprechen, Tinnitus, Schwindel oder Bewusstseinsstörung. In seltenen Fällen leiden Migränepatient*innen auch nur unter Auraphänomenen, ohne dabei Kopfschmerzen zu haben.

Migräne ist eine überaus belastende chronische Erkankung. Die Lebensqualität der Betroffenen ist durch die Attacken oft stark eingeschränkt, viele müssen aufgrund der Anfälle immer wieder Verabredungen und Termine absagen und ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück.

Hinweis: Nicht nur die persönlichen, auch die sozioökonomischen Folgen der Erkrankung sind enorm. Durch Migräne gehen jährlich etwa 1,9 Milliarden Arbeitsstunden verloren. Insgesamt kostet das die deutsche Volkswirtschaft durchschnittlich 146 Milliarden Euro Wertschöpfung pro Jahr.

Wo kommt die Migräne her?

Ganz sind die Vorgänge hinter den Migräneattacken noch nicht geklärt. Dreh- und Angelpunkt scheint aber die Freisetzung verschiedener Botenstoffe im Gehirn zu sein. Dazu gehören das vasoaktive intestinale Peptid (VIP), die Schmerzsubstanz P und das Calcitonin-Gene-Related Peptide (CGRP). Diese sorgen dafür, dass sich die Blutgefäße in den Hirnhäuten entzünden. Weil die Blutgefäße mehr durchblutet werden, muss sich die entzündete Gefäßwand dehnen. Das wiederum wird im Gehirn als pulsierender Kopfschmerz wahrgenommen.

Heute geht man davon aus, dass die Migräne auf einer genetischen Veranlagung beruht. Vererbt ist also, dass die Nervenzellen der Patient*innen auf bestimmte Reize oder Zustände mit einer Migräneattacke reagieren. Häufige Auslöser sind Aufregung, Stress und Schlafmangel. Es gibt aber individuell viele weitere Trigger, dazu gehören z.B.

  • Lebensmittel (z.B. Kaffee, Cola, Alkohol, Schokolade und Käse)
  • Zeitverschiebungen und Veränderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus
  • Wetterumschwünge, Föhnwetter
  • Hormoneinnahme (z.B. die Pille)
  • Gerüche, z.B. Zigarettenrauch, Parfüm oder Lösungsmittel
  • ungewohnte körperliche Anstrengung
  • Weglassen von Mahlzeiten
  • Lichtreize von außen wie flackerndes Licht oder Neonlicht.

Hinweis: Bei empfindlichen Personen kann der plötzliche Wechsel zwischen Arbeitsstress und Entspannung Migräneanfälle auslösen. Dieses Phänomen ist unter der Bezeichnung „Feiertagsmigräne“ bekannt.

Akute Attacke bekämpfen

Ruhe und das Abschirmen von äußeren Reizen sind die ersten Maßnahmen bei einer akuten Migräne. Medikamentös gibt es verschiedene Optionen, die zum Teil ärztlich verschrieben werden müssen. Oft haben die Betroffenen erst nach einigen Versuchen „ihr“ Migränemedikament identifiziert. Das wichtigste ist dann, bei einer Attacke so früh wie möglich und hochdosiert zu behandeln.

Schmerzmittel. Leichte bis mittelschwere Attacken lassen sich häufig mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) beherrschen. Günstig sind Brausetabletten, weil der Körper den in Wasser gelöste Wirkstoff schnell aufnimmt. Empfohlen werden z.B. 1000 mg Acetylsalicylsäure (ASS) oder 200 – 600 mg Ibuprofen, jeweils als Einmalgabe. Wer keine NSAR nehmen darf, kann sich mit Paracetamol behelfen. Auch empfohlen, aber etwas weniger wirksam sind Diclofenac-Kalium-Kombinationen oder Kombinationspräparate mit ASS, Paracetamol und Koffein.

Triptane. Bei mittelschweren bis schweren Migräneattacken sind Triptane die Therapie der Wahl. Das Gleiche gilt, wenn die Kopfschmerzen nicht auf die oben genannten Schmerzmittel ansprechen. Triptane verengen die erweiterten Gefäße wieder. Außerdem hemmen sie die entzündungsfördernden Botenstoffe und die Weiterleitung von Schmerzimpulsen in den Nerven. In Deutschland sind sechs Triptane zugelassen, sie werden als Tabletten, Nasenspray, Zäpfchen oder als Spritze verabreicht. Am schnellsten und stärksten soll gespritztes Sumatriptan wirken. Zum Schlucken sind laut Migräneleitlinie Eletriptan und Rizatriptan am schnellsten wirken. Naratriptan und Almotriptan sind als Tabletten auch rezeptfrei verfügbar.

