Gesundheit heute

Dreimonatskoliken

Dreimonatskoliken (Regulationsstörungen): Anhaltendes Schreien eines Babys – meist nach dem Füttern – ohne erkennbare Ursache.

Als "Schrei-Baby" gilt ein Säugling, der mehr als 3 Stunden pro Tag an mind. 3 Tagen in der Woche über mehr als 3 Wochen aus unerklärlichen Gründen schreit und sich kaum beruhigen lässt. Diese sogenannten Dreimonatskoliken beginnen meist um die 2. Lebenswoche und nehmen bis etwa zur 6. Lebenswoche zu. In der Regel geht die "Kolikzeit" bis zum Ende des 3. Monats völlig zurück – daher auch der Name "Dreimonatskoliken".

Symptome und Leitbeschwerden

  • Plötzlich auftretendes schrilles Schreien des Säuglings, die Stirn ist gerunzelt, das Gesicht rot, die Fäuste sind geballt, die Beine angezogen
  • Sich ständig wiederholende Anfälle, die meist nach 5–20 Minuten enden
  • Beruhigungsversuche, wie das sonst meist gut wirksame Hochnehmen oder Füttern, helfen nur zeitweilig
  • Vermehrtes Auftreten der Symptomatik nachmittags und in den frühen Abendstunden
  • Ansonsten vollkommen unauffälliges Wachstum und Entwicklung des Säuglings.

Wann zum Kinderarzt

Heute noch, wenn

  • Ihr Baby nicht gedeiht, da es nicht gut trinkt (siehe Gedeihstörungen).
  • es apathisch, lustlos oder blass (bzw. blass-grau) ist.
  • es immer wieder erbricht.
  • es länger als 1 Stunde voller Schmerzen oder schrill schreit; dies kann auf einen eingeklemmten Leistenbruch oder eine Darmeinstülpung hinweisen.
  • Ihr Baby über das normale Maß von etwa 3 Stunden am Tag hinaus schreit und sich dabei jedem Einfluss von außen entzieht (wie Hochheben oder Beruhigungsversuche).
  • es Schwierigkeiten hat, sich an Schlaf- und Wachphasen anzupassen, es tagsüber meist nur kurz schläft (oft weniger als eine halbe Stunde) und es auch Probleme beim Einschlafen hat.
  • Sie sich überfordert fühlen und/oder Angst vor einem Kontrollverlust haben (z. B. zu starkes Schütteln, Anschreien, Schlagen des Babys).

Die Erkrankung

Krankheitsentstehung

Viele Säuglinge haben direkt nach dem Trinken eine kurze "K(r)ampfzeit". Das Baby hat vielleicht einen geblähten Bauch, spuckt ein bisschen oder weint – mit dem "Bäuerchen" hört das Weinen auf. Anders ist es bei den sogenannten Dreimonatskoliken, an denen nahezu jedes 4. Baby leidet. Die Babys schreien anhaltend und immer wieder, bevorzugt in den frühen Abendstunden, oft aber auch noch in die Nacht hinein, und es bleibt unklar, was dahintersteckt. Die "Koliken" beginnen oft schon nach den ersten Lebenstagen. Glücklicherweise ist aber Licht am Ende des Tunnels: 85 % der Babys haben ihre "Kolikzeit" nach 3 Monaten hinter sich.

Ursachen

Die Ursachen für die Schreiattacken sind nicht bekannt. Nur in seltenen Fällen stehen greifbare Ursachen dahinter, die den Kleinen Schmerzen bereiten, wie etwa eine Mittelohrentzündung, eine Refluxkrankheit oder eine Analfissur.

Vieles deutet aber darauf hin, dass es Bauchkrämpfe sind, wie es der Begriff "Kolik" suggeriert. Der Bauch ist oft angespannt. Die Säuglinge ziehen die Beinchen an und strecken sie dann plötzlich wieder, als wollten sie den Schmerz "wegkicken". Diese Krämpfe nehmen durch "Winde" oder Stuhlaustritt ab. Allerdings zeigen Röntgenaufnahmen, dass Schreibabys nicht mehr Darmgas haben als "gesunde" Säuglinge.

