Gesundheit heute

Psychotrope Substanzen

Psychotrope Substanzen sind pflanzliche, synthetische oder halbsynthetische Stoffe, die über die Zentralnerven Einfluss auf die Psyche des Menschen nehmen. Verändert werden insbesondere Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln. Zu den psychotropen Substanzen zählen damit nicht nur illegale Drogen wie Amphetamine, Ecstasy oder Kokain, sondern auch Genussmittel wie Alkohol, Tabak und Koffein.

Die weltweit gültige ICD-10-Klassifikation unterscheidet folgende psychotrope Substanzen:

  • Alkohol
  • Opiate
  • Cannabinoide
  • Beruhigungs- und Schlafmittel
  • Kokain
  • Halluzinogene
  • Tabak
  • flüchtige Lösungsmittel
  • andere Substanzen, einschließlich Koffein

Sondertext: Schlafmittel

Zu unterscheiden ist zwischen dem Konsum psychotroper Substanzen und der stoffgebunden Abhängigkeit. Eine Abhängigkeit von psychotropen Substanzen liegt vor, wenn mindestens drei der folgenden Punkte zutreffen:

  • Zwanghaftes Verlangen nach der Substanz, evtl. einhergehend mit Persönlichkeitsveränderung
  • Verminderte Kontrolle über den Konsum
  • Anhaltender Konsum trotz negativer Auswirkungen auf Psyche, Körper oder Sozialleben
  • Vernachlässigung von Hobby, Interessen und sozialen Kontakten zugunsten des Substanzgebrauchs
  • Körperliche Toleranzentwicklung gegenüber der Substanz
  • Entzugserscheinungen bei Konsumverzicht

Ob der Konsum psychotroper Substanzen toleriert wird oder verboten ist, variiert je nach Gesellschaft, Epoche und Stoff. Schon innerhalb der EU besteht kein Konsens darüber, was eine illegale Droge ist, und ob oder warum Cannabis verboten sein soll. In der Schädlichkeit stehen die sogenannten Genussmittel den illegalen Drogen nicht nach: Die jährlich etwa 1500 Drogentoten in Deutschland sind eine erschreckend hohe Zahl. Übertroffen werden sie von einer zehnfach höhere Zahl an Toten durch Alkoholkonsum und einer bis zu 75-mal höheren Zahl an Toten durch langfristigen Nikotingenuss. Erfahrungen in vielen Ländern zeigen: Präventivmedizinisch wirksamer als das Verbot von gesundheitlich gefährlichen Substanzen und die Kriminalisierung ihres Konsums ist im Fall von Tabak und Alkohol ihre massive Besteuerung – das zeigen Erfahrungen in vielen Ländern. Damit wird auch das Problem der Beschaffungskriminalität von vornherein vermieden.

Etwa 300 000 Menschen sind in Deutschland abhängig von illegalen Drogen wie Heroin, LSD und Kokain, Männer doppelt so häufig wie Frauen. Eine Auswahl an illegalen Drogen wird im Folgenden näher besprochen. Für weitere Informationen beachten Sie auch die separaten Artikel über Alkohol-, Cannabis- und Nikotinabhängigkeit.

Opiate

Aus dem getrockneten Saft des Schlafmohns gewonnene Substanzen, zu denen unter anderen Opium, Morphin, Heroin, Codein und Methadon gehören. Produziert werden Opiate fast ausschließlich im Mittleren Osten mit Afghanistan als Zentrum. Dort oder im Zielland werden Opiate zu Heroin weiterverarbeitet. Heroin besitzt das höchste Abhängigkeitspotenzial unter den Drogen mit ausgeprägter psychischer und körperlicher Abhängigkeit und schneller Toleranzentwicklung.

Halbsynthetisch oder synthetisch hergestellte Opiate werden auch als Opioide bezeichnet. Ärzte setzen sie als hochwirksame Mittel zur Therapie starker Schmerzen ein. Um Missbrauch zu verhindern, unterliegen sie der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtM-VV). Bei starken Schmerzen in angemessener Dosierung eingesetzt, machen Opiate aber nicht abhängig.

