Gesundheit heute

Komplexes regionales Schmerzsyndrom (Morbus Sudeck)

Komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) (Morbus Sudeck, Sudeck-Erkrankung, Kausalgie): Chronische Schmerzkrankheit, die nach (eventuell geringfügigen) Verletzungen oder Operationen an Armen oder Beinen auftritt. Typisch sind anhaltende, durch das Trauma nicht zu erklärende Schmerzen, die von zahlreichen Störungen begleitet werden, etwa von veränderter Schweißproduktion, Überwärmung, Schwellungen, Muskelabbau und Gelenkversteifungen. Im weiteren Verlauf drohen erhebliche Funktionseinschränkungen. Als Ursachen gelten Fehlsteuerungen bei der Weiterleitung und Verarbeitung von Schmerzreizen in Rückenmark und Gehirn.

Das Behandlungskonzept ist vielfältig, es kommen Medikamente gegen Nervenschmerzen sowie physiotherapeutische Verfahren zum Einsatz. Mithilfe der Spiegeltherapie können die veränderten Gehirngebiete wieder normalisiert werden. Für schwere, nicht beherrschbare Verläufe sind invasive Verfahren eine Option, dazu gehört beispielsweise das Einpflanzen eines Rückenmarkstimulators oder die Blockade des sympathischen Nervengeflechts.

Wird die Erkrankung frühzeitig erkannt und behandelt, ist die Prognose recht gut. Einmal aufgetretene Kontrakturen und Gelenkversteifungen lassen sich häufig nicht mehr rückgängig machen.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Anhaltender, durch das Trauma nicht zu erklärender, häufig brennender Ruheschmerz
  • Manchmal auch Schmerzen nur unter Belastung
  • Schmerz- und/oder Berührungsüberempfindlichkeit, "falsches" Schmerzempfinden (Allodynie, z. B. Schmerzen beim Bestreichen der Haut mit einem Wattebausch)
  • Schwellung, Hautrötung, Überwärmung, vermehrtes oder vermindertes Schwitzen, später kalte, blasse Haut
  • Muskelzuckungen, Tremor (Zittern)
  • Verminderte Muskelkraft, steife Gelenke.

Wann zum Arzt

Am gleichen Tag, wenn

  • nach einer Verletzung oder Operation oben genannte Veränderungen auftreten.

Die Erkrankung

Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) entwickelt sich bei bis zu 5 % der Patient*innen, die eine Verletzung an Arm oder Bein haben oder dort operiert wurden. Frauen leiden häufiger darunter als Männer, der Erkrankungsgipfel liegt im mittleren Lebensalter. Arme und Hände sind doppelt so oft von einem CRPS betroffen als die unteren Gliedmaßen, besonders typisch ist die Erkrankung nach einem Speichenbruch in der Nähe des Handgelenks (d. h. bei einer distalen Radiusfraktur).

Einteilungen. Das CRPS wird in zwei Formen eingeteilt. Beim Typ I (entspricht der Sudeck-Erkrankung) finden sich die Beschwerden ohne nachweisbare Verletzung eines größeren, in Arm oder Bein verlaufenden Nerven. Das CRPS Typ II (früher Kausalgie genannt) entsteht dagegen aufgrund einer objektiv nachweisbaren Nervenschädigung. Eine weitere, klinische Einteilung ist die nach dem Aktivitätsgrad: Im Stadium der frischen, aktiven Entzündung mit Überwärmung sprechen Ärzt*innen oft von einem warmen CRPS. Beim "kalten CRPS" ist dagegen die Haut kalt, die Erkrankung hat die Phase der Entzündung schon hinter sich gelassen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die genauen Gründe, warum sich bei manchen Menschen nach einer Verletzung oder Operation ein CRPS entwickelt, sind nicht bekannt. Vermutet wird eine Störung der Schmerzweiterleitung und -verarbeitung in Rückenmark und Gehirn. Als mögliche Ursache diskutieren Expert*innen eine überschießende Entzündungsreaktion, bei der sich im Blut erhöhte Spiegel eines bestimmten Stoffes finden lassen: dem Calcitonin-gene-related peptide, CGRP. Diese Entzündungsreaktion beginnt an der verletzten Stelle und breitet sich dann im gesamten Körper aus – so auch im Gehirn, wo CGRP die schmerzverarbeitenden Nervenzellen empfindlicher macht. Eine weitere, ältere Hypothese geht von einer Fehlfunktion des sympathischen Nervensystems aus. Dadurch ließen sich auch die vegetativen Folgen wie Schwitzen, Durchblutungs- und Ernährungsstörungen des Gewebes erklären.

