Gesundheit heute

Kontaktallergie

Kontaktallergie ([akutes] allergisches Kontaktekzem, allergische Kontaktdermatitis): Durch direkten Kontakt mit einem Allergen ausgelöstes, meist örtlich begrenztes Ekzem. Typische Kontaktallergene sind einige Metalle, insbesondere Nickel (z. B. in Schmuck) oder Chrom, sowie Substanzen in Kosmetikprodukten, Latexhandschuhen oder äußerlich angewandten Medikamenten.

Die Kontaktallergie ist bei Erwachsenen die häufigste Allergieform und eine der häufigsten Berufskrankheiten. Auch nach jahrzehntelangem Kontakt mit einer Substanz kann sich plötzlich eine Kontaktallergie entwickeln, wenn die Barrierefunktion der Haut überfordert ist.

Behandelt werden die Hautbeschwerden vor allem mit Kortison. Gelingt es, das Allergen konsequent zu vermeiden, kann das Ekzem spurenlos abheilen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Plötzlich auftretende geschwollene, gerötete und nässende Knötchen und Bläschen
  • Später trockener Hautausschlag mit Rötung, Verdickung, Schuppung und Rissen
  • Fast immer starker Juckreiz.

Wann in die Arztpraxis

In den nächsten Tagen bei

  • Verdacht auf eine berufsbedingte Kontaktallergie
  • Übergang des nässenden Ausschlags in eine trockene Form.

Sofort bei

  • großflächigen akuten Hautreaktionen mit Juckreiz, Rötung, Knötchen und Bläschen
  • gleichzeitiger Atemnot und/oder Kreislaufbeschwerden.

Die Erkrankung

Kontaktallergien sind weit verbreitet: 15–20 % der Allgemeinbevölkerung sind gegen eines der häufigen Kontaktallergene sensibilisiert. 5–6 % der Kinder und etwa 8 % der Erwachsenen entwickeln mindestens einmal im Leben ein Kontaktekzem.

Krankheitsentstehung

Die Kontaktallergie ist eine Allergie vom verzögerten Typ, bei dem die allergischen Hautreaktionen nicht sofort, sondern erst 24–72 Stunden nach Allergenkontakt auftreten. Warum sich eine Person gegen einen Stoff sensibilisiert und allergisch reagiert, ist noch nicht geklärt. Offenbar spielen auch genetische Faktoren eine Rolle, so sind z. B. bei zweieiigen Zwillingen häufiger beide Geschwister von einer Nickelallergie betroffen als bei eineiigen Zwillingen. Inzwischen konnten Forscher*innen auch einige Gene ausfindig machen, die die Entwicklung einer Kontaktallergie beeinflussen (z. B. das Filaggrin-Gen oder die Gene der N-Acetyltransferasen).

Auslöser

Die weitaus häufigste Kontaktallergie ist die Nickelallergie bzw. eine Allergie auf Nickelsalze wie Nickelsulfat. Nickel findet man z. B. in Schmuck (auch Silber- und Weißgoldschmuck), Brillenrahmen, Armbanduhren, Verschlüssen von Kleidungsstücken, Türklinken, Geldmünzen, Scheren (eine Nickelallergie ist bei Friseur*innen eine anerkannte Berufskrankheit), Messern und Küchengeräten. Ohrstecker und Piercings bergen ein besonderes Risiko, weil sie das Allergen besonders tief in bzw. unter die Haut bringen.

Selbst Nahrungsmittel können Probleme bereiten, wenn Nickelspuren aus dem Boden in die Pflanze gelangen (z. B. bei Bohnen, Erdnüssen, Haselnüssen oder Kakao) oder wenn saure Speisen Nickelmoleküle aus dem Kochtopf herauslösen. Der immunbiologische Wirkmechanismus der Nickelallergie wurde erst jüngst entschlüsselt: Die sich herauslösenden Nickelpartikel heften sich an ein Rezeptor-Eiweiß mit dem englischen Namen toll-like receptor 4 (TLR4) und aktivieren dadurch das Immunsystem. Dieses bildet verstärkt entzündungsfördernde Stoffe, die das Ekzem auslösen.

Eine weitere häufige Kontaktallergie ist die Latexallergie, häufig auftretend bei medizinischem Pflegepersonal, das Schutzhandschuhe tragen muss. Bei sehr allergieanfälligen Patienten kann man manchmal ein Latexasthma beobachten.

