Gesundheit heute

Schwitzen, übermäßiges

Häufigkeit: 2

Übermäßiges Schwitzen (Hyperhidrose, Hyperhydrose): Krankhafte Überfunktion der Schweißdrüsen, v. a. an Handflächen, Füßen und unter den Achseln. Als eigenständiges Krankheitsbild tritt übermäßiges Schwitzen bei 5 % der Bevölkerung auf, insbesondere in Zusammenhang mit Stresssituationen. Häufig findet es sich als sekundäre Hyperhidrose bei Übergewicht, als Begleiterscheinung von allgemeinen Erkrankungen oder als Nebenwirkung von Medikamenten.

Zu den Basismaßnahmen gegen übermäßiges Schwitzen gehören Körperhygiene, Achselrasur, Deodorants und Wechselduschen. Daneben lindern lokal aufzutragende Antihidrotika, Schwachstromtherapie oder Botox-Injektionen die Beschwerden. Bei starker Ausprägung und hohem Leidensdruck stehen neben Medikamenten operative Maßnahmen wie die Entfernung der Schweißdrüsen oder die Durchtrennung des Grenzstrangs (Sympathektomie) zur Verfügung.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Übermäßiges Schwitzen, das entweder lokal (z. B. an Händen oder Achselhöhlen) oder am gesamten Körper auftritt
  • Feuchtigkeitsgefühl, Schweißgeruch und nasse Flecken auf der Kleidung
  • Bei Schweißausbrüchen an der Hand meist kühle, eventuell sogar weiß-bläulich verfärbte Handflächen.

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, wenn

  • das Schwitzen die Lebensqualität beeinträchtigt
  • vermehrtes Schwitzen plötzlich und scheinbar grundlos auftritt
  • das Schwitzen nachts auftritt, bei gleichzeitiger Leistungseinschränkung und Gewichtsabnahme (als sogenannte B-Symptomatik bei schweren Erkrankungen).

Die Erkrankung

Das Phänomen Schwitzen

Schwitzen ist ein natürlicher Vorgang, mit dem der Körper überflüssige Wärme abgibt und seine Temperatur reguliert. Bei normalen Temperaturen und ohne körperliche Anstrengung verliert der Mensch etwa 100 bis 200 ml Schweiß am Tag. In extremen Situationen (siehe unten) können die 2 bis 3 Millionen, über den Körper verteilten ekkrinen Schweißdrüsen jedoch bis zu 14 Liter wässriges Sekret produzieren. Dieser Schweiß gelangt auf die Körperoberfläche, verdunstet zu Wasserdampf und gibt dadurch etwa 333W/m2 Körperoberfläche ab.

Auslöser für die Schweißproduktion sind

  • hohe Umgebungstemperaturen
  • erhöhte Wärmeproduktion durch starke körperliche Arbeit oder Sport
  • Stress, starke Emotionen, Angst, Schmerzen (unabhängig von der Umgebungstemperatur, gesteuert durch das vegetative Nervensystem)
  • Nahrungsmittel (bestimmte Gewürze).

Neben der Thermoregulation ist die Signalwirkung eine weitere Aufgabe des Schwitzens. Schweiß enthält Sexualduftstoffe (Pheromone) und andere Substanzen, die in den apokrinen Schweißdrüsen gebildet werden. Diese Drüsen sitzen nur in den behaarten Gebieten der Achsel- und Genitalregion und entwickeln sich erst mit der Pubertät. Sie werden über das vegetative Nervensystem und den Botenstoff Adrenalin gesteuert und vor allem bei Angst, Stress oder starken Emotionen (emotionales Schwitzen) aktiviert. Ihr Sekretgemisch wird durch zusätzlichen wässrigen Schweiß aus den ekkrinen Drüsen dieser Gebiete noch besser verteilt. Achsel- und Schamhaare dienen dazu, dass sich der Schweiß samt Pheromonen & Co. durch die größere Oberfläche noch besser ausbreitet.

Schweißgeruch. Schweiß an sich ist geruchlos. Die unangenehmen Gerüche entstehen durch auf der Haut lebende Bakterien, die vor allem organische Bestandteile der Sekrete der apokrinen Schweißdrüsen unter der Achsel und in der Genitalregion zersetzen. Bei dauerhafter Schweißüberproduktion nimmt die Anzahl der geruchsbildenden Bakterien zu.

Idiopathisches übermäßiges Schwitzen (Primäre Hyperhidrose)

Beim idiopathischen übermäßigen Schwitzen wird die Schweißproduktion übermäßig stimuliert, eine eigentliche Ursache dafür ist nicht fassbar. Auslöser sind die gleichen wie beim "normalen" Schwitzen (siehe oben), es kommt jedoch viel schneller und viel ausgeprägter zur Schweißproduktion.

