Gesundheit heute

Borreliose

Borreliose (Lyme-Krankheit, Lyme-Borreliose): bakterielle, fast ausschließlich durch Zeckenstiche übertragene Infektion. Ungefähr 15 % der Zecken in Deutschland (lokal bis zu 30 %) sind mit den bakteriellen Erregern Borrelien (Borrelia burgdorferi) infiziert, doch erkranken bei Weitem nicht alle Personen, die von einer infizierten Zecke gebissen wurden. Nach einem Zeckenstich beträgt das Risiko einer Borreliose ~ 1 %.

Typische Hauterscheinung bei der Borreliose ist das Erythema migrans, die sogenannte Wanderröte, die sich Tage bis Wochen nach Infektion um den Stich herum ausbreitet. Die weitere Ausbreitung der Borrelien im Körper erfolgt sehr langsam, sodass die vielfältigen Spätsymptome wie Lähmungen oder Gelenkentzündung zum Teil erst nach Jahren auftreten.

Je früher die Erkrankung erkannt und antibiotisch behandelt wird, umso seltener sind schwere Verlaufsformen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Hautrötung um die Einstichstelle herum, die sich ringförmig ausbreitet (Wanderröte, Erythema migrans)
  • Grippeähnliche Symptome wie Abgeschlagenheit, Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen.

Wann in die Arztpraxis

Heute noch, wenn

  • die typische Hautrötung auftritt – selbst wenn kein vorheriger Zeckenstich aufgefallen ist.

Die Erkrankung

In Deutschland erkranken jährlich 100.000 bis 150.000 Menschen an einer Borreliose. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um die milde Form, die sogenannte Wanderröte, Fälle von Nervenborreliose oder Lyme-Arthritis (siehe unten) sind deutlich seltener.

Auslöser

Zecken sind parasitisch lebende Milben, die mit Beißwerkzeugen und Saugrüsseln zum Blutsaugen an Mensch und Tier ausgestattet sind. In Deutschland sind sie v. a. zwischen März und Oktober aktiv, jedoch auch in milden Wintermonaten. Der wichtigste Krankheitsüberträger unter den Zecken ist der [gemeine] Holzbock.

Zecken leben bevorzugt auf hohem Gras, Farnen, Sträuchern und anderem belaubten Niederholz im Wald sowie in Parks und Gärten und gelangen durch Abstreifen auf den Menschen. Dort setzen sie sich gerne an Körperstellen mit dünner, feuchter und warmer Haut fest (z. B. Leistengegend, Kniekehlen, Achselhöhlen, hinter den Ohren). Sie verankern sich mit dem Hypostom fest an der Haut und saugen bis zu 6 Tage lang Blut.

Während der Blutmahlzeit gibt die Zecke ein Betäubungsmittel ab, das die befallene Hautstelle schmerzunempfindlich macht, sodass der Stich zunächst meist unbemerkt bleibt. Ist die Zecke mit Borrelien infiziert, können die Erreger ins menschliche Blut gelangen. Der Stich einer borrelienhaltigen Zecke führt aber nicht bei allen Menschen, sondern nur bei etwa 20–30 der Gestochenen zu einer Infektion.

In sehr seltenen Fällen wird eine Borreliose auch über andere Stechinsekten übertragen, z. B. über Mücken.

Klinik

Eine Borrelien-Infektion verläuft in verschiedenen Stadien (die auch einzeln auftreten können) und mit den unterschiedlichsten Beschwerden, manchmal sogar völlig unbemerkt. Aufgrund dieser Vielfältigkeit gilt die Borreliose auch als "Chamäleon der Medizin".