Als Risikofaktoren für die Entwicklung eines CRPS gelten

  • Verletzungen, vor allem gelenknahe Brüche an Armen und Beinen, typisch ist die distale Radiusfraktur, und Nervenverletzungen
  • schmerzhafte Einrenkungsversuche bei Gelenkverrenkungen
  • langanhaltende Schmerzen bei Brüchen
  • therapeutische oder diagnostische Eingriffe (z. B. beim Karpaltunnelsyndrom)
  • einengende Verbände, zu enger Gips.

Verlauf

Die Erkrankung beginnt meist mehrere Wochen nach der Verletzung oder der Operation mit Ruheschmerzen, Schwellungen, Überwärmung und Berührungsempfindlichkeiten. Nach einigen Wochen oder Monaten schwillt die Gliedmaße ab und die Schmerzen bessern sich, allerdings kommt es aufgrund von Durchblutungsstörungen zum Gewebeabbau (Dystrophie): Die Haut wird dünner, blasst ab und fühlt sich kühl an, die Muskulatur wird schwächer und die Gelenke beginnen einzusteifen. Im weiteren Verlauf hat die Patient*in zwar keine Schmerzen mehr, aber Muskeln, Knochen und Weichteile bauen immer weiter ab. Am Ende ist das betroffene Gelenk durch verkürzte Sehnen, Muskeln und Bänder komplett eingesteift (Kontraktur) und die Gliedmaße gebrauchsunfähig.

Daneben gibt es Hinweise, dass bei CRPS-Patient*innen eine Körperschemastörung mit Veränderungen der betreffenden Hirnareale vorliegt Eine Körperschemastörung zeichnet sich dadurch aus, dass die Wahrnehmung des eigenen Körpers krankhaft verzerrt und für Außenstehende nicht nachvollziehbar ist. So finden sich Magersüchtige selbst dann noch viel zu dick, wenn sie objektiv längst untergewichtig sind.

Da die Beschwerden anfangs recht unspezifisch sind und oft (fälschlicherweise) mit der Verletzung in Verbindung gebracht werden, ordnet man sie in vielen Fällen erst Monate später dem richtigen Krankheitsbild zu. Dann ist es für eine vollständige Heilung meist zu spät, die Patient*in muss lebenslang mit den Funktionseinschränkungen zurechtkommen.

Diagnosesicherung

Den Verdacht auf ein CRPS schöpft die Ärzt*in durch die Schilderung der Beschwerden und die körperliche Untersuchung der Patient*in, unterstützt durch vorangegangene Ereignisse wie Verletzungen oder Operationen.

Für die Diagnose eines CRPS müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Anhaltende Schmerzen, die durch Verletzung oder Operation nicht zu erklären sind
  • Mindestens drei der folgenden Symptome in der geschilderten Krankengeschichte und zwei bei der körperlichen Untersuchung
    • Überempfindlichkeit gegen Schmerzen und/oder Berührung, "falsches" Schmerzempfinden (Allodynie). Typisch dabei ist, dass die Störungen der Sensibilität nicht eindeutig zu einem Nerv passen, so treten sie z. B. handschuhförmig auf
    • Veränderung der Hautfarbe und der Hauttemperatur
    • Vermehrtes oder vermindertes Schwitzen, Schwellung (Ödem) Hautfarbe
    • Eingeschränkte Beweglichkeit, Zittern, Muskelschwäche
    • Veränderungen von Haar- oder Nagelwachstum
    • Ausschluss anderer, ähnliche Beschwerden hervorrufender Erkrankungen (siehe Differenzialdiagnosen).

Im Zweifel zieht die Ärzt*in folgende technische Untersuchungen heran:

  • Messung der Hauttemperatur im Seitenvergleich (1°–2° C Unterschied sprechen für ein CRPS
  • Röntgen im Seitenvergleich, wobei sich eventuelle Veränderungen meist erst nach Monaten zeigen
  • Knochenszintigrafie, ebenfalls im Seitenvergleich, hier lassen sich die Veränderungen im Gegensatz zum Röntgen vor allem im Frühstadium, d. h. nach etwa 6 Wochen, erkennen
  • Kontrastmittelgestütztes MRT (zum Ausschluss anderer Erkrankungen wie beispielsweise Infektionen).

Differenzialdiagnosen. Je nach Beschwerdebild muss eine ganze Reihe anderer Erkrankungen ausgeschlossen werden, vor allem die tiefe Venenthrombose, Lymphabflussstörungen, Gefäßverschlüsse und Infektionen, aber auch Arthrosen, Arthritis, Gicht, Schleimbeutelentzündungen oder das Erysipel.

