Gesundheit heute

Generalisierte Angststörung

Generalisierte Angststörung (GAS, Angstneurose, allgemeine Angststörung): Anhaltendes Gefühl von diffuser Angst, für die kein realer, konkreter Grund vorliegt (frei flottierende Angst). Die generalisierte Angststörung ist vor allem bei Frauen eine häufige Erkrankung, typischerweise zwischen dem 20. und dem 35. Lebensjahr. Bei etwa 70 % der Betroffenen tritt sie in Verbindung mit Depressionen oder anderen Angststörungen auf.

Leitbeschwerden

  • Ständig erhöhtes Angstniveau, das sich körperlich durch Nervosität, Zittern, Muskelverspannungen, Schwitzen, Herzklopfen, Schwindelgefühle oder Bauchschmerzen äußert – dies alles sind physiologische Folgen der Angst bzw. des erlebten Stresses.
  • Permanentes Angstgefühl, dass Ihnen selbst oder wichtigen Bezugspersonen etwas Schlimmes passieren könnte, obwohl keine reale Gefährdung besteht.
  • Reale Gefahren – wie im Straßenverkehr oder Sport – werden extrem überschätzt und bieten Anlass zu Überlegungen, was alles geschehen könnte.
  • Schlafstörungen, da Patienten von den Grübeleien, Sorgen und Befürchtungen nicht abschalten können.
  • Existenz- und Lebensangst, Angst vor der Zukunft, insbesondere der sozialen und finanziellen Sicherheit. Ständige Angst, den Anforderungen des Alltags und des Berufs nicht gewachsen zu sein, zu versagen, sich dabei zu blamieren oder Schäden zu verursachen.

Wann zum Arzt oder Psychotherapeuten

In den nächsten Tagen, wenn die Beschwerden länger als 14 Tage andauern.

Die generalisierte Angststörung wird wegen der ausgeprägten körperlichen Begleitsymptome oft als psychische Erkrankung nicht erkannt. Da die Betroffenen diese Symptome meist nicht mit ihrer Angst in Verbindung bringen, berichten sie dem Arzt auch nicht über ihre andauernden großen Sorgen und Befürchtungen. Die Folge: Der Arzt erkennt oft erst sehr spät, was der wahre Auslöser für die körperlichen Beschwerden ist.

Die Erkrankung

Die Ursachen einer generalisierten Angststörung sind noch unklar – klar sind nur die Risikofaktoren:

Persönlichkeit. Schüchterne, eher introvertierte Menschen, die mehr an andere als an sich selbst denken, scheinen eher eine generalisierte Angststörung zu entwickeln.

Kognitive Faktoren. Eine als Kind erworbene Einstellung, dass wichtige Ereignisse nicht kontrollierbar, vorhersehbar und beeinflussbar sind und man deshalb sein Leben nicht selbst in der Hand hat. Zudem werden äußere Gefahren über- und die eigenen Bewältigungsmöglichkeiten unterschätzt.

Gesellschaftliche Verunsicherung. In Zeiten sozialer und politischer Unsicherheit (Arbeitslosigkeit, Terrorismus) scheinen generalisierte Angststörungen zuzunehmen.

Chronische Angst, permanente Besorgtheit, Befürchtungen und negative Vorahnungen stellen das für lange Phasen prägende Lebensgefühl dar. Diese Störung wird deshalb auch „Sorgenkrankheit“ genannt. Betroffene können ihre angstbesetzten Gedanken nicht mehr kontrollieren. Versuche, an etwas anderes zu denken, scheitern und scheinen die Problematik sogar noch zu verstärken. Besonders belastend sind neben dem ständigen Gedankenkreisen die körperlichen Symptome. Das Gefühl, immer „auf dem Sprung“ sein zu müssen und die schlaflosen Nächte führen zu Erschöpfung, leichter Ermüdbarkeit, Nervosität und den verschiedensten funktionellen Beschwerden wie Muskelverspannungen, Bauchbeschwerden und Herz-Kreislauf-Störungen. Diese können sich akut so zuspitzen, dass sie zum Ausbruch einer Panikattacke führen.

Das macht der Arzt oder Therapeut

Ist die Angsterkrankung richtig diagnostiziert, erfolgt die Behandlung durch verhaltenstherapeutische oder psychoanalytische Psychotherapien und/oder durch Psychopharmaka und Betablocker. Beide Therapieformen sind laut Studien gleichwertig – aber nicht für jeden Patienten gleichermaßen geeignet, weshalb der Arzt die Präferenz des Patienten beachten sollte.

Psychopharmaka. Antidepressiva vom SSRI- oder SNRI-Typ wie Citalopram, Escitalopram oder Venlafaxin sind inzwischen erste Wahl bei generalisierten Angststörungen. Im Einzelfall können aber andere Antidepressiva am besten wirken. Nachteilig ist der langsame Wirkungseintritt. Die früher routinemäßig eingesetzen Benzodiazepine werden von den Betroffenen zwar als rasch und in der ersten Zeit auch stark wirksam erlebt, sie sind allerdings wegen des hohen Abhängigkeitspotenzials und anderer Nebenwirkungen wie starker Müdigkeit nur noch für akute Erregungszustände oder bei Selbstmordgedanken für kurze Zeit indiziert. 