Meist äußert sich die Borreliose in der Wanderröte (siehe unten), die das einzige Symptom bleiben kann. Typischerweise sehen die Stadien so aus:

  • Stadium I (Tage bis Wochen nach dem Zeckenstich): Wanderröte, manchmal auch Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Stadium II (Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich): (späte) Wanderröte, Nervenborreliose, Lyme-Karditis, Augenbeteiligung, Leberentzündung, wandernde Schmerzen im Bewegungsapparat
  • Stadium III (Monate bis Jahre nach dem Zeckenstich): Lyme-Arthritis, Acrodermatitis atrophicans, chronische Nervenborreliose.

Wanderröte (Erythema migrans): Einige Tage bis etwa 4 Wochen nach dem Zeckenstich tritt um die Einstichstelle herum eine Hautrötung auf, die sich – teilweise über Wochen hinweg – kreisförmig ausbreitet, während sie innen wieder verblasst. Diese Wanderröte tritt unabhängig davon auf, ob sich die Zecke noch in der Haut befindet oder nicht. Manchmal kommt es begleitend zu grippeähnlichen Symptomen. In ca. einem Drittel der Infektionen bleibt die Wanderröte aber auch aus.

Nervenborreliose (Neuroborreliose, Bannwarth-Syndrom): Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich, manchmal auch ohne das Warnsymptom der anfänglichen Wanderröte, geht die Erkrankung bei etwa 3–12 % der Infizierten in das Stadium der akuten Nervenborreliose über. Diese äußert sich in vielfältigen Beschwerden, z. B. hartnäckigen Nervenschmerzen, Gesichtslähmungen, Störungen der Tastempfindung oder Sehproblemen. Die chronische Nervenborreliose ist noch seltener, sie kann Jahre nach einem Zeckenstich auftreten. Hier dominieren Beschwerden wie Störungen von Blasenfunktion, Gangstörungen und psychische Veränderungen.

Weitere Beschwerden. Daneben können eine Herzmuskelentzündung (Lyme-Karditis) und Gelenkentzündungen auftreten, bevorzugt an Knie- und Fußgelenken (Lyme-Arthritis). Viele Patienten leiden außerdem unter starkem Erschöpfungsgefühl und einer ständigen Müdigkeit. Als seltene Spätfolge tritt eine chronische Hauterkrankung auf, bei der die Haut an Händen und Füßen bläulich und dünn wie Pergamentpapier wird (Akrodermatitis atrophicans).

Auch das Auge wird bei einer Borreliose manchmal in Mitleidenschaft gezogen, z. B. als Bindehautentzündung, Keratitis (Hornhautentzündung) und Entzündung des Sehnervs (Retrobulbärneuritis). Begleitend kommt es zudem auch oft zu einer Leberentzündung (Hepatitis).

Diagnosesicherung

Die Wanderröte ist eine Blickdiagnose, häufig erinnert sich der Patient auch an den "dazugehörenden" Zeckenstich.

In unklaren Fällen entnimmt die Ärzt*in Blut und gegebenenfalls auch Liquor (Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit), um nach Antikörpern auf Borrelien zu suchen. Mit keiner der heute verfügbaren Labormethoden gelingt es jedoch, eine frische Borrelieninfektion mit absoluter Sicherheit nachzuweisen oder auszuschließen. Daher wird bei Symptomen wie einer Wanderröte sofort mit einer Antibiotika-Therapie begonnen.

In diagnostisch schwierigen Fällen versucht die Ärzt*in, den Erreger selbst oder dessen DNA nachzuweisen. Dazu werden spezielle Methoden verwendet (Kultur, Polymerase-Kettenreaktion PCR). Ein solcher Nachweis gelingt allerdings nicht mit Blut, sondern nur mit Material aus Hautbiopsien, Muskelbiopsien (im Falle einer Herzmuskelentzündung) oder aus Liquor bzw. Gelenkpunktat.

Neben dem Nachweis von Antikörpern und Erreger kommen beim Verdacht auf eine Beteiligung innerer Organe oder der Augen weitere Untersuchungsverfahren zum Einsatz (Röntgen, Echokardiografie, MRT, EKG, Oberbauchsonografie, Untersuchung der Augen).