Weit verbreitete Allergene sind auch die Chromsalze; vor allem das vierwertige Chrom (Chrom IV) ist stark allergisch. Da Chromsalze zum Gerben von Leder genutzt werden, kann das Schuhleder an den Füßen Kontaktallergien auslösen. Eine Alternative sind pflanzlich und chromfrei gegerbte Schuhe. Aber auch in älteren, zementhaltigen Baustoffen finden sich Chromsalze: So sind die Schuhe von Maurer*innen, Bergarbeiter*innen und Galvanisator*innen häufig mit Baustoffen kontaminiert, wodurch die Füße ständig mit dem Allergen in Kontakt kommen und ebenfalls eine Kontaktallergie droht. Seit 2006 ist es glücklicherweise Vorschrift, das gefährliche Chrom IV im Zement durch Zinnsulfat-Zusätze unschädlich zu machen. Diese sorgen dafür, dass das Chrom IV zu dem viel weniger schädlichen Chrom III reduziert wird. Seitdem sind Chromallergien viel seltener geworden.

Bei Reinigungspersonal finden sich häufig Kontaktallergien an den Händen, hervorgerufen durch Haushaltsreiniger. Der ständige Kontakt mit Wasser und Reinigungsmitteln stört den Fett- und Säureschutzmantel der Haut und erleichtert dadurch das Eindringen von Allergenen.

Auch unter den Pflanzen und Hölzern gibt es eine Reihe von Auslösern für eine Kontaktallergie, nicht nur bei direktem Kontakt, auch bei Verwendung von Holzbeizen und Naturkosmetik. Häufige Allergene finden sich z. B. in Kamille, Rainfarn und Arnika.

Weitere Allergieauslöser finden sich in Textilien, Medikamenten (z. B. in Neomycin, Benzocain, Bufexamac), Kosmetika, Haarfärbemitteln, Seifen und anderen Pflegepräparaten. Es handelt sich z. B. um Duft-, Konservierungs- und Gerbstoffe, oder Desinfektionsmittel.

Klinik

Je nach Allergenmenge und Dauer des Allergenkontakts entwickeln sich unterschiedliche Hautveränderungen:

  • Bei der akuten Kontaktallergie, ausgelöst durch kurzzeitigen, intensiven Allergenkontakt, kommt es zu einer ausgeprägten Hautrötung mit Knötchen und wassergefüllten Bläschen, die sich später öffnen und nässen. Fast immer tritt starker Juckreiz auf. Kratzen verursacht zusätzliche Hautschäden. Die Hautveränderungen sind meistens auf die mit dem Allergen in Berührung gekommenen Hautstellen begrenzt. Lediglich bei allergisierenden Stäuben (wie Zement, Sägemehl, trockene Pflanzenteile) oder Duftstoffen (Sprays, Dämpfe, Parfüm) ist ein unscharf begrenzter Hautauschlag insbesondere im Gesicht möglich.
  • Wirkt ein Allergen in geringen Mengen, jedoch fortdauernd auf die Haut ein, kommt es zur subakuten Kontaktallergie. Typisch für diese Form ist neben einer juckenden und nässenden Hautrötung ein vergröbertes Hautbild mit Schuppung.
  • Ständiger Kontakt mit einem Allergen, z. B. im Berufsalltag, führt zu einer chronischen Kontaktallergie, gekennzeichnet durch eine trockene, gerötete, grobe, verdickte Haut mit starker Schuppung. Ein chronisches Geschehen kann über die Stellen des Allergenkontakts hinaus sogar an ganz anderer Stelle auftreten (das Ekzem "streut"). Vereinzelt kommt es zu begleitenden Reaktionen an den Atemwegen, die schlimmstenfalls zu asthmaähnlichen Beschwerden führen.

Typische Lokalisationen

Manche Lokalisationen sind für bestimmte Kontaktallergien besonders typisch:

  • Augenregion: Brillengestell, Make-Up, Augentropfen
  • Behaarter Kopf: Haarfärbemittel, Klammern, Dauerwelle
  • Ohren: Ohrstecker, Piercings
  • Mitte des Dekolletés, Kettenlinie um den Hals: Kettenanhänger und Ketten
  • Achselhöhle: Enthaarungsmittel und Deos
  • Handgelenk: Uhr, Armband
  • Hände: Latex- oder Gummihandschuhe, Chromsalze
  • Taille: Gürtel, Gummiband der Unterwäsche
  • Bauchnabel: Hosenknöpfe, Gürtelschnalle, Piercings
  • Genitalbereich: Kondome, Intimpflegemittel, Enthaarungsmittel, Piercings
  • Analfalte: feuchtes Toilettenpapier, Seife
  • Hinterer Oberschenkel: Toilettensitz
  • Vorderer Oberschenkel (Hosentasche): Feuerzeug, Schlüssel
  • Unterschenkel: Thrombosestrümpfe
  • Füße: Fußspray, Socken, Fußkettchen.