Behandlung

  • Die Behandlung eines CRPS gehört in die Hand einer erfahrenen Schmerztherapeut*in, um die erforderlichen Therapiemaßnahmen zu koordinieren und zu überwachen.

Medikamentöse Behandlung

  • Im Zentrum der Schmerztherapie stehen Wirkstoffe, die eine Neuropathie (also eine Nervenschädigung) positiv beeinflussen. Dazu gehören beispielsweise Gabapentin und Pregabalin. Manchmal verabreicht die Ärzt*in auch Ketamin als Infusion (das ist allerdings nur im Krankenhaus möglich). Zur Behandlung der Allodynie empfehlen manche Ärzt*innen eine lokale Therapie mit Dimethylsulfoxid-Salbe (DSMO) oder einer Salbenmischung mit Ambroxol.
  • In der Phase der akuten Entzündung wird auch kurzfristig Kortison verordnet. Bisphosphonate bremsen den Knochenabbau und werden deshalb in der Frühphase eines CRPS oft verordnet. Entweder als Tabletten (Alendronat) über 8 Wochen, alternativ auch intravenös, einmalig (Pamidronat) oder 10 Tage lang täglich (Clodronat).

Physiotherapie

Mit gezielten, nach abgestuftem Plan immer schwierigeren Bewegungen trainiert die Patient*in Beweglichkeit und Kraft der betroffenen Gliedmaße. Bei der "Pain exposure physical therapy" (PEPT) soll man gezielt an die Schmerzgrenze und etwas darüber hinausgehen, auch, um die Angst vor der Bewegung zu bekämpfen. Die Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF) wiederum steigert Muskeltonus, Bewegung und Koordination.

In der Physiotherapie kommt zudem die Lymphdrainage zum Einsatz, da ein verbesserter Lymphabfluss Beweglichkeit und Stoffwechselprozesse vor Ort fördert.

Verhaltenstherapie

Zu den wichtigsten Verfahren zählt die Spiegeltherapie nach Ramachandran. Sie wurde ursprünglich zur Behandlung von Phantomschmerzen erfunden. Ist beispielsweise der Arm betroffen, platziert man den Spiegel so an der Körpermitte, dass sich der gesunde Arm spiegelt (der kranke liegt hinter dem Spiegel). Für das Gehirn entsteht die optische Illusion, der gespiegelte sei der kranke Arm. Wird nun der gesunde Arm mit einem Igelball oder Wattebausch berührt und kommt es dabei nicht zu krankhaften Schmerzempfindungen, glaubt das Gehirn, der kranke (gespiegelte) Arm sei gesund. Dadurch wird die Empfindlichkeit der Gehirnzellen herunterreguliert und normalisiert, in der Folge lösen beispielsweise normale Reize auch nur eine normale Reaktion und keinen Schmerz mehr aus. Genauso funktioniert dies mit Bewegungen. Wird der gesunde Arm der Patient*in bewegt, glaubt das Gehirn, beide Arme seien beweglich. Diese Illusion aktiviert bestimmte Hirnareale, was zur Rehabilitation und einer besseren Beweglichkeit beiträgt.

Invasive Verfahren

Die invasiven, in den Körper eingreifenden Verfahren wie z. B. Einspritzungen in das Gehirn oder das Einpflanzen einer Elektrode in das Rückenmark haben heute an Bedeutung verloren – zum einen, weil die Erkrankung inzwischen früher erkannt wird und deswegen besser therapierbar ist, zum anderen, weil beispielsweise die Spiegeltherapie gute Ergebnisse zeigt. Zudem sind die Erfolgsaussichten der invasiven Methoden unklar. Bei schweren, mit den genannten konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht beherrschbaren Fällen, sind sie dennoch eine Therapieoption.

