Gesundheit heute

Reizblase

Reizblase (überaktive Blase, vegetative Reizblase, [psychosomatisches] Urethralsyndrom): Krankheitsbild mit Beschwerden der Dranginkontinenz und/oder der Blasenentzündung, jedoch ohne krankhaften Befund. Die Ursache ist unklar, ein chronischer Reizzustand gilt als der Boden der Erkrankung. Es können seelische (psychosomatische) Probleme hinzutreten, damit die Reizblase entsteht – "die Blase schafft es nicht mehr".

Es sind nahezu ausschließlich Frauen betroffen, sodass wahrscheinlich auch hormonelle Veränderungen eine Rolle spielen. Die Therapie ist schwierig und umfasst sowohl eine psychotherapeutische Behandlung als auch Elemente der Dranginkontinenz-Therapie.

Ob die Reizblase ein eigenes Krankheitsbild darstellt, ist umstritten. Für einige Wissenschaftler ist es identisch mit der Dranginkontinenz, andere sprechen von der Reizblase als "Verlegenheitsdiagnose".

Symptome und Leitbeschwerden

  • Häufiger und starker, plötzlicher Drang zum Wasserlassen – auch nachts – mit nur kleinen Urinmengen
  • Keine (oder nur leichte) Schmerzen beim Wasserlassen
  • Eventuell krampfartige Blasenschmerzen
  • Gelegentlich unkontrollierter Abgang von kleinen Urinmengen, meist jedoch beherrschbar.

Die Beschwerden nehmen meist über viele Wochen zu oder sie bleiben als "Restzustand" nach einer Blasenentzündung. Sie schwanken in ihrer Intensität und sind vom übrigen Wohlbefinden abhängig.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen zum Arzt bei

  • oben genannten Beschwerden.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung und Ursachen

Nach Meinung vieler Experten ist die Erkrankung Folge eines chronischen Reizzustands der Blase, durch den die Blase das komplizierte Zusammenspiel von Blasenfüllung und -entleerung "verlernt" hat. Zu solchen Reizen gehören beispielsweise

  • Entzündungen
  • Schleimhautveränderungen und Erschlaffen des Beckenbodens durch einen Östrogenmangel (z. B. in den Wechseljahren)
  • chronischer Berufs- oder Beziehungsstress
  • medizinische Eingriffe wie die Bestrahlung eines gynäkologischen Tumors.

Aktuellere Forschungsergebnisse deuten auf einen psychoimmunologischen Prozess hin, was bedeutet, dass die psychische Grundproblematik (etwa Stress) sich auf das vegetative Nervensystem auswirkt und zu einer Schwächung der Abwehrkräfte führt – aber nur in der Blasenwand. Hinzu kommt eine Fehlsteuerung der Blasenmuskeln, die sowohl Blasenentzündungen als auch der Inkontinenzproblematik den Boden bereitet. Da das vegetative Nervensystem beteiligt ist, wird die Reizblase als funktionelle Störung angesehen und nicht als organische, denn das Organ Blase ist nicht krankhaft verändert.

Diagnosesicherung

Zunächst klärt der Arzt in einem Gespräch mit der Patientin die Beschwerden. Da sich die Beschwerden aber nicht ohne Weiteres vom Krankheitsbild der Blasenentzündung oder Harninkontinenz abgrenzen lassen, untersucht der Arzt den Urin auf Bakterien (Urinkultur) und/oder Urinsediment, um eine Blasenentzündung auszuschließen.

Als Nächstes führt der Arzt eine Ultraschalluntersuchung und eine Harnblasenspiegelung durch, um eventuell andere organische Ursachen, also Erkrankungen wie z. B. die interstitielle Zystitis oder einen Blasentumor, als Verursacher der Beschwerden zu identifizieren.

Findet der Arzt keine eindeutigen Krankheitsbefunde, so spricht man von einer Reizblase. Sie ist in der gynäkologischen und urologischen Praxis eine Ausschlussdiagnose – sie bleibt also übrig, wenn sich bei den Untersuchungen keine greifbare Erkrankung (mit organischem Befund) ergeben hat. Die Reizblase von der Blasenentzündung klar abzugrenzen ist besonders schwierig, wenn die Patientin zwar gelegentlich an Blasenentzündungen erkrankt, dies aber nicht ihre Beschwerden erklärt und ein Therapieversuch gegen Blasenentzündung die Beschwerden auch nicht beseitigt.