Sensibilität. Heute geht man auch davon aus, dass die Bauchkrämpfe erst als Folge des Schreiens und der damit verbundenen Aufregung entstehen, dass also ganz am Anfang ein anderer Auslöser steht und sich dann "auf den Bauch schlägt". Vermutet wird deshalb, dass Schreibabys "sensibler" als ihre Altersgenossen sind und deshalb empfindlicher auf die bei jedem Schreien geschluckte Luft reagieren. Eine andere Vermutung ist, dass der Bauch bei einigen Babys stärker auf Reize reagiert als bei anderen. Zu dieser Vermutung passt, dass die Koliken vor allem abends auftreten, wenn das Baby sowieso müde und möglicherweise überreizt ist. Da diese Babys es noch nicht wie ihre Altersgenossen gelernt haben, sich selbst zu beruhigen, zählen Experten dieses Verhalten zu den sogenannten "Regulationsstörungen", zu denen auch Schlaf- und Fütterstörungen gerechnet werden.

Melatonin-Theorie. Das für den Biorhythmus mitverantwortliche Hormon wird unter den hiesigen Lichtverhältnissen erst ab 3 Monate nach der Geburt in ausreichenden Mengen gebildet. Bis dahin fehlt seine entspannende Wirkung auf die Darmmuskulatur – Babys neigen in dieser Zeit also mehr zu Darmverkrampfungen.

Überfüllungstheorie. In warmen Klimazonen trinken Babys vor allem "durstgesteuert" und damit weitaus häufiger als hierzulande, wo Babys eher "hungergesteuert" trinken. Man vermutet, dass die für hiesige Mahlzeiten typischen großen Milchmengen für einige Babys nicht bekömmlich sind. Diese Theorie wird von zwei Argumenten gestützt: Zum einen tritt das in unseren Breiten häufig beobachtete Spucken in warmen Ländern seltener auf. Zum anderen zeigen Experimente, dass häufiges Füttern tatsächlich bei manchen Babys als eine vorbeugende Strategie gegen Koliken funktioniert.

Frühkindliche Dysregulation. Bei den meisten Babys verschwindet das Schreien. Bei einigen bleibt es jedoch; Ärzte sprechen hier von einem "persistierenden" Schreien. Die Kinder fallen zudem oft durch andere Persönlichkeitszüge auf – Eltern beschreiben sie als fordernd, unzufrieden und leicht reizbar. Manchmal kommt außerdem eine ausgeprägte körperliche Unruhe hinzu, sodass es kein Wunder ist, dass diese Kinder schlecht schlafen. Kinderärzte bezeichnen dieses Phänomen auch als frühkindliche Dysregulation. Viele der betroffenen Kinder haben im Kleinkindalter Wutphasen und passen sich nur schwer im Kindergarten und in der Schule an. Bei einigen wird später AD[H]S diagnostiziert.

Risikofaktoren

Schwedische Forscher konnten bei Kolikkindern ein Zuviel an bestimmten, auf die Darmbewegungen wirkenden Hormonen nachweisen (z. B. Motilin). Auf eine gestörte Darmflora weist eine Studie der Universität Houston hin, sie kam zu dem Ergebnis, dass Kolikbabys eine ungewöhnlich kleine Vielfalt von Bakterien im Darm haben. Die Forscher hoffen, bald eine Therapie gegen das anhaltende Schreien zu finden, die auf probiotischer Ernährung basieren soll.

Familiäres Umfeld. Was auch immer der Auslöser ist, es scheint wenig damit zu tun zu haben, was Eltern tun oder lassen. Studien zeigen, dass Mütter von Kolikkindern sich in nichts von denen unterscheiden, deren Kinder keine Koliken haben. Sie sind weder "unsicherer" noch weniger "bindungsfähig" noch unterscheidet sich der Erziehungsstil. Oft ist in derselben Familie das eine Geschwisterkind betroffen, das andere nicht.

