Gesundheit heute

Nierenbeckenentzündung, chronische

Chronische Nierenbeckenentzündung (chronische Pyelonephritis): Wiederkehrende Entzündung von Nierenbecken und Nierenkelchgewebe durch nicht ausgeheilte und wiederkehrende Blasenentzündungen. Typischerweise bestehen Behinderungen des Harnabflusses durch Nierensteine, fehlangelegte Klappen oder Tumoren. Die Krankheit verläuft schubweise, im Schub ähneln die Beschwerden der akuten Nierenbeckenentzündung. Behandelt werden die akuten Schübe mit Antibiotika, für eine Heilung muss zudem die zugrunde liegende Harnabflussstörung beseitigt werden. In 20 % der Fälle, vor allem bei unzureichender Behandlung, erfolgt der Übergang in das chronische Nierenversagen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • zwischen zwei Krankheitsschüben kaum Beschwerden, während eines Krankheitsschubs die gleichen Beschwerden wie bei der akuten Nierenbeckenentzündung; also Temperaturerhöhung, schmerzhaftes Wasserlassen, beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, Flankenschmerz
  • Gewichtsverlust
  • Kopfschmerzen
  • Dumpfe Rückenschmerzen
  • Abnorme Ermüdbarkeit, Appetitlosigkeit
  • Erhöhter Blutdruck.

Wann zum Arzt

Am gleichen Tag bei

  • Fieber und brennenden Schmerzen beim Wasserlassen oder
  • Rückenschmerzen oberhalb der Taille.

In den nächsten Tagen bei

  • Gewichtsverlust, vermehrter Ermüdbarkeit, allgemeinem Krankheitsgefühl.

Die Erkrankung

Ursachen

Ursache für die chronische Nierenbeckenentzündung ist meist eine Abflussbehinderung des Urins. Wenn sich der Urin in den Harnwegen staut, fällt es krankmachenden Bakterien leichter, in Blase und Niere aufzusteigen und sich dort einzunisten. Zu den wichtigsten Harnabflussstörungen zählen Fehlbildungen der ableitenden Harnwege wie z. B. beim vesikorenalen Reflux, aber auch erworbene Hindernisse wie Nierensteine, eine vergrößerte Prostata oder Verengungen der Harnröhre. Weitere Ursachen für Harnabflussstörungen sind Verletzungen der Harnwege durch operative Eingriffe im Becken oder Tumoren, die z. B. auf einen Harnleiter drücken. Ebenso führen Dauerkatheter nicht selten über wiederkehrende Blasenentzündungen zur chronischen Nierenbeckenentzündung.

Während bei einer akuten Nierenbeckenentzündung einmalig Bakterien von der Harnblase über die Harnleiter zu den Nieren aufsteigen, geschieht dies bei der chronischen Nierenbeckenentzündung immer wieder. Dies führt zu Vernarbungen von Nierengewebe infolge ständig ablaufender Entzündungsprozesse. Beschwerden treten erst dann auf, wenn die Bakterienbesiedlung ein bestimmtes Ausmaß überschritten hat.

Verlauf

In der Folge bilden sich häufig Nierenabszesse, Eiteransammlungen also, die sich gegen das gesunde Nierengewebe abkapseln. Patienten mit einem Nierenabszess leiden unter schwerem Krankheitsgefühl mit Fieber, Schüttelfrost und Schmerzen in der Nierengegend. Das Wasserlassen kann schmerzhaft sein und der Urin ist eitrig, manchmal sogar blutig.

Bleibt die Entzündung auf Dauer bestehen, entwickelt sich als schlimmste Folge eine sogenannte pyelonephritische Schrumpfniere mit chronischem Nierenversagen.

Komplikationen

  • Urosepsis (von den Harnwegen ausgehende Blutvergiftung), d. h., dass sich die Bakterien von der Niere aus über die Blutbahnen in den gesamten Körper ausbreiten. Diese schwere Komplikation betrifft etwa 40 % der Patienten mit chronischer Nierenbeckenentzündung.
  • Durch die eingeschränkte Nierenfunktion und eine gestörte Blutdruckregulation im Rahmen des Renin-Angiotensin-Systems entwickelt sich häufig eine renale Hypertonie, also ein durch Nierenschäden verursachter Bluthochdruck.