Diagnosesicherung

Die Diagnose stellt die Haut*ärzt*in anhand der typischen Hautveränderungen, ihrer Lokalisation und der Angaben der Patient*in. Welche Allergene für das Ekzem verantwortlich sind, lässt sich nach Abheilen des Ekzems am sichersten durch einen Epikutantest herausfinden.

Je nach vermutetem Auslöser stehen für einen solchen Hauttest neben einer Standardreihe mit 27 häufigen Allergenen wie z. B. Nickelsulfat, Duftstoff-Mixe und Perubalsam weitere spezifische Testreihen zur Verfügung, so

  • eine Standardreihe für Kinder
  • eine Testreihe für Konservierungsmittel
  • eine Testreihe für Augenmedikamente
  • eine Testreihe für Leder und Schuhe
  • eine Testreihe für Friseurstoffe.

Differenzialdiagnosen. Neurodermitis, Erysipel und Pilzinfektionen der Haut sehen häufig ähnlich aus wie ein Kontaktekzem. Außerdem wird das Kontaktekzem leicht mit dem toxischen Kontaktekzem verwechselt, das auf einer Schädigung der Haut durch aggressive chemische oder physikalische Einflüsse beruht. Dazu kommt, dass sich eine Kontaktallergie leicht auf dem Boden eines toxischen Kontaktekzems entwickelt. Mischformen sind also häufig.

Auch die Unterscheidung zwischen Ekzem und Dermatitis ist unscharf. Beide Begriffe beschreiben entzündliche Hautzustände, die durch eine Unverträglichkeitsreaktion verursacht werden. Es gibt zwar keinen einheitlichen medizinischen Sprachgebrauch, aber tendenziell werden akute Hautreaktionen eher als Dermatitis und chronische eher als Ekzem bezeichnet.

Behandlung

Wichtigster Schritt bei einer Kontaktallergie ist zuerst einmal die Allergenkarenz, also das Meiden des auslösenden Stoffes (mehr dazu unter "Ihr Apotheker empfiehlt").

Pharmakotherapie

Therapie der Wahl ist das Eincremen der betroffenen Hautareale mit Kortisonpräparaten. Bei nässendem Ausschlag werden eine wasserreiche O/W-Emulsion (z. B. Dermatop® Creme mit Prednicarbat) und eventuell zusätzlich feuchte Umschläge mit 0,9%iger Kochsalzlösung oder Bäder mit Gerbstoffen (Tannolact®) verordnet.

Chronische und trockene Ekzeme erfordern ein Kortisonpräparat mit hohem Fettanteil, z. B. Ecural®Salbe oder Dermatop®Fettsalbe. Haben sich auf der Haut schuppende und verdickte Plaques gebildet, unterspritzt die Ärzt*in diese mit Kortison (z. B. Triam Injekt®).

Prognose

Wird das Allergen gefunden und gemieden, heilt das Ekzem meist folgenlos ab.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Allergenkarenz. Die wichtigste Maßnahme zur Vorbeugung und Behandlung einer Kontaktallergie besteht darin, das Allergen herauszufinden und zu meiden (Allergenkarenz). Manchmal erfordert diese Maßnahme, ein Hobby aufzugeben oder sogar den Arbeitsplatz zu wechseln. In anderen Fällen reicht z. B. die Verwendung von Schutzhandschuhen, Hautschutzsalben oder Hautschutzschaum.

Frühzeitig zur Hautärzt*in. Bei fortbestehendem Allergenkontakt heilt die Krankheit nicht, sondern wird chronisch. Deshalb ist es wichtig, beim geringsten Verdacht auf eine berufsbedingte Kontaktallergie eine Hautärzt*in aufzusuchen, die entsprechende Vorsorgemaßnahmen vorschlägt und einleitet.

Komplementärmedizin

Bei der Kontaktallergie steht die Suche nach dem auslösenden Reiz durch Allergietests im Vordergrund, daher sind alternative Maßnahmen nur unterstützend zur Behandlung der Beschwerden relevant. Bewährt haben sich v. a. die Hydrotherapie und Pflanzenheilkunde, bei chronischen Formen kommen dieselben komplementärmedizinischen Methoden in Betracht, die bei der Neurodermitis aufgeführt sind.

Pflanzenheilkunde. Empfehlenswert sind lokale Maßnahmen, z. B. Anwendungen mit Gerbstoffpräparaten. So profitieren viele Patienten von Kompressen mit Extrakten aus Eichenrinde, Hamamelis (Zaubernuss), Walnussblättern oder schwarzem Tee.