Ernährung. Auch "Allergien" oder "Milchunverträglichkeit" als Auslöser der Dreimonatskoliken wurde für die allermeisten Fälle nicht bestätigt – solche Krankheiten zeigen sich nicht nur durch Schreien, sondern auch durch andere Zeichen wie Durchfall, Blut im Stuhl oder schlechtes Gedeihen. Dass die Nahrung bei den allermeisten Kindern keine Rolle spielt, zeigt auch die Tatsache, dass "Koliken" bei gestillten und nicht gestillten Kindern etwa gleich häufig vorkommen. Die ebenfalls manchmal vermutete Unverträglichkeit von Milchzucker (Laktoseintoleranz) ist so selten, dass sie als generelle Erklärung kaum Gültigkeit hat.

Raucherhaushalt. Untersuchungen haben gezeigt, dass es in Raucherhaushalten häufiger Schreibabys gibt als in Nichtraucherhaushalten. Erklärung dafür scheint zu sein, dass Nikotin die Krampfbereitschaft des Darmes fördert.

Überforderung der Eltern. In Deutschland erleiden etwa 400 Kinder pro Jahr ein Schütteltrauma, ein Viertel davon stirbt daran. Wenn Eltern das schreiende Baby in ihrer Verzweiflung schütteln, besteht die Gefahr, dass es innerhalb kürzester Zeit schwerwiegende Schäden erleidet: Da die Nackenmuskulatur noch schwach ist und der Kopf bei Babys einen großen Teil des Körpergewichts ausmacht, wird das Köpfchen durch das Schütteln nach vorne und hinten geschleudert. Die Gehirnmasse bewegt sich hin und her, wodurch im schlimmsten Fall Blutgefäße und Nervenbahnen reißen und es zu Hirnblutungen und Hirnverletzungen kommt. Ebenso sind Blutungen an der Augennetzhaut möglich, mögliche Folgen sind Sehstörungen oder sogar Blindheit.

Komplikationen

Bei der Darmeinstülpung (Invagination) stülpt sich ein Darmabschnitt ohne bisher bekannte Ursache teleskopartig in sich ein; dadurch wird die Durchblutung unterbunden. Etwa 80 % aller Darmeinstülpungen treten bei Babys im 6.–12. Monat auf. Typisch ist plötzlich einsetzendes Schreien, das nicht aufhört. Oft zieht das Kind die Beinchen an, manchmal erbricht es auch. Auch wenn das Baby sich zwischendurch beruhigt, kommen die Schmerzattacken wieder, und möglicherweise wird das Kind blass, unruhig oder sogar apathisch. Blutig-schleimige Stühle können nach ein paar Stunden hinzukommen.

Diagnosesicherung

Um eine körperliche Erkrankung (z. B. eine Mittelohrentzündung oder Verstopfung) auszuschließen, helfen die sorgfältige Anamnese sowie die Beschreibungen oder Aufzeichnungen der Eltern über die Verteilung des Schreiens und die Essenszufuhr.

Ultraschallaufnahmen, Röntgenuntersuchungen, Untersuchung von Blut oder Stuhl. Diese Untersuchungen sind selten notwendig, helfen aber, körperliche Erkrankungen auszuschließen.

Ärztliche Behandlung

85 % der Babys haben ihre "Kolikzeit" auch ohne ärztliche Behandlung spätestens nach 3 Monaten überstanden.

Darmeinstülpung. Besteht der Verdacht auf eine Darmeinstülpung, versucht der Kinderarzt, den betroffenen Darmabschnitt zu ertasten, oder die Diagnose wird durch eine Ultraschalluntersuchung oder eine Röntgendarstellung des Dickdarms mit durch den Po eingeflößtem Kontrastmittel gestellt. Dabei wird in den meisten Fällen gleichzeitig die Ursache beseitigt: Durch den Druck des flüssigen Kontrastmittels wird das eingestülpte Darmstück wieder in die richtige Lage geschoben. Gelingt dies nicht, muss operiert werden.

Videoanalyse. In schwerwiegenden Fällen ist zu erwägen, im Rahmen einer Beziehungsanalyse mit Videofeedback die Verhaltensweisen von Eltern und Baby zu analysieren. Studien haben gezeigt, dass es Eltern danach besser gelang, die Bedürfnisse ihres Kindes zu erkennen und entsprechend zu reagieren.