Diagnosesicherung

Zur Diagnose der chronischen Nierenbeckenentzündung werden dieselben Untersuchungen durchgeführt wie bei der akuten Nierenbeckenentzündung.

2113_GTV_Ausscheidungsurogramm_chronische_Nierenbeckenentzuendung_Schrumpfniere.png|Links: Ausscheidungsurogramm einer 49-jährigen Frau mit chronischer Nierenbeckenentzündung. Deutlich erkennbar ist die Verformung der Nierenkelche mit narbigen Einziehungen. Rechts: Ausscheidungsurogramm einer Schrumpfniere eines 68-jährigen Patienten. Die Niere hat ein noch stärker ausgeweitetes Nierenkelchsystem mit narbigen Einziehungen, zudem ist die Nierenrinde verschmälert. Wenn nur eine Niere schrumpft, kann die andere gesunde Niere den fast vollständigen Funktionsverlust des Organs übernehmen. Entwickeln sich beidseitig Schrumpfnieren, droht ein chronisches Nierenversagen, was die A:21h01|Dialysepflicht nach sich zieht. |[GTV 2113]

Urinuntersuchungen

  • Urin-Stix: Bestimmung von roten und weißen Blutkörperchen, Nitrat, Eiweiß, Glukose
  • Mikroskopische Untersuchung des Urins, z. B. auf Zellen, rote und weiße Blutkörperchen, Epithelzellen
  • Urinkultur aus dem Mittelstrahlurin. Das Ergebnis der Urinkultur mit Bakterienmenge, Bakterienart und Antibiogramm liegt in der Regel nach 24–48 Stunden vor.

Blutuntersuchungen zeigen dem Arzt vor allem, ob eine eingeschränkte Nierenfunktion besteht. Dazu bestimmt er

  • Kreatinin-Konzentration,
  • Harnstoff,
  • Harnsäure und
  • Cystatin C.

Außerdem prüft der Arzt die Entzündungsparameter CRP, BSG und Leukozyten im Blut, manchmal legt er auch eine Blutkultur an.

Mit dem Ultraschall untersucht der Arzt die Nieren auf Eiterherde und weitere mögliche Schäden wie z. B. Vernarbungen des Nierengewebes. Besonders wichtig bei einer chronischen Nierenbeckenentzündung ist das Aufspüren etwaiger Abflussstörungen. Hierfür stehen dem Arzt eine ganze Reihe von Verfahren zur Verfügung, z. B.

  • Urogramm
  • Kontrastmittel-CT
  • Ureterpyelografie
  • Miktions-Urethrogramm
  • Urodynamische Untersuchungen
  • Szintigrafie der Niere.

Differenzialdiagnosen. Starke Schmerzen im Flankenbereich und ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl kommen z. B. auch bei der Gallenblasenentzündung, der Bauchspeicheldrüsenentzündung, der Adnexitis und der Blinddarmentzündung vor.

Behandlung

Bei akuten Schüben verordnet der Arzt Antibiotika. Entscheidend für den langfristigen Behandlungserfolg ist die Beseitigung der Abflussbehinderung: Nieren- und Harnleitersteine müssen entfernt und eine Prostatavergrößerung behandelt werden. Lässt sich ein vesikorenaler Reflux nicht chirurgisch beseitigen, verordnen die Ärzte eine antibiotische Langzeittherapie.

Nierenabszesse werden in der Klinik mit Antibiotika-Infusionen behandelt. Ist das nicht erfolgreich, versucht der Arzt den Abszess über eine Drainage zu entleeren oder entfernt in besonders schweren Fällen auch Teile der Niere oder die gesamte Niere.

Prognose

Bei frühzeitiger Diagnose und Therapie einschließlich der Beseitigung von Risikofaktoren wie Abflussstörungen kann auch eine chronische Nierenbeckenentzündung ausheilen. Wird die Erkrankung nicht behandelt, drohen Schrumpfniere und terminale Niereninsuffizienz.

