Gesundheit heute

Autismus-Spektrum-Störung

Autismus-Spektrum-Störung (ASS, Autismus): Tiefgreifende Entwicklungsstörung, die bereits im Kindesalter auftritt und sich äußert durch Probleme in der sozialen Interaktion, Probleme in der sprachlichen und nicht-sprachlichen Kommunikation sowie eingeschränkten Interessen und Aktivitäten mit stereotypen Verhaltensweisen.

Früher wurde in der Regel nur von Autismus gesprochen. Autismus-Spektrum-Störungen äußern sich jedoch sehr unterschiedlich, sodass im deutschen Sprachraum drei Typen unterschieden werden:

  • Schwerer frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom)
  • Milderes Asperger-Syndrom (häufigste ASS)
  • Atypischer Autismus, der weder zum einen, noch zum anderen Typ passt. Es fehlen etwa einige Leitsymptome der frühkindlichen Form oder das typische Bild zeigt sich erst nach dem dritten Lebensjahr.

Die Übergänge sind fließend, sodass eine eindeutige Zuordnung zu einem Typ oft nicht möglich ist. Neue internationale Krankheitsklassifikationen (DSM V und ICD 11) gehen deshalb von einem Kontinuum aus und sprechen nur noch von Autismus-Spektrum-Störung. Im klinischen Alltag, aber auch in der Frühförderung und Sonderpädagogik, werden weiter die oben genannten Typen unterschieden.

Die Behandlung umfasst ein multimodales Konzept aus Frühförderung, Familienberatung, Psychotherapie und je nach Beschwerden auch Medikamenten. Der Verlauf ist sehr variabel. Bei manchen Betroffenen gehen die Symptome im Erwachsenenalter zurück, bei anderen verstärken sie sich sogar. Häufig ist eine lebenslange Betreuung notwendig.

Symptome und Leitbeschwerden

Frühkindlicher Autismus:

  • Beeinträchtigte Kontaktaufnahme und Kommunikation (bereits im Säuglingsalter)
  • Reduzierter Blickkontakt, aussagearmer Gesichtsausdruck, fehlendes soziales Lächeln
  • Passivität, bevorzugtes Alleinsein, wenig Nachahmen
  • Stark verlangsamte Sprachentwicklung, 50 % der Kinder fangen gar nicht an zu sprechen
  • Stereotypes Wiederholen bestimmter Abläufe oder Bewegungen
  • Häufig Fixierung auf bestimmte Objekte, Aktivitäten und zeitliche Abläufe
  • Häufig Intelligenzminderung bis hin zur geistigen Behinderung.

Asperger-Syndrom:

  • Auffällig erst ab dem dritten Lebensjahr
  • Flüchtiger Blickkontakt, aussagearmer Gesichtsausdruck
  • Normale geistige und sprachliche Entwicklung
  • Oft spezielle Stärken oder Inselbegabungen, z. B. im Gedächtnis oder der Wahrnehmung
  • Oft zusätzliche Symptome von ADS/ADHS.

Wann in die Kinderarztpraxis

  • Wenn Sie über längere Zeit das Gefühl haben, dass Ihr Kind nicht normal mit Ihnen als Mutter oder Vater interagiert und kommuniziert
  • Wenn die Kindertagesstätte Sie darauf aufmerksam macht, dass Ihr Kind sich in seiner Kommunikation und seinem Spielverhalten auffällig verhält
  • Wenn Sie das Gefühl haben, dass sich das Kind nicht altersgerecht entwickelt, also zum Beispiel nicht zu sprechen beginnt.

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Autismus-Spektrum-Störungen lassen sich nicht, wie früher angenommen, auf eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung zurückführen. Vielmehr liegen ihm Auffälligkeiten in der Struktur, Entwicklung, Funktion oder Organisation des Gehirns zugrunde. Dessen Ursachen sind letztlich unklar.