Die Einnahme von Triptanen sollte nur nach Rücksprache mit der behandelnden Ärzt*in erfolgen. Da sie an Gefäßen verengend wirken, sind sie für Menschen mit Gefäßerkrankungen tabu. Sie kommen also zum Beispiel nicht in Frage bei koronarer Herzkrankheit, peripherer Verschlusskrankheit (pAVK) oder Bluthochdruck. Auch während der Schwangerschaft und Stillzeit sollten Triptane nicht eingesetzt werden.

Neue Medikamente. Auch für Menschen, bei denen Triptane keine Besserung bringen, gibt es dank neuer Wirkstoffe Hoffnung. Rimegepant blockiert den CGRP-Rezeptor, und verhindert damit, dass der entzündungsfördernde Botenstoff CGRP an den Gefäßen andocken kann. Lasmiditan wirkt ähnlich wie Triptane, verengt aber die Gefäße nicht. Es könnte deshalb auch für Patient*innen mit Gefäßerkrankungen eine Option sein. Beide Wirkstoffe sind in Deutschland aber leider noch nicht erhältlich (Stand Januar 2023).

Hinweis: Manchmal hilft es auch, Migränemittel nach ärztlicher Rücksprache zu kombinieren. Möglich ist beispielsweise die Kombination aus Triptan und einem lang wirkenden NSAR wie Naproxen.

Akute Migräne alternativ lindern

Neben Triptanen und Schmerzmitteln gibt es auch nicht-medikamentöse Verfahren, mit denen sich eine akute Migräneattacke lindern lässt:

  • Durch ein spezielles Blut-Volumen-Puls-Biofeedback können Migränepatient*innen lernen, akuten Attacken Einhalt zu gebieten. Dabei wird im schmerzfreien Intervall mithilfe eines kleinen Sensors an der Schläfe gezielt trainiert, die Schläfenarterie zu verengen.
  • Ebenfalls erfolgreich bei der Behandlung von Migräneattacken ist die Stimulation des Nervus trigeminus. Dazu klebt man eine Reizelektrode auf die Stirn und koppelt einen kleinen Impulsgeber für etwa eine Stunde magnetisch an.
  • Manchen Betroffenen hilft auch die Akupunktur im akuten Anfall. Nicht aller Studien konnten hier aber tatsächlich einen Effekt nachweisen.

In einigen Fällen lassen sich Migränekopfschmerzen und ihre Nebenerscheinungen überhaupt nicht selbst beherrschen. Ein solcher Zustand gilt als Notfall, der in ärztliche Hände gehört.

Hinweis: Gegen die begleitende Übelkeit helfen Metoclopramid und Domperidon. Diese Präparate haben auch den Vorteil, dass sie den Magen beruhigen und dadurch die Aufnahme geschluckter Schmerzmittel und Triptane verbessern.

Vorbeugender Lebensstil

Generell profitieren Patient*innen mit Migräne von einem achtsamen Lebensstil. Dazu gehören etwa das regelmäßige Üben von Entspannungsverfahren oder das Achtsamkeitstraining. Auch die kognitive Verhaltenstherapie soll Betroffenen helfen, die Migräne und die damit verbundenen Belastungen zu reduzieren. Wer seine Trigger (siehe oben) kennt, kann diese meiden und dadurch Migräneattacken vorbeugen.

Eine weitere sehr effektive Vorbeugungsmaßnahme ist regelmäßiger Sport. Dabei ist jede Bewegung von Vorteil. Besonders gut scheinen aber regelmäßiges Krafttraining und begleitendes Ausdauertraining zu wirken.

Hinweis: Mit Nahrungsergänzungsmitteln lässt sich – obwohl häufig propagiert – wenig gegen Migräneattacken ausrichten. Es gibt jedoch Hinweise, dass bestimmte Ernährungsweisen hilfreich sein können. Dazu gehört vor allem der Verzicht auf Zucker und Fett, evtl. auch die ketogene Diät.

Migräneprophylaxe mit Medikamenten

Bei sehr stark betroffenen Patient*innen kann es sinnvoll sein, der Migräne durch die dauerhafte Einnahme von Medikamenten vorzubeugen. Das ist etwa der Fall bei mehr als drei Attacken pro Monat, bei besonders schweren und langen Anfällen oder wenn die Akuttherapie nicht hilft. Die Präparate können – jeweils in unterschiedlichem Ausmaß - die monatlichen Migränetage reduzieren. Zu einer kompletten Migränefreiheit führt keines der Präparate, es verlängern sich nur die Pausen zwischen den Attacken.

Wichtig zu wissen: Es dauert oft einige Zeit, bis die Prophylaxe greift. Zur endgültigen Beurteilung der sollte man deshalb mindestens drei Monate abwarten, bei chronischer Migräne empfehlen Fachleute auch einen Therapieversuch über bis zu sechs Monaten.