  • Baclofen intrathekal. Das Einspritzen des Wirkstoffs Baclofen in das flüssigkeitsgefüllte Hohlraumsystem (Liquorraum) des Gehirns empfiehlt sich vor allem bei Dystonien (Verkrampfungen) im Rahmen des CRPS. Zeigt das Einspritzen eine Wirkung, besteht die Möglichkeit, dauerhaft einen kleinen Katheter zu legen und den Wirkstoff über eine Pumpe zu verabreichen. Diese Therapie ist aufwendig und reich an Komplikationen (z. B. Infektionen) und wird daher eher selten angewendet.
  • Spinal-cord-Stimulation (SCS). Hier wird das Rückenmark mithilfe einer eingepflanzten Elektrode gereizt. Es gibt niederfrequente und hochfrequente Verfahren, die auf unterschiedlichen Wegen beide zu einer Schmerzreduzierung führen. Empfohlen wird die SCS nur bei Betroffenen, die keine psychischen Begleiterkrankungen haben. Zudem lässt die Wirkung der SCS nach etwa 5 Jahren häufig nach.
  • Sympathikusblockaden. Bei dieser Methode spritzt die Ärzt*in ein lokales Betäubungsmittel in die Nervenknoten oder -geflechte des sympathischen Nervensystems. Durch die Blockade sollen die Schmerzen ausgeschaltet werden. Neueren Analysen zufolge ist diese Methode weniger erfolgreich als früher angenommen. Bei schweren Verläufen, die sich anders nicht beherrschen lassen, empfehlen die Leitlinien einen Versuch. Gespritzt wird dabei 2 bis 3 Mal pro Woche.
  • Ganglionäre Opioid-Analgesie. Hier wird das Opioid Buprenorphin an einen Nervenknoten gespritzt, und zwar an das Ganglion stellatum. Von diesem seitlich des ersten Brustwirbels liegenden Nervenknoten gehen Nervenstränge sternförmig in alle Richtungen ab. Dieses Verfahren ist noch nicht weit verbreitet, scheint aber den Schmerz gut zu reduzieren.

Prognose

Der Verlauf der Erkrankung ist individuell sehr verschieden. Es kommen Fälle von kompletter Ausheilung, aber auch bleibende, schwere Behinderung vor. Generell gilt: Je früher die Erkrankung erkannt und behandelt wird, desto besser ist die Prognose.

In einer kleinen Studie an 100 Patient*innen kam es bei über 80 % innerhalb mehrerer Jahre zu einer Besserung bis Ausheilung, gut 40 % hatten jedoch weiterhin Schmerzen unterschiedlichen Ausmaßes.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Keine Kälte oder Wärme! Auch wenn bei vielen schmerzhaften Erkrankungen Wärme oder Kälte helfen – beim CRPS sind sie fehl am Platz. Wärme und Kältebehandlungen verschlimmern die Erkrankung.

Umschläge. Gute Erfahrungen wurden mit Retterspitz-Umschlägen gemacht. Sie sollen die vegetative Entgleisung bremsen und vor allem hilfreich gegen die "falsche" Schmerzempfindung sein (Allodynie). Retterspitz-Flüssigkeit zum Herstellen von Umschlägen ist in der Apotheke erhältlich.

Psychotherapeutische Unterstützung. Chronische Schmerzerkrankungen wie das CRPS sind häufig von psychischem Druck und Ängsten begleitet. Hier ist eine spezielle Schmerzpsychotherapie empfehlenswert. Dazu gehören Entspannungs- und Imaginationsverfahren, der Abbau von Bewegungsängsten und die Behandlung eventuell begleitender Ängste und Depressionen.

Prävention

  • Vor allem bei geplanten Eingriffen oder bei der Behandlung von Verletzungen versuchen Ärzt*innen, einem CRPS mit folgenden Maßnahmen vorzubeugen:
    • Ausreichende Schmerzbehandlung bei Operationen, nach Brüchen und beim Einrenken
    • So kurze Operationszeiten wie möglich
    • Regionalanästhesie statt Vollnarkose (Beobachtungsstudie, keine randomisierten Studien)
    • Verband- und Gipskontrollen
    • Prophylaktische Gabe von Vitamin C bei Operationen an Hand oder Fuß über 50 Tage ab Op-Termin soll das CRPS-Risiko reduzieren.

Von: Dr. med. Sonja Kempinski
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So findet man zu gutem Schlaf

Bei nächtlichem Wachliegen und Grübeln können bestimmte kognitive Techniken helfen, wieder einzuschlafen.

So findet man zu gutem Schlaf

Wenn die Nacht zur Qual wird

Schlafprobleme – wer kennt das nicht? Kommen sie nur sporadisch vor, kann man das ganz gut verkraften. Doch was tun, wenn man wochenlang nicht zügig ein- oder durchschläft oder schon vor dem Morgengrauen erwacht? Neben der Schlafhygiene sind verhaltenstherapeutische Maßnahmen wie Stimuluskontrolle oder der Gedankenstuhl effektiv. Kurzzeitig können auch Medikamente helfen.