Das Beschwerdebild kann den gesamten Körper betreffen (generalisierte Hyperhidrosis) oder einzelne Körperregionen wie Achseln, Hände, Füße, Oberschenkel oder Kopf (lokalisierte Hyperhidrosis). Die übermäßige Schweißproduktion ohne erkennbare Ursache setzt häufig bereits in der Pubertät ein. Spontan oder ausgelöst durch Nervosität, Stress oder geringfügige körperliche Anstrengung kommt es zu regelrechten Schweißausbrüchen – bis zum sichtbaren Tropfen der Handflächen. In ausgeprägten Fällen stellt die generalisierte Hyperhidrosis eine erhebliche psychische Belastung dar. Aus Angst vor Schweißflecken, unangenehmem Körpergeruch oder der Notwendigkeit, die nasse Hand zum Gruß zu reichen, ziehen sich manche Betroffene aus dem sozialen Leben zurück.

Sekundäre Hyperhidrose

Im höheren Lebensalter findet man übermäßiges Schwitzen als sekundäre Hyperhidrose bei starkem Übergewicht sowie im Rahmen bestimmter Grunderkrankungen, z. B. Schilddrüsenüberfunktion, Parkinson-Krankheit oder einer chronischen Infektion. Anfallsartige Schweißausbrüche sind in Form von Hitzewallungen eine typische und häufige Beschwerde in den Wechseljahren. In seltenen Fällen geben sie einen Hinweis auf hormonelle Erkrankungen, z. B. ein Phäochromozytom. Wenn übermäßiges Schwitzen vorwiegend nachts auftritt, kann ein dickes Federbett oder eine zu hohe Zimmertemperatur, aber auch eine systemische Erkrankung die Ursache sein. So findet sich Nachtschweiß typischerweise bei manchen rheumatischen Erkrankungen, bei Tuberkulose oder bei Lymphomen. Im Zusammenhang mit Gewichtsabnahme und Leistungsknick spricht man dann auch von einer B-Symptomatik. Neben den genannten Erkrankungen kann auch die Einnahme bestimmter Medikamente ein übermäßiges Schwitzen auslösen, bekannt für diese Nebenwirkung sind beispielsweise Antidepressiva, Nitrate, Kalziumkanalblocker oder Opioide.

Komplikationen

Wiederholtes Schwitzen weicht die Haut auf und erhöht die Anfälligkeit für Ekzeme, z. B. chronisch-toxisches Kontaktekzem, und Infektionen.

Diagnosesicherung

Die Ärzt*in klärt zunächst, ob die vermehrte Schweißproduktion im Rahmen einer therapiebedürftigen Grunderkrankung auftritt. Bei der Diagnose ist vor allem die Anamnese sehr wichtig, da weder Laborwerte noch apparative Diagnostik wirklich aufschlussreich sind. Um den Schweregrad der Erkrankung festzustellen, können in der Hautarztpraxis verschiedene Tests durchgeführt werden:

  • Gravimetrie. Die Schweißmenge ermittelt die Ärzt*in, indem sie ein vorher gewogenes, saugfähiges Filterpapier auf einen stark schwitzenden Hautbereich auflegt. Nach 5 Minuten wird das Papier gewogen und sein Leergewicht subtrahiert. Bei > 100 bis 150 mg Schweiß/5 Minuten ist eine Hyperhidrose wahrscheinlich, wobei es jedoch keine festen Grenzwerte für diese Methode gibt.
  • Minor-Schweißtest. Hier trägt die Ärzt*in auf die betroffenen Areale eine wässrige Jodlösung auf und überstäubt sie mit Stärkepuder. Die schwitzenden Gebiete färben sich dann schwarz-blau. Der Test wird beispielsweise vor einer Operation durchgeführt, um die schwitzenden Areale besser zu erkennen.