Ihr Apotheker empfiehlt

Auch bei der chronischen Nierenbeckenentzündung ist es wichtig, akute (Neu)-Infektionen der Harnwege zu vermeiden. Zur Vorbeugung kommen die gleichen Maßnahmen in Betracht wie die zur Vermeidung einer Blasenentzündung:

  • Wischen Sie nach dem Toilettengang und bei der äußeren Reinigung des Intimbereichs stets von vorn nach hinten Richtung After − so vermeiden sie eine Verschleppung der Kolibakterien aus der Analregion in die Harnröhre.
  • Halten Sie Unterleib und Füße warm − Auskühlung schwächt das Immunsystem und bereits vorhandene Erreger vermehren sich schneller.
  • Bevorzugen Sie Wäsche aus luftdurchlässiger Baumwolle, die Schweiß und Feuchtigkeit ableitet. Synthetikstoffe und zu enge Kleidung fördern die Bildung eines feuchten Milieus, in dem sich Bakterien rasch vermehren.
  • Verwenden Sie Tampons statt Binden und Slipeinlagen, denn letztere schaffen ebenfalls ein feuchtes Milieu, wenn sie nicht mehr trocken sind (wechseln Sie sie gegebenenfalls öfters).
  • Lassen Sie so viel Luft wie möglich an Ihr äußeres Genital, z. B., indem Sie nachts ohne Unterhose und im Nachthemd schlafen.
  • Wechseln Sie beim Baden im Sommer Ihre nasse Badekleidung sofort nach dem Schwimmen, wenn Sie sich noch sonnen wollen.
  • Manchmal begünstigt Sexualkontakt das Einwandern körpereigener Bakterien in die Blase. Nur selten handelt es sich um eine direkte Ansteckung. Deshalb empfiehlt es sich, nach dem Sex Wasser zu lassen − das schwemmt angeschleppte Bakterien wieder aus, bevor sie sich vermehren können. Die Genitalregion sollte am besten in einem Bidet gewaschen werden.
  • Spermizide Gels und mechanische Verhütungsmittel wie Portiokappe oder Diaphragma fördern Blasenentzündungen, indem sie neben den Spermien auch die schützenden vaginalen Laktobazillen abtöten − wenn Sie diesen Verdacht haben, probieren Sie andere Verhütungsmethoden.
  • Falls Sie bisher Intimsprays verwendet haben: in den Müll damit! Benutzen Sie für die tägliche Reinigung des äußeren Intimbereichs am besten nur Wasser: Wenn Sie milde ph-neutrale Waschlotion bevorzugen, verwenden Sie diese lediglich in geringen Mengen.
  • Helfen alle diese Maßnahmen nicht, ist eine dauerhafte Vorbeugung mit einem Antibiotikum das einzige effektive Mittel, um Nierenschäden und ständige Erkrankungen des Harntrakts zu vermeiden.

Weiterführende Informationen

  • Prof. Dr. Johannes Mann: Nierenerkrankungen - Was Ihre Nieren schützt und stärkt, Trias Verlag 2014. Verständlich geschriebene Informationen zu Nierenerkrankungen mit vielen Tipps, die Niere zu schützen.

Von: Dr. André Lauber, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung Dr. med. Sonja Kempinski
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Gezielt gegen Blasenschwäche

Bei einer Blasenschwäche ist nicht nur der erhöhte Wäscheaufwand ein Problem für die Betroffenen.

Gezielt gegen Blasenschwäche

Mit Training und Medikamenten

Immer noch ein Tabu, aber weit verbreitet: Unter einer Blasenschwäche leiden in Deutschland Millionen von Frauen und Männern. Gegen den unwillkürlichen Urinverlust helfen allgemeine Maßnahmen und das Trainieren von Blase und Beckenboden. Reicht das nicht aus, kommen Medikamente ins Spiel.

Eingeschränkte Lebensqualität

Blasenschwäche (Harninkontinenz) ist die Unfähigkeit, den Urin in der Harnblase zu halten. Es kommt stattdessen zu unkontrolliertem Urinverlust, entweder tröpfchenweise oder auch im Schwall. Darunter leiden viele Menschen. Bei den 40- bis 60-Jährigen ist jede Zehnte betroffen, bei den Über-60-Jährigen jede Vierte.

Ob jünger oder älter – eine Blasenschwäche ist immer sehr belastend. Je nach Ausmaß wird die Lebensqualität durch die Inkontinenz stark eingeschränkt. Weil sie sich schämen, gehen viele Menschen trotz ihrer Beschwerden nicht zur Ärzt*in. Dabei ist es wichtig, eine Blasenschwäche zu behandeln. Denn nicht nur die psychischen Folgen wie Depressionen und Vereinsamung sind erheblich. Es drohen Hautentzündungen im Intimbereich und wiederkehrende Harnwegsinfektionen bis hin zum Nierenschaden. Zudem fallen alte Menschen mit Blasenschwäche häufiger hin, weil sie die Toilette schnell erreichen wollen. Solche Stürze enden oft mit einer fatalen Oberschenkelhalsfraktur.

