Gesundheit heute

Facettensyndrom

Häufigkeit: 5

Facettensyndrom: Verschleißbedingte Wirbelsäulenerkrankung mit Abnutzung der kleinen Wirbelgelenke (Facetten oder Facettengelenke), meist bei Menschen über 50 Jahren. Am häufigsten ist die Lendenwirbelsäule betroffen. Typisch sind Schmerzen am betroffenen Wirbelgelenk, die in andere Körperteile, z. B. die Arme oder Beine ausstrahlen und sich unter Ruhe bessern. Das Facettensyndrom tritt allein oder als Vorläufer bzw. gemeinsam mit anderen Wirbelsäulenerkrankungen wie Spinalstenose, Wirbelgleiten oder Bandscheibenschäden auf.

Akute Schmerzen werden mit Schmerzmitteln, Physiotherapie und/oder Spritzen in das Facettengelenk behandelt. Langfristig ist es entscheidend, die Wirbelsäule durch Kräftigung der Rumpfmuskulatur zu stabilisieren und Fehlhaltungen sowie Überlastungen zu vermeiden. Greifen diese Behandlungen nicht, lässt sich der sensible Nerv des betroffenen Gelenks durch Hitze veröden und damit ausschalten.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Dumpfe Rückenschmerzen, die unter Belastung und im Verlauf des Tages meist zunehmen und sich in Ruhe und im Liegen wieder bessern (ausgenommen bei Befall der Brustwirbelsäule: hier können sich die Schmerzen im Liegen verstärken!)
  • Ausstrahlen der Schmerzen in Richtung Arm, Bein oder Rippenbogen (je nach Ort der degenerativen Veränderungen)
  • Schmerzbedingte Verspannungen in Nacken und/oder Rücken.

Wann zum Arzt

Nach 1–2 Wochen bei

  • lokalen Schmerzen ohne Ausstrahlungen.

Innerhalb weniger Tage, wenn

  • die Schmerzen in Richtung Arm oder Bein ausstrahlen.

Die Erkrankung

Die Facetten oder Wirbelgelenke verbinden die einzelnen Wirbelkörper der Wirbelsäule miteinander. Sie liegen rechts und links des Dornfortsatzes und tragen mit den Bandscheiben einen großen Anteil der statischen Belastung der Wirbelsäule. Wenn sich die Facettengelenke abnutzen, kommt es zum Austritt von Gelenkflüssigkeit und zu lokalen entzündlichen Reaktionen, was schließlich zu starken Schmerzen führt.

Es gibt Schätzungen, dass bis zu 40 % der älteren Bevölkerung an einem Facettensyndrom leiden. Es kann überall an der Wirbelsäule auftreten, am häufigsten betrifft es jedoch die Lendenwirbelsäule.

Ursachen und Risikofaktoren

Hauptursache des Facettensyndroms ist der natürliche, altersbedingte Verschleiß der Wirbelgelenke. Dieser Verschleiß wird durch unphysiologische oder übermäßige Beanspruchung der Wirbelsäule begünstigt. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Schwere, einseitige körperliche Arbeit (zum Beispiel das Tragen von Lasten)
  • Ständige starke Erschütterungen wie z. B. beim beruflichen Lastwagenfahren
  • Zu schwache Rückenmuskulatur durch vornehmlich sitzende Tätigkeit und Lebensstil sowie Bewegungsmangel
  • Übergewicht
  • Fehlhaltungen, Wirbelsäulenverformungen wie Skoliose oder Hohlkreuz, Fehlbelastungen durch Leistungssport
  • Höhenverlust im Zwischenwirbelraum durch Bandscheibenverschleiß (z. B. bei der Osteochondrose)
  • Rheumatische Erkrankungen.