Behandlung

Lässt sich die Ursache nicht ermitteln oder behandeln, stehen neben Basismaßnahmen (siehe "Ihre Apotheke empfiehlt") verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl, die Schweißbildung zu reduzieren:

  • Medikamente. Tabletten vermögen die Schweißbildung am gesamten Körper in begrenztem Ausmaß zu reduzieren, sind jedoch wegen erheblicher Nebenwirkungen wenig in Gebrauch. Eingesetzt werden Anticholinergika wie Methantheliumbromid (z. B. Vagantin®) oder Bornaprin (z. B. Sormodren®).
  • Schwachstromtherapie. Sind lediglich Handteller oder Fußsohlen betroffen, ist oft eine Behandlung mit schwachem Strom (Iontophorese, auch Iontopherese) erfolgreich. Dabei taucht die Patient*in mehrmals pro Woche Hände oder Füße in ein salzhaltiges Wasserbad, durch das Gleichstrom (10–15 mA) geleitet wird.
  • Botulinumtoxin. Zur Therapie von verstärktem Achselschweiß eignen sich Spritzen mit stark verdünntem Botulinumtoxin (Botox®). Eine gelegentliche Wiederholung ist erforderlich, frühestens jedoch nach einem halben Jahr.
  • Schweißdrüsenentfernung. Ist nur die Achselregion betroffen, besteht auch die Möglichkeit einer Schweißdrüsenabsaugung (Suktionskürrettage), die sich ambulant durchführen lässt.
  • Sympathektomie (endoskopisch transthorakale Sympathektomie, ETS). Bei diesem Verfahren wird der Teil des Grenzstranges (Truncus sympathicus), der für die Regulation der Schweißdrüsen in der Achselhöhle und der Hände zuständig ist, entfernt. Die minimal-invasive Operation wird unter Vollnarkose durchgeführt und bessert die Symptome erheblich. Als komplikationsreiches Verfahren bleibt sie jedoch auf Fälle beschränkt, die sich nicht anders behandeln lassen. Häufigste Komplikation ist das kompensatorische Schwitzen an anderen Hautarealen wie Rücken, Bauch oder Schritt, das in bis zu 85 % der Fälle auftritt.

Prognose

Übermäßiges Schwitzen ist ein kosmetisches Problem, was jedoch bei starkem Ausmaß einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität der Betroffenen haben kann. Der Verlauf der Erkrankung ist individuell verschieden. Operative Verfahren wie die Entfernung der Schweißdrüsen oder die Sympathektomie sind meist effektiv und dauerhaft wirksam.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

  • Schwitzen reduzieren. Bei normalem Schwitzen an einzelnen Körperregionen helfen meist handelsübliche kosmetische Produkte (z. B. Deo-Roller, Deosprays) oder spezielle Fußpflegeprodukte wie Fußpuder, -sprays oder Ähnliches (Gehwol®, Allgäuer Latschenkiefer, Hidrofugal®). Allzu aggressiv sollte man die örtliche Therapie jedoch nicht betreiben, da sonst die normale Hautflora geschädigt wird.
  • Antitranspiranzien mit Aluminiumsalzen hemmen die Schweißproduktion. Aluminiumhaltige Deos waren lange in der Kritik, weil man ihnen eine krebsfördernde Wirkung zuschrieb. Aktuelle Studien konnten einen solchen Effekt aber nicht nachweisen.
  • Deodoranzien mit Wirkstoffen wie Chlorhexidin oder Triclosan wirken der bakteriellen Zersetzung des Schweißes entgegen und reduzieren auf diese Weise den unangenehmen Geruch.
  • Reichen handelsübliche Produkte nicht aus, sind in der Apotheke Präparate mit Methenamin (z. B. in Antihydral® Salbe) oder Gerbstoffen (z. B. in Tannolact® Puder) erhältlich. Zur Behandlung übermäßigen Achselschweißes hat sich 10- bis 30%ige Aluminiumchloridlösung bewährt, deren Anwendung langfristig zur Verkleinerung der Schweißdrüsen führt. Die Achselhöhlen werden zunächst täglich, dann zwei- bis dreimal pro Woche behandelt, wobei die Lösung am besten mittels Zerstäuber aufgebracht wird. Anfänglich kann es zu leichten Hautreizungen kommen, die aber meist wieder abklingen.
  • Geruch bekämpfen. Wer unter stark riechendem Achselschweiß leidet, profitiert oft von einer Achselrasur: Auf der glatten Haut sammeln sich weniger geruchsbildende Bakterien. Parfümhaltige Deos überdecken unangenehmen Geruch nur. Ob diese den gewünschten Effekt erzielen, ist abhängig von der Intensität des Schweißgeruchs.
  • Kleidung anpassen. Bei vermehrter Schweißproduktion empfiehlt sich das Tragen atmungsaktiver Textilien, z. B. aus Baumwolle oder Gore-Tex®. Schichtweise nach dem Zwiebelprinzip getragene Kleidung ermöglicht eine rasche Anpassung an das jeweilige Wärmebedürfnis.
  • Abhärten. Regelmäßiges Wechselduschen und Ausdauersport trainieren den Körper, mit schweißtreibenden Reizen besser umzugehen.
  • Schweißtreibende Ernährung meiden. Da koffeinhaltige Getränke, Alkohol, scharfe Gewürze und üppige Mahlzeiten die Schweißproduktion verstärken können, lohnt sich ein Versuch, auf diese Auslöser zu verzichten. Übergewichtige Menschen verlieren oft ihre vermehrte Schweißneigung, wenn sie ihr Gewicht normalisieren.