Differenzialdiagnosen. Die Wanderröte kann verwechselt werden mit der Sklerodermie, dem Erysipel, einem Arzneimittelexanthem, Pilzinfektionen der Haut (Tinea corporis) oder einer Reaktion auf Insektenstiche.

Behandlung

Mittel der Wahl sind Antibiotika (z. B. Doxycyclin in Doxycyclin® Stada, bei Kindern Amoxicillin). Sie werden je nach Krankheitsstadium 2–3 Wochen lang eingenommen. Bei schweren Verläufen wie z. B. einer Nervenborreliose erhält die Betroffene Antibiotika wie Ceftriaxon als Spritze oder Infusion über mindestens 2 Wochen.

Beschwerden, die durch die Beteiligung von Gelenken, ZNS oder Herz entstanden sind, behandelt die Ärzt*in symptomatisch, z. B. mit Physiotherapie, Kühlung der Gelenke oder dem vorübergehenden Einpflanzen eines Herzschrittmachers bei Rhythmusstörungen. Gegen Schmerzen und Entzündungen verordnet er manchmal auch zusätzlich nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR).

Prognose

  • Die Prognose der Borreliose ist gut, die Erkrankung heilt bei frühzeitiger antibiotischer Therapie meist komplett aus. Bei der Wanderröte sind Spontanheilungen auch ohne eine antibiotische Therapie möglich (aufgrund des Risikos von Nervenborreliose oder Lyme-Arthritis sollte die Wanderröte trotzdem immer antibiotisch behandelt werden).
  • Wird die Erkrankung erst sehr spät erkannt und behandelt, können Beschwerden am Nervensystem oder an den Gelenken zurückbleiben.
  • Eine durchgemachte Borreliose hinterlässt keine Immunität, Neuinfektionen sind jederzeit möglich.
  • Bei bis zu 5 % der Betroffenen tritt das (umstrittene) Post-Borreliose-Syndrom (siehe unten) auf.

Post-Borreliose-Syndrom

Manche Patienten klagen nach Behandlung einer Borreliose monate- bis jahrelang über verstärkte Leistungseinschränkung, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Muskel- und Gelenkbeschwerden. Mehrere Untersuchungen zeigten jedoch, dass die genannten Beschwerden bei Patient*innen nach Lyme-Borreliose nicht häufiger als bei gesunden Kontrollgruppen auftreten. Selbsthilfegruppen und selbsternannte "Borreliose-Fachleute" nennen diesen Zustand "Post-Borreliose-Syndrom" oder auch chronische Borreliose. Sie propagieren häufig weitere Blutuntersuchungen und sogar langfristige antibiotische Behandlungen. Experten raten sowohl von den wiederholten Blutuntersuchungen und noch mehr von der langfristigen Antibiotikaeinnahme ab.

Ihr Apotheker empfiehlt

  • Suchen Sie bei sich ringförmig ausbreitenden Hauterscheinungen die ärztliche Praxis auf. Je früher eine Wanderröte behandelt wird, desto besser ist die Prognose.
  • Tipps zur Zeckenentfernung und Vorsorge

Weiterführende Informationen

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
Zurück
Was tun gegen Haarausfall?

Bei Männern geht es häufig schon früh mit dem Haarausfall los, oft beginnt dieser mit den typischen Geheimratsecken.

Was tun gegen Haarausfall?

Von dünnem Haar bis Glatze

Ob Geheimratsecken, breiter Scheitel oder insgesamt dünner werdendes Haupthaar: Haarausfall belastet viele Männer und Frauen. Die Gründe für den Haarschwund reichen von der Veranlagung über Nährstoffmangel bis zu Autoimmunerkrankungen. Zum Glück kann man einiges dagegen tun. Manchmal hilft die Gabe von Vitaminen, für schwerere Fälle gibt es verschiedene Medikamente und als letzten Ausweg die Eigenhaartransplantation.

