Gesundheit heute

Reizblase

Reizblase (überaktive Blase, vegetative Reizblase, [psychosomatisches] Urethralsyndrom): Krankheitsbild mit Beschwerden der Dranginkontinenz und/oder der Blasenentzündung, jedoch ohne krankhaften Befund. Die Ursache ist unklar, ein chronischer Reizzustand gilt als der Boden der Erkrankung. Es können seelische (psychosomatische) Probleme hinzutreten, damit die Reizblase entsteht – "die Blase schafft es nicht mehr".

Es sind nahezu ausschließlich Frauen betroffen, sodass wahrscheinlich auch hormonelle Veränderungen eine Rolle spielen. Die Therapie ist schwierig und umfasst sowohl eine psychotherapeutische Behandlung als auch Elemente der Dranginkontinenz-Therapie.

Ob die Reizblase ein eigenes Krankheitsbild darstellt, ist umstritten. Für einige Wissenschaftler ist es identisch mit der Dranginkontinenz, andere sprechen von der Reizblase als "Verlegenheitsdiagnose".

Symptome und Leitbeschwerden

  • Häufiger und starker, plötzlicher Drang zum Wasserlassen – auch nachts – mit nur kleinen Urinmengen
  • Keine (oder nur leichte) Schmerzen beim Wasserlassen
  • Eventuell krampfartige Blasenschmerzen
  • Gelegentlich unkontrollierter Abgang von kleinen Urinmengen, meist jedoch beherrschbar.

Die Beschwerden nehmen meist über viele Wochen zu oder sie bleiben als "Restzustand" nach einer Blasenentzündung. Sie schwanken in ihrer Intensität und sind vom übrigen Wohlbefinden abhängig.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen zum Arzt bei

  • oben genannten Beschwerden.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung und Ursachen

Nach Meinung vieler Experten ist die Erkrankung Folge eines chronischen Reizzustands der Blase, durch den die Blase das komplizierte Zusammenspiel von Blasenfüllung und -entleerung "verlernt" hat. Zu solchen Reizen gehören beispielsweise

  • Entzündungen
  • Schleimhautveränderungen und Erschlaffen des Beckenbodens durch einen Östrogenmangel (z. B. in den Wechseljahren)
  • chronischer Berufs- oder Beziehungsstress
  • medizinische Eingriffe wie die Bestrahlung eines gynäkologischen Tumors.

Aktuellere Forschungsergebnisse deuten auf einen psychoimmunologischen Prozess hin, was bedeutet, dass die psychische Grundproblematik (etwa Stress) sich auf das vegetative Nervensystem auswirkt und zu einer Schwächung der Abwehrkräfte führt – aber nur in der Blasenwand. Hinzu kommt eine Fehlsteuerung der Blasenmuskeln, die sowohl Blasenentzündungen als auch der Inkontinenzproblematik den Boden bereitet. Da das vegetative Nervensystem beteiligt ist, wird die Reizblase als funktionelle Störung angesehen und nicht als organische, denn das Organ Blase ist nicht krankhaft verändert.

Diagnosesicherung

Zunächst klärt der Arzt in einem Gespräch mit der Patientin die Beschwerden. Da sich die Beschwerden aber nicht ohne Weiteres vom Krankheitsbild der Blasenentzündung oder Harninkontinenz abgrenzen lassen, untersucht der Arzt den Urin auf Bakterien (Urinkultur) und/oder Urinsediment, um eine Blasenentzündung auszuschließen.

Als Nächstes führt der Arzt eine Ultraschalluntersuchung und eine Harnblasenspiegelung durch, um eventuell andere organische Ursachen, also Erkrankungen wie z. B. die interstitielle Zystitis oder einen Blasentumor, als Verursacher der Beschwerden zu identifizieren.

Findet der Arzt keine eindeutigen Krankheitsbefunde, so spricht man von einer Reizblase. Sie ist in der gynäkologischen und urologischen Praxis eine Ausschlussdiagnose – sie bleibt also übrig, wenn sich bei den Untersuchungen keine greifbare Erkrankung (mit organischem Befund) ergeben hat. Die Reizblase von der Blasenentzündung klar abzugrenzen ist besonders schwierig, wenn die Patientin zwar gelegentlich an Blasenentzündungen erkrankt, dies aber nicht ihre Beschwerden erklärt und ein Therapieversuch gegen Blasenentzündung die Beschwerden auch nicht beseitigt.