Hinweis: Frauen leider öfter an Blasenschwäche als Männer. Ihr Beckenboden ist dehnbarer und hat mehr Durchgänge als der männliche Beckenboden. Außerdem wird der Blasenverschluss beim Mann durch die unter der Blase liegende Prostata unterstützt.

Welche Blasenschwäche ist es?

Blasenschwäche ist nicht gleich Blasenschwäche. Um die Beschwerden zu dokumentieren und besser interpretieren zu können, ist ein Blasentagebuch hilfreich. Darin hält man täglich fest, wieviel man trinkt und wie häufig man auf die Toilette muss. Wenn möglich, misst man auch die Menge des täglich ausgeschiedenen Urins. Mithilfe dieser Informationen kann die Ärzt*in die Blasenschwäche meist gut einordnen.

Belastungsinkontinenz. Jede zweite Frau mit Blasenschwäche leidet an einer Belastungsinkontinenz (früher auch Stressinkontinenz genannt). Dabei verliert die Betroffene Urin, ohne dass sie vorher einen Harndrang bemerkt hat. Der muskuläre Verschluss am Ausgang der Blase funktioniert nicht mehr gut, etwa weil die Beckenbodenmuskulatur schwach ist oder die Beckenbänder geschädigt sind. Dann genügt schon ein kleiner Druckanstieg in der Blase und die Betroffene verliert Urin. Der Druck in der Blase steigt an, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht. Dazu kommt es schon bei ganz normalen körperlichen Beanspruchungen wie Husten, Niesen oder dem Heben schwerer Gegenstände. Begünstigt wird die Belastungsinkontinenz durch eine Gebärmuttersenkung und Übergewicht.

Dranginkontinenz. Bei der Dranginkontinenz muss die Betroffene plötzlich ganz dringend auf die Toilette, ohne dass die Blase richtig gefüllt ist. Wer nicht schnell genug ist, verliert kleine Tropfen Urin, manchmal aber auch einen ganzen Schwall. Das passiert sowohl tagsüber als auch nachts. Auslöser ist eine Störung in der Blasenwandmuskulatur, z.B. durch Entzündungen, Blasensteine oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson. Beim Mann kommt als Ursache auch eine Prostatavergrößerung in Frage.

Mischinkontinenz. Hier leiden die Betroffenen unter beiden Formen der Blasenschwäche. Sie haben wie bei einer Dranginkontinenz auch bei nicht gefüllter Blase Harndrang und ungewollten Urinverlust. Außerdem verlieren sie Urin bei körperlicher Beanspruchung.

Überaktive Blase. Bei dieser Blasenschwäche zieht sich der Muskel am Blasenausgang immer wieder zusammen und lässt dann wieder los. Das Phänomen ist nervenbedingt oder psychisch. Die Patient*innen leiden unter sehr starkem, manchmal sogar schmerzhaftem Harndrang, der sie mehr als acht Mal täglich und auch nachts zur Toilette zwingt. Solange der Beckenboden noch funktioniert, können die Betroffenen den Urin aber noch willkürlich zurückhalten.

Daneben gibt es weitere Formen der Blasenschwäche. Befindet sich z.B. am Blasenausgang ein Tumor oder Blasenstein, entleert sich die Blase beim Wasserlassen nicht komplett. Es bleibt Urin in der Blase, d.h. die Menge an sog. Restharn steigt an. Die Blase ist überfüllt und kann überlaufen. Patient*innen haben meist einen dauerhaften Harndrang und verlieren ständig kleine Mengen an Urin. Andere Ursachen für Blasenschwäche sind Nervenerkrankungen wie z.B. die Querschnittlähmung. Dabei lösen Reflexe (etwa bei gefüllter Blase) das Pinkeln aus. Man spricht dann von einer Reflexinkontinenz.

Ist die Form der Blasenschwäche erkannt, wird nach der Ursache gesucht. Je nach Verdachtsdiagnose kommen spezielle Untersuchungen zum Einsatz. Dazu gehören z.B. die Restharnbestimmung und die Urinanalyse, z.T. auch Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Nierenfunktion. Bei Frauen ist eine gynäkologische Untersuchung empfehlenswert, da Veränderungen im Becken häufig eine Blasenschwäche auslösen oder verstärken. Beim Mann ist die Untersuchung der Prostata obligat. In manchen Fällen sind auch Ultraschalluntersuchungen oder eine Blasenspiegelung nötig.