Hydrotherapie. Entzündungshemmend wirken Umschläge mit kaltem abgekochten Wasser, die alle 5 Minuten erneuert werden, auch Umschläge mit Malventee sowie Quarkwickel (solange die Haut nicht offen und blutig ist) zur Kühlung und Rückfettung der Haut haben sich bewährt. Lauwarme Bäder, z. B. mit Zusätzen von Milch (außer bei Milchallergie!) und 1 Esslöffel Olivenöl, abgekochter Eichenrinde oder Weizenkleie sind bei akuten Neurodermitisschüben empfehlenswert. Chronische Ekzeme reagieren dagegen besser auf Ölbäder; sie wirken am besten, wenn das Öl erst nach 5 Minuten Badezeit dem Wasser zugesetzt wird. Für trockene und verdickte Haut eignen sich auch Sole-Bäder mit einem Salzgehalt von 1,5–6 %. Die Badedauer sollte 5–10 Minuten nicht übersteigen. Nach dem Bad empfiehlt sich eine einstündige Bettruhe, anschließend wird die Haut mit klarem Wasser abgeduscht und eingecremt.

Lichttherapie. Mitunter lassen sich die kontaktallergischen Symptome mittels UV-Bestrahlung verbessern, allerdings nicht bei chronischen Verlaufsformen.

Homöopathie. Bei chronischer Kontaktallergie empfiehlt die Homöopathie Acidum formicicum, bei Quaddeln und Entzündung Atropa belladonna sowie bei Verschlechterung der Beschwerden durch Kälte oder Wasser Rhus toxicodendron.

Akupunktur. In manchen Fällen kann Akupunktur den Juckreiz lindern.

Prävention

  • Wer zu Kontaktallergien neigt, tut gut daran, auf Modeschmuck, Piercings, Weichspüler, Desinfektionsmittel und Duftstoffe zu verzichten und mit Reinigungsmitteln eher sparsam umzugehen.
  • Regelmäßige und sorgfältige Pflege der belasteten Hautareale hilft, den Säureschutzmantel der Haut zu erhalten und ihre Barrierefunktion zu stärken. Zur Reinigung empfehlen sich seifenfreie Waschlösungen und rückfettende Badezusätze, zum Eincremen Pflegeprodukte mit hohem Fettanteil.
  • Speziell für die Hände sind im Handel zahlreiche Cremes und Salben erhältlich, die pflegende Zusätze wie Harnstoff oder Dexpanthenol enthalten. Für eine optimale Wirkung ist es erforderlich, das Eincremen nach jedem Händewaschen zu wiederholen.

Weiterführende Informationen

Viele Informationen zu Allergien und Kontaktallergien sowie eine Liste der häufigen Allergene finden Sie auf der Website des Allergieinformationsdienstes des Helmholtz Zentrums München: https://www.allergieinformationsdienst.de/immunsystem-allergie/allergene/kontaktallergene.html

Von: Dr. Ute Koch, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Was tun gegen Haarausfall?

Bei Männern geht es häufig schon früh mit dem Haarausfall los, oft beginnt dieser mit den typischen Geheimratsecken.

Was tun gegen Haarausfall?

Von dünnem Haar bis Glatze

Ob Geheimratsecken, breiter Scheitel oder insgesamt dünner werdendes Haupthaar: Haarausfall belastet viele Männer und Frauen. Die Gründe für den Haarschwund reichen von der Veranlagung über Nährstoffmangel bis zu Autoimmunerkrankungen. Zum Glück kann man einiges dagegen tun. Manchmal hilft die Gabe von Vitaminen, für schwerere Fälle gibt es verschiedene Medikamente und als letzten Ausweg die Eigenhaartransplantation.

Haarverlust ist weit verbreitet

Haare sind wichtig. Sie schützen unseren Kopf vor Überhitzung und Kälte und unterstreichen unsere Persönlichkeit. Damit sie diesen Zweck erfüllen, wachsen sie, werden länger – und fallen irgendwann aus, um neuen Haaren Platz zu machen. Dieser Haarzyklus lässt sich in drei Phasen einteilen: 

  • 85-90% der Haare befinden sich in der Wachstumsphase (Anagenphase). Sie dauert zwei bis acht Jahre und ist dadurch gekennzeichnet, dass das Haar aktiv wächst.
  • In der folgenden zwei- bis vierwöchigen Übergangsphase (Katagenphase) stoppt das Wachstum, der Haarfollikel (das „Nest“ für die Haarwurzel in der Kopfhaut) wird zurückgebildet. In diesem Stadium befinden sich etwa 1-2% der Haare. 
  • Die anschließende Ruhephase (Telogenphase) dauert zwei bis vier Monate. Der Haarfollikel schrumpft, das Haar ist nicht mehr stoffwechselaktiv und fällt schließlich aus. Der Anteil der „ruhenden“ Haare auf dem Kopf beträgt etwa 10 bis 15 %.