Komplementärmedizin

Betroffene befinden sich oft in einer Art Teufelskreis: Ihnen sind die Schweißausbrüche derart unangenehm, dass sie aus Angst davor erst recht anfangen zu schwitzen. In der Komplementärmedizin steht neben der eigentlichen "Schweißbekämpfung" deshalb auch die Klärung psychischer Faktoren im Vordergrund.

Hydrotherapie. Empfehlenswert sind Umschläge mit kaltem Wasser, die alle 5 Minuten gewechselt werden. Gegen Schweißfüße hilft ein Fußbad mit Salbei oder Tomatensaft (0,5 l Saft auf 5 l Wasser).

Pflanzenheilkunde. Eine traditionelle Pflanze gegen Schweißbildung ist Salbei in Form von Tee (3–4 Tassen täglich) oder Fertigpräparaten (z. B. Salus® Salbei-Tropfen, Salvysat® Bürger).Salbei hemmt erwiesenermaßen die Schweißproduktion, wobei die Wirkung erst nach einigen Tagen eintritt. Bei leichterer Schweißneigung helfen Gerbstoffbäder oder Gerbstoffpuder aus Eichenrinde, z. B. in Fertigpräparaten wie Tannolact® Pulver oder Tannosynt® flüssig. Ebenfalls zur äußerlichen Anwendung eignet sich ein Sud aus den Blättern der Walnuss, hierfür werden 4 EL Blätter mit 1 l Wasser angesetzt, aufgekocht und abgeseiht. Vorsicht: Der Sud färbt Textilien.

Akupunktur. Es liegen positive Erfahrungsberichte vor, wonach die Akupunktur eine vermehrte Schweißneigung lindert; hier ist wohl auch der entspannende Effekt nicht zu vernachlässigen.

Psychotherapie und Entspannungverfahren. Der erste Schritt besteht darin, das eigene Verhalten zu beobachten und – z. B. in Form eines Tagebuchs – zu dokumentieren, in welchen Situationen die Schweißausbrüche gehäuft auftreten. Im nächsten Schritt erlernen die Betroffenen mittels verhaltenstherapeutischer Maßnahmen oder in einer kognitiven Verhaltenstherapie ihr Selbstwertgefühl zu stärken, weniger schnell aus dem Gleichgewicht zu geraten und die Erwartungsangst schrittweise abzubauen, indem sie z. B. Entspannungsverfahren oder Atemtechniken erlernen.

Von: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Was tun gegen Haarausfall?

Bei Männern geht es häufig schon früh mit dem Haarausfall los, oft beginnt dieser mit den typischen Geheimratsecken.

Was tun gegen Haarausfall?

Von dünnem Haar bis Glatze

Ob Geheimratsecken, breiter Scheitel oder insgesamt dünner werdendes Haupthaar: Haarausfall belastet viele Männer und Frauen. Die Gründe für den Haarschwund reichen von der Veranlagung über Nährstoffmangel bis zu Autoimmunerkrankungen. Zum Glück kann man einiges dagegen tun. Manchmal hilft die Gabe von Vitaminen, für schwerere Fälle gibt es verschiedene Medikamente und als letzten Ausweg die Eigenhaartransplantation.

Haarverlust ist weit verbreitet

Haare sind wichtig. Sie schützen unseren Kopf vor Überhitzung und Kälte und unterstreichen unsere Persönlichkeit. Damit sie diesen Zweck erfüllen, wachsen sie, werden länger – und fallen irgendwann aus, um neuen Haaren Platz zu machen. Dieser Haarzyklus lässt sich in drei Phasen einteilen: 

  • 85-90% der Haare befinden sich in der Wachstumsphase (Anagenphase). Sie dauert zwei bis acht Jahre und ist dadurch gekennzeichnet, dass das Haar aktiv wächst.
  • In der folgenden zwei- bis vierwöchigen Übergangsphase (Katagenphase) stoppt das Wachstum, der Haarfollikel (das „Nest“ für die Haarwurzel in der Kopfhaut) wird zurückgebildet. In diesem Stadium befinden sich etwa 1-2% der Haare. 
  • Die anschließende Ruhephase (Telogenphase) dauert zwei bis vier Monate. Der Haarfollikel schrumpft, das Haar ist nicht mehr stoffwechselaktiv und fällt schließlich aus. Der Anteil der „ruhenden“ Haare auf dem Kopf beträgt etwa 10 bis 15 %.