Was gegen die Blasenschwäche hilft

Liegt der Harninkontinenz eine Erkrankung zugrunde, wird diese entsprechend therapiert. Dies ist zum Beispiel bei der Prostatavergrößerung oder bei Blasensteinen der Fall. Häufig gibt es aber keine behandelbare Ursache. In diesen Fällen geht man den ungewollten Urinverlust in Stufen an. Basis sind folgende Allgemeinmaßnahmen:

  • Koffeinkonsum reduzieren. Kaffee, Cola und schwarzer Tee haben aufgrund des Koffeins eine ausschwemmende Wirkung. Bei manchen Betroffenen wird die Blasenschwäche besser, wenn sie diese Genussmittel vermeiden.
  • Übergewicht verringern. Zu viele Kilos erhöhen den Druck im Bauch und folglich auch den Druck auf die Blase. Abnehmen bessert deshalb vor allem die Belastungsinkontinenz.
  • Verstopfung behandeln. Starkes Pressen beim Stuhlgang belastet die Beckenbodenmuskulatur und schwächt diese auf Dauer.
  • Flüssigkeitszufuhr kontrollieren. Vor allem bei der überaktiven Blase kann es helfen, etwas weniger zu trinken. Aber Vorsicht, diese Maßnahme sollte man immer mit der Ärzt*in besprechen. Auf keinen Fall darf man aufgrund seiner Blasenschwäche eine Austrocknung (Dehydrataion) riskieren.
  • Mehr bewegen. Spazierengehen und auch Hausarbeit sind besser als Herumsitzen und Schonen. Denn auch moderate körperliche Bewegung stärkt den Beckenboden.
  • Ungünstige körperliche Belastungen vermeiden. Schweres Heben schadet dem Beckenboden, ebenso sind manche Sportarten ungünstig. Dazu gehören z.B. Trampolinspringen oder Crossfit-Training.
  • Rauchen aufgeben. Raucherhusten geht oft mit einer Belastungsinkontinenz einher.

Tipp: Manche Medikamente verursachen oder fördern eine Harninkontinenz. Dazu gehören Anticholinergika zur Behandlung von Atemwegserkrankungen oder Parkinson, muskelentspannende Mittel, indirekte Parasympathikomimetika oder Beruhigungsmittel. Mit der Ärzt*in sollte besprochen werden, ob diese Arzneimittel reduziert oder ersetzt werden können.

Blase oder Beckenboden trainieren

Auch Training kann bei einer Blasenschwäche helfen. Gestärkt werden dabei je nach Form der Blasenschwäche entweder die Blase selbst oder der Beckenboden.

Das Blasentraining hilft besonders gegen die Dranginkontinenz. Es zielt darauf ab, die Zeiträume zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Zunächst versucht die Betroffene, nicht gleich beim ersten Anzeichen eines Harndrangs zur Toilette zu gehen. Schritt für Schritt wird der Gang zur Toilette immer länger verzögert. Hilfreich dabei sind Entspannungsübungen. Auf diese Weise vergrößert sich das Aufnahmevolumen der Blase, der Harndrang wird geringer und das Wasserlassen besser kontrolliert.

Intensives Beckenbodentraining ist dagegen die passende Maßnahme für eine Belastungsinkontinenz. Diese Übungen erlernt man am besten in einer Physiotherapie. Spüren Betroffene mit Belastungsinkontinenz ihre Beckenbodenmuskulatur nicht, kann die Elektrostimulation helfen. Dazu verschreibt die Ärzt*in spezielle Geräte, die über die Scheide oder den Dammbereich elektrische Impulse abgeben.

Tipp: In die Scheide eingelegte Pessare stabilisieren die Harnröhre von innen. Sie helfen besonders bei unwillkürlichem Urinverlust durch körperliche Belastungen im Rahmen einer Belastungsinkontinenz.