Differenzialdiagnosen: Blasenentzündung und Harninkontinenz sind die wichtigsten Differenzialdiagnosen.

Behandlung

Die Behandlung ist langwierig und ohne aktive Mitwirkung der betroffenen Patientin fast immer erfolglos. Im Zentrum steht die psychosomatische Therapie, etwa in Form einer Gesprächspsychotherapie, um der Patientin die meist bestehenden ungelösten Konflikte bewusst zu machen und ihr zu helfen, Lösungen zu entwickeln und ihre Konfliktfähigkeit zu verbessern.

Weitere therapeutische Optionen sind:

Medikamente. Anticholinerge Medikamente, die auch bei der Dranginkontinenz eingesetzt werden, können die Beschwerden lindern. Dazu gehören z. B. Trospium (wie z. B. Spasmex®), Oxybutinin (wie z. B. Kentera®) und Darifenacin (wie z. B. Emselex®). Auch Beta-3-Rezeptoragonisten wie Mirabegron (z. B. Betmiga®) verordnen die Ärzte gegen die Reizblase. Mirabegron kann jedoch den Blutdruck steigern, es darf bei Patienten mit Blutdruckwerten > 180/110 mmHg nicht angewendet werden.

Beckenbodentraining mit Elektrostimulation. Hierbei wird eine Sonde in die Vagina eingeführt, die mit schwachen elektrischen Impulsen die Beckenbodenmuskulatur zur Kontraktion stimuliert. Mehr dazu im Artikel Harninkontinenz unter der Elektrostimulation.

Vaginale Östrogene. Frauen nach der Menopause empfehlen die Ärzte häufig eine Therapie mit Östrogenzäpfchen oder Östrogencreme.

Botulinumtoxin A. Bei ausgeprägten Beschwerden erwägt der Arzt die Injektion von Botulinum-Toxin (Botox) in die Blasenmuskulatur. Durch das Einspritzen wird die Blasenmuskulatur geschwächt, die Kapazität der Blase erhöht und der Harndrang vermindert. Die Injektion muss alle 6 Monate wiederholt werden.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können


Blasentraining. Ist die Dranginkontinenz nicht sehr ausgeprägt, hilft das Blasen- und/oder Toilettentraining. Halten Sie sich an regelmäßige Zeiten, zu denen Sie die Toilette aufsuchen, und verlängern Sie die Zeitabstände zwischen den Toilettengängen schrittweise. Dabei helfen

  • Ein Blasentagebuch, in dem Sie notieren, wann Sie die Toilette aufsuchen und Wasser lassen
  • Ein Toilettenplan, mit dem Sie das Wasserlassen regelmäßig in festen Zeitabständen planen
  • Ablenkung zwischen den Toilettengängen. Versuchen Sie bei Harndrang, den Toilettengang um 5 Minuten aufzuschieben. Dabei hilft, sich im Sitzen auf einem Stuhl leicht nach vorn zu beugen oder den Beckenboden anzuspannen
  • Ein fester Trinkplan und eine ausreichende Trinkmenge von etwa 1,5 l/Tag. Wenn Sie zu wenig trinken, reizt der stark konzentrierte Urin die Blasenschleimhaut und vermehrt den Harndrang. Ab 2 Stunden vor dem Schlafengehen möglichst nichts mehr trinken und Nieren- oder Blasentee nur tagsüber genießen.

Druck wegnehmen. Stress ist einer der Faktoren, der eine Reizblase begünstigt. Umso wichtiger ist es, sich zumindest beim Wasserlassen nicht unter Druck zu setzen – auch wenn die Toilette nach längerem Leiden häufig als stressbehafteter Ort wahrgenommen wird. Nehmen Sie sich beim Wasserlassen Zeit, entspannen Sie und setzen Sie sich nicht unter Druck.

Entspannungstechniken erlernen. Stress ist nicht nur ein Auslöser, sondern auch eine Folge der Reizblase. Einmal in diesem Stresskreislauf gefangen, muss Entspannung häufig erst wieder erlernt werden. Hilfreich sind Entspannungstechniken wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen und Autogenes Training.