Die Dauer der Prophylaxe variiert individuell je nach Ausmaß der Beschwerden und der verwendeten Substanz. Flunarizin soll beispielsweise nicht länger als sechs Monate eingenommen werden. Alle anderen Wirkstoffe werden mindestens neun Monate lang gegeben. Danach ist ein Auslassversuch möglich, d.h. man setzt das Medikament wieder ab und beobachtet, ob die Patient*in auch ohne die vorbeugende Therapie auskommt.

Welches Präparat am besten geeignet ist, entscheiden Betroffene und Ärzt*in gemeinsam. Wichtig sind dabei auch eventuelle Begleiterkrankungen. Leidet die Patient*in z.B. an Bluthochdruck, gibt man häufig Betablockern den Vorzug. Besteht zusätzlich eine Depression, versucht man es gern mit Antidepressiva. Bei Migräne und Epilepsie bieten sich dagegen Antiepileptika wie Valproinsäure an.

Traditionelle Migräneprophylaktika. Zu den Klassikern gehören Betablocker, vor allem Propanolol und Metoprolol. Daneben werden auch Flunarizin, das Antidepressivum Amitryptilin, und die Antiepileptika Topiramat und Valproinsäure zur Prophylaxe der Migräne eingesetzt. Eine weitere Option ist die Injektion des muskelentspannenden Wirkstoffs Onabotulinumtoxin (Botox) in bestimmte Bereiche der Schädelmuskulatur.

Antikörper gegen CGRP. Seit einigen Jahren gibt es Antikörper, die den Botenstoff und „Migräneverursacher“ CGRP oder dessen Rezeptor hemmen. Zugelassen zur Migräneprophylaxe sind inzwischen vier Wirkstoffe. Sie alle sind laut Migräneleitlinie gut verträglich und wirksamer als ein Scheinmedikament. Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab werden unter die Haut gespritzt, ihre Wirkung setzt meist nach bis zu zwei Wochen ein. Eptinezumab gibt die Ärzt*in direkt in die Vene, sein Vorteil ist deshalb eine etwas schnellere Wirksamkeit.

Etliche Menschen dürfen diese Antikörper allerdings nicht einnehmen. Dazu gehören diejenigen mit Gefäßerkrankungen wie koronare Herzerkrankung, Schlaganfall, pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit, auch Schaufensterkrankheit genannt) oder einem Morbus Raynaud. Auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sind die Antikörper kontraindiziert. Schwangere, Stillende oder Frauen, die nicht (ausreichend) verhüten, dürfen das Medikament ebenfalls nicht erhalten.

Rimegepant. Rimegepant kann Migräneattacken möglicherweise ebenfalls vorbeugen, so die aktuellen Migräneleitlinien. Sein großer Vorteil: Das Medikament muss nicht gespritzt, sondern kann einfach geschluckt werden. Wo sich die zugelassene, aber in Deutschland noch nicht erhältliche (Stand Januar 2023) Substanz in der Praxis einreiht, ist allerdings noch ungewiss.

Vergleichsstudien, welches Präparat am besten wirkt, gibt es kaum. In einer Studie erwies sich Erenumab als effektiver und besser verträglich als Toparimat. In einer anderen Studie waren Propanolol und Topiramat vergleichbar effektiv zur Vorbeugung bei chronischer Migräne. Rimegepant wiederum soll etwas weniger wirksam sein als Migräne-Antikörper. Letztendlich wird ebenso wie bei der Therapie der akuten Migräne die Patient*in durch Therapieversuche herausfinden, welches Präparat für sie am geeignetsten ist.

Hinweis: Ein wichtiges Instrument zur Beurteilung von Therapieerfolg und Krankheitsaktivität ist das Kopfschmerztagebuch. Dafür gibt es inzwischen als praktische Variante auch zahlreiche Apps fürs Smartphone.

Nervenblockaden und Muskeldurchtrennung

Wenn Medikamente zur Vorbeugung gegen chronische Migräne nicht helfen, kann man auch direkt auf die schmerzleitenden Nerven einwirken (interventionelle Verfahren). Die Ärzt*innen blockieren die Nerven z.B, indem sie in unmittelbarer Nähe lokale Betäubungsmittel oder Kortison spitzen. Manchmal entscheiden sich die Ärzt*innen aber auch dazu, die Nerven elektrisch zu stimulieren. Weitere Verfahren wie die Durchtrennung perikranieller (den Schädel umgebender) Muskeln oder das Einpflanzen stimulierender Elektroden in bestimmte Gehirnregionen (z.B. das Ganglion sphenopalatinum) werden heute nicht mehr empfohlen.

Quelle: Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2022, DGN und DMKG

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Ground Picture/shutterstock.com