Haarverlust ist weit verbreitet

Haare sind wichtig. Sie schützen unseren Kopf vor Überhitzung und Kälte und unterstreichen unsere Persönlichkeit. Damit sie diesen Zweck erfüllen, wachsen sie, werden länger – und fallen irgendwann aus, um neuen Haaren Platz zu machen. Dieser Haarzyklus lässt sich in drei Phasen einteilen: 

  • 85-90% der Haare befinden sich in der Wachstumsphase (Anagenphase). Sie dauert zwei bis acht Jahre und ist dadurch gekennzeichnet, dass das Haar aktiv wächst.
  • In der folgenden zwei- bis vierwöchigen Übergangsphase (Katagenphase) stoppt das Wachstum, der Haarfollikel (das „Nest“ für die Haarwurzel in der Kopfhaut) wird zurückgebildet. In diesem Stadium befinden sich etwa 1-2% der Haare. 
  • Die anschließende Ruhephase (Telogenphase) dauert zwei bis vier Monate. Der Haarfollikel schrumpft, das Haar ist nicht mehr stoffwechselaktiv und fällt schließlich aus. Der Anteil der „ruhenden“ Haare auf dem Kopf beträgt etwa 10 bis 15 %.

Haarausfall ist also ganz normal – sofern er sich in Grenzen hält. So verlieren Erwachsene unter normalen, gesunden Bedingungen etwa 50 bis 100 Haare am Tag. Sind es mehr, spricht man von einem krankhaften Haarausfall oder einer Alopezie.

Solch ein vermehrter Haarausfall ist häufig: Etwa 85% der deutschen Männer leiden im Laufe ihres Lebens darunter. Insgesamt liegt Deutschland gemeinsam mit Spanien, Frankreich und den USA an der Spitze der Länder, was den ungewollten männlichen Haarschwund betrifft.

Doch auch Frauen kämpfen damit. Etwa ein Drittel erlebt einen deutlichen Haarverlust, vor allem nach den Wechseljahren. Insbesondere bei Frauen gelten Haare als Zeichen von Attraktivität, Jugend und Fortpflanzungsfähigkeit. Deshalb empfinden sie einen ungewollten Haarverlust häufig als besonders belastend. Viele Betroffene entwickeln Depressionen und ein vermindertes Selbstwertgefühl.

Aber auch Männer nehmen schwindendes Haar oft nicht gelassen hin – vor allem, wenn es schon in jungen Jahren damit los geht. Bei ihnen wird volles Haar meist mit Stärke, Erfolg und sexueller Potenz assoziiert. Studien haben herausgefunden, dass mehr als die Hälfte der Männer mit deutlichem Haarverlust unter Angststörungen und beruflichen Einschränkungen leidet.

Androgene, externe Auslöser oder Immunsystem am Werk

Der Haarzyklus kann sowohl in der Wachstumsphase als auch in der Ruhephase gestört werden. Die Bandbreite der dadurch ausgelösten Alopezien ist vielfältig, wobei drei Formen dominieren. In den meisten Fällen handelt es sich um eine androgenetische Alopezie. Etwa 10 bis 15% der Betroffenen haben einen diffusen Haarausfall, die übrigen leiden unter dem eher seltenen kreisrunden Haarausfall (Alopecia areata) oder unter einer (noch selteneren) vernarbenden Alopezie.

Die androgenetische Alopezie wird auch als erblich bedingter Haarausfall bezeichnet. Vererbt wird dabei die Veranlagung der Haarfollikel, verstärkt auf Androgene zu reagieren. Androgene sind Sexualhormone, die beim Mann vor allem im Hoden gebildet werden und u. a. für den Bartwuchs, die tiefe Stimme und den Muskelaufbau nötig sind. Auch Frauen besitzen Androgene, allerdings in deutlich geringerer Menge. Diese werden in den Eierstöcken gebildet und spielen beim Menstruationszyklus, beim Fettstoffwechsel und für das sexuelle Verlangen eine Rolle.