Viel zu viele schlafen schlecht

Gelegentlich schlecht zu schlafen ist ganz normal. Ob Stress durch Prüfungen oder private Probleme, wechselnde Lebensumstände oder ungünstige Schlafumgebung – solche Faktoren können dazu führen, dass man schlechter einschläft, nachts häufiger aufwacht und sich morgens wie gerädert fühlt. Vorübergehenden Schlafprobleme sind aber in der Regel harmlos. Und weit verbreitet: In einer Untersuchung des Robert Koch-Instituts leiden etwa 30% der Erwachsenen mehr als drei Mal pro Woche an Ein- und/oder Durchschlafstörungen.

Von einer krankhaften Schlafstörung (medizinisch Insomnie genannt) spricht man, wenn folgende Kriterien erfüllt sind: 

  • Ein- und/oder Durchschlafstörungen oder zu frühes morgendliches Erwachen an mindestens drei Nächten pro Woche über mindestens einen Monat (oder drei Monate, je nach Definition). 
  • Die Betroffene schläft zu wenig, obwohl ausreichend Gelegenheit für Schlaf besteht. 
  • Der fehlende Schlaf beruht nicht auf einer begleitenden Erkrankung, der Einnahme von Medikamenten oder dem Konsum von Drogen.

Auch die Insomnie ist in Deutschland nicht selten. Immerhin sollen 6% der Erwachsenen darunter leiden, das sind ungefähr 4,2 Millionen Menschen.

Schlafmangel und Schlafstörungen beeinflussen nicht nur die Lebensqualität. Sie können erhebliche Folgen für die Gesundheit haben. In zahlreichen Studien wurde gezeigt, dass ein Zusammenhang mit Übergewicht, Diabetes, Depressionen, Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Schlaganfall besteht. Zudem gibt es Hinweise, dass zu wenig Schlaf mit einem erhöhten Risiko für Demenz verbunden ist.

Hinweis: Frauen leiden häufiger unter Schlafstörungen als Männer. Das liegt unter anderem an biologischen Unterschieden. Der Schlaf von Frauen ist störanfälliger, d.h. sie wachen durch äußere Reize leichter auf. Zudem sind sie stärker von hormonellen Schwankungen betroffen.

Auf der Suche nach möglichen Ursachen

Schlafstörungen entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener äußerer und innerer Faktoren. Fachleute gehen davon aus, dass es eine genetische Veranlagung gibt. Leiden direkte Verwandte an einer Insomnie, steigt die eigene Erkrankungswahrscheinlichkeit um 40%.

Die angeborene Anfälligkeit verändert neurobiologische Prozesse. So sind z. B. gleichzeitig wach- und schlaffördernde Bereiche im Gehirn aktiv. Verschiedene Faktoren beeinflussen diese Vorgänge zusätzlich. Dazu gehören einerseits stressige Ereignisse, aber auch ein erhöhtes Alter und Begleiterkrankungen.

Die veränderten neurobiologischen Prozesse werden dann durch Grübeln, vermehrte Sorge um den Schlaf und die fehlende Erholung weiter verstärkt. Es kommt zu einem Teufelskreis, in dem sich die Schlafstörung selbstständig macht und im schlimmsten Fall zur krankhaften Insomnie wird.

Wichtige Auslöser für Schlafstörungen sind zudem psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Demenz. Manche Schlafstörungen haben auch eine körperliche Ursache. Sie werden organisch bedingte Schlafstörungen genannt und kommen z. B. beim Restless-Legs-Syndrom und beim Schlaf-Apnoe-Syndrom vor. Zudem stören viele chronische Erkrankungen den Schlaf, so z. B. Krebserkrankungen, chronische Herz- oder Nierenerkrankungen und die Multiple Sklerose.

Hinweis: Ein Risikofaktor für Schlafstörungen ist das Alter. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Schlafkontrollsysteme im Gehirn dann weniger gut funktionieren. Zusätzlich spielen auch die im Alter häufigeren Begleiterkrankungen eine Rolle.

Vom Schlaftagebuch bis zum Schlaflabor

Bei ausgeprägten Schlafstörungen sollten Betroffene immer in die Arztpraxis gehen. Dies ist wichtig, um mögliche Ursachen aufzuspüren, schwerwiegende Erkrankungen auszuschließen und eine gezielte Behandlung einzuleiten.

Basis der Untersuchung ist die Anamnese, also die Erhebung der Krankengeschichte. Die Ärzt*in fragt nach Art und Ausmaß der Schlafprobleme und ob der Schlafmangel die Tagesaktivität beeinträchtigt. Entscheidend ist dabei das subjektive Befinden der Betroffenen.