Haarausfall ist also ganz normal – sofern er sich in Grenzen hält. So verlieren Erwachsene unter normalen, gesunden Bedingungen etwa 50 bis 100 Haare am Tag. Sind es mehr, spricht man von einem krankhaften Haarausfall oder einer Alopezie.

Solch ein vermehrter Haarausfall ist häufig: Etwa 85% der deutschen Männer leiden im Laufe ihres Lebens darunter. Insgesamt liegt Deutschland gemeinsam mit Spanien, Frankreich und den USA an der Spitze der Länder, was den ungewollten männlichen Haarschwund betrifft.

Doch auch Frauen kämpfen damit. Etwa ein Drittel erlebt einen deutlichen Haarverlust, vor allem nach den Wechseljahren. Insbesondere bei Frauen gelten Haare als Zeichen von Attraktivität, Jugend und Fortpflanzungsfähigkeit. Deshalb empfinden sie einen ungewollten Haarverlust häufig als besonders belastend. Viele Betroffene entwickeln Depressionen und ein vermindertes Selbstwertgefühl.

Aber auch Männer nehmen schwindendes Haar oft nicht gelassen hin – vor allem, wenn es schon in jungen Jahren damit los geht. Bei ihnen wird volles Haar meist mit Stärke, Erfolg und sexueller Potenz assoziiert. Studien haben herausgefunden, dass mehr als die Hälfte der Männer mit deutlichem Haarverlust unter Angststörungen und beruflichen Einschränkungen leidet.

Androgene, externe Auslöser oder Immunsystem am Werk

Der Haarzyklus kann sowohl in der Wachstumsphase als auch in der Ruhephase gestört werden. Die Bandbreite der dadurch ausgelösten Alopezien ist vielfältig, wobei drei Formen dominieren. In den meisten Fällen handelt es sich um eine androgenetische Alopezie. Etwa 10 bis 15% der Betroffenen haben einen diffusen Haarausfall, die übrigen leiden unter dem eher seltenen kreisrunden Haarausfall (Alopecia areata) oder unter einer (noch selteneren) vernarbenden Alopezie.

Die androgenetische Alopezie wird auch als erblich bedingter Haarausfall bezeichnet. Vererbt wird dabei die Veranlagung der Haarfollikel, verstärkt auf Androgene zu reagieren. Androgene sind Sexualhormone, die beim Mann vor allem im Hoden gebildet werden und u. a. für den Bartwuchs, die tiefe Stimme und den Muskelaufbau nötig sind. Auch Frauen besitzen Androgene, allerdings in deutlich geringerer Menge. Diese werden in den Eierstöcken gebildet und spielen beim Menstruationszyklus, beim Fettstoffwechsel und für das sexuelle Verlangen eine Rolle.

Auslöser der androgenetischen Alopezie ist der Testosteron-Abkömmling Dihydrotestosteron (DHT). Er bindet in der Wachstumsphase an die Androgenrezeptoren der Haarfollikel. Durch seine anlagebedingt verstärkte Wirkung werden die Haare dünner und fallen vermehrt aus. Gleichzeitig wird das Nachwachsen erschwert, bis schließlich gar keine neuen Haare mehr gebildet werden.

  • Bei Männern beginnt dies mit Geheimratsecken oder einer Tonsur, um dann immer weiter fortzuschreiten, oft über die Halbglatze bis zur völligen Kahlköpfigkeit.
  • Bei Frauen kommt es zu einer Ausdünnung am Scheitel, der immer breiter wird. Eine Glatze bildet sich bei ihnen nur sehr selten aus.

Der diffuse Haarausfall oder die diffuse Alopezie trifft vor allem Frauen. Am häufigsten ist das sogenannte „telogene Effluvium“. Es beruht darauf, dass sich eine übermäßige Anzahl der Haare in der Ruhephase (Telogenphase) des Haarzyklus befinden. Dies führt zu einem vermehrten, oft als dramatisch empfunden diffusen Haarausfall. Dabei ist das Haar gleichmäßig ausgedünnt, ohne das klar abgegrenzte Stellen hervorstechen.