Auslöser der androgenetischen Alopezie ist der Testosteron-Abkömmling Dihydrotestosteron (DHT). Er bindet in der Wachstumsphase an die Androgenrezeptoren der Haarfollikel. Durch seine anlagebedingt verstärkte Wirkung werden die Haare dünner und fallen vermehrt aus. Gleichzeitig wird das Nachwachsen erschwert, bis schließlich gar keine neuen Haare mehr gebildet werden.

  • Bei Männern beginnt dies mit Geheimratsecken oder einer Tonsur, um dann immer weiter fortzuschreiten, oft über die Halbglatze bis zur völligen Kahlköpfigkeit.
  • Bei Frauen kommt es zu einer Ausdünnung am Scheitel, der immer breiter wird. Eine Glatze bildet sich bei ihnen nur sehr selten aus.

Der diffuse Haarausfall oder die diffuse Alopezie trifft vor allem Frauen. Am häufigsten ist das sogenannte „telogene Effluvium“. Es beruht darauf, dass sich eine übermäßige Anzahl der Haare in der Ruhephase (Telogenphase) des Haarzyklus befinden. Dies führt zu einem vermehrten, oft als dramatisch empfunden diffusen Haarausfall. Dabei ist das Haar gleichmäßig ausgedünnt, ohne das klar abgegrenzte Stellen hervorstechen.

Auslöser dieser Störung des Haarzyklus sind unterschiedliche äußere und innere Faktoren. So können akute Stressereignisse wie Infektionen, Operationen, Verletzungen, Entbindung oder Medikamente innerhalb von zwei bis drei Monaten zu diffusem Haarausfall führen. Aber auch chronische Erkrankungen, Nährstoffmangel, vegane Diäten oder hohes Alter begünstigen diese Form von Haarverlust. Sie alle haben gemeinsam, dass die Durchblutung der Haarfollikelzellen verringert wird - zu Gunsten anderer, wichtiger Organe wie Herz, Gehirn und Muskeln. Dermatolog*innen erklären dies häufig damit, „dass der Körper in solchen Stresssituationen der Ansicht ist, dass man zum Überleben nicht alle Haare benötigt.“

Der kreisrunde Haarausfall (Alopecia areata) gehört zu den selteneren Formen des ungewollten Haarverlusts. Er kann in jedem Alter auftreten und sich innerhalb weniger Wochen entwickeln. Die Ursache ist eine Autoimmunkrankheit, bei der sich das körpereigene Immunsystem gegen die eigenen Haarwurzelzellen richtet. Dies führt zu einer Entzündungsreaktion, die das Haarwachstum an einzelnen Bereichen stoppt. Dadurch kommt es plötzlich zu runden, kahlen Stellen an der Kopfhaut, an den Augenbrauen und am Bart, die z. T. auch ineinander übergehen können. In ausgeprägten Fällen ist deshalb auch ein kompletter „Kahlschlag“ möglich.

Noch seltener ist der vernarbende Haarausfall. Hier kommt es zu einer kompletten Zerstörung der Haarfollikel, z. B. durch Autoimmunerkrankungen, Strahlenbehandlung, Infektionen oder Verbrennungen. Typisch sind ungleichmäßige haarlose Bereiche mit leicht verhärteter Haut. Zusätzlich leiden die Betroffenen an diesen Stellen auch unter Brennen oder Juckreiz. Eine Wiederbelebung der Haarfollikel, also eine Heilung, ist nicht möglich. Man kann lediglich das weitere Fortschreiten verhindern.

Haarausfall ist auch eine typische Nebenwirkung bei Chemotherapien zur Behandlung von Krebserkrankungen. Die Zytostatika hemmen die Haarzellen in ihrer Wachstumsphase und lösen etwa zwei bis drei Wochen nach Therapiebeginn einen massiven Haarverlust aus. Betroffen sind neben den Kopfhaaren auch die Wimpern, Augenbrauen und die Schambehaarung. Meist beginnen die Haare, vier bis acht Wochen nach Therapieende wieder zu wachsen. Die Regeneration ist nach sieben bis neun Monaten abgeschlossen.