Empfehlenswert ist ein Schlaftagebuch, in dem morgens und abends kurze Protokolle zum Schlaf und zum Tag notiert werden. Es sollte über 7 bis 14 Tage hinweg geführt werden. Oft verwendet die Ärzt*in auch Fragebogentests, um den Schweregrad der Schlafstörung zu erfassen. Ein häufig eingesetztes Tool ist die Regensburg Insomnia Scale, die mithilfe von 10 Fragen emotionale und verhaltensbezogene Beschwerden wie Grübeln, Schlafangst und beeinträchtigte Tagesform erfasst.

Technische Untersuchungen sind bei der Diagnose einer Insomnie nur selten erforderlich. Die Messung der Aktivitäts- und Ruhephasen mittels Bewegungsmessern (Aktigraphie) kann Schlafenszeiten über längere Zeiträume erfassen, gilt aber als ungenauer als die Polysomnographie (siehe unten). Inzwischen ist auch bei vielen Smartwatches ein Bewegungsmesser integriert. Ein Nutzen für die Diagnose und die Verlaufsbeobachtung von Schlafstörungen ist für diese Applikationen ebenfalls nicht hinreichend belegt.

Anders sieht das mit der Polysomnographie im Schlaflabor aus. Diese aufwändige Methode ermöglicht es, Insomnien gut darzustellen, aber vor allem auch begleitende oder verursachende Störungen zu identifizieren. Eingesetzt wird das Verfahren, wenn sich eine Insomnie trotz Behandlung nicht bessert oder z. B. der Verdacht auf eine Schlafapnoe oder ein Restless-Legs-Syndrom besteht.

Bei der Diagnostik von Schlafstörungen müssen immer die Erkrankungen ausgeschlossen werden, die eine Insomnie auslösen oder verstärken können. Je nach Verdacht kommen dann Laboruntersuchungen, bildgebende Verfahren, EKG, EEG oder andere Methoden zum Einsatz.

Ganz wichtig ist auch die Frage nach Medikamenten, Alkohol- oder Drogenkonsum. Denn es gibt eine Vielzahl von Substanzen, die den Schlaf stören können. Dazu gehören neben Alkohol, stimulierenden Genussmitteln und illegalen Drogen (Koffein, Amphetamin) u.a. vor allem folgende Arzneimittel:

  • Antidementiva wie Piracetam
  • antriebssteigernde Antidepressiva wie manche SSRI 
  • Blutdruckmedikamente und Diuretika (harntreibende Medikamente) 
  • Asthmamedikamente wie Beta-Sympathomimetika 
  • Hormonpräparate, insbesondere Kortison und Thyroxin

Die Basis für einen guten Schlaf

Viele Regeln für einen guten Schlaf liegen auf der Hand. Die Leitlinien empfehlen, nach dem Mittagessen keine koffeinhaltigen Getränke zu konsumieren und auf Alkohol zu verzichten. Vor dem Zu-Bett-Gehen zu vermeiden sind 

schwere Mahlzeiten 

geistig und körperlich aktivierende Tätigkeiten wie aufregende Filme, schwierige Lektüre oder anstrengender Sport sowie 

helles, aktivierendes Licht.

Hilfreich sind dagegen ein persönliches Einschlafritual und ein ruhiges, kühles und dunkles Schlafzimmer. Ganz wichtig: nachts nicht auf den Wecker oder die Armbanduhr schauen. Der Blick auf die Uhr löst oft Gedanken wie „Noch so wenig Zeit zum Schlafen“ aus und verstärkt dadurch den inneren Druck.

Wenn die genannten Basismaßnahmen den Schlaf nicht verbessern, empfehlen Expert*innen zunächst Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Dazu gehören neben Verfahren zur Entspannung die Stimuluskontrolle, die Schlafrestriktion und kognitive Techniken.

Zu den häufig eingesetzten Entspannungsmethoden gehören die progressive Muskelrelaxation, Phantasiereisen und Achtsamkeitsübungen. Sie alle können dabei helfen, den Schlaf anzustoßen.

Die sogenannten Stimuluskontrolle beruht darauf, dass sich viele Patient*innen im Verlauf ihrer Schlafprobleme selbst klassisch konditioniert haben. Das bedeutet, dass ihr Unterbewusstsein die Schlafumgebung automatisch mit dem Wachsein verknüpft. Ziel der Stimuluskontrolle ist, diese Verknüpfung wieder zu löschen, indem so wenig Zeit wie möglich wach im Bett verbracht wird. Die Instruktionen lauten folgendermaßen: 

  • Nur zu Bett gehen, wenn man müde ist.
  • Das Bett nur zum Schlafen und für Sex benutzen. Nicht darin Lesen, Trinken, Rauchen oder Fernsehen.
  • Ist man nach 15 Minuten nicht eingeschlafen, wieder aufstehen und einer angenehmen Tätigkeit nachgehen. Dann erst wieder ins Bett, wenn man müde ist. Kann man immer noch nicht einschlafen, den Vorgang wiederholen. 
  • Jeden Morgen zur gleichen Zeit aufstehen.
  • Tagsüber nicht hinlegen.