Klinik

Das Facettensyndrom ist gekennzeichnet durch Schmerzen am betroffenen Wirbelgelenk, die sich bei Belastung verstärken und in Ruhe besser werden. Die Schmerzen können je nach Lokalisation ausstrahlen, bei Befall der Halswirbelsäule (zervikales Facettensyndrom) etwa in den Arm. Ist (in seltenen Fällen) die Brustwirbelsäule betroffen (thorakales Facettensyndrom) breitet sich der Schmerz entlang des Rippenbogens aus. Beim lumbalen Facettensyndrom im Bereich der Lendenwirbelsäule strahlen die Schmerzen oft in die Beine aus. Im Gegensatz zu Schmerzen durch Druck auf die Nervenwurzeln (sogenannte radikuläre Schmerzen, wie z. B. beim Bandscheibenvorfall) sind die Schmerzen meist nicht von Kribbeln oder Taubheitsgefühlen begleitet. Der Arzt spricht dabei deshalb auch häufig von pseudoradikulären Schmerzen.

Komplikationen

Das Facettensyndrom tritt als eigenständiges Krankheitsbild auf, kann aber durch die zentrale Stellung der Facettengelenke im Gesamtverbund "Wirbelsäule" zu zahlreichen anderen Erkrankungen führen oder von ihnen begleitet werden. Dazu gehören vor allem die Spinalstenose, das Wirbelgleiten, die Osteochondrose und der Bandscheibenvorfall.

Diagnosesicherung

Der Arzt befragt den Patienten genau, wann und wo die Schmerzen auftreten, ob sie bei Belastung stärker werden und in Ruhe nachlassen. Bei der körperlichen Untersuchung prüft er durch Abtasten des Rückens Schmerzen und Druckempfindlichkeit im Bereich der Wirbelsäule. Häufig lässt sich dabei schon recht genau feststellen, welche Facettengelenke gereizt sind. Außerdem untersucht der Arzt die Beweglichkeit der Wirbelsäule, er lässt den Patienten sich strecken und beugen sowie Kopf und Oberkörper drehen und zur Seite neigen.

Weil das Facettensyndrom zu Erkrankungen führen kann, die Druck auf Nerven ausüben (Bandscheibenvorfall, Spinalstenose), prüft der Arzt mithilfe von Reflexen, Sensibilitätstests und Muskelkraft, ob die Nervenwurzeln gereizt sind.

Neben der körperlichen Untersuchung helfen Ultraschall, Röntgen und vor allem detailreiche Aufnahmen durch Computertomografie oder Magnetresonanztomografie dabei, Ausmaß und Lokalisation der Veränderungen nachzuweisen. Im Zweifel bestätigt auch die Injektion eines Schmerzmittels in das verdächtige Gelenk (Facetteninjektion) die Diagnose.

Behandlung

Der Verschleiß der Wirbelgelenke lässt sich leider nicht rückgängig machen. Deshalb ruht die Therapie des Facettensyndroms in erster Linie auf der Behandlung der Schmerzen mit Medikamenten und Physiotherapie. Langfristig ist zur Linderung der Beschwerden vor allem die Kräftigung der Rückenmuskulatur durch Bewegungstherapie und das Erlernen einer rückenschonenden Lebensweise erforderlich.

Schmerzmittel. Zur Behandlung der Schmerzen verordnet der Arzt meist die orale Einnahme von entzündungs- und schmerzhemmenden NSAR wie Diclofenac (z. B. Voltaren® oder Diclac®) oder Ibuprofen (z. B. Ibu® oder Brufen®). In schwereren Fällen kommen Opioide zum Einsatz, sie können auch als Schmerzpflaster aufgeklebt werden.

Infiltrationstherapie. Reichen Pflaster und Tabletten nicht aus, spritzt der Arzt Medikamente in die Nähe des schmerzenden Gelenks. Meist handelt es sich dabei um eine Mischung aus Kortison (zur Reduktion der Entzündung) und Lokalanästhetikum (ein betäubendes Medikament zur Eindämmung der Schmerzen).

Denervierung der Schmerzfasern. In manchen Fällen sind die Beschwerden so stark, dass der Arzt das Ausschalten der schmerzleitenden Gelenknerven empfiehlt. Dazu verwendet er eine Thermosonde, die er unter lokaler Betäubung oder kurzer Narkose über eine Nadel an die Nerven heranführt und über die er gezielt Stromimpulse setzt. Das Verfahren beseitigt zwar die Schmerzen, nicht jedoch deren Ursache. Zudem ist es schwierig und aufwendig, die schmerzhaften Zwischenwirbelgelenke alle korrekt zu identifizieren.