Differenzialdiagnosen: Blasenentzündung und Harninkontinenz sind die wichtigsten Differenzialdiagnosen.

Behandlung

Die Behandlung ist langwierig und ohne aktive Mitwirkung der betroffenen Patientin fast immer erfolglos. Im Zentrum steht die psychosomatische Therapie, etwa in Form einer Gesprächspsychotherapie, um der Patientin die meist bestehenden ungelösten Konflikte bewusst zu machen und ihr zu helfen, Lösungen zu entwickeln und ihre Konfliktfähigkeit zu verbessern.

Weitere therapeutische Optionen sind:

Medikamente. Anticholinerge Medikamente, die auch bei der Dranginkontinenz eingesetzt werden, können die Beschwerden lindern. Dazu gehören z. B. Trospium (wie z. B. Spasmex®), Oxybutinin (wie z. B. Kentera®) und Darifenacin (wie z. B. Emselex®). Auch Beta-3-Rezeptoragonisten wie Mirabegron (z. B. Betmiga®) verordnen die Ärzte gegen die Reizblase. Mirabegron kann jedoch den Blutdruck steigern, es darf bei Patienten mit Blutdruckwerten > 180/110 mmHg nicht angewendet werden.

Beckenbodentraining mit Elektrostimulation. Hierbei wird eine Sonde in die Vagina eingeführt, die mit schwachen elektrischen Impulsen die Beckenbodenmuskulatur zur Kontraktion stimuliert. Mehr dazu im Artikel Harninkontinenz unter der Elektrostimulation.

Vaginale Östrogene. Frauen nach der Menopause empfehlen die Ärzte häufig eine Therapie mit Östrogenzäpfchen oder Östrogencreme.

Botulinumtoxin A. Bei ausgeprägten Beschwerden erwägt der Arzt die Injektion von Botulinum-Toxin (Botox) in die Blasenmuskulatur. Durch das Einspritzen wird die Blasenmuskulatur geschwächt, die Kapazität der Blase erhöht und der Harndrang vermindert. Die Injektion muss alle 6 Monate wiederholt werden.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können


Blasentraining. Ist die Dranginkontinenz nicht sehr ausgeprägt, hilft das Blasen- und/oder Toilettentraining. Halten Sie sich an regelmäßige Zeiten, zu denen Sie die Toilette aufsuchen, und verlängern Sie die Zeitabstände zwischen den Toilettengängen schrittweise. Dabei helfen

  • Ein Blasentagebuch, in dem Sie notieren, wann Sie die Toilette aufsuchen und Wasser lassen
  • Ein Toilettenplan, mit dem Sie das Wasserlassen regelmäßig in festen Zeitabständen planen
  • Ablenkung zwischen den Toilettengängen. Versuchen Sie bei Harndrang, den Toilettengang um 5 Minuten aufzuschieben. Dabei hilft, sich im Sitzen auf einem Stuhl leicht nach vorn zu beugen oder den Beckenboden anzuspannen
  • Ein fester Trinkplan und eine ausreichende Trinkmenge von etwa 1,5 l/Tag. Wenn Sie zu wenig trinken, reizt der stark konzentrierte Urin die Blasenschleimhaut und vermehrt den Harndrang. Ab 2 Stunden vor dem Schlafengehen möglichst nichts mehr trinken und Nieren- oder Blasentee nur tagsüber genießen.

Druck wegnehmen. Stress ist einer der Faktoren, der eine Reizblase begünstigt. Umso wichtiger ist es, sich zumindest beim Wasserlassen nicht unter Druck zu setzen – auch wenn die Toilette nach längerem Leiden häufig als stressbehafteter Ort wahrgenommen wird. Nehmen Sie sich beim Wasserlassen Zeit, entspannen Sie und setzen Sie sich nicht unter Druck.