Beckenbodentraining. Ein gezieltes Training des Beckenbodens hilft, den Harnröhrenschließmuskel zu stärken und einer möglichen Inkontinenz entgegenzuwirken. Eine einfache Methode ist das kurze Anhalten des Urinstrahls während dem Wasserlassen, da dabei automatisch die richtigen Muskeln angespannt werden. In Ihrer Apotheke gibt es außerdem Tampon-ähnliche Hilfsmittel mit unterschiedlichen Gewichten, die über Muskelkraft in der Scheide gehalten werden.

Komplementärmedizin

Pflanzenheilkunde. Extrakte aus Kürbissamen, Brennnesseln, Sägepalme oder Echter Goldrute können die Beschwerden lindern. Wichtig beim Einsatz von Pflanzentherapie gegen Blasenbeschwerden ist jedoch, dass zunächst ein Arzt abklärt, ob wirklich "nur" eine Reizblase vorliegt und nicht etwa eine behandlungsbedürftige Infektion oder andere Erkrankung des Urogenitaltrakts.

Homöopathie. Nux vomica D12 über längere Zeit eingenommen soll die Blasenmuskulatur unterstützen. Daneben kommen je nach vorherrschender Symptomatik Pulsatilla pratensis D12, Sepia D12 oder Equisetum D6 zum Einsatz.

Magnetfeldtherapie. Einige Mediziner empfehlen zur Behandlung der Reizblase eine Magnetfeldtherapie. Dabei werden Magnetfelder erzeugt, die die Durchblutung und den Zellstoffwechsel in der Blase anregen und die Schmerzen lindern. Dadurch soll der Harndrang abnehmen und das Wasserlassen erleichtert werden. Die Wirkung ist nicht wissenschaftlich gesichert.

Von: Dr. med. Martina Sticker, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Blasenentzündung sanft behandeln

Blasenentzündung sanft behandeln

Hilfe aus Homöopathie & Phytotherapie

Häufiges Wasserlassen mit Schmerzen und Brennen – viele Menschen kennen die Beschwerden einer Blasenentzündung nur allzu gut. Folgende pflanzlichen Mittel und Homöopathika versprechen Abhilfe.

E.-coli-Bakterien als Verursacher

Eine Blasenentzündung (Zystitis) ist eine bakterielle Infektion der Blasenschleimhaut, häufig mit Beteiligung der Harnröhre. Bei Harnröhrenbeteiligung bezeichnet man sie auch als Infektion der unteren Harnwege oder untere Harnwegsinfektion. Drei Viertel aller Erkrankungen werden von E.-coli-Bakterien ausgelöst. Die Keime leben natürlicherweise im Dickdarm des Menschen und tragen zu einer gesunden Darmflora bei. Problematisch wird es, wenn sie vom Darm in benachbarte Strukturen, wie die Harnröhre, eindringen.

Die häufigsten Symptome

Die Beschwerden sind bei allen Betroffenen ähnlich: Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen, häufiger Harndrang – oft auch in der Nacht. Zwischen dem Wasserlassen kann es zu krampfartigen Schmerzen im Unterleib kommen. Bei Kindern deutet oft Einnässen auf eine Blasenentzündung hin, besonders wenn sie bereits trocken waren. Erbrechen, Übelkeit oder Blut im Urin können ebenfalls im Rahmen einer Blasenentzündung auftreten.

Gefährliche Komplikation: Nierenbeckenentzündung

Bedrohlich wird die Blasenentzündung, wenn sie chronisch wird (chronisch-rezidivierende Blasenentzündung) oder auf die Nieren übergreift. Auf eine Nierenbeckenentzündung weisen Fieber, Flankenschmerz und ein starkes Krankheitsgefühl hin. Bei diesen Beschwerden sollten Betroffene deshalb zügig zum Arzt. Eine Antibiotika-Einnahme ist dann unumgänglich. Handelt es sich dagegen nur um eine leichte Blasenentzündung, die einmalig auftritt, bietet die Komplementärmedizin Hilfe.

Trinken als Therapiegrundlage

Was ist das Wichtigste bei einer akuten Blasenentzündung? Viel Trinken! Denn das schwemmt die Erreger aus der Blase. Ratsam sind 3-4 l pro Tag. Wählen Sie am besten Wasser, verdünnte Säfte oder ungesüßte Kräutertees, denn sie enthalten wenig Zucker. Ihre Blase sollten Sie regelmäßig und vollständig entleeren. Gehen Sie aber nicht ständig auf die Toilette, sondern erst, wenn Sie einen starken Harndrang verspüren – bei manchen Menschen entwickelt sich sonst ein Automatismus.