Ein (teilweiser) erblicher Hintergrund gilt als erwiesen. Geschwister von autistischen Kindern haben etwa ein 5%iges Risiko, selbst autistisch zu sein. Zudem könnten äußere Einflüsse wie etwa Schädigungen im Mutterleib oder unter der Geburt eine Rolle spielen.

Früher wurde häufig die Masern-Mumps-Röteln-Impfung für die Erkrankung verantwortlich gemacht. Diese Hypothese ist heute nachgewiesenermaßen widerlegt.

Komplikationen

Viele Kinder leiten an Begleiterkrankungen wie ADS/ADHS, Angststörungen, Tics und Zwangsstörungen sowie Epilepsie. Auch funktionelle Störungen treten häufig auf, etwa Ernährungsprobleme, nächtliches Einnässen, Schlafstörungen und Verstopfung.

Diagnosesicherung

Die Diagnose der Autismus-Spektrum-Störung wird dadurch erschwert, dass einzelne Symptome für sich allein noch normal sein können. Erst wenn mehrere der oben genannten Verhaltensweisen gleichzeitig bestehen, ergibt sich ein Verdacht. In diesem Fall sollte die Kinderärzt*in an eine Fachärzt*in überweisen. Dieser stehen zur Diagnose standardisierte Beobachtungsskalen zur Verfügung, etwa ADOS, CARS oder ADI-R. Mithilfe von Laboruntersuchungen, Kernspin und EEG kann die Ärzt*in organische Ursachen ausschließen. Auch sollten die Kinder auf Hör- und Sehstörungen getestet werden. Eine sichere Diagnose ist dennoch meist erst ab dem 18. Lebensmonat möglich.

Differenzialdiagnosen. In der Praxis stellt sich oft der Verdacht auf die Differenzialdiagnose ADHS oder ADS. In der Tat sind Aufmerksamkeitsstörungen für beide Erkrankungen typisch. Zur Differenzierung stellt die Ärzt*in folgende Überlegungen an:

  • Gegen ADHS und ADS sprechen die Fixierung auf einige wenige Aktivitäten, das fokussierte detailorientierte Spielverhalten und "inselartige" Stärken und Begabungen.
  • Gegen eine Autismus-Spektrum-Störung sprechen schwache Impulskontrolle (wie z. B. das schnelle Aufkommen von Wutanfällen bei Frustrationen) und Hyperaktivität. Auch "Desorganisation" im Alltag und Sprunghaftigkeit in Denken und Handeln sind nicht typisch.

Autismusähnliches Verhalten zeigen Kinder auch bei Verwahrlosung oder Misshandlung. In diesen Fällen verschwindet das autismusähnliche Verhalten jedoch, wenn das Kind in eine intakte und fördernde Umgebung wie z. B. eine geeignete Pflegefamilie kommt.

Auch andere neurologische oder körperliche Erkrankungen führen zu Verhaltensstörungen und Intelligenzminderung, die dem ASS ähneln. Dazu gehören beispielsweise Schizophrenie, das fetale Alkoholsyndrom, Stoffwechselerkrankungen wie die Phenylketonurie oder angeborene genetische oder chromosomale Defekte.

Behandlung

Eine Autismus-Spektrum-Störung lässt sich nicht heilen. Es ist aber durchaus möglich, die autismustypischen Defizite positiv zu beeinflussen. Die Behandlung orientiert sich immer am Einzelfall und kombiniert psychotherapeutische und pädagogische Verfahren mit Methoden der Verhaltenstherapie. Arzneimittel können zum Einsatz kommen, um begleitende und besonders belastende Krankheitszeichen zu unterdrücken, etwa Krampfanfälle.

