Gesundheit heute
Wenn die Seele leidet
Die Verwundbarkeit der Psyche ist von Mensch zu Mensch völlig verschieden: Arbeitslosigkeit, Scheidung oder der Tod eines Verwandten sind für den einen zwar schrecklich, doch überwindbar. Den anderen stürzen sie in jahrelange Depressionen. Während körperliche Erkrankungen in unserer Gesellschaft inzwischen akzeptiert sind, werden psychische Erkrankungen in schweren Fällen immer noch als „Irresein“ stigmatisiert, in leichteren Fällen dagegen als Bagatellerkrankung verharmlost. Psychische Erkrankungen gehören aber zu unserem Leben dazu. Denn das komplexe Wechselspiel zwischen Körper, Geist und dem auf das Gehirn einwirkenden Stoffwechsel kann leicht aus dem Gleichgewicht geraten.
Gesunde können sich oft nur schwer oder gar nicht vorstellen, was Menschen, die an einer Depression, Schizophrenie oder Persönlichkeitsstörung leiden, wirklich empfinden. Da psychische Erkrankungen immer das gesamte seelische Empfinden verändern, erlebt der Kranke sich selbst und die Umwelt völlig anders, z. B. hört er Stimmen, die seine Mitmenschen nicht hören, oder fühlt sich niedergeschlagen, ist lust- und teilnahmslos, manchmal aber auch besonders aktiv und antriebsgesteigert. Das löst wiederum Unsicherheit, tiefe Angstgefühle und manchmal auch Aggressivität gegenüber sich selbst und anderen aus. Entfremdung, Unverständnis im sozialen Umfeld bis hin zur kompletten Ausgrenzung sind leider noch immer die Folge dieses „Andersseins“.
Unabhängig von der Ursache einer seelischen Erkrankung ist das Ziel der modernen Psychiatrie, mit der medikamentösen und psychotherapeutischen Therapie auch die „soziale“ Heilung des Erkrankten zu erreichen: Der Patient soll wieder fähig sein, unter möglichst normalen Bedingungen den Alltag zu meistern und Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. In enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Ärzten, Therapeuten, engen Freunden oder der Familie kann dieses Ziel erreicht werden.
Allerdings wird durch psychische Erkrankungen häufig das notwendige soziale Netz durcheinandergebracht und im Extremfall zerstört, was die soziale Heilung erschwert.

Knapp sieben Millionen Menschen leiden in Deutschland an einer generalisierten Angststörung.
Antidepressiva bezwingen auch Ängste
Ergebnis aus großer Datenanalyse
Wer ständig von Angst und Sorge niedergedrückt ist und seinen normalen Alltag kaum meistern kann, leidet womöglich unter einer generalisierten Angststörung. Dann hilft nicht nur die Psychotherapie – auch Antidepressiva können die Beschwerden lindern.
Sorgen lassen sich nicht kontrollieren
Hauptmerkmale der generalisierten Angststörung sind dauerhafte Sorgen und Ängste bezüglich alltäglicher Probleme, die sich nicht abstellen lassen. Meist beziehen sich die Ängste auf die Familie, Arbeit, Finanzen und Sicherheit. Diese Form der Angststörung ist häufig: Knapp sieben Millionen Menschen sind in Deutschland davon betroffen, jeder zwanzigste Erwachsene macht zumindest einmal im Leben damit Bekanntschaft. Frauen leiden doppelt so oft darunter wie Männer.
Behandelt wird die generalisierte Angststörung mit einer Psychotherapie. Aber auch Medikamente werden oft verschrieben. Ob die tatsächlich wirken, hat nun eine große Untersuchung überprüft. Forschende haben dazu 37 klinische Studien nochmal genauer analysiert. An über 12000 Betroffenen wurden darin die Effekte von antidepressiven Wirkstoffen gegenüber Placebo (Scheinmedikamenten) verglichen.
Alle Klassen ähnlich gut wirksam
Das Ergebnis: Antidepressiva konnten die Beschwerden deutlich stärker lindern als die Placebo-Behandlung. Die verschiedenen Klassen der Antidepressiva (z.B. selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) unterschieden sich in ihrer Wirkung nicht. Patient*innen, die Antidepressiva erhielten, brachen die Behandlung seltener aufgrund mangelnder Wirksamkeit ab als diejenigen, die Placebo bekamen. Allerdings traten in der Antidepressiva-Gruppe mehr Nebenwirkungen auf als unter der Scheinbehandlung.
Langzeitwirksamkeit steht noch aus
Die meisten Studien dauerten nur bis zu zwölf Wochen, schreibt das Forscherteam. Ob die Effekte auch langfristig anhalten, ist deshalb noch offen und muss in weiteren Untersuchungen geprüft werden.
Quelle: Ärztezeitung, Cochrane Library