Haarausfall ist also ganz normal – sofern er sich in Grenzen hält. So verlieren Erwachsene unter normalen, gesunden Bedingungen etwa 50 bis 100 Haare am Tag. Sind es mehr, spricht man von einem krankhaften Haarausfall oder einer Alopezie.

Solch ein vermehrter Haarausfall ist häufig: Etwa 85% der deutschen Männer leiden im Laufe ihres Lebens darunter. Insgesamt liegt Deutschland gemeinsam mit Spanien, Frankreich und den USA an der Spitze der Länder, was den ungewollten männlichen Haarschwund betrifft.

Doch auch Frauen kämpfen damit. Etwa ein Drittel erlebt einen deutlichen Haarverlust, vor allem nach den Wechseljahren. Insbesondere bei Frauen gelten Haare als Zeichen von Attraktivität, Jugend und Fortpflanzungsfähigkeit. Deshalb empfinden sie einen ungewollten Haarverlust häufig als besonders belastend. Viele Betroffene entwickeln Depressionen und ein vermindertes Selbstwertgefühl.

Aber auch Männer nehmen schwindendes Haar oft nicht gelassen hin – vor allem, wenn es schon in jungen Jahren damit los geht. Bei ihnen wird volles Haar meist mit Stärke, Erfolg und sexueller Potenz assoziiert. Studien haben herausgefunden, dass mehr als die Hälfte der Männer mit deutlichem Haarverlust unter Angststörungen und beruflichen Einschränkungen leidet.

Androgene, externe Auslöser oder Immunsystem am Werk

Der Haarzyklus kann sowohl in der Wachstumsphase als auch in der Ruhephase gestört werden. Die Bandbreite der dadurch ausgelösten Alopezien ist vielfältig, wobei drei Formen dominieren. In den meisten Fällen handelt es sich um eine androgenetische Alopezie. Etwa 10 bis 15% der Betroffenen haben einen diffusen Haarausfall, die übrigen leiden unter dem eher seltenen kreisrunden Haarausfall (Alopecia areata) oder unter einer (noch selteneren) vernarbenden Alopezie.

Die androgenetische Alopezie wird auch als erblich bedingter Haarausfall bezeichnet. Vererbt wird dabei die Veranlagung der Haarfollikel, verstärkt auf Androgene zu reagieren. Androgene sind Sexualhormone, die beim Mann vor allem im Hoden gebildet werden und u. a. für den Bartwuchs, die tiefe Stimme und den Muskelaufbau nötig sind. Auch Frauen besitzen Androgene, allerdings in deutlich geringerer Menge. Diese werden in den Eierstöcken gebildet und spielen beim Menstruationszyklus, beim Fettstoffwechsel und für das sexuelle Verlangen eine Rolle.

Auslöser der androgenetischen Alopezie ist der Testosteron-Abkömmling Dihydrotestosteron (DHT). Er bindet in der Wachstumsphase an die Androgenrezeptoren der Haarfollikel. Durch seine anlagebedingt verstärkte Wirkung werden die Haare dünner und fallen vermehrt aus. Gleichzeitig wird das Nachwachsen erschwert, bis schließlich gar keine neuen Haare mehr gebildet werden.

  • Bei Männern beginnt dies mit Geheimratsecken oder einer Tonsur, um dann immer weiter fortzuschreiten, oft über die Halbglatze bis zur völligen Kahlköpfigkeit.
  • Bei Frauen kommt es zu einer Ausdünnung am Scheitel, der immer breiter wird. Eine Glatze bildet sich bei ihnen nur sehr selten aus.

Der diffuse Haarausfall oder die diffuse Alopezie trifft vor allem Frauen. Am häufigsten ist das sogenannte „telogene Effluvium“. Es beruht darauf, dass sich eine übermäßige Anzahl der Haare in der Ruhephase (Telogenphase) des Haarzyklus befinden. Dies führt zu einem vermehrten, oft als dramatisch empfunden diffusen Haarausfall. Dabei ist das Haar gleichmäßig ausgedünnt, ohne das klar abgegrenzte Stellen hervorstechen.