  • Stabile Umgebung. Damit sich ein Kind mit einer Autismus-Spektrum-Störung wohl fühlen und sich seinen Möglichkeiten entsprechend entwickeln kann, ist eine stabile Umgebung das A und O. Der Alltag zu Hause, Kindergarten und Schule, die Therapie – alles sollte möglichst vorhersehbar und überschaubar gestaltet werden.
  • Frühförderung. Sie beginnt bereits in einem Alter von 2 bis 3 Jahren und endet mit der Einschulung. In intensiver Verhaltenstherapie werden dabei sprachliche Fähigkeit sowie die Interaktion mit Erwachsenen (später auch anderen Kindern) eingeübt. Auch Alltagsfähigkeiten lassen sich in diesem Rahmen üben, so kann auch Toilettentraining Teil der Therapie sein. Wie kleinschrittig die Therapeut*in dabei vorgeht, hängt von der Ausprägung der Erkrankung ab.
  • Gruppentherapie. Die soziale Interaktion lässt sich auch mit einer autismusspezifischen Gruppentherapie weiter verbessern. Hier geht es zudem darum, dass Betroffene lernen, ihre Handlungen besser zu planen und souveräner mit Ärger und Frustration umzugehen. Eine solche Maßnahme dauert bis zu einem Jahr, kann aber auch wiederholt werden.
  • Klassische Verhaltenstherapie. Diese eignet sich vor allem, wenn betroffene Kinder und Jugendliche zusätzlich unter einer Angst- oder Zwangsstörung leiden.
  • Medikamente. Es gibt kein "Medikament gegen Autismus". Einige Arzneien lassen sich aber einsetzen, um Begleitsymptome zu mildern. Atypische Antipsychotika wie Risperidon werden verschrieben bei aggressivem Verhalten, Zwängen und Stereotypien. Methylphenidat oder andere Stimulanzien sollen hyperaktives oder impulsives Verhalten positiv beeinflussen. Das trizyklische Antidepressivum Mirtazapin ist eine Option bei Depressionen.
  • Sonstige Maßnahmen. Je nach Bedarf gibt es viele Möglichkeiten, einzelne Fertigkeiten des Kindes zu trainieren. Logopädie ist eine gute Option, um das Sprechen weiter zu verbessern, Ergotherapie, um motorische Fähigkeiten auszubauen.

Prognose

Eine Autismus-Spektrum-Störung ist nicht heilbar. Wie sich die Erkrankung in ihrem Verlauf entwickelt, ist sehr unterschiedlich. Bei manchen Betroffenen gehen die Symptome im Erwachsenenalter zurück, bei anderen verstärken sie sich sogar. Häufig ist eine lebenslange Betreuung nicht zu verhindern – sei es, zu Hause, durch ambulante Kräfte oder in einem betreuten Wohnen. Auch bei milder Ausprägung der Erkrankung ist das Alltagsleben leider oft deutlich eingeschränkt.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie als Eltern tun können

Sich um sich selbst kümmern. So sehr Sie Ihr Kind auch lieben – die Betreuung kostet viel Kraft. Vergessen Sie also Ihre eigenen Bedürfnisse nicht und nehmen Sie Hilfsangebote wahr. Viele betroffene Eltern profitieren zum Beispiel von Selbsthilfegruppen, die gegenseitige Unterstützung und einen intensiven Informationsaustausch bieten. Holen Sie sich stundenweise Hilfe oder nehmen Sie eine Kurzzeitbetreuung in Anspruch, um auch Zeit für sich selbst zu haben.

Angebote ausprobieren. Jedes Kind ist anders – das gilt natürlich auch bei Kindern mit einer Autismus-Spektrumstörung. Auch wenn es für Angebote wie therapeutisches Reiten, Tanz- oder Musiktherapie keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt – probieren Sie es einfach aus, wenn Sie ein gutes Gefühl dabei haben. Optimistischen Heilsversprechen, die mit hohen finanziellen Ausgaben verbunden sind, sollten Sie besser kritisch gegenüberstehen.

Fördern mit Augenmaß. Ihr Kind wird von Fördermaßnahmen sicher profitieren – sofern Sie realistische Ziele setzen und es nicht überfordern. Auf der anderen Seite ist es nicht nötig, Ihr Kind übermäßig zu behüten. Das gilt vor allem, wenn Sie sich bereits einen Überblick über mögliche Gefahrenquellen in Ihrer Alltagsumgebung verschafft haben und diese gut umschiffen können.