Entspannungstechniken erlernen. Stress ist nicht nur ein Auslöser, sondern auch eine Folge der Reizblase. Einmal in diesem Stresskreislauf gefangen, muss Entspannung häufig erst wieder erlernt werden. Hilfreich sind Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen und Autogenes Training.

Beckenbodentraining. Ein gezieltes Training des Beckenbodens hilft, den Harnröhrenschließmuskel zu stärken und einer möglichen Inkontinenz entgegenzuwirken. Eine einfache Methode ist das kurze Anhalten des Urinstrahls während dem Wasserlassen, da dabei automatisch die richtigen Muskeln angespannt werden. In Ihrer Apotheke gibt es außerdem Tampon-ähnliche Hilfsmittel mit unterschiedlichen Gewichten, die über Muskelkraft in der Scheide gehalten werden.

Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde. Extrakte aus Kürbissamen, Brennnesseln, Sägepalme oder Echter Goldrute können die Beschwerden lindern. Wichtig beim Einsatz von Pflanzentherapie gegen Blasenbeschwerden ist jedoch, dass zunächst ein Arzt abklärt, ob wirklich "nur" eine Reizblase vorliegt und nicht etwa eine behandlungsbedürftige Infektion oder andere Erkrankung des Urogenitaltrakts.

Homöopathie. Nux vomica D12 über längere Zeit eingenommen soll die Blasenmuskulatur unterstützen. Daneben kommen je nach vorherrschender Symptomatik Pulsatilla pratensis D12, Sepia D12 oder Equisetum D6 zum Einsatz.

Magnetfeldtherapie. Einige Mediziner empfehlen zur Behandlung der Reizblase eine Magnetfeldtherapie. Dabei werden Magnetfelder erzeugt, die die Durchblutung und den Zellstoffwechsel in der Blase anregen und die Schmerzen lindern. Dadurch soll der Harndrang abnehmen und das Wasserlassen erleichtert werden. Die Wirkung ist nicht wissenschaftlich gesichert.

Von: Dr. med. Martina Sticker, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Gezielt gegen Blasenschwäche

Bei einer Blasenschwäche ist nicht nur der erhöhte Wäscheaufwand ein Problem für die Betroffenen.

Gezielt gegen Blasenschwäche

Mit Training und Medikamenten

Immer noch ein Tabu, aber weit verbreitet: Unter einer Blasenschwäche leiden in Deutschland Millionen von Frauen und Männern. Gegen den unwillkürlichen Urinverlust helfen allgemeine Maßnahmen und das Trainieren von Blase und Beckenboden. Reicht das nicht aus, kommen Medikamente ins Spiel.

Eingeschränkte Lebensqualität

Blasenschwäche (Harninkontinenz) ist die Unfähigkeit, den Urin in der Harnblase zu halten. Es kommt stattdessen zu unkontrolliertem Urinverlust, entweder tröpfchenweise oder auch im Schwall. Darunter leiden viele Menschen. Bei den 40- bis 60-Jährigen ist jede Zehnte betroffen, bei den Über-60-Jährigen jede Vierte.

Ob jünger oder älter – eine Blasenschwäche ist immer sehr belastend. Je nach Ausmaß wird die Lebensqualität durch die Inkontinenz stark eingeschränkt. Weil sie sich schämen, gehen viele Menschen trotz ihrer Beschwerden nicht zur Ärzt*in. Dabei ist es wichtig, eine Blasenschwäche zu behandeln. Denn nicht nur die psychischen Folgen wie Depressionen und Vereinsamung sind erheblich. Es drohen Hautentzündungen im Intimbereich und wiederkehrende Harnwegsinfektionen bis hin zum Nierenschaden. Zudem fallen alte Menschen mit Blasenschwäche häufiger hin, weil sie die Toilette schnell erreichen wollen. Solche Stürze enden oft mit einer fatalen Oberschenkelhalsfraktur.

Hinweis: Frauen leider öfter an Blasenschwäche als Männer. Ihr Beckenboden ist dehnbarer und hat mehr Durchgänge als der männliche Beckenboden. Außerdem wird der Blasenverschluss beim Mann durch die unter der Blase liegende Prostata unterstützt.

Welche Blasenschwäche ist es?