Auslöser dieser Störung des Haarzyklus sind unterschiedliche äußere und innere Faktoren. So können akute Stressereignisse wie Infektionen, Operationen, Verletzungen, Entbindung oder Medikamente innerhalb von zwei bis drei Monaten zu diffusem Haarausfall führen. Aber auch chronische Erkrankungen, Nährstoffmangel, vegane Diäten oder hohes Alter begünstigen diese Form von Haarverlust. Sie alle haben gemeinsam, dass die Durchblutung der Haarfollikelzellen verringert wird - zu Gunsten anderer, wichtiger Organe wie Herz, Gehirn und Muskeln. Dermatolog*innen erklären dies häufig damit, „dass der Körper in solchen Stresssituationen der Ansicht ist, dass man zum Überleben nicht alle Haare benötigt.“

Der kreisrunde Haarausfall (Alopecia areata) gehört zu den selteneren Formen des ungewollten Haarverlusts. Er kann in jedem Alter auftreten und sich innerhalb weniger Wochen entwickeln. Die Ursache ist eine Autoimmunkrankheit, bei der sich das körpereigene Immunsystem gegen die eigenen Haarwurzelzellen richtet. Dies führt zu einer Entzündungsreaktion, die das Haarwachstum an einzelnen Bereichen stoppt. Dadurch kommt es plötzlich zu runden, kahlen Stellen an der Kopfhaut, an den Augenbrauen und am Bart, die z. T. auch ineinander übergehen können. In ausgeprägten Fällen ist deshalb auch ein kompletter „Kahlschlag“ möglich.

Noch seltener ist der vernarbende Haarausfall. Hier kommt es zu einer kompletten Zerstörung der Haarfollikel, z. B. durch Autoimmunerkrankungen, Strahlenbehandlung, Infektionen oder Verbrennungen. Typisch sind ungleichmäßige haarlose Bereiche mit leicht verhärteter Haut. Zusätzlich leiden die Betroffenen an diesen Stellen auch unter Brennen oder Juckreiz. Eine Wiederbelebung der Haarfollikel, also eine Heilung, ist nicht möglich. Man kann lediglich das weitere Fortschreiten verhindern.

Haarausfall ist auch eine typische Nebenwirkung bei Chemotherapien zur Behandlung von Krebserkrankungen. Die Zytostatika hemmen die Haarzellen in ihrer Wachstumsphase und lösen etwa zwei bis drei Wochen nach Therapiebeginn einen massiven Haarverlust aus. Betroffen sind neben den Kopfhaaren auch die Wimpern, Augenbrauen und die Schambehaarung. Meist beginnen die Haare, vier bis acht Wochen nach Therapieende wieder zu wachsen. Die Regeneration ist nach sieben bis neun Monaten abgeschlossen.

Hinweis: Nährstoffmangel gehört zu einem häufigen Auslöser für einen diffusen Haarausfall. Insbesondere kommt es dazu, wenn es an Eisen, Zink, Vitamin B12, Vitamin D und Proteinen mangelt.

Mit Lupe und Haarzupfen der Ursache auf der Spur

Bei Haarverlust ist eine umfangreiche Befragung der Betroffenen wichtig. Dabei erkundigt sich die Ärzt*in nicht nur nach der Art und Stärke des Haarausfalls. Eine familiäre Belastung – also der frühe oder ausgeprägte Haarverlust bei Eltern und Großeltern – gibt Hinweise auf die erblich bedingte Form. Bei Frauen ist es wichtig, die hormonelle Situation zu erfassen, also ob der Zyklus regelmäßig ist, die Anti-Babypille eingenommen oder abgesetzt wurde oder die der Menopause bereits begonnen hat. Bei Verdacht auf einen diffusen Haarausfall fragt die Ärzt*in nach vorangegangenen Stressoren und nach eingenommenen Medikamenten.

Danach inspiziert die Ärzt*in Haare und Kopfhaut. Geheimratsecken, Tonsur, breiter Scheitel oder kreisrunde Bereiche sind auf den ersten Blick zu erkennen. Zur genaueren Untersuchung wird zusätzlich eine gute Lupe oder ein Dermatoskop eingesetzt. Damit können die Haare und Haarfollikel im Einzelnen betrachtet werden.

Mit dem Haarzupftest (Pulltest) kann die Ärzt*in das tatsächliche Ausmaß des Haarausfalls objektivieren. Dazu zieht sie langsam, aber kräftig an einem Büschel von ca. 60 Haaren. Lösen sich dabei mehr als fünf bis sieben Haare, geht man von einem verstärkten Haarausfall aus.

Neben diesen einfachen Verfahren gibt es eine Reihe weitere diagnostischer Hilfsmittel, die insbesondere bei unklaren Fällen eingesetzt werden. Die drei wichtigsten sind das Trichogramm, der Trichoscan und die Biopsie. 