Umfeld informieren. Ihr Kind hat spezielle Bedürfnisse – die Sie mit Ihrem Umfeld unbedingt besprechen sollten. Nur so haben Ihre Mitmenschen die Chance, das Verhalten Ihres Kindes richtig einzuordnen und entsprechend zu reagieren.

Weiterführende Informationen

Der Bundesverband zur Förderung von Menschen mit Autismus bietet auf seiner Webseite Informationen und Hilfe für Betroffene und deren Angehörige, die von Reise- und Ausbildungsangeboten bis hin zu Informationen über rechtliche Fragen reicht: www.autismus.de

www.autismus-kultur.de ist die Webseite eines persönlich Betroffenen, die für andere Betroffene und deren Angehörige aktuelle Nachrichten und autistische Erfahrungen zu einem Autismus-Ratgeber bündelt.

Von: Dr. med. Herbert Renz-Polster, Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit für Kinder, Kösel, München, 8. Auflage (2015). Überarbeitung und Aktualisierung: Sara Steer
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Kampf der Gürtelrose!

Die echte Gürtelrose blüht mit roten Papeln und Bläschen weniger hübsch.

Kampf der Gürtelrose!

Gegen Schmerzen, Juckreiz, Krusten

Mit Ausschlag, Kribbeln, Jucken und Schmerzen kann eine Gürtelrose ganz schön unangenehm werden. In jedem zehnten Fall drohen sogar langfristige Nervenschmerzen, die Schlaf und Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Lesen Sie, wo die Gürtelrose herkommt, wie sich akute und chronische Beschwerden am besten behandeln lassen und wie man sich mit der Zosterimpfung schützt.

Viren auf Wanderschaft

Plötzliche Schmerzen und ein roter, gürtelförmiger Ausschlag am Rumpf —die Symptome einer Gürtelrose sind leicht zu erkennen. Verantwortlich für den Spuk ist das Windpocken- oder Varizellenvirus (lateinisch Varizella-Zoster-Virus). Es gehört zu der Gruppe der Herpesviren, weshalb die Erkrankung medizinisch auch Herpes zoster genannt wird.

Das Varizellenvirus hat ganz besondere Eigenschaften. Infiziert man sich damit, erkrankt man zunächst an Windpocken. Nach dem Abheilen des juckenden Ausschlags verschwinden die Viren aber nicht. Stattdessen wandern sie in bestimmte Nervenzellen, die Ganglienzellen von Hirn- oder Spinalnerven. Dort lassen sie sich lebenslang nieder – in Schach gehalten vom körpereigenen Immunssystem. Schwächelt das Immunsystem, werden die Viren reaktiviert und befallen den Körper „von innen“ erneut. Geschwächt wird das Immunssystem z. B. durch

  • seelischen und körperlichen Stress
  • normale Alterungsprozesse
  • immunsuppressive Therapien, also Therapien die das Immunsystem gezielt unterdrücken (z. B. zur Behandlung von Krebs oder einer rheumatoiden Arthritis)
  • Immunerkrankungen, z.B. eine HIV-Infektion.

Manchmal tritt die Gürtelrose aber auch auf, ohne dass sich ein spezieller Grund dafür feststellen lässt.

Die typische Gürtelrose

Werden die Viren reaktiviert, wandern sie die Nervenfaser entlang in Richtung Körperoberfläche. Am häufigsten geschieht das im Bereich von Brustkorb und Rumpf. Auf der Haut lösen sie dann einen gürtelförmigen Ausschlag mit gleichförmigen Papeln und Bläschen auf rotem Grund aus. Zum charakteristischen Muster des Ausschlages kommt es, weil die Viren sich nicht frei, sondern entlang der Nervenfaser ausbreiten. Diese Nervenfasern sind wiederum gürtelförmig, also quer von der Wirbelsäule bis zur Vorderseite angeordnet. Der gürtelförmige Ausschlag ist so typisch, dass meist keine weitere Diagnostik erforderlich ist. Im Zweifel lassen sich die Viren aber auch durch Laboruntersuchungen von Blut oder Hirnflüssigkeit nachweisen.