Wirkung und Beschwerden

  • Gefühl des Entrücktseins und wohliger Wärme
  • Glücksgefühl (Euphorie)
  • Schnelle Stimmungswechsel
  • Krankhafte Schläfrigkeit, Müdigkeit
  • Langsamer Puls
  • Gewichtsverlust, Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen
  • Enge Pupillen
  • Verwaschene (diffuse) Sprache.

Kokain

Kokain (Koks) wird aus den Kokablättern gewonnen, die hauptsächlich in Südamerika angebaut und dort vornehmlich gekaut werden. Im 19. Jahrhundert wurde der Wirkstoff der Kokapflanze extrahiert und in das wasserlösliche Kokainhydrochlorid umgewandelt.

Kokain ist ein Rauschmittel, das zu starker psychischer Abhängigkeit führt und klassischerweise geschnupft wird, aber auch gespritzt und geraucht werden kann. Durch den Zusatz von Chemikalien wie Natron wird so genanntes Crack hergestellt, das die gleiche Wirkung wie Kokain besitzt, allerdings um ein Vielfaches intensiver ist. Crack hat das höchste Abhängigkeitspotential. Die Droge kann bereist nach Erstkonsum in die Abhängigkeit führen.

Wirkung und Beschwerden

  • Bei akuter Kokainwirkung (Kick): Euphorische Stimmung, Glücksgefühl, Rededrang und Enthemmung, Kritiklosigkeit, Größenwahn, subjektive Kreativitäts- und Leistungssteigerung, reduziertes Hunger- und Durstgefühl, reduziertes Schlafbedürfnis, Pupillenerweiterung, Bluthochdruck und Tachykardie (schnelle Herzrhythmusstörungen)
  • Im Rauschstadium: Halluzinationen mit Verfolgungswahn
  • Im „depressiven“ Stadium (des Entzugs): Heftige Ängste und depressive Grundstimmung.
  • Die Einnahme von Kokain steigert das Risiko für ein akutes Koronarsyndrom und verschlimmert auch den Verlauf der Erkrankung. Bei Patienten, die Kokain konsumieren, verlaufen Herzinfarkte deutlich schwerer als bei kokainabstinenten Patienten. Ihr Risiko, an einem Herzinfarkt zu sterben, ist um das Zehnfache erhöht.

Designerdrogen

Designerdrogen: Synthetisch hergestellte Drogen, die euphorisch machen und Müdigkeit scheinbar wegblasen, aber rasch psychische Abhängigkeit erzeugen. Zu diesen Drogen gehören unter anderem:

LSD (Lysergsäurediethylamid, Acid): Eines der stärksten Halluzinogene, mit dem körpereigenen Hormon Serotonin verwandt, das die Verdauung, Herzfrequenz oder den Blutdruck beeinflusst. Die Wirkungsdauer („Trip“) beträgt etwa 8–12 Stunden. Es kommt zu einer erwünschten Wahrnehmungsveränderung in einem Zustand vollständiger Wachheit (Intensivierung, Illusion, Halluzination).

Amphetamine (Speed), Crystal Meth (Metamphetamine) , Meth, Yaba, Crystal Speed, Ice: Stark aufputschende Drogen, beliebt als „Partydroge“, Muntermacher oder Appetitzügler. Es handelt sich meist um Pulver, das durch die Nase geschnupft oder in Flüssigkeit gelöst geschluckt wird. Amphetamine wirken ähnlich wie Kokain durch Ausschüttung von Noradrenalin und Dopamin. Daraus resultieren für 6–8 Stunden vermindertes Schlaf-, Hunger- und Durstempfinden, euphorische Zustände sowie gesteigertes Selbstvertrauen.

Besonders gefährlich ist Crystal Meth. Der Wirkstoff Metamphetamin kann wie Schnupftabak gesnieft, gerauchtintravenös injiziert und geschluckt werden. Rauchen (Ice) und Injektion sind besonders gefährlich, akute Vergiftungen durch Überdosierung sind häufig. Zeichen der Überdosierung sind Fieber, Schwitzen, Mundtrockenheit, Schwindel , Zittern, Angstzustände sowie Kreislaufkollaps mit Blutdruckabfall bis hin zum Tod.

Die orale Aufnahme durch Crystal Meth-Kügelchen (Bömbchen) ist risikoärmer, aber in Mitteleuropa eher unüblich. Crystal Speed wirkt 20 bis 30 Stunden, macht extrem abhängig und verursacht bei Überdosierung Hirnblutungen und Herzstillstand. Der euphorischen Wirkphase folgt eine Phase von Lethargie und depressionsähnlicher Missstimmung (Kater, „Coming down“). Als Langzeitfolgen drohen Hautgeschwüre, Organblutungen und Psychosen.