Cranberries und Methionin

Bei einer akuten Blasenentzündung empfiehlt die Pflanzenheilkunde amerikanische Cranberries (Vaccinium macrocarpon). Trinken Sie ein Glas Cranberrie-Saft morgens und abends. Substanzen aus den Beeren vermindern das Anhaften der Bakterien in der Blase. Um wiederkehrenden Blasenentzündungen vorzubeugen, sind pflanzliche Präparate mit Methionin eine gut Wahl. Sie säuern den Urin an und hemmen so die Bakterienvermehrung. Ihr Apotheker berät Sie über geeignete Präparate.

Pflanzliche Teemischungen zur Desinfektion und Durchspülung

Ähnlich entzündungshemmend wie Cranberries wirken Teemischungen mit Liebstöcklwurzel, Rosmarinblättern, Tausendgüldenkraut, Goldrutenkraut, Brennnessel, Bärentrauben- oder Orthosiphonblättern. Die Tagesdosis der Blasentees liegt bei 3-4 Tassen pro Tag.

Hinweis: Blasentees mit Bärentraubenblättern dürfen maximal fünfmal im Jahr für je 1 Woche angewendet werden, da Abbauprodukte des Tees Leberschäden verursachen können.

Blasentee selber mischen

Mit folgendem Rezept rühren Sie sich Ihren Tee zur Durchspülungstherapie bei Blasenentzündungen selber an. Pro Tasse je einen Teelöffel (entspricht 20-30 g) der Zutaten zufügen

  • Bärentraubenblätter
  • Orthosiphonblätter (Katzenbartblätter)
  • Birkenblätter
  • Kamillenblüten

Die Bestandteile erhalten Sie in der Apotheke.

Homöopathie bei Blasenentzündung

Viele Homöopathen empfehlen bei einer akuten Blasenentzündung Okoubaka (Schwarzafrikanischer Rindenbaum). Die übliche Dosierung für Erwachsene beträgt dreimal täglich 5 Globuli in der Potenzierung D3 über eine Dauer von 3-4 Wochen. Kinder erhalten dreimal täglich 3 Globuli.

Als Klassiker der Nachbehandlung einer Blasenentzündung gilt Solidago (Goldrute) D3 in kurmäßiger Anwendung. Kurmäßig bedeutet: Auf eine dreiwöchige Einnahme folgt eine einwöchige Pause, dann wieder eine dreiwöchige Anwendung. Dieser Zyklus kann über längere Zeiträume beibehalten werden. Erwachsene nehmen dreimal täglich 5 Globuli, Kinder dreimal täglich 3.

Zur Vorbeugung einer Blasenentzündung raten viele Homöopathen zu Pichi-Pichi D6 (Falsche Heide). Es gilt als Ausleitungs- und Entgiftungsmittel. Die Globuli werden kurmäßig über mehrere Monate eingenommen – dreimal täglich 5 Globuli, bei Kindern 3 Globuli.

Mit Wärme die Schmerzen lindern

Kommt es im Zuge der Blasenentzündung zu Krämpfen oder Unterleibsschmerzen, gibt es auch dagegen ein sanftes Mittel. Nutzen Sie die schmerz- und krampflindernde Eigenschaft von Wärme! Legen Sie beispielsweise Wärmeflaschen, Kirschkernsäckchen oder Heublumenauflagen auf ihren Unterbauch oder Rücken. Oder setzen Sie sich darauf. Unter dem Wärmeelement aber eine Unterlage nicht vergessen! Wenn Sie sich mit einer Wolldecke zudecken, hält die Wärme länger an. Viele Betroffene empfinden ein warmes Voll- oder Sitzbad mit Kamille als angenehm.

Für alle Selbsthilfemaßnahmen gilt: Führen diese nicht innerhalb weniger Tage zu einer deutlichen Besserung, sollten Sie einen Arzt aufsuchen. Denn bei einer ungenügenden Behandlung kann sich jede Blasenentzündung zur Nierenbeckenentzündung ausweiten.

Quelle: Gesundheit Heute, Knaur Verlag 2008.

Von: Sandra Göbel; Bild: Goodluz/Shutterstock