Manchmal macht sich die Gürtelrose schon vor dem Hautausschlag durch Kribbeln oder Taubheitsgefühl bemerkbar. Ist sie voll erblüht, leiden die Erkrankten je nach Ausmaß unter

  • Fieber und starkem Krankheitsgefühl
  • Wundschmerzen im Bereich des Ausschlags
  • Nervenschmerzen im Bereich des befallenen Nervens, z. B. starke Missempfindungen (Ameisenlaufen, Juckreiz) und bohrende oder stechende Schmerzen.

Normalerweise heilt der Ausschlag innerhalb von zwei bis vier Wochen folgenlos aus. Bei jeder zehnten Patient*in dauern Schmerzen und Missempfindungen jedoch auch nach Abheilen des Hautausschlags an oder flackern nach einem beschwerdefreien Intervall wieder auf. In diesen Fällen spricht man von der Post-Zoster-Neuralgie. Deren Prognose ist nicht besonders gut: Bei einem Drittel der Betroffenen greift die Schmerztherapie nicht, und manche haben lebenslang mit den Beschwerden zu kämpfen (mehr dazu siehe unten).

Hinweis: Achtung, ansteckend! In den Bläschen des Ausschlags befinden sich massenweise Varizellenviren. Gürtelrose-Patient*innen können durch Schmierinfektionen andere infizieren. Ganz besonders gefährdet sind Schwangere, die noch keine Windpocken hatten. Bei einer Infektion kann das ungeborene Kind schwer geschädigt werden. Um jede Ansteckung zu vermeiden sollte der Ausschlag bis zum Abheilen gut abgedeckt (passende Pflaster dafür gibt es in der Apotheke) und der Kontakt zu Ungeimpften bzw. noch nicht an Windpocken Erkrankten vermieden werden.

Zoster in Ohr und Auge

Neben der typischen Gürtelrose gibt es auch andere Formen des Herpes zoster. Besonders unangenehm wird es, wenn die Varizellen in den Ganglienzellen der Hirnnerven sitzen und dort reaktiviert werden. Dann wandern sie die Nervenfasern entlang in Richtung Kopfhaut vor. Ist der Trigeminalnerv betroffen, kommt es zu einem Zoster ophthalmicus mit Ausschlag und Schmerzen im Bereich von Stirn, Nasenwurzel und Nasenrücken, meist begleitet von Fieber und einem starken Krankheitsgefühl. Es droht die Infektion des Auges mit Bindehautentzündung, Hornhautentzündung, Augenmuskellähmung und sogar der Gefahr der Erblindung. Ein Befall der Nerven, die für das Ohr zuständig sind, macht sich als Zoster oticus mit Ohrenschmerzen, Hörminderung, Schwindel und schmerzhafte Bläschen am Gehörgang bemerkbar.

Schwerste Formen des Herpes zoster sind der Befall des Gehirns (Zoster-Enzephalitis) oder die Ausbreitung der Varizellenviren über den gesamten Körper inklusive innerer Organe (Zoster generalisatus). Diese lebensbedrohlichen Varianten kommen bei Menschen vor, deren Immunsystem sehr geschwächt ist.

Hinweis: Eine weitere seltene Sonderform des Herpes zoster ist der „Zoster sine herpete“. Hier leiden die Betroffenen unter heftigen Schmerzen in einem Dermatom, es fehlt aber der typische bläschenförmige Ausschlag.

Wen kann es treffen?

Jeder, der einmal an Windpocken erkrankt war, beherbergt die Viren und kann Monate, Jahre oder Jahrzehnte später an einer Gürtelrose oder einer anderen Form des Herpes zoster erkranken. Allerdings steigt das Risiko mit dem Alter, weil das Immunsystem dann allgemein weniger gut arbeitet. Ab 50 ist jedoch nicht nur die Gefahr einer Virusreaktivierung erhöht. Auch die Schwere der Erkrankung nimmt zu.