Auch die Bettzeitrestriktion kann den Schlaf verbessern. Die Idee dabei ist, durch den verkürzten Schlaf und die verlängerte Tagesaktivität den Schlafdruck zu erhöhen. Dadurch soll der Anteil des Tiefschlafs steigen und das Ein- und Durchschlafen verbessert werden. Ist dies gelungen, kann die Schlafenszeit wieder ausgedehnt werden. Für die Bettzeitrestriktion wird zunächst mittels Tagebuch über sieben Tage hinweg die durchschnittliche Schlafdauer ermittelt. Diese legt man anschließend für eine Woche als Bettzeit fest (allerdings nie weniger als 4,5 h). Je nachdem, wie sich dadurch die Schlafdauer verändert, wird die Bettzeit entsprechend angepasst.

Mittels Verhaltenstherapie können Betroffene auch kognitive Techniken zur Verbesserung des Schlafs erlernen. Diese zielen insbesondere auf das Grübeln ab. Eine Methode ist der Gedankenstuhl. Dabei setzt man sich einige Zeit vor dem Zubettgehen für 15 bis 20 Minuten auf einen Stuhl, um bewusst und zielorientiert über Probleme und Sorgen nachzudenken. Steht man danach auf, sollten die Gedanken auf dem Stuhl zurückbleiben und nicht mit ins Bett genommen werden. Eine andere Technik ist das Hinterfragen nutzloser Überzeugungen im sokratischen Dialog, also anhand kritischer Fragen. Manche Therapeut*innen empfehlen auch die „paradoxe Intention“. Nach dieser Methode der Psychotherapie soll man das, wovor man Angst hat, übertreiben. Das hilft oft, entspannter zu werden. Die Betroffenen sollen demnach im Bett so lange wie möglich wach bleiben, damit sich der Schlaf leichter einstellt.

Tipp: Apps oder bestimmte Musik können beim Einschlafen helfen. So z. B. das achtstündige, vom Komponisten Max Richter und Neurowissenschaftlern entwickelte Werk „Sleep“. Manche Menschen bevorzugen Apps mit Naturgeräuschen oder Herzschlag, um das Einschlafen zu fördern.

Wann kommen Medikamente ins Spiel? Reichen die genannten Maßnahmen nicht aus, gibt es gegen die Schlafstörungen auch Medikamente. Sie alle dürfen nur nach ärztlicher Verordnung und unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden, da Nebenwirkungen, Abhängigkeit und Rebound-Phänomene drohen. Letzteres bedeutet, dass nach dem Absetzen der Schlafmittel die ursprünglichen Schlafstörungen verstärkt zurückkehren.

Benzodiazepine sind für die Kurzzeittherapie (unter vier Wochen!) geeignet. Als Nebenwirkungen drohen Benommenheit, Sturzgefahr, Gedächtnisstörungen und Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit, außerdem können sie den Atemantrieb dämpfen. Die Risiken sind insbesondere bei älteren Menschen erhöht. Weil Benzodiazepine schnell abhängig machen, darf man sie nur kurzzeitig einnehmen.

Z-Substanzen wie Zolpidem oder Zopiclon binden wie Benzodiazepine an den Benzodiazepinrezeptor im Gehirn und wirken daher ähnlich. Sie sind schnell wirksam, dürfen aber ebenfalls nur maximal vier Wochen eingesetzt werden. Bei ihnen kommt es zu ähnlichen Nebenwirkungen wie bei den Benzodiazepinen, zusätzlich sind Geschmacksstörungen und Schlafwandeln möglich. Von einer Langzeittherapie mit Z-Substanzen raten die Leitlinien ebenfalls ab.

Auch sedierende Antidepressiva werden häufig gegen Schlafstörungen verordnet. Ob die gegen Depressionen zugelassenen Medikamente auch bei Insomnie helfen, ist allerdings noch nicht sicher nachgewiesen. Doxepin und Trazodon scheinen zu helfen, haben aber Nebenwirkungen. Typisch sind Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Tagesmüdigkeit und, vor allem bei Älteren, Verwirrtheit. Für die Langzeitbehandlung werden sie nicht empfohlen, es sei denn, die Schlafstörungen stehen im Zusammenhang mit einer behandlungsbedürftigen Depression.