Blasenschwäche ist nicht gleich Blasenschwäche. Um die Beschwerden zu dokumentieren und besser interpretieren zu können, ist ein Blasentagebuch hilfreich. Darin hält man täglich fest, wieviel man trinkt und wie häufig man auf die Toilette muss. Wenn möglich, misst man auch die Menge des täglich ausgeschiedenen Urins. Mithilfe dieser Informationen kann die Ärzt*in die Blasenschwäche meist gut einordnen.

Belastungsinkontinenz. Jede zweite Frau mit Blasenschwäche leidet an einer Belastungsinkontinenz (früher auch Stressinkontinenz genannt). Dabei verliert die Betroffene Urin, ohne dass sie vorher einen Harndrang bemerkt hat. Der muskuläre Verschluss am Ausgang der Blase funktioniert nicht mehr gut, etwa weil die Beckenbodenmuskulatur schwach ist oder die Beckenbänder geschädigt sind. Dann genügt schon ein kleiner Druckanstieg in der Blase und die Betroffene verliert Urin. Der Druck in der Blase steigt an, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht. Dazu kommt es schon bei ganz normalen körperlichen Beanspruchungen wie Husten, Niesen oder dem Heben schwerer Gegenstände. Begünstigt wird die Belastungsinkontinenz durch eine Gebärmuttersenkung und Übergewicht.

Dranginkontinenz. Bei der Dranginkontinenz muss die Betroffene plötzlich ganz dringend auf die Toilette, ohne dass die Blase richtig gefüllt ist. Wer nicht schnell genug ist, verliert kleine Tropfen Urin, manchmal aber auch einen ganzen Schwall. Das passiert sowohl tagsüber als auch nachts. Auslöser ist eine Störung in der Blasenwandmuskulatur, z.B. durch Entzündungen, Blasensteine oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson. Beim Mann kommt als Ursache auch eine Prostatavergrößerung in Frage.

Mischinkontinenz. Hier leiden die Betroffenen unter beiden Formen der Blasenschwäche. Sie haben wie bei einer Dranginkontinenz auch bei nicht gefüllter Blase Harndrang und ungewollten Urinverlust. Außerdem verlieren sie Urin bei körperlicher Beanspruchung.

Überaktive Blase. Bei dieser Blasenschwäche zieht sich der Muskel am Blasenausgang immer wieder zusammen und lässt dann wieder los. Das Phänomen ist nervenbedingt oder psychisch. Die Patient*innen leiden unter sehr starkem, manchmal sogar schmerzhaftem Harndrang, der sie mehr als acht Mal täglich und auch nachts zur Toilette zwingt. Solange der Beckenboden noch funktioniert, können die Betroffenen den Urin aber noch willkürlich zurückhalten.

Daneben gibt es weitere Formen der Blasenschwäche. Befindet sich z.B. am Blasenausgang ein Tumor oder Blasenstein, entleert sich die Blase beim Wasserlassen nicht komplett. Es bleibt Urin in der Blase, d.h. die Menge an sog. Restharn steigt an. Die Blase ist überfüllt und kann überlaufen. Patient*innen haben meist einen dauerhaften Harndrang und verlieren ständig kleine Mengen an Urin. Andere Ursachen für Blasenschwäche sind Nervenerkrankungen wie z.B. die Querschnittlähmung. Dabei lösen Reflexe (etwa bei gefüllter Blase) das Pinkeln aus. Man spricht dann von einer Reflexinkontinenz.

Ist die Form der Blasenschwäche erkannt, wird nach der Ursache gesucht. Je nach Verdachtsdiagnose kommen spezielle Untersuchungen zum Einsatz. Dazu gehören z.B. die Restharnbestimmung und die Urinanalyse, z.T. auch Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Nierenfunktion. Bei Frauen ist eine gynäkologische Untersuchung empfehlenswert, da Veränderungen im Becken häufig eine Blasenschwäche auslösen oder verstärken. Beim Mann ist die Untersuchung der Prostata obligat. In manchen Fällen sind auch Ultraschalluntersuchungen oder eine Blasenspiegelung nötig.