Auslöser dieser Störung des Haarzyklus sind unterschiedliche äußere und innere Faktoren. So können akute Stressereignisse wie Infektionen, Operationen, Verletzungen, Entbindung oder Medikamente innerhalb von zwei bis drei Monaten zu diffusem Haarausfall führen. Aber auch chronische Erkrankungen, Nährstoffmangel, vegane Diäten oder hohes Alter begünstigen diese Form von Haarverlust. Sie alle haben gemeinsam, dass die Durchblutung der Haarfollikelzellen verringert wird - zu Gunsten anderer, wichtiger Organe wie Herz, Gehirn und Muskeln. Dermatolog*innen erklären dies häufig damit, „dass der Körper in solchen Stresssituationen der Ansicht ist, dass man zum Überleben nicht alle Haare benötigt.“

Der kreisrunde Haarausfall (Alopecia areata) gehört zu den selteneren Formen des ungewollten Haarverlusts. Er kann in jedem Alter auftreten und sich innerhalb weniger Wochen entwickeln. Die Ursache ist eine Autoimmunkrankheit, bei der sich das körpereigene Immunsystem gegen die eigenen Haarwurzelzellen richtet. Dies führt zu einer Entzündungsreaktion, die das Haarwachstum an einzelnen Bereichen stoppt. Dadurch kommt es plötzlich zu runden, kahlen Stellen an der Kopfhaut, an den Augenbrauen und am Bart, die z. T. auch ineinander übergehen können. In ausgeprägten Fällen ist deshalb auch ein kompletter „Kahlschlag“ möglich.

Noch seltener ist der vernarbende Haarausfall. Hier kommt es zu einer kompletten Zerstörung der Haarfollikel, z. B. durch Autoimmunerkrankungen, Strahlenbehandlung, Infektionen oder Verbrennungen. Typisch sind ungleichmäßige haarlose Bereiche mit leicht verhärteter Haut. Zusätzlich leiden die Betroffenen an diesen Stellen auch unter Brennen oder Juckreiz. Eine Wiederbelebung der Haarfollikel, also eine Heilung, ist nicht möglich. Man kann lediglich das weitere Fortschreiten verhindern.

Haarausfall ist auch eine typische Nebenwirkung bei Chemotherapien zur Behandlung von Krebserkrankungen. Die Zytostatika hemmen die Haarzellen in ihrer Wachstumsphase und lösen etwa zwei bis drei Wochen nach Therapiebeginn einen massiven Haarverlust aus. Betroffen sind neben den Kopfhaaren auch die Wimpern, Augenbrauen und die Schambehaarung. Meist beginnen die Haare, vier bis acht Wochen nach Therapieende wieder zu wachsen. Die Regeneration ist nach sieben bis neun Monaten abgeschlossen.

Hinweis: Nährstoffmangel gehört zu einem häufigen Auslöser für einen diffusen Haarausfall. Insbesondere kommt es dazu, wenn es an Eisen, Zink, Vitamin B12, Vitamin D und Proteinen mangelt.

Mit Lupe und Haarzupfen der Ursache auf der Spur

Bei Haarverlust ist eine umfangreiche Befragung der Betroffenen wichtig. Dabei erkundigt sich die Ärzt*in nicht nur nach der Art und Stärke des Haarausfalls. Eine familiäre Belastung – also der frühe oder ausgeprägte Haarverlust bei Eltern und Großeltern – gibt Hinweise auf die erblich bedingte Form. Bei Frauen ist es wichtig, die hormonelle Situation zu erfassen, also ob der Zyklus regelmäßig ist, die Anti-Babypille eingenommen oder abgesetzt wurde oder die der Menopause bereits begonnen hat. Bei Verdacht auf einen diffusen Haarausfall fragt die Ärzt*in nach vorangegangenen Stressoren und nach eingenommenen Medikamenten.

Danach inspiziert die Ärzt*in Haare und Kopfhaut. Geheimratsecken, Tonsur, breiter Scheitel oder kreisrunde Bereiche sind auf den ersten Blick zu erkennen. Zur genaueren Untersuchung wird zusätzlich eine gute Lupe oder ein Dermatoskop eingesetzt. Damit können die Haare und Haarfollikel im Einzelnen betrachtet werden.

Mit dem Haarzupftest (Pulltest) kann die Ärzt*in das tatsächliche Ausmaß des Haarausfalls objektivieren. Dazu zieht sie langsam, aber kräftig an einem Büschel von ca. 60 Haaren. Lösen sich dabei mehr als fünf bis sieben Haare, geht man von einem verstärkten Haarausfall aus.

Neben diesen einfachen Verfahren gibt es eine Reihe weitere diagnostischer Hilfsmittel, die insbesondere bei unklaren Fällen eingesetzt werden. Die drei wichtigsten sind das Trichogramm, der Trichoscan und die Biopsie. 