  • Für das Trichogramm werden 50 bis 100 Haare mit der Wurzel ausgerissen und unter dem Mikroskop untersucht. Damit erkennt die Ärzt*in, wie viele Haare sich in den jeweiligen Phasen des Haarzyklus befinden. Außerdem lassen sich Auffälligkeiten in den Haarwurzeln und am Haarschaft analysieren. 
  • Beim digitalen Trichoscan rasiert man einen kleinen Bereich der behaarten Kopfhaut und kürzt die Haare auf etwa 1 mm Länge. Einige Tage später wird die Stelle mit einer Mikroskopkamera fotografiert und das Wachstum mit einer Software ausgewertet. Mit dieser Methode lassen sich ein Haarausfall objektivieren und Therapien überwachen.
  • In unklaren Fällen hilft die Kopfhautbiopsie weiter. Unter lokaler Betäubung entnimmt die Ärzt*in dafür ein kleines Stück Kopfhaut inklusive Haarfollikeln und untersucht es mikroskopisch. Diese Methode eignet sich zum Nachweis von Infektionen, Autoimmunerkrankungen und vernarbender Alopezie.

Auch Laboruntersuchungen helfen bei der Suche nach einem Auslöser für Haarausfall weiter. Je nach Verdacht bestimmt man die Sexualhormone, Entzündungsparameter sowie Biomarker für Autoimmunerkrankungen. Weil das telogene Effluvium oft auf Mangelzustände zurückzuführen ist, werden insbesondere die Eisenwerte, Zink sowie Vitamin B12 und Vitamin D im Blut analysiert.

Hinweis: Die bei Haarausfall manchmal angebotenen Verfahren wie Auradiagnostik, Chakrenanalyse oder Bioresonanzanalysen kann man sich sparen. Diese Methoden sind nicht in der Lage, die Ursache eines Haarausfalls aufzuspüren.

Medikamente gegen erblich bedingten Haarausfall

Unabhängig von den Ursachen sollten bei verstärktem Haarausfall zunächst immer folgende Basismaßnahmen beachtet werden.

  • Durchblutung anregen. Mit sanften Massagen und natürlichen Ölen (Jojobaöl, Arganöl) oder Kräutern kann die Mikrozirkulation der Kopfhaut verbessert werden. Zur individuellen Auswahl der Präparate sollte die Ärzt*in befragt werden.
  • Schonend behandeln. Bei Haarausfall muss das Haar geschont werden. D.h. keine engen Zöpfe oder Pferdeschwänze, kein heißes Föhnen und kein Haarefärben. 
  • Ausgewogen ernähren. Eine gute Ernährung mit ausreichend Vitaminen (A, C, D, E), Eisen, Zink, Omega-3-Fettsäuren und Proteinen ist wichtig für gesundes Haar.

Bei ärztlich diagnostiziertem Haarausfall reichen die genannten Maßnahmen jedoch meist nicht aus. Dann kommen spezielle Therapien dazu. Zur Behandlung des androgenetischen Haarausfalls gibt es einige Medikamente bzw. Maßnahmen, die den Haarausfall verlangsamen und das Haarwachstum fördern.

  • Minoxidil. Dieser Wirkstoff wird als Lösung zweimal täglich auf die Kopfhaut aufgetragen. Minoxidil verbessert die Durchblutung der Kopfhaut, verkürzt die Ruhe- und verlängert die Wachstumsphase der Haare. Erste Ergebnisse zeigen sich etwa zwei bis drei Monate nach Beginn der Anwendung. Viele Dermatolog*innen setzen Minoxidil auch als Tablette ein. Da es in dieser Formfür die Indikation Haarausfall nicht zugelassen ist, erfolgt dies nach Aufklärung der Patient*in off label. Als Nebenwirkungen können Kopfschmerzen und verstärktes Haarwachstum auftreten. 
  • Finasterid ist nur für Männer zugelassen. Es wird als Tablette eingenommen oder als Spray bzw. Lösung aufgetragen. Der rezeptpflichtige Wirkstoff hemmt die Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron. Als Nebenwirkungen sind Libidoverlust, erektile Dysfunktion und Depressionen möglich. Off label kann es – ebenfalls nach Aufklärung – auch bei Frauen in den Wechseljahren eingesetzt werden.
  • Finasterid und Minoxidil sind zusammen noch besser wirksam. In der Apotheke gibt es entsprechende Kombipräparate (Finasterid-Tablette plus Minoxidil-Lösung). Expert*innen zufolge sind auch beide Substanzen zusammen als Lösung sehr effektiv. Diese muss jedoch in der Apotheke angesetzt werden, ein Fertigarzneimittel gibt es derzeit nicht. 
  • Auch Plättchenreiches Plasma aus dem Blut der Patient*innen soll bei androgenetischem Haarverlust helfen. Es wird nach Gewinnung in die Kopfhaut gespritzt. Die darin enthaltenen Wachstumsfaktoren stimulieren die Haarfollikel und verlangsamen den Haarverlust. Die Behandlung erfolgt mindestens drei Mal im Abstand von sechs bis acht Wochen. In kleineren Untersuchungen war die Methode vielversprechend, es fehlen allerdings noch größere Studien, um die Ergebnisse zu untermauern.