Medikamente gegen Urinverlust

Wenn allgemeine Maßnahmen und Training nicht zum erwünschten Erfolg führen, sind stärkere Geschütze geboten. Leider gibt es wenig Hilfe aus dem Reich der Pflanzen. Zwar werden zur Linderung der Beschwerden zahlreiche Extrakte angeboten. Klinische Studien mit eindeutigen Daten zur Wirksamkeit fehlen in den meisten Fällen. Für Kürbissamen gibt es aus einer Beobachtungsstudie mit 117 Betroffenen Hinweise, dass sie Frauen mit überaktiver Blase helfen können.

Anders sieht das mit synthetischen Arzneimitteln aus. Für die Dranginkontinenz und die überaktive Blase gelten Muskarinrezeptor-Antagonisten als effektive Option. Sie verringern spontane Mikrobewegungen in der Blasenwandmuskulatur und reduzieren den Harndrang. Allerdings blockieren die Wirkstoffe nicht nur die Muskarinrezeptoren in der Blase, sondern im gesamten Organismus. Deshalb haben diese Substanzen auch zahlreiche Nebenwirkungen. Dazu gehören u.a. Mundtrockenheit, Sehstörungen und Verstopfung. Oxybutynin führt bei älteren Menschen sogar zu Verwirrtheit und Denkstörungen, vor allem wenn es abgeschluckt wird.

Einige Muskarinrezeptor-Antagonisten (z.B. Tolterodin) sollen beinahe nur auf die Blase wirken und so weniger Nebenwirkungen auslösen. Letzteres gilt auch für Präparate, deren Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, sog. retardierte Arzneistoffe.

Eine neue Therapieoption gegen Dranginkontinenz und eine überaktive Blase ist Mirabegron. Die Substanz bindet an Betarezeptoren in der Harnblasenmuskulatur und entspannt dadurch die Blase. Eingesetzt wird Mirabegron, wenn Muskarinrezeptor-Antagonisten nicht ausreichend wirken. Sie sind auch bei älteren Menschen geeignet, weil sie seltener Verwirrtheit oder Denkstörungen auslösen. Als Nebenwirkung ist allerdings eine Erhöhung des Blutdrucks zu beachten.

Ein Wirkstoff zur Behandlung der Belastungsinkontinenz ist das Antidepressivum Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es stärkt den Schließmuskel der Blase und erhöht ihr Fassungsvermögen. Dadurch kommt es seltener zu unwillkürlichem Urinverlust. Das hat allerdings auch bei Duloxetin seinen Preis: Typisch sind Nebenwirkungen im Verdauungstrakt wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Vor allem bei psychisch nicht gesunden Menschen soll der Wirkstoff aber auch vermehrt Angst und innere Unruhe auslösen.

Mit Operationen an die Blasenschwäche

Manchmal helfen auch Medikamente nicht ausreichend. Ist der Leidensdruck hoch, sind interventionelle oder operative Verfahren eine Option.

Interventionelle Verfahren. Bei der überaktiven Blase und bei der Dranginkontinenz kann die Ärzt*in den Wirkstoff Onabotulinumtoxin A in die Blase instillieren. Dadurch entspannt sich die Blasenmuskulatur und der Harndrang wird weniger. Die Wirkung setzt jedoch erst zwei Wochen nach dem Eingriff ein und hält nur einige Wochen bis Monate an. Eine weitere Option bei überaktiver Blase ist die sakrale Neuromodulation. Dabei wird eine Art Schrittmachers in die Blase eingesetzt. Dieser sendet sanfte elektrische Impulse an den Sakralnerv, der die Blase versorgt. Auf diese Weise lässt sich sowohl eine Überaktivität als auch eine Unteraktivität der Blasenmuskulatur kontrollieren.

Operationen. Die Belastungsinkontinenz kann auch relativ einfach mit einer Band- oder Schlingen-Operationen behandelt werden. Dabei wird das natürliche Band, das die Harnröhre in ihrer Position hält, durch ein künstliches Band verstärkt. Eine weitere Möglichkeit ist das Injizieren von Gel in den Bereich des Harnröhrenabgangs von der Blase. Es entsteht ein Polster, das den Blasenausgang besser verschließt. Manchmal empfehlen die Ärzt*innen auch das operative Anheben des Blasenhalses. Ist bei Männern eine vergrößerte Prostata die Ursache der Blasenschwäche, hilft deren komplette oder teilweise Entfernung.

Quelle: S2k-Leitlinie Harninkontinenz der Frau

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Giuseppe Anello / Alamy / Alamy Stock Photos