Ecstasy (XTC): Gemisch aus synthetischen Drogen, wobei der Hauptbestandteil MDMA – ein Amphetamin – ist, die Wirkung hält etwa 4–6 Stunden an. Das Drogengemisch verbreitet sich seit etwa 25 Jahren, ausgehend von den USA, und gehört heute zu den am häufigsten konsumierten harten Drogen. Die Einnahme führt zu amphetamintypischen Symptomen.

Leitbeschwerden (aller Designerdrogen)

  • Psychische Beschwerden wie Unruhe, Nervosität, Enthemmung, Euphorie, Halluzinationen und Verfolgungswahn, Angst und Panik
  • Körperliche Beschwerden wie Appetitlosigkeit, Blutdruckanstieg bis hin zum Herz-Kreislauf-Versagen.

Eine akute Gefährdung besteht durch Austrocknung (Exsikkose) und Herzversagen. Bei längerem Konsum kann es zu bleibenden Bewusstseins- und Wahrnehmungsstörungen kommen. Ecstasy ist keine harmlose „Partydroge“.

Das macht der Arzt oder Therapeut

Die Diagnosesicherung erfolgt meist durch die Analyse von Blut-, Urin- oder Haarproben, aber auch durch Angaben des Betroffenen selbst oder ihm nahe stehender Personen.

Oberstes Ziel der Behandlung der Drogenabhängigkeit (Drogenmissbrauch) ist die dauerhafte Abstinenz. Der Weg dahin führt über mehrere Phasen:

In der Motivationsphase findet die Kontaktaufnahme und Motivation des Patienten statt, z. B. durch Beratungsstellen, Ärzte, Familie, Freunde.

In der Entgiftungsphase findet der körperliche Entzug statt, der – je nach Substanz – geprägt ist durch Übelkeit, Durchfall, Frieren, Schweißausbrüche, Schwindel und Herzrasen, Bluthochdruck, Krämpfe und Halluzinationen. Aufgrund dieser schweren Entzugssymptome wird die Entgiftung meist stationär durchgeführt und dauert 1–6 Wochen. Bezogen auf die Medikamentengabe während der Entgiftung unterscheidet man zwischen dem kalten Entzug (cold turkey) mit der Gabe von Psychopharmaka, muskelentspannenden Medikamenten und Antiepileptika und dem warmen Entzug mit Drogensubstitution durch Tranquilizer, Codein oder Methadon, der in den Entzugseinrichtungen überwiegend praktiziert wird. Für den warmen Entzug Heroin-Abhängiger ist seit April 2015 auch retardiertes Morphin zugelassen. In Studien zeigte es weniger Nebenwirkungen als Methadon. Darüber hinaus fiel es mit Morphin behandelten Abhängigen leichter, auf das Heroin zu verzichten.

Nach der Entgiftung erfolgt die psychische Behandlung der Abhängigkeit (Entwöhnungsphase), zunächst meist in spezialisierten Langzeiteinrichtungen, später dann auch ambulant oder teilstationär. Im Vordergrund stehen der Aufbau neuer Lebensziele und das Erlangen eines neuen Selbstverständnisses. Um langfristig suchtfrei zu bleiben, ist weitere professionelle Unterstützung durch Psychotherapie oder Selbsthilfeorganisationen sinnvoll.

Prognose

Rückfälle sind leider häufig. Auch die Therapiemotivation Suchtkranker ist oft mäßig und schwankend. Ein wiederholter Konsum von Opiaten ist bereits innerhalb der ersten Monate sehr wahrscheinlich, so sind etwa 75 % der Drogenabhängigen bereits ein halbes Jahr nach dem Drogenentzug wieder rückfällig.

Neuere Ansätze der Suchtberatung distanzieren sich von dem Begriff „Rückfall“. So sind Ziele der Behandlung zwischen Therapeuten und dem Patienten verhandelbar; zwischen den Extremen des „entweder – oder“ sind weitere Ziele denkbar: gelegentlicher Konsum, kontrollierter Konsum, gesundheitsverträglicher Konsum, kein Konsum …

Selbsthilfe und Hilfe für Angehörige

Die Pioniere der Selbsthilfeorganisationen entstammen der Suchtszene, für praktisch jede Suchterkrankung gibt es in größeren Städten geeignete Selbsthilfegruppen.