Hinweis: Nährstoffmangel gehört zu einem häufigen Auslöser für einen diffusen Haarausfall. Insbesondere kommt es dazu, wenn es an Eisen, Zink, Vitamin B12, Vitamin D und Proteinen mangelt.

Mit Lupe und Haarzupfen der Ursache auf der Spur

Bei Haarverlust ist eine umfangreiche Befragung der Betroffenen wichtig. Dabei erkundigt sich die Ärzt*in nicht nur nach der Art und Stärke des Haarausfalls. Eine familiäre Belastung – also der frühe oder ausgeprägte Haarverlust bei Eltern und Großeltern – gibt Hinweise auf die erblich bedingte Form. Bei Frauen ist es wichtig, die hormonelle Situation zu erfassen, also ob der Zyklus regelmäßig ist, die Anti-Babypille eingenommen oder abgesetzt wurde oder die der Menopause bereits begonnen hat. Bei Verdacht auf einen diffusen Haarausfall fragt die Ärzt*in nach vorangegangenen Stressoren und nach eingenommenen Medikamenten.

Danach inspiziert die Ärzt*in Haare und Kopfhaut. Geheimratsecken, Tonsur, breiter Scheitel oder kreisrunde Bereiche sind auf den ersten Blick zu erkennen. Zur genaueren Untersuchung wird zusätzlich eine gute Lupe oder ein Dermatoskop eingesetzt. Damit können die Haare und Haarfollikel im Einzelnen betrachtet werden.

Mit dem Haarzupftest (Pulltest) kann die Ärzt*in das tatsächliche Ausmaß des Haarausfalls objektivieren. Dazu zieht sie langsam, aber kräftig an einem Büschel von ca. 60 Haaren. Lösen sich dabei mehr als fünf bis sieben Haare, geht man von einem verstärkten Haarausfall aus.

Neben diesen einfachen Verfahren gibt es eine Reihe weitere diagnostischer Hilfsmittel, die insbesondere bei unklaren Fällen eingesetzt werden. Die drei wichtigsten sind das Trichogramm, der Trichoscan und die Biopsie. 

  • Für das Trichogramm werden 50 bis 100 Haare mit der Wurzel ausgerissen und unter dem Mikroskop untersucht. Damit erkennt die Ärzt*in, wie viele Haare sich in den jeweiligen Phasen des Haarzyklus befinden. Außerdem lassen sich Auffälligkeiten in den Haarwurzeln und am Haarschaft analysieren. 
  • Beim digitalen Trichoscan rasiert man einen kleinen Bereich der behaarten Kopfhaut und kürzt die Haare auf etwa 1 mm Länge. Einige Tage später wird die Stelle mit einer Mikroskopkamera fotografiert und das Wachstum mit einer Software ausgewertet. Mit dieser Methode lassen sich ein Haarausfall objektivieren und Therapien überwachen.
  • In unklaren Fällen hilft die Kopfhautbiopsie weiter. Unter lokaler Betäubung entnimmt die Ärzt*in dafür ein kleines Stück Kopfhaut inklusive Haarfollikeln und untersucht es mikroskopisch. Diese Methode eignet sich zum Nachweis von Infektionen, Autoimmunerkrankungen und vernarbender Alopezie.

Auch Laboruntersuchungen helfen bei der Suche nach einem Auslöser für Haarausfall weiter. Je nach Verdacht bestimmt man die Sexualhormone, Entzündungsparameter sowie Biomarker für Autoimmunerkrankungen. Weil das telogene Effluvium oft auf Mangelzustände zurückzuführen ist, werden insbesondere die Eisenwerte, Zink sowie Vitamin B12 und Vitamin D im Blut analysiert.