Doch nicht nur durchgemachte Windpocken lassen eine Gürtelrose erblühen. Auch Menschen, die gegen Windpocken geimpft wurden, können an einem Herpes zoster erkranken. Denn das abgeschwächte Impfvirus zieht sich ebenso wie das „echte“ Virus in Ganglienzellen der Spinal- oder Hirnnerven zurück. Weil das Impfvirus sich jedoch weniger leicht reaktivieren lässt als sein natürlicher Verwandter tritt ein Zoster nach Impfung sehr selten auf. Und kommt es doch einmal dazu, verläuft die Erkrankung deutlich milder als der Herpes zoster durch das echte Virus.

Akut gegen Virus, Schmerz und Krusten

Die normale Gürtelrose ist zwar unangenehm, hat aber eine relativ gute Prognose. Etwa 70–80% der Fälle heilen mithilfe der passenden Therapie folgenlos aus. Diese ruht auf drei Säulen: Die Viren zu bekämpfen, Schmerzen und Juckreiz einzudämmen und das Abheilen der Bläschen zu fördern.

Antivirale Medikamente. Mit ihnen wird der Verlauf der Erkrankung abgemildert und die Ansteckungsgefahr reduziert. Deshalb wird auf die antivirale Therapie nur bei sehr leichten Verläufen darauf verzichtet. Zwingend erforderlich ist sie bei

  • Patient*innen über 50 Jahren
  • Zoster im Kopfbereich
  • stark ausgeprägtem Zoster, z. B. beim Befall mehrerer Dermatome am Rumpf
  • kompliziertem Verlauf
  • Immunschwäche.

Zum Einsatz kommen die Wirkstoffe Aciclovir, Valaciclovir, Famcicluvir und Brivudin. Je nach Präparat werden die antiviralen Medikamente drei- bis fünfmal täglich als Tabletten eingenommen. In schweren Fällen gibt man sie auch intravenös. Dies ist bei Zoster ophthalmicus oder Zoster oticus der Fall. Hier kombinieren die Ärzt*innen das Virostatikum auch oft mit Kortison, um das Risiko für gefährliche Komplikationen wie Seh- oder Hörverlust zu reduzieren.

Schmerztherapie. Der entzündliche Ausschlag verursacht oft unangenehme Wundschmerzen. Diesen begegnet man mit entzündungs- und schmerzlindernden Wirkstoffen wie Ibuprofen oder Paracetamol. Bei sehr starken Schmerzen kommen auch Opioide zum Zug, beispielsweise Oxycodon-Tabletten oder intravenös verabreichtes Morphin.

Ist der Nerv angegriffen, entwickeln sich zusätzlich neuropathische Schmerzen. Sie reichen von Kribbeln oder Taubheitsgefühl bis zum ausgeprägten Brennen, Bohren oder Stechen. Hier können Wirkstoffe helfen, die auch bei der Post-Zoster-Neuralgie eingesetzt werden, so zum Beispiel Gabapentin, Pregabalin oder auch das Antidepressivum Amitryptilin.

Lokaltherapie. Die lokale Therapie fördert die Abheilung und reduziert das Risiko einer bakteriellen Infektion des Ausschlags. Polihexanid-Gele beispielsweise wirken antiseptisch und helfen, die Verkrustungen zu lösen. Lösungen aus Polihexanid oder Octenidin sind ebenfalls antiseptisch und lindern Schmerzen und Missempfindungen durch ihren kühlenden Effekt. Synthetische Gerbstoffe verringern ebenfalls den Juckreiz und lassen die Läsionen abtrocknen.