Was gegen die Blasenschwäche hilft

Liegt der Harninkontinenz eine Erkrankung zugrunde, wird diese entsprechend therapiert. Dies ist zum Beispiel bei der Prostatavergrößerung oder bei Blasensteinen der Fall. Häufig gibt es aber keine behandelbare Ursache. In diesen Fällen geht man den ungewollten Urinverlust in Stufen an. Basis sind folgende Allgemeinmaßnahmen:

  • Koffeinkonsum reduzieren. Kaffee, Cola und schwarzer Tee haben aufgrund des Koffeins eine ausschwemmende Wirkung. Bei manchen Betroffenen wird die Blasenschwäche besser, wenn sie diese Genussmittel vermeiden.
  • Übergewicht verringern. Zu viele Kilos erhöhen den Druck im Bauch und folglich auch den Druck auf die Blase. Abnehmen bessert deshalb vor allem die Belastungsinkontinenz.
  • Verstopfung behandeln. Starkes Pressen beim Stuhlgang belastet die Beckenbodenmuskulatur und schwächt diese auf Dauer.
  • Flüssigkeitszufuhr kontrollieren. Vor allem bei der überaktiven Blase kann es helfen, etwas weniger zu trinken. Aber Vorsicht, diese Maßnahme sollte man immer mit der Ärzt*in besprechen. Auf keinen Fall darf man aufgrund seiner Blasenschwäche eine Austrocknung (Dehydrataion) riskieren.
  • Mehr bewegen. Spazierengehen und auch Hausarbeit sind besser als Herumsitzen und Schonen. Denn auch moderate körperliche Bewegung stärkt den Beckenboden.
  • Ungünstige körperliche Belastungen vermeiden. Schweres Heben schadet dem Beckenboden, ebenso sind manche Sportarten ungünstig. Dazu gehören z.B. Trampolinspringen oder Crossfit-Training.
  • Rauchen aufgeben. Raucherhusten geht oft mit einer Belastungsinkontinenz einher.

Tipp: Manche Medikamente verursachen oder fördern eine Harninkontinenz. Dazu gehören Anticholinergika zur Behandlung von Atemwegserkrankungen oder Parkinson, muskelentspannende Mittel, indirekte Parasympathikomimetika oder Beruhigungsmittel. Mit der Ärzt*in sollte besprochen werden, ob diese Arzneimittel reduziert oder ersetzt werden können.

Blase oder Beckenboden trainieren

Auch Training kann bei einer Blasenschwäche helfen. Gestärkt werden dabei je nach Form der Blasenschwäche entweder die Blase selbst oder der Beckenboden.

Das Blasentraining hilft besonders gegen die Dranginkontinenz. Es zielt darauf ab, die Zeiträume zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Zunächst versucht die Betroffene, nicht gleich beim ersten Anzeichen eines Harndrangs zur Toilette zu gehen. Schritt für Schritt wird der Gang zur Toilette immer länger verzögert. Hilfreich dabei sind Entspannungsübungen. Auf diese Weise vergrößert sich das Aufnahmevolumen der Blase, der Harndrang wird geringer und das Wasserlassen besser kontrolliert.

Intensives Beckenbodentraining ist dagegen die passende Maßnahme für eine Belastungsinkontinenz. Diese Übungen erlernt man am besten in einer Physiotherapie. Spüren Betroffene mit Belastungsinkontinenz ihre Beckenbodenmuskulatur nicht, kann die Elektrostimulation helfen. Dazu verschreibt die Ärzt*in spezielle Geräte, die über die Scheide oder den Dammbereich elektrische Impulse abgeben.

Tipp: In die Scheide eingelegte Pessare stabilisieren die Harnröhre von innen. Sie helfen besonders bei unwillkürlichem Urinverlust durch körperliche Belastungen im Rahmen einer Belastungsinkontinenz.

Medikamente gegen Urinverlust

Wenn allgemeine Maßnahmen und Training nicht zum erwünschten Erfolg führen, sind stärkere Geschütze geboten. Leider gibt es wenig Hilfe aus dem Reich der Pflanzen. Zwar werden zur Linderung der Beschwerden zahlreiche Extrakte angeboten. Klinische Studien mit eindeutigen Daten zur Wirksamkeit fehlen in den meisten Fällen. Für Kürbissamen gibt es aus einer Beobachtungsstudie mit 117 Betroffenen Hinweise, dass sie Frauen mit überaktiver Blase helfen können.