Melatonin ist für die Kurzzeitbehandlung bei Patient*innen über 55 Jahren zugelassen. Die stärksten Effekte zeigen sich auf die Einschlaflatenz, d.h. auf die Dauer bis zum Einschlafen. Mögliche unerwünschte Wirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Aufgrund noch fehlender Daten wird Melatonin von vielen Expert*innen nicht für die Langzeitbehandlung empfohlen. Melatoninhaltige Präparate sollten ausschließlich in der Apotheke und nicht im Internet erworben werden. Nur so ist gewährleistet, dass die Produkte kontrolliert und geprüft sind und kein Gesundheitsrisiko darstellen.

Orexin-Rezeptor-Antagonisten sind neu auf dem Markt, der erste Vertreter wurde 2022 in Deutschland zugelassen. Sie fördern den Schlaf und verringern die subjektiv empfundene Tagesschläfrigkeit. Unklar ist, wie sie auf Ein- und Durchschlafprobleme wirken. Sie sollen langfristig verträglich sein, als Nebenwirkung wird u.a. Kopfschmerzen genannt. Angesichts der noch fehlenden Langzeitdaten sind die Leitlinien zurückhaltend mit ihrer Empfehlung.

Vor allem bei alten Menschen werden zur Behandlung von Schlafstörungen auch Antipsychotika wie Melperon und Pipamperon angewendet. Gute Studien liegen jedoch nicht vor, weshalb davon eher abgeraten wird. Ähnlich sieht es aus mit sedierenden, oft rezeptfrei erhältlichen Antihistaminika (Diphenhydramin, Doxylamin). Aufgrund der geringen Effektivität und der schnellen Toleranzentwicklung sieht die Leitlinie auch für sie keinen generellen Platz in der Insomniebehandlung.

Pflanzliches, Bewegung und Licht

Auch aus dem Bereich der Pflanzenmedizin stammen einige Präparate, die gegen Schlafstörungen helfen sollen. Laut derzeitiger Datenlage ist die Wirkung allerdings nicht klar belegt. Einige Studien zu Baldrian, Hopfen, Passionsblume und Melisse zeigen zwar zum Teil positive Effekte bei leichten bis mittleren Schlafstörungen. Die Qualität der meisten Untersuchungen und damit ihre Aussagekraft ist allerdings gering.

Die aktuelle deutsche Leitlinie zur Behandlung der Insomnie rät deshalb von pflanzlichen Präparaten ab. Etwas anders sieht das die European Medicines Agency EMA: Sie bewertet Baldrian als „bewährt“ und Passionsblume als „traditionell“. Dies anerkennt die jahrzehntelange sichere Anwendung, bedeutet aber ebenfalls nicht, dass eine fundierte wissenschaftliche Wirkung nachgewiesen ist.

Effektiver als die Pflanzenmedizin scheinen laut Expert*innen drei weitere nichtmedizinische Methoden zu sein: 

  • Bewegungstherapie: Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert die Schlafqualität, weil sie den Schlaf-Wach-Rhythmus stärkt, Stress abbaut und die Produktion schlaffördernder Hormone wie Melatonin unterstützt. Intensiv bewegen sollte man sich aber nur bis 4 bis 8 Stunden vor dem Schlafengehen, da sich sonst das Einschlafen verzögern kann.
  • Lichttherapie: Sie hilft bei Schlafstörungen, indem sie die innere Uhr (den zirkadianen Rhythmus) steuert und so das Einschlafen und Aufwachen reguliert. Dabei wird der Körper morgens durch helles künstliches Licht angeregt, die Melatoninproduktion zu kontrollieren. Die Methode wirkt besonders unterstützend bei Jetlag, Schichtarbeit und saisonalen Schlafproblemen.
  • Künstlerische Therapien: Musiktherapie, therapeutisches Malen oder Tanztherapie fördern die Entspannung, vermindern Stress und emotionale Spannungen und können dadurch indirekt das Einschlafen erleichtern. Sie werden deshalb oft ergänzend zu anderen Behandlungen empfohlen.

Hinweis: Methoden gegen Schlafstörungen gibt es unzählige. Viele der angebotenen Optionen sind jedoch nicht effektiv. Abgeraten wird in den aktuellen Leitlinien z. B. davon, Insomnien mit Aromatherapie, Akupunktur, Fußreflexzonenmassage oder Homöopathie zu behandeln.

Quellen: Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“ - Update 2025, (AWMF-Registernummer 063-003), Version 2.0,

Robert Koch-Institut

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Stockbroker RF