  • Für das Trichogramm werden 50 bis 100 Haare mit der Wurzel ausgerissen und unter dem Mikroskop untersucht. Damit erkennt die Ärzt*in, wie viele Haare sich in den jeweiligen Phasen des Haarzyklus befinden. Außerdem lassen sich Auffälligkeiten in den Haarwurzeln und am Haarschaft analysieren. 
  • Beim digitalen Trichoscan rasiert man einen kleinen Bereich der behaarten Kopfhaut und kürzt die Haare auf etwa 1 mm Länge. Einige Tage später wird die Stelle mit einer Mikroskopkamera fotografiert und das Wachstum mit einer Software ausgewertet. Mit dieser Methode lassen sich ein Haarausfall objektivieren und Therapien überwachen.
  • In unklaren Fällen hilft die Kopfhautbiopsie weiter. Unter lokaler Betäubung entnimmt die Ärzt*in dafür ein kleines Stück Kopfhaut inklusive Haarfollikeln und untersucht es mikroskopisch. Diese Methode eignet sich zum Nachweis von Infektionen, Autoimmunerkrankungen und vernarbender Alopezie.

Auch Laboruntersuchungen helfen bei der Suche nach einem Auslöser für Haarausfall weiter. Je nach Verdacht bestimmt man die Sexualhormone, Entzündungsparameter sowie Biomarker für Autoimmunerkrankungen. Weil das telogene Effluvium oft auf Mangelzustände zurückzuführen ist, werden insbesondere die Eisenwerte, Zink sowie Vitamin B12 und Vitamin D im Blut analysiert.

Hinweis: Die bei Haarausfall manchmal angebotenen Verfahren wie Auradiagnostik, Chakrenanalyse oder Bioresonanzanalysen kann man sich sparen. Diese Methoden sind nicht in der Lage, die Ursache eines Haarausfalls aufzuspüren.

Medikamente gegen erblich bedingten Haarausfall

Unabhängig von den Ursachen sollten bei verstärktem Haarausfall zunächst immer folgende Basismaßnahmen beachtet werden.

  • Durchblutung anregen. Mit sanften Massagen und natürlichen Ölen (Jojobaöl, Arganöl) oder Kräutern kann die Mikrozirkulation der Kopfhaut verbessert werden. Zur individuellen Auswahl der Präparate sollte die Ärzt*in befragt werden.
  • Schonend behandeln. Bei Haarausfall muss das Haar geschont werden. D.h. keine engen Zöpfe oder Pferdeschwänze, kein heißes Föhnen und kein Haarefärben. 
  • Ausgewogen ernähren. Eine gute Ernährung mit ausreichend Vitaminen (A, C, D, E), Eisen, Zink, Omega-3-Fettsäuren und Proteinen ist wichtig für gesundes Haar.

Bei ärztlich diagnostiziertem Haarausfall reichen die genannten Maßnahmen jedoch meist nicht aus. Dann kommen spezielle Therapien dazu. Zur Behandlung des androgenetischen Haarausfalls gibt es einige Medikamente bzw. Maßnahmen, die den Haarausfall verlangsamen und das Haarwachstum fördern.

  • Minoxidil. Dieser Wirkstoff wird als Lösung zweimal täglich auf die Kopfhaut aufgetragen. Minoxidil verbessert die Durchblutung der Kopfhaut, verkürzt die Ruhe- und verlängert die Wachstumsphase der Haare. Erste Ergebnisse zeigen sich etwa zwei bis drei Monate nach Beginn der Anwendung. Viele Dermatolog*innen setzen Minoxidil auch als Tablette ein. Da es in dieser Formfür die Indikation Haarausfall nicht zugelassen ist, erfolgt dies nach Aufklärung der Patient*in off label. Als Nebenwirkungen können Kopfschmerzen und verstärktes Haarwachstum auftreten. 
  • Finasterid ist nur für Männer zugelassen. Es wird als Tablette eingenommen oder als Spray bzw. Lösung aufgetragen. Der rezeptpflichtige Wirkstoff hemmt die Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron. Als Nebenwirkungen sind Libidoverlust, erektile Dysfunktion und Depressionen möglich. Off label kann es – ebenfalls nach Aufklärung – auch bei Frauen in den Wechseljahren eingesetzt werden.
  • Finasterid und Minoxidil sind zusammen noch besser wirksam. In der Apotheke gibt es entsprechende Kombipräparate (Finasterid-Tablette plus Minoxidil-Lösung). Expert*innen zufolge sind auch beide Substanzen zusammen als Lösung sehr effektiv. Diese muss jedoch in der Apotheke angesetzt werden, ein Fertigarzneimittel gibt es derzeit nicht. 
  • Auch Plättchenreiches Plasma aus dem Blut der Patient*innen soll bei androgenetischem Haarverlust helfen. Es wird nach Gewinnung in die Kopfhaut gespritzt. Die darin enthaltenen Wachstumsfaktoren stimulieren die Haarfollikel und verlangsamen den Haarverlust. Die Behandlung erfolgt mindestens drei Mal im Abstand von sechs bis acht Wochen. In kleineren Untersuchungen war die Methode vielversprechend, es fehlen allerdings noch größere Studien, um die Ergebnisse zu untermauern.