Anders sieht das mit synthetischen Arzneimitteln aus. Für die Dranginkontinenz und die überaktive Blase gelten Muskarinrezeptor-Antagonisten als effektive Option. Sie verringern spontane Mikrobewegungen in der Blasenwandmuskulatur und reduzieren den Harndrang. Allerdings blockieren die Wirkstoffe nicht nur die Muskarinrezeptoren in der Blase, sondern im gesamten Organismus. Deshalb haben diese Substanzen auch zahlreiche Nebenwirkungen. Dazu gehören u.a. Mundtrockenheit, Sehstörungen und Verstopfung. Oxybutynin führt bei älteren Menschen sogar zu Verwirrtheit und Denkstörungen, vor allem wenn es abgeschluckt wird.

Einige Muskarinrezeptor-Antagonisten (z.B. Tolterodin) sollen beinahe nur auf die Blase wirken und so weniger Nebenwirkungen auslösen. Letzteres gilt auch für Präparate, deren Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, sog. retardierte Arzneistoffe.

Eine neue Therapieoption gegen Dranginkontinenz und eine überaktive Blase ist Mirabegron. Die Substanz bindet an Betarezeptoren in der Harnblasenmuskulatur und entspannt dadurch die Blase. Eingesetzt wird Mirabegron, wenn Muskarinrezeptor-Antagonisten nicht ausreichend wirken. Sie sind auch bei älteren Menschen geeignet, weil sie seltener Verwirrtheit oder Denkstörungen auslösen. Als Nebenwirkung ist allerdings eine Erhöhung des Blutdrucks zu beachten.

Ein Wirkstoff zur Behandlung der Belastungsinkontinenz ist das Antidepressivum Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es stärkt den Schließmuskel der Blase und erhöht ihr Fassungsvermögen. Dadurch kommt es seltener zu unwillkürlichem Urinverlust. Das hat allerdings auch bei Duloxetin seinen Preis: Typisch sind Nebenwirkungen im Verdauungstrakt wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Vor allem bei psychisch nicht gesunden Menschen soll der Wirkstoff aber auch vermehrt Angst und innere Unruhe auslösen.

Mit Operationen an die Blasenschwäche

Manchmal helfen auch Medikamente nicht ausreichend. Ist der Leidensdruck hoch, sind interventionelle oder operative Verfahren eine Option.

Interventionelle Verfahren. Bei der überaktiven Blase und bei der Dranginkontinenz kann die Ärzt*in den Wirkstoff Onabotulinumtoxin A in die Blase instillieren. Dadurch entspannt sich die Blasenmuskulatur und der Harndrang wird weniger. Die Wirkung setzt jedoch erst zwei Wochen nach dem Eingriff ein und hält nur einige Wochen bis Monate an. Eine weitere Option bei überaktiver Blase ist die sakrale Neuromodulation. Dabei wird eine Art Schrittmachers in die Blase eingesetzt. Dieser sendet sanfte elektrische Impulse an den Sakralnerv, der die Blase versorgt. Auf diese Weise lässt sich sowohl eine Überaktivität als auch eine Unteraktivität der Blasenmuskulatur kontrollieren.

Operationen. Die Belastungsinkontinenz kann auch relativ einfach mit einer Band- oder Schlingen-Operationen behandelt werden. Dabei wird das natürliche Band, das die Harnröhre in ihrer Position hält, durch ein künstliches Band verstärkt. Eine weitere Möglichkeit ist das Injizieren von Gel in den Bereich des Harnröhrenabgangs von der Blase. Es entsteht ein Polster, das den Blasenausgang besser verschließt. Manchmal empfehlen die Ärzt*innen auch das operative Anheben des Blasenhalses. Ist bei Männern eine vergrößerte Prostata die Ursache der Blasenschwäche, hilft deren komplette oder teilweise Entfernung.

Quelle: S2k-Leitlinie Harninkontinenz der Frau

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Giuseppe Anello / Alamy / Alamy Stock Photos