Psychotherapie. Ziel der Psychotherapie ist, die gestörte Wahrnehmung der Erkrankten zu normalisieren. Angstbewältigungsprogramme, die aus der kognitiven Verhaltenstherapie hervorgegangen sind, verringern zunächst durch Entspannungstechniken die körperlichen Symptome der Angst und machen sie besser beherrschbar. Gemeinsam mit dem Patienten wird dann erarbeitet, welche zentralen Annahmen sie über sich selbst und die Welt haben. Häufig glauben die Betroffenen, nur dann geliebt zu werden, wenn sie es immer jedem recht machen. Erkrankte neigen auch dazu, bei zwei möglichen Alternativen stets die negativere Variante anzunehmen. Der Therapeut hilft dem Patienten, solche Überzeugungen durch andere Gedanken zu ersetzen.

In der Therapie wird auch darüber gesprochen, was der Erkrankte womöglich durch seine permanenten Sorgen vermeidet. So scheuen Angstpatienten häufig davor zurück, Dinge selbstverantwortlich anzupacken und ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Häufig wird die Angsttherapie auch durch ein Training in sozialer Kompetenz und durch ein Selbstsicherheitstraining ergänzt.

Leider betragen die Wartezeiten für eine Psychotherapie vielerorts 4-12 Monate. Kommt eine Psychotherapie zustande, profitiert etwa die Hälfte der Betroffenen davon. Wenn sich die Behandlung als schwierig erweist, liegt dies meist daran, dass die Patienten noch an weiteren Erkrankungen wie z. B. an einer Depression leiden.

Selbsthilfe

Betroffene sollten zwei Dinge tun: zum einen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, zum anderen versuchen, den Alltag möglichst gut zu meistern, bis die die Angstbewältigungsprogramme wirken. So hilft es z. B., sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und darauf zu achten, jeden Tag etwas zu unternehmen, was ablenkt und guttut. Dies hält am ehesten Grübeleien und Sorgen auf Abstand. Bewegung baut Stresshormone ab, die durch die Angst ständig im Körper ausgeschüttet werden

Vielen Betroffenen hilft es auch, die Sorgen auf einen Zettel zu schreiben und symbolisch wegzuwerfen oder sich mit einem Buch oder mit Musikhören oder anderen beruhigenden Aktivitäten abzulenken, um am nächsten Tag die Problemlösung in Angriff zu nehmen.

Von: Gisela Finke, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Depressionen bei Männern erkennen

Manche Männer neigen bei Depressionen dazu, mehr Alkohol zu trinken.

Depressionen bei Männern erkennen

Blind für Gefühle?

Depressionen werden bei Männern oft nicht diagnostiziert. Das liegt nicht nur daran, dass die Vertreter des „starken Geschlechts“ psychische Probleme ungern zugeben. Männer haben häufig auch andere depressive Symptome als Frauen.

Hohe Dunkelziffer

Jede sechste Frau soll im Verlauf ihres Lebens unter zumindest einer Depression leiden. Bei Männern ist das Untersuchungen zufolge nur jeder zwölfte. Weil die Suizidrate bei ihnen aber dreimal so hoch ist wie bei Frauen, zweifeln Expert*innen an diesen Zahlen. Sie glauben, dass erheblich mehr Männer Depressionen haben und die Dunkelziffer deshalb hoch ist.

Dafür gibt es einige Gründe. Zum einen das tradierte Männerbild: Der starke Mann ist kontrolliert, erfolgreich, weint nicht und macht keine Fehler. Männer, die so denken und fühlen, suchen bei psychischen Problemen seltener Hilfe. Auch das typisch männliche Kommunikationsverhalten erschwert die Diagnose. Im ärztlichen Sprechzimmer neigen Männer dazu, Probleme zu verharmlosen und von psychischen Beschwerden gar nicht zu berichten.

Aggression statt Trauer

Ein weiterer Stolperstein bei der Diagnose einer „männlichen“ Depression sind die Beschwerden selbst. Zwar empfinden auch Männer Trauer, Mut- oder Antriebslosigkeit, können diese aber schlechter benennen als Frauen. Fachleute sprechen deswegen von einer „Depressionsblindheit“.

Außerdem zeigen Männer einige Beschwerden außerhalb der üblichen Depressionssymptomatik. Dazu gehören vor allem

  • Ärger
  • Aggression und Gereiztheit
  • erhöhter Alkoholkonsum
  • auffälliges soziales Verhalten wie Feindseligkeit oder unkontrollierte Handlungen.

Medikamente wirken geschlechtsspezifisch

Bei der Therapie der Depression gibt es ebenfalls geschlechtsspezifische Unterschiede. Männer sprechen besser auf trizyklische Antidepressiva an, Frauen auf Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI). Die Verhaltenstherapie scheint allerdings betroffenen Männern und Frauen gleich gut zu helfen.

Quelle:Springer Medizin

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Mint Images Ltd.