Neben Medikamenten wird häufig die Lasertherapie zur Behandlung des androgenetischen Haarausfalls empfohlen. Die Studienergebnisse sollen im Kurzzeitvergleich den Effekten der Therapie mit Minoxidil/Finasterid ähneln, langfristig jedoch weniger gut sein. Zudem wird eine abschließende Beurteilung der Lasertherapien durch die unterschiedlichen Anwendungen (Wellenlängen, Dauer) erschwert.

Schlussendlich kommen bei weit fortgeschrittener Erkrankung und starkem Leidensdruck auch Haartransplantationen zum Einsatz. Verwendet werden dafür die eigenen Haarfollikel der Patient*in. Voraussetzung ist, dass es noch Bereiche mit ausreichender Haardichte gibt. Fremdhaar- oder Kunsthaarimplantationen sind jedoch abzulehnen, da diese häufig zu Infektionen und Abstoßungsreaktionen mit erheblicher Narbenbildung führen.

Hinweis: Medikamente gegen Haarausfall gelten als Lifestyle-Medikamente, für die die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten in den allermeisten Fällen nicht übernehmen. Die Betroffenen müssen diese also selbst bezahlen.

Auslöser abstellen beim diffusen Haarausfall

Wenn beim diffusen Haarausfall ein Auslöser bekannt ist, wird dieser behandelt. Das heißt, dass man Mangelzustände ausgleicht, auslösende Medikamente absetzt bzw. ersetzt (natürlich nur unter ärztlicher Kontrolle!) und Stress reduziert. Gelingt dies, hört der Haarausfall meist innerhalb von sechs bis neun Monaten auf.

Auch Minoxidil kann die Haardichte verbessern. Durch seinen Einfluss auf den Haarzyklus kommt es jedoch in den ersten vier bis sechs Wochen der Therapie oft zu einem vermehrten Haarausfall – worauf die Betroffenen vorbereitet werden müssen. Wie auch beim androgenetischen Haarausfall kann zudem Plättchenreiches Plasma versucht werden.

Hinweis: Viele Betroffene mit diffusem Haarausfall haben Ängste oder ein vermindertes Selbstwertgefühl. In diesen Fällen raten Expert*innen zu einer psychotherapeutischen Unterstützung.

Kreisrunden Haarausfall am Immunsystem packen

Beim sehr seltenen kreisrunden Haarausfall zielt die Therapie darauf ab, die Autoimmunreaktion zu verringern und die Haare wieder zum Wachsen zu bringen. Sind kleinere, umschriebene Bereiche betroffen, wird vier bis sechs Wochen lang Kortison als Lösung oder Schaum aufgetragen. Manchmal injiziert die Ärzt*in den Wirkstoff auch direkt in die Herde. Das Kortison unterdrückt die Immunreaktion und fördert die Regeneration der Haarfollikel. In ausgeprägtem Fällen wird Kortison auch als Tablette gegeben.

Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz anderer, hoch potenter immununterdrückender Substanzen. Gute Ergebnisse werden z. B. durch das Auftragen von Tacrolimus erzielt. In schweren und wiederkehrenden Fällen kommt auch der für die Alopecia areata zugelassene Januskinase-Inhibitor Ritlecitinib zum Einsatz. Die Therapiekosten betragen über 10 000 Euro pro Jahr. Da das Medikament als Lifestyle-Arzneimittel gelistet ist, zahlen es die gesetzlichen Krankenkassen derzeit nicht (September 2025). Die Behandlungskosten müssen also von der Patient*in übernommen werden.

Tipp: Vor allem im Verlauf der Behandlung kann ein Haartagebuch helfen. Darin notiert die Patient*in jeden Tag die Anzahl der herausgefallenen Haare, eingenommene Medikamente und aufgetretene Stressoren. Wenn möglich, werden bei kreisrundem Haarausfall auch die betroffenen Bereiche dokumentiert – z. B. mit der Handykamera.

Quellen: Häussermann-Mangold L, hautnah dermatologie 2025: 3; Nashan D, Nieschlag E, Androgenetische Alopezie des Mannes; 2022, www.springermedizin.de

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Science Photo Library / Igor Stevanovic