Hinweis: Die bei Haarausfall manchmal angebotenen Verfahren wie Auradiagnostik, Chakrenanalyse oder Bioresonanzanalysen kann man sich sparen. Diese Methoden sind nicht in der Lage, die Ursache eines Haarausfalls aufzuspüren.

Medikamente gegen erblich bedingten Haarausfall

Unabhängig von den Ursachen sollten bei verstärktem Haarausfall zunächst immer folgende Basismaßnahmen beachtet werden.

  • Durchblutung anregen. Mit sanften Massagen und natürlichen Ölen (Jojobaöl, Arganöl) oder Kräutern kann die Mikrozirkulation der Kopfhaut verbessert werden. Zur individuellen Auswahl der Präparate sollte die Ärzt*in befragt werden.
  • Schonend behandeln. Bei Haarausfall muss das Haar geschont werden. D.h. keine engen Zöpfe oder Pferdeschwänze, kein heißes Föhnen und kein Haarefärben. 
  • Ausgewogen ernähren. Eine gute Ernährung mit ausreichend Vitaminen (A, C, D, E), Eisen, Zink, Omega-3-Fettsäuren und Proteinen ist wichtig für gesundes Haar.

Bei ärztlich diagnostiziertem Haarausfall reichen die genannten Maßnahmen jedoch meist nicht aus. Dann kommen spezielle Therapien dazu. Zur Behandlung des androgenetischen Haarausfalls gibt es einige Medikamente bzw. Maßnahmen, die den Haarausfall verlangsamen und das Haarwachstum fördern.

  • Minoxidil. Dieser Wirkstoff wird als Lösung zweimal täglich auf die Kopfhaut aufgetragen. Minoxidil verbessert die Durchblutung der Kopfhaut, verkürzt die Ruhe- und verlängert die Wachstumsphase der Haare. Erste Ergebnisse zeigen sich etwa zwei bis drei Monate nach Beginn der Anwendung. Viele Dermatolog*innen setzen Minoxidil auch als Tablette ein. Da es in dieser Formfür die Indikation Haarausfall nicht zugelassen ist, erfolgt dies nach Aufklärung der Patient*in off label. Als Nebenwirkungen können Kopfschmerzen und verstärktes Haarwachstum auftreten. 
  • Finasterid ist nur für Männer zugelassen. Es wird als Tablette eingenommen oder als Spray bzw. Lösung aufgetragen. Der rezeptpflichtige Wirkstoff hemmt die Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron. Als Nebenwirkungen sind Libidoverlust, erektile Dysfunktion und Depressionen möglich. Off label kann es – ebenfalls nach Aufklärung – auch bei Frauen in den Wechseljahren eingesetzt werden.
  • Finasterid und Minoxidil sind zusammen noch besser wirksam. In der Apotheke gibt es entsprechende Kombipräparate (Finasterid-Tablette plus Minoxidil-Lösung). Expert*innen zufolge sind auch beide Substanzen zusammen als Lösung sehr effektiv. Diese muss jedoch in der Apotheke angesetzt werden, ein Fertigarzneimittel gibt es derzeit nicht. 
  • Auch Plättchenreiches Plasma aus dem Blut der Patient*innen soll bei androgenetischem Haarverlust helfen. Es wird nach Gewinnung in die Kopfhaut gespritzt. Die darin enthaltenen Wachstumsfaktoren stimulieren die Haarfollikel und verlangsamen den Haarverlust. Die Behandlung erfolgt mindestens drei Mal im Abstand von sechs bis acht Wochen. In kleineren Untersuchungen war die Methode vielversprechend, es fehlen allerdings noch größere Studien, um die Ergebnisse zu untermauern.

Neben Medikamenten wird häufig die Lasertherapie zur Behandlung des androgenetischen Haarausfalls empfohlen. Die Studienergebnisse sollen im Kurzzeitvergleich den Effekten der Therapie mit Minoxidil/Finasterid ähneln, langfristig jedoch weniger gut sein. Zudem wird eine abschließende Beurteilung der Lasertherapien durch die unterschiedlichen Anwendungen (Wellenlängen, Dauer) erschwert.