Neben Medikamenten wird häufig die Lasertherapie zur Behandlung des androgenetischen Haarausfalls empfohlen. Die Studienergebnisse sollen im Kurzzeitvergleich den Effekten der Therapie mit Minoxidil/Finasterid ähneln, langfristig jedoch weniger gut sein. Zudem wird eine abschließende Beurteilung der Lasertherapien durch die unterschiedlichen Anwendungen (Wellenlängen, Dauer) erschwert.

Schlussendlich kommen bei weit fortgeschrittener Erkrankung und starkem Leidensdruck auch Haartransplantationen zum Einsatz. Verwendet werden dafür die eigenen Haarfollikel der Patient*in. Voraussetzung ist, dass es noch Bereiche mit ausreichender Haardichte gibt. Fremdhaar- oder Kunsthaarimplantationen sind jedoch abzulehnen, da diese häufig zu Infektionen und Abstoßungsreaktionen mit erheblicher Narbenbildung führen.

Hinweis: Medikamente gegen Haarausfall gelten als Lifestyle-Medikamente, für die die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten in den allermeisten Fällen nicht übernehmen. Die Betroffenen müssen diese also selbst bezahlen.

Auslöser abstellen beim diffusen Haarausfall

Wenn beim diffusen Haarausfall ein Auslöser bekannt ist, wird dieser behandelt. Das heißt, dass man Mangelzustände ausgleicht, auslösende Medikamente absetzt bzw. ersetzt (natürlich nur unter ärztlicher Kontrolle!) und Stress reduziert. Gelingt dies, hört der Haarausfall meist innerhalb von sechs bis neun Monaten auf.

Auch Minoxidil kann die Haardichte verbessern. Durch seinen Einfluss auf den Haarzyklus kommt es jedoch in den ersten vier bis sechs Wochen der Therapie oft zu einem vermehrten Haarausfall – worauf die Betroffenen vorbereitet werden müssen. Wie auch beim androgenetischen Haarausfall kann zudem Plättchenreiches Plasma versucht werden.

Hinweis: Viele Betroffene mit diffusem Haarausfall haben Ängste oder ein vermindertes Selbstwertgefühl. In diesen Fällen raten Expert*innen zu einer psychotherapeutischen Unterstützung.

Kreisrunden Haarausfall am Immunsystem packen

Beim sehr seltenen kreisrunden Haarausfall zielt die Therapie darauf ab, die Autoimmunreaktion zu verringern und die Haare wieder zum Wachsen zu bringen. Sind kleinere, umschriebene Bereiche betroffen, wird vier bis sechs Wochen lang Kortison als Lösung oder Schaum aufgetragen. Manchmal injiziert die Ärzt*in den Wirkstoff auch direkt in die Herde. Das Kortison unterdrückt die Immunreaktion und fördert die Regeneration der Haarfollikel. In ausgeprägtem Fällen wird Kortison auch als Tablette gegeben.

Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz anderer, hoch potenter immununterdrückender Substanzen. Gute Ergebnisse werden z. B. durch das Auftragen von Tacrolimus erzielt. In schweren und wiederkehrenden Fällen kommt auch der für die Alopecia areata zugelassene Januskinase-Inhibitor Ritlecitinib zum Einsatz. Die Therapiekosten betragen über 10 000 Euro pro Jahr. Da das Medikament als Lifestyle-Arzneimittel gelistet ist, zahlen es die gesetzlichen Krankenkassen derzeit nicht (September 2025). Die Behandlungskosten müssen also von der Patient*in übernommen werden.

Tipp: Vor allem im Verlauf der Behandlung kann ein Haartagebuch helfen. Darin notiert die Patient*in jeden Tag die Anzahl der herausgefallenen Haare, eingenommene Medikamente und aufgetretene Stressoren. Wenn möglich, werden bei kreisrundem Haarausfall auch die betroffenen Bereiche dokumentiert – z. B. mit der Handykamera.

Quellen: Häussermann-Mangold L, hautnah dermatologie 2025: 3; Nashan D, Nieschlag E, Androgenetische Alopezie des Mannes; 2022, www.springermedizin.de

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Science Photo Library / Igor Stevanovic