Hilfsmittel. In manchen Fällen passt der Arzt zur Behandlung akuter Schmerzen auch stabilisierende Mieder oder eine Art Korsett an (sogenannte Orthesen).

Physiotherapie. Unterstützend zur medikamentösen Schmerztherapie wirken bei vielen Patienten Behandlungen mit Wärme (z. B. Fango), Ultraschall oder Stromtherapie (z. B. die TENS).

Mobilisierende und stabilisierende Krankengymnastik. Eine starke Rumpfmuskulatur entlastet die Wirbelsäule und damit auch die Facettengelenke. Gezielte Übungen helfen beim Aufbau der Muskelgruppen, die die Wirbelsäule stabilisieren. Gleichzeitig werden verspannte und verkürzte Muskeln gedehnt, sodass sich die Rückenbeweglichkeit verbessert. Außerdem schulen die Rückenübungen Koordination und Körpergefühl, was langfristig zu rückenfreundlicheren und gesünderen Bewegungsmustern führt.

Rückenschule. Eine Umstellung auf einen "rückenfreundlicheren" Alltag gelingt nur, wenn Betroffene ausreichend geschult werden und erlernte Techniken selbstständig anwenden können. Krankenkassen, Krankengymnasten und Rehabilitationskliniken bieten hierzu Kurse an, deren Kosten häufig die Krankenkasse übernimmt.

Operative Behandlung. Kommt es durch das Facettensyndrom zu Komplikationen wie Spinalstenose oder Bandscheibenvorfall, werden manchmal operative Eingriffe erforderlich. Dazu gehören vor allem Versteifungsoperationen der Wirbelsäule oder das operative Erweitern von Einengungen im Wirbelkanal.

Hinweis: Weitere Informationen zur konservativen und operativen Behandlung von Rückenschmerzen finden sich im Beitrag Rückenschmerzen.

Prognose

Das Facettensyndrom ist nicht heilbar. Einmal verschlissene Wirbelgelenke lassen sich nicht regenerieren. Mit konsequenter Bewegungstherapie zur Stärkung der Rückenmuskulatur und Schmerzmitteln gelingt es dem Patienten jedoch meist, die Beschwerden längerfristig reduzieren.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Rückenschule. Machen Sie regelmäßig die in der Rückenschule erlernten Übungen und achten Sie im Alltag auf rückenfreundliches Verhalten, vor allem beim Sitzen, Stehen, Heben oder Tragen von Lasten. Die wichtigsten Regeln der Rückenschule sind:

  • Täglich bewegen, z. B. vermehrt Strecken zu Fuß zurücklegen
  • Den Rücken gerade halten
  • Beim Bücken in die Hocke gehen
  • Möglichst keine schweren Gegenstände heben
  • Beim Tragen von Lasten diese verteilen und nah am Körper tragen
  • Nicht mit durchgedrückten Knien stehen
  • Möglichst mit leicht gekrümmten Beinen liegen
  • Regelmäßig rückenfreundlichen Sport treiben, z. B. Schwimmen, Laufen oder Radfahren
  • Täglich die kleinen Wirbelsäulenmuskeln mit Übungen trainieren.

Sport. Sport kann Fluch und Segen für die Wirbelsäule sein. So belasten kräftige, ruckartige Bewegungen die gesamte Wirbelsäule inklusive Facettengelenke und Bandscheiben und führen dadurch zu einem vorzeitigen Verschleiß. Sportarten, die den Rücken stärken und eine hohe Stabilität der Wirbelsäule erfordern, beeinflussen dagegen den Verlauf eines Facettensyndroms günstig. Dazu gehören beispielsweise Kraftsport, Radfahren und Schwimmen. Lassen Sie sich von Ihrem Orthopäden beraten, welche Sportart und vor allem wieviel davon für Ihren Rücken geeignet ist.

Um Rat fragen. Stellen Sie keine Selbstdiagnose und machen Sie keine Übungen in Eigenregie. Gehen Sie bei Beschwerden zum Arzt und lassen Sie diese dort fachmännisch abklären. Machen Sie nur Übungen, die Ihnen vom Fachmann gezeigt wurden. Falsches oder übermäßiges Training kann vor allem der Halswirbelsäule schwere Schäden zufügen.