Schlussendlich kommen bei weit fortgeschrittener Erkrankung und starkem Leidensdruck auch Haartransplantationen zum Einsatz. Verwendet werden dafür die eigenen Haarfollikel der Patient*in. Voraussetzung ist, dass es noch Bereiche mit ausreichender Haardichte gibt. Fremdhaar- oder Kunsthaarimplantationen sind jedoch abzulehnen, da diese häufig zu Infektionen und Abstoßungsreaktionen mit erheblicher Narbenbildung führen.

Hinweis: Medikamente gegen Haarausfall gelten als Lifestyle-Medikamente, für die die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten in den allermeisten Fällen nicht übernehmen. Die Betroffenen müssen diese also selbst bezahlen.

Auslöser abstellen beim diffusen Haarausfall

Wenn beim diffusen Haarausfall ein Auslöser bekannt ist, wird dieser behandelt. Das heißt, dass man Mangelzustände ausgleicht, auslösende Medikamente absetzt bzw. ersetzt (natürlich nur unter ärztlicher Kontrolle!) und Stress reduziert. Gelingt dies, hört der Haarausfall meist innerhalb von sechs bis neun Monaten auf.

Auch Minoxidil kann die Haardichte verbessern. Durch seinen Einfluss auf den Haarzyklus kommt es jedoch in den ersten vier bis sechs Wochen der Therapie oft zu einem vermehrten Haarausfall – worauf die Betroffenen vorbereitet werden müssen. Wie auch beim androgenetischen Haarausfall kann zudem Plättchenreiches Plasma versucht werden.

Hinweis: Viele Betroffene mit diffusem Haarausfall haben Ängste oder ein vermindertes Selbstwertgefühl. In diesen Fällen raten Expert*innen zu einer psychotherapeutischen Unterstützung.

Kreisrunden Haarausfall am Immunsystem packen

Beim sehr seltenen kreisrunden Haarausfall zielt die Therapie darauf ab, die Autoimmunreaktion zu verringern und die Haare wieder zum Wachsen zu bringen. Sind kleinere, umschriebene Bereiche betroffen, wird vier bis sechs Wochen lang Kortison als Lösung oder Schaum aufgetragen. Manchmal injiziert die Ärzt*in den Wirkstoff auch direkt in die Herde. Das Kortison unterdrückt die Immunreaktion und fördert die Regeneration der Haarfollikel. In ausgeprägtem Fällen wird Kortison auch als Tablette gegeben.

Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz anderer, hoch potenter immununterdrückender Substanzen. Gute Ergebnisse werden z. B. durch das Auftragen von Tacrolimus erzielt. In schweren und wiederkehrenden Fällen kommt auch der für die Alopecia areata zugelassene Januskinase-Inhibitor Ritlecitinib zum Einsatz. Die Therapiekosten betragen über 10 000 Euro pro Jahr. Da das Medikament als Lifestyle-Arzneimittel gelistet ist, zahlen es die gesetzlichen Krankenkassen derzeit nicht (September 2025). Die Behandlungskosten müssen also von der Patient*in übernommen werden.

Tipp: Vor allem im Verlauf der Behandlung kann ein Haartagebuch helfen. Darin notiert die Patient*in jeden Tag die Anzahl der herausgefallenen Haare, eingenommene Medikamente und aufgetretene Stressoren. Wenn möglich, werden bei kreisrundem Haarausfall auch die betroffenen Bereiche dokumentiert – z. B. mit der Handykamera.

Quellen: Häussermann-Mangold L, hautnah dermatologie 2025: 3; Nashan D, Nieschlag E, Androgenetische Alopezie des Mannes; 2022, www.springermedizin.de

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Science Photo Library / Igor Stevanovic