Angehörige sollten sich ihrer Rolle als „CoAbhängige“ bewusst sein. Das bedeutet, dass Verhaltensweisen von Familienmitgliedern – wie z. B. Vertuschung, übergroßes Verständnis oder aber Vorwürfe – die süchtigen Mechanismen aufrechterhalten. Hilfe bieten auch hier Selbsthilfegruppen.

Weiterführende Informationen

  • www.dhs.de – Website der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V., Hamm: Mit Informationen zu Drogen, Projekten, Zahlen und Fakten sowie einer Suchmaske für Entzugseinrichtungen.

Von: Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Spinnen-Phobie mit App behandeln

Virtual Reality lässt sich auch therapeutisch einsetzen - zum Beispiel bei der Behandlung von Phobien.

Spinnen-Phobie mit App behandeln

VR macht´s möglich

Manche Menschen haben panische Angst vorm Fliegen, andere vor Spinnentieren oder Spritzen. Bekämpft werden solche Phobien meist durch eine Verhaltenstherapie. Jetzt soll auch eine App mit virtueller Realität helfen.

Übetrieben und unbegründet, aber unbeherrschbar

Unter einer Phobie versteht man die dauerhafte und übertriebene Angst vor Dingen, Lebewesen oder Situationen. Besonders gut bekannt ist die Furcht vor großer Höhe, vor Spinnen oder davor, eine öffentliche Rede zu halten. Die Betroffenen wissen, dass ihre Angst unbegründet ist. Trotzdem fällt ihnen die Konfrontation mit dem Angstauslöser oft so schwer, dass sie diesen zunehmend meiden.

Mit Headset und Smartphone in die Scheinwelt

Eine neuseeländische Arbeitsgruppe hat nun eine App entwickelt, mit deren Hilfe man seine Phobien in Eigenregie behandeln kann. Das Programm namens oVRcome® verbindet Elemente der traditionellen kognitiven Verhaltenstherapie mit virtueller Realität. Dabei werden die Betroffen über eine per Headset präsentierte Scheinwelt wiederholt und kurz mit ihren Angstauslösern konfrontiert, um eine Toleranz dagegen aufzubauen. Ob diese App bei Phobien effektiv helfen kann, wurde nun in einer Studie mit knapp 250 Betroffenen geprüft. Ihre Phobien bezogen sich auf das Fliegen, auf große Höhen, Spinnen, Hunde und Nadeln.

Die Hälfte der Studienteilnehmer*innen trainierte sechs Wochen lang per App. Dabei durchlebten sie ihre Phobien mithilfe virtueller Realität und bekamen Informationen und Verhaltenstipps. Außerdem lernten und absolvierten sie Entspannungsverfahren und Achtsamkeitsübungen. Die andere Hälfte der Proband*innen unternahm sechs Wochen lang nichts gegen ihre Ängste.

Ängste um 75 % reduziert

Vor der Studie und nach sechs Wochen wurde bei jeder Teilnehmer*in anhand eines 40-Punkte-Scores die Schwere der Phobie gemessen. Diejenigen, die die App genutzt hatten, konnten im Gegensatz zu den App-losen Phobikern*innen ihre Ängste deutlich lindern (von durchschnittlich 28/40 auf 7/40 Punkte). Einigen der Teilnehmer*innen gelang es sogar, mithilfe des Programms erstmals stressfrei zu fliegen, andere schafften es, sich endlich gegen COVID-19 impfen zu lassen.

Expert*innen zufolge ermöglicht die App Betroffenen, sich selbst gegen Phobien zu helfen. Inwieweit es problematisch sein könnte, manche Ängste ohne ärztliche Begleitung anzugehen, müssen weitere Studien klären. Erwähnenswert ist zudem, dass es sich bei der App um ein kommerzielles Angebot handelt. Wer oVRcome® nutzen möchte, muss ein Abonnement erwerben. Dafür gibt es jedoch gratis das nötige Headset dazu.

Quelle: www.medicalnewstoday.com

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Franz12/shutterstock.com