Gewicht normalisieren. Bauen Sie vorhandenes Übergewicht ab, um die Wirbelsäule und damit Ihre Facettengelenke zu entlasten.

Rückenschonend arbeiten. Wenn Sie im Büro tätig sind, erledigen Sie möglichst viel im Stehen oder Gehen. Insbesondere bei Stress sind solche Bewegungspausen wichtig, um eine Anspannung der Nacken- und Rückenmuskulatur zu verhindern. Ändern Sie beim Sitzen regelmäßig Ihre Position, abwechselnd leicht vorgeneigt, aufrecht und zurückgelehnt. Wählen Sie einen Arbeitsstuhl mit der Funktion "dynamisches Sitzen". Sie verfügen über eine Rückenlehne, die sich mitbewegt und gleichzeitig den Rücken stützt. Wenn Ihnen eine häufige Änderung der Sitzhaltung schwerfällt, wählen Sie eine dauerhafte Sitzposition, die zwischen Rücken und Oberschenkel einen Winkel von etwa 120° einschließt. Wichtig für die Arbeitsplatzergonomie ist auch die richtige Höhe von Tisch und Stuhl. Idealerweise bilden Ober- und Unterarme sowie Ober- und Unterschenkel mindestens einen rechten Winkel. Wenn die Arme locker auf den Armlehnen aufliegen, entlastet diese Position den Schulterbereich. Handballenauflagen vor der Tastatur entspannen beim Tippen ebenfalls die Schultern, tun aber auch dem Nacken gut.

Rückenschonendes Autofahren. Wenn Sie beruflich viel im Auto sitzen, leisten Sie sich einen guten Autositz und nutzen Sie die Pausen zum Umhergehen, zum Recken und Strecken.

Wärme. Wärme beruhigt und entspannt die Muskulatur und hilft dadurch, den Schmerz zu lindern. Bewährt haben sich warme Vollbäder (beruhigend: Melisse, Lavendel; anregend und durchblutungsfördernd: Rosmarin), warme Wickel (Heublume, Fango), Wärmflasche oder Wärmekissen im Bett, durchblutungsfördernde Pflaster (z. B. ABC-Wärmepflaster), Einreibungen z. B. mit Pferdesalbe, wärmende Unterwäsche aus Angorawolle, Wollschals oder auch ein Saunabesuch. Herzkranke Menschen müssen wegen der Kreislaufbelastung erst Rücksprache mit ihrem Arzt halten, bevor sie sich mit Vollbädern, Wickeln oder Saunabesuchen behandeln.

Weiterführende Informationen

Von: Dr. med. Sonja Kempinski unter Verwendung von Textauszügen aus: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014).
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Hühnerauge - Wenn der Schuh drückt

Neben hornhautaufweichende Tinkturen und Pflaster gehört vor allem das Fußbad zu den Waffen gegen lästige Hühneraugen.

Hühnerauge - Wenn der Schuh drückt

Schmerzhafte Wucherung

Hühneraugen sind lästig und schmerzhaft – aber zum Glück meistens harmlos. Deshalb kann man sie in der Regel gut selbst behandeln. Wirksame Methoden reichen von neuen (passenden) Schuhen bis zu speziellen Pflastern und Tinkturen aus der Apotheke. Und damit es nicht zu neuen Verhornungen kommt, lässt sich gegen Hühneraugen auch vorbeugen.

Wo kommt das Hühnerauge her?

Ein Hühnerauge ist eine punktuelle, verstärkte Verhornung der Haut (Hyperkeratose). Sie bildet sich kreis- oder linsenförmig aus. In der Mitte befindet sich eine kleine, oft glasige Kuppe, der sogenannte Hornkegel. Sein Inneres kann weit in die Tiefe reichen. Die Haut um den Kegel herum ist gelblich-beige. Insgesamt sieht das Ganze ein bisschen so aus wie ein rundes Hühnerauge – deshalb der volkstümliche Name. Medizinisch heißt das Hühnerauge Clavus, in der Mehrzahl Clavi.