Hinweis: Zur lokalen Therapie keine Schüttelmixtur mit Zink verwenden! Diese lindert zwar den Juckreiz, fördert jedoch neuen Untersuchungen zufolge eine bakterielle Infektion der Läsionen. Außerdem lässt sich unter der weißlichen Schicht das Abheilen des Ausschlags nicht gut kontrollieren.

Wenn die Post-Zoster-Neuralgie zubeißt

In etwa 10% der Fälle entwickeln die Betroffenen eine Post-Zoster-Neuralgie. Dabei bleiben die Nervenschmerzen länger als vier Wochen bestehen, obwohl der Hautausschlag längst abgeklungen ist. Manchmal entwickeln sie sich aber auch erst nach einem beschwerdefreien Intervall. Typisch sind Missempfindungen und starke brennende, bohrende oder stechende Schmerzen. Oft ist die Region auch besonders berührungsempfindlich, was beispielsweise das Scheuern von Gürteln oder BH-Trägern unerträglich machen kann.

Die Behandlung der Post-Zoster-Neuralgie ist kompliziert, oft müssen verschiedene Wirkstoffe probiert und kombiniert werden. Etwa 30% der Patient*innen werden auch durch intensive Maßnahmen nicht schmerzfrei. Zum Einsatz kommen

  • Antikonvulsiva (Medikamente gegen Krampfanfälle) wie Gabapentin, Pregabalin
  • Antidepressiva wie Amitryptilin
  • Opioide wie Tramadol oder Morphin
  • Lidocain-Pflaster
  • Pflaster mit Capsaicin
  • als Ersatzmedikamente Carbamazepin oder Duloxetin.

Wenn die Hautempfindlichkeit des betroffenen Dermatoms intakt ist, empfehlen manche Ärzt*innen auch die Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Die elektrische Stimulation des betroffenen Gebietes verursacht (gewünschte) Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl, wodurch die Schmerzempfindung selbst verringert wird. Daneben können auch andere Verfahren der physikalischen Therapie, z. B. Kälte- oder Wärmeanwendungen helfen, die Beschwerden der Post-Zoster-Neuralgie abzumildern.

Hinweis: Eine Post-Zoster-Neuralgie kann psychisch sehr belastend sein. In manchen Fällen sind Verhaltens- oder Psychotherapien hilfreich, um besser mit den chronischen Schmerzen umzugehen.

Stärkste Waffe: Impfung

Ein besonders starkes Mittel gegen die Gürtelrose und ihre Komplikationen ist die Zosterimpfung. Es gibt sie mit einem abgeschwächten Virus als Lebendimpfstoff und als Totimpfstoff. Letzterer soll effektiver sein und einen längeren Impfschutz bieten, weshalb dieser von der STIKO vorgezogen wird. Sie empfiehlt die Zosterimpfung mit dem Totimpfstoff

  • allen Personen über 60
  • Menschen ab 50 Jahren, die ein erhöhtes Risiko für Herpes zoster haben (z.B. aufgrund einer immunsuppressiven Therapie oder einer Grunderkrankungen wie Diabetes, COPD, oder rheumatoider Arthritis).

Die Impfung erhöht die zelluläre Immunabwehr und unterstützt dadurch den Körper, die in den Nervenzellen sitzenden Varizellenviren weiter in Schach zu halten.

Für einen vollständigen Schutz sind zwei Impfungen mit einem Abstand von zwei bis sechs Monaten erforderlich. Ob eine Auffrischung nötig ist, wird noch diskutiert. Bis jetzt gehen die Expert*innen davon aus, dass Geimpfte etwa zehn Jahre lang vor einer Gürtelrose bewahrt werden.

Hinweis: Die Zoster-Impfung verträgt sich gut mit anderen Impfungen. Auch eine Covid-19-Impfung ist kein Grund, darauf zu verzichten. Zur Sicherheit empfiehlt die STIKO bei der Zoster-Impfung lediglich, vor und nach der Covid-19-Impfung 14 Tage Abstand einzuhalten.

Quellen: DAZ 2021, Nr. 18, S. 38; RKI

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Rawpixel.com/shutterstock.com