Hühneraugen entstehen durch dauerhaften oder immer wiederkehrenden Druck. Betroffen sind insbesondere solche Hautbereiche, die dicht über dem Knochen liegen – also Füße und Hände. Auf Druck und Reibung reagiert die Haut mit einer Verdickung. Das Wachstum der hornbildenden Zellen (Keratinozyten) in den unteren Schichten der Haut wird angeregt und es bilden sich immer mehr davon.

Normalerweise wandern diese Hautzellen von unten nach oben, verhornen immer mehr und werden dann an der Hautoberfläche abgeschilfert. Durch den Druck und die verstärkte Verhornung gelingt das den verhornten Hautzellen nicht mehr. Sie bilden im Inneren des Hühnerauges eine harte Hornmasse. Je länger dieser Zustand anhält, desto tiefer wächst der Hornkegel nach innen. Dort kann er auf Nervenenden treffen und starke Schmerzen auslösen.

Der schädliche Druck kann verschiedenen Ursachen haben. Neben Fußfehlstellungen zählt falsch sitzendes, drückendes Schuhwerk zu den Hauptauslösern von Hühneraugen. In diesen Fällen sind meist die Zehen betroffen. Dort sitzen sie gerne zwischen dem vierten und fünften Zeh oder an der Oberseite der zweiten Zehe.

Auch ein Hallux valgus (Ballenzeh) ändert die Druckverhältnisse und begünstigt an der betroffenen Großzehe die Bildung eines Hühnerauges. Beim Spreizfuß wiederum sind Ballen und Sohle besonders belastet, worauf die Haut ebenfalls mit Hyperkeratosen und Hühneraugen antwortet. Gleiches passiert, wenn durch Fußfehlstellungen Zehen aneinander oder gegen den Schuh drücken. Gefördert wird die Bildung von Hühneraugen zudem durch trockene Haut.

Manchmal entwickeln sich Hühneraugen sogar an den Händen. Auch dort ist dauerhafter Druck schuld, z.B. beim intensiven Hantieren mit Arbeits- oder Sportgeräten. Betroffen sind davon Tennisspieler*innen, Mechaniker*innen oder Musiker*innen.

Hinweis: Menschen mit einer diabetischen Polyneuropathie oder einer anderen Nervenerkrankungen bemerken schädlichen Druck an den Füßen häufig nicht. Sie sind deshalb besonders gefährdet, Hühneraugen zu entwickeln.

Hühnerauge ist nicht gleich Hühnerauge

Hühneraugen können in verschiedenen Formen auftreten. Manche sind hart, andere weich, in einige Hühneraugen wachsen mit der Zeit kleine Blutgefäße ein, andere werden von Nerven durchzogen. Expert*innen unterscheiden deshalb acht Typen:

  • Der Clavus durus ist das bekannteste und klassische Hühnerauge. Er ist hart und befindet sich vor allem unter den Zehengrundgelenken, manchmal auch am Zehenrücken. Der Kegel reicht oft stark in die Tiefe, wodurch sich das Hühnerauge bei Druck von oben äußerst schmerzhaft bemerkbar machen kann.
  • Bei einem Clavus molle handelt es sich um ein weiches Hühnerauge. Es sitzt zwischen den Zehen und bleibt wegen dem dort feuchten Klima weich.
  • Ein Clavus vascularis ist hart und enthält kleinste Blutgefäße. Deshalb kann er leicht bluten. Diese Hühneraugen entstehen bei besonders starker Belastung der Haut.
  • Der Clavus neurovascularis ist nicht nur von Blutgefäßen, sondern auch von Nervenenden durchzogen. Diese Hühneraugen sitzen meist an den Zehenkuppen, bluten leicht und schmerzen oft besonders stark.
  • Der großflächige und harte Clavus neurofibrosus befindet sich an der Fußsohle.
  • Ein Clavus papillaris zeichnet sich durch einen weichen Kern aus.
  • Clavi miliares kommen in großen Ansammlungen vor und schmerzen nicht. Bei ihnen handelt es sich um eine stoffwechselbedingte Fehlverhornung.
  • Der Clavus subungualis sitzt unterhalb der Nagelplatte.

Nicht alle diese Hühneraugen darf man selbst behandeln. Möglich ist die Therapie in Eigenregie bei den häufigsten Formen, dem Clavus durus und dem Clavus molle. Hühneraugen, die bluten, in großen Ansammlungen vorkommen oder unter dem Nagel sitzen, schauen sich besser die Hausärzt*in oder Dermatolog*in an und entscheiden, wie man sie am besten angeht.

Hinweis: Hühneraugen und Warzen sehen auf den ersten Blick sehr ähnlich aus. Schaut man genauer hin, lassen sich Unterschiede erkennen: Bei Warzen fehlt der glasige Hornkern in der Mitte. Stattdessen findet sich unter einer oberflächlichen Verhornung warzenartiges Gewebe, das mit schwarzroten Pünktchen versetzt ist.

Weg mit Druck und Verhornung!

Um Hühneraugen zum Verschwinden zu bringen, muss der betroffene Bereich als erstes entlastet werden. Sind drückende Schuhe der Auslöser, sollten sie nicht mehr getragen werden. Stattdessen wählt man ausreichend weite und gut passende Schuhe. Schuhe kaufen sollte man übrigens am besten abends: Denn nach einem ganzen Tag auf den Beinen sind Füße oft angeschwollen und deshalb etwas größer als morgens.

Bei Fehlstellungen kann die Orthopäd*in helfen. Sie begutachtet den Fuß und verordnet wenn nötig Einlagen. Damit lassen sich Fehlstellungen korrigieren, die zu dem Druck geführt haben. Manche Betroffenen profitieren auch von speziellen ringförmigen Polstern. Sie klebt man so auf die Haut, dass eventueller Druck davon ferngehalten wird.

Allein die Entfernung des Drucks kann Hühneraugen zur Rückbildung bewegen. Das dauert allerdings eine Weile und funktioniert auch nicht immer zuverlässig. Besser ist es, gleichzeitig die Verhornung zu beseitigen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Zunächst nimmt man ein lauwarmes Fußbad, das die Haut aufweicht. Ein Teil der obersten Hautschicht löst sich dann und kann vorsichtig mit Bimsstein oder einem trockenen Frottee-Handtuch abgetragen werden. Fußhobel oder andere Werkzeuge sollten wegen der Verletzungsgefahr nicht dafür benutzt werden. Danach behandelt man das Hühnerauge mit Keratolytika (hornhautauflösenden Substanzen) wie Salicylsäure oder Milchsäure. Diese Wirkstoffe lockern die oberste Hautschicht. Dadurch weicht der Clavus weiter auf, sodass er beim nächsten Fußbad leichter entfernt werden kann. Die Wirkstoffe gibt es als Tinkturen und als Pflaster.

  • Tinkturen muss man mehrmals täglich auf das Hühnerauge auftragen. Die nicht verhornte Haut um den Clavus herum sollte vor dem Wirkstoff geschützt werden. Dafür cremt man sie vorsichtig mit Vaseline oder einer Fettsalbe ein. Die Salicyl- oder Milchsäure trocknet nach dem Auftragen und bildet einen Film auf dem Hühnerauge. Dieser Film muss vor dem nächsten Auftragen wieder entfernt werden. Wie häufig das Hühnerauge behandelt werden muss, richtet sich nach dem jeweiligen Produkt. Meist soll die Tinktur ein- bis zweimal täglich verwendet und nach drei bis vier Tagen die Hornhaut in einem Fußbad entfernt werden. Ganz wichtig: Nach dem Hantieren mit der Tinktur muss man sich die Hände waschen, damit die Säure nicht in die Augen oder auf andere empfindliche Hautstellen gerät. Die gesamte Prozedur ist recht aufwendig. Menschen, die nicht mehr gut sehen oder weniger beweglich sind, sollten sich dabei von Angehörigen helfen lassen oder eine Podolog*in aufsuchen.
  • Pflaster mit Salicylsäure oder Milchsäure sind etwas leichter zu handhaben. Sie werden so auf den Clavus geklebt, dass der wirkstoffhaltige Anteil genau auf dem Hornkegel zu liegen kommt. Zu beachten ist dabei, dass die Haut sauber und trocken ist. Manche Produkte haben zusätzlich zu ihrem Wirkstoffkern ein Druckschutzpolster, um beim Gehen die Schmerzen zu mindern. Je nach Produkt bleibt das wirkstoffhaltige Pflaster ein bis drei Tage kleben. Oft verschwindet das Hühnerauge dann schon beim Entfernen des Pflasters. Bei manchen Präparaten wird empfohlen, die aufgeweichte Haut nach einem Fußbad abzutragen, andere Pflaster sollen mehrmals ausgetauscht werden. Weil die Handhabung je nach Produkt stark variiert, ist es wichtig, vor Anwendung die Gebrauchsanweisung genau zu lesen.

Ob Tinkturen oder Pflaster: Die über die Haut aufgenommene Salicylsäure kann in das Blut gelangen und auch im Körper wirken. Deshalb sollten Tagesdosen von 2,0 g für Erwachsene und 0,2 g für Kinder nicht überschritten werden. Bei Kleinkindern und Schwangeren darf man zudem maximal eine Fläche von 5 cm2 behandeln. Wer unsicher ist, lässt sich dazu am besten in der Apotheke beraten.

Vorsicht geboten ist auch bei Patient*innen, die eine eingeschränkte Nierenfunktion haben. Bei ihnen können sich Wirkstoffe im Körper leicht anstauen. Sie sollten deshalb besser wirkstofffreie Hühneraugenpflaster verwenden. Diese bestehen aus einem Hydrokolloid und nehmen Flüssigkeit auf. Dadurch entsteht nicht nur ein schützendes Polster. Der Clavus wird aufgeweicht, sodass sich die verhornte Haut nach Abnahme des Pflasters meist gut abtragen lässt.

Hinweis: Diabetiker*innen haben eine besonders empfindliche Haut, und kleine Verletzungen heilen bei ihnen schlechter. Für sie ist es ratsam, Hühneraugen nicht in Eigenregie zu entfernen, sondern vor einer Behandlung immer ärztlichen Rat einzuholen.

So beugt man Hühneraugen vor

Hühneraugen beugt man vor, indem man Druck vermeidet. Dazu dienen die gleichen Maßnahmen wie bei der Behandlung eines Clavus. Am wichtigsten ist es, gut passende, nicht zu enge Schuhe zu tragen. Mancmhal ist es allerdings nicht möglich, dauerhaft drückendes Schuhwerk zu vermeiden, etwa im Beruf. Dann sollte man die Schuhe in den Pausen ausziehen und auf dem Weg zur Arbeit bequeme Schuhe tragen. Von der Orthopäd*in verschriebene Einlagen oder spezielles Schuhwerk wirkt zudem nur vorbeugend, wenn es auch benutzt wird.

Hühneraugen an den Händen lässt sich mit speziell gepolsterten Handschuhen oder Schaumstoffgriffen entgegenwirken. Treten sie bei der Arbeit auf, kann man den Arbeitgeber auf Schutzmaßnahmen ansprechen.

Die zweite Säule zur Vermeidung von Hühneraugen ist eine gute Fußpflege:

  • Regelmäßige Fußbäder, um die Haut weich zu halten.
  • Raue und verdickte Stellen vorsichtig mit Bimsstein oder einem Frotteehandtuch abreiben.
  • Füße zweimal täglich mit einer speziellen Pflegecreme massieren, vor allem an den verdickten Bereichen. Günstig für trockene, verdickte und verhornte Hautbereiche sind Cremes mit Harnstoff sowie Frucht- und Glykolsäuren, angereichert mit pflegenden Panthenol oder Ölen.

Manche Menschen sehen nicht gut oder haben Schwierigkeiten, ihre Füße zu erreichen. Dann ist für deren Pflege Hilfe nötig. Am besten ist es, dafür regelmäßig eine Fußpflege aufzusuchen. In manchen Fällen trägt die Gesetzliche Krankenkasse die Kosten für die Fußpflege. Dies ist z. B. bei krankhaften Veränderungen am Fuß der Fall, also bei einemr Diabetes oder eine Neuropathie.

Quelle: DAZ 2021, Nr. 20, S. 42

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Ypps