Prognose

Trotz des hohen Leidensdrucks beim Säugling und den Eltern: Dreimonatskoliken sind harmlos. Auch wenn die Koliken und das begleitende Schreien eine große Anstrengung für Baby und Eltern darstellen – nach 3 Monaten gehen die Beschwerden von allein zurück und führen auch nicht zu länger andauernden gesundheitlichen Problemen.

Ihr Apotheker empfiehlt

Was Sie als Eltern tun können

Prüfen Sie als Erstes, ob Ihr Baby krank ist und deshalb schreit. Bei Blut in der Windel, Apathie, Blässe oder Erbrechen suchen Sie sofort den Kinderarzt auf.

Bei Dreimonatskoliken funktionieren die beim "normalen Schreien" wirksamen Strategien – wie Stillen, Füttern oder den Schnuller geben – nicht. Oft macht gerade das Anlegen oder Füttern die Sache noch schlimmer. Folgende Strategien können versucht werden:

  • Tragen und Körperkontakt. Bei vielen Babys hilft Herumtragen, Schaukeln und enger Körperkontakt. Dabei bevorzugen manche Babys kräftige Bewegungen, andere mögen es sachte. Sanftes Streicheln des Bauches bringt manchen Säuglingen Erleichterung.
  • Massage. Eine sanfte Massage des Bauches beruhigt und ist oft hilfreich, da dem Schreien manchmal auch gastrointestinale Beschwerden zugrunde liegen. Oder legen Sie den Säugling auf den Bauch und streichen ihm behutsam mit den Fingern über den Rücken.
  • Einwickeln. Viele Eltern haben auch gute Erfahrungen damit gemacht, das Baby fest in ein großes Handtuch einzuschlagen und es dann sanft in den Armen zu wiegen. Auch ein warmes Bad kann möglicherweise eine Kolik "lösen".
  • Tragetuch oder Tragegestell. Gut bewährt hat sich auch, das Baby in ein Tragetuch zu nehmen, und zwar auf den Rücken; dort lässt sich das Kind ohne viel Mühe schaukeln.
  • Rhythmen. Manche Kolikkinder können durch Rhythmen oder auch durch monotone Töne beruhigt werden, etwa wenn Sie den Staubsauger anstellen, das Baby den Rhythmus der Waschmaschine hört (Kind nur neben, nicht auf die Waschmaschine stellen) oder das Baby auf eine Spazierfahrt mit dem Auto mitnehmen oder mit ihm an der frischen Luft spazieren gehen. Auch Singen hat sich bewährt.
  • Einreiben. Manche Säuglinge mögen es, wenn der Bauch mit Fenchelöl eingerieben wird und zwar langsam im Uhrzeigersinn, immer um das Bäuchlein herum (in dieser Richtung arbeitet auch der Dickdarm).
  • Auflagen. Für die feuchtwarme Auflage wird ein Tee aus Anis und Fenchel oder auch aus Kümmel und Fenchel zubereitet. 1 Esslöffel der Saaten wird mit 0,5 l kochendem Wasser überbrüht und muss dann etwa 10 Minuten ziehen. Tränken Sie mit dem Sud ein Baumwolltuch und legen dies auf den Bauch. Aber testen Sie vorab die Temperatur an Ihrer Handgelenksinnenseite. Legen Sie über die Auflage ein weiteres Baumwolltuch und ein kleines Wolltuch. Lassen Sie die Tücher so lange liegen, bis sie abgekühlt sind.
  • Entspannungsbad. Auch ein warmes Bad "löst" möglicherweise eine Kolik. Mischen Sie 1 Esslöffel Sahne mit 2 Tropfen ätherischem Öl (zum Beispiel Anis und Kümmel oder Fenchel und Kümmel) und rühren Sie diese Mischung in das Badewasser.
  • Kirschkernkissen. Legen Sie ein warmes Kirschkernkissen auf den Babybauch. Aber testen Sie vorab die Temperatur an Ihrer Handgelenksinnenseite. Machen Sie das Kissen auf keinen Fall zu heiß!
  • Fencheltee. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) rät davon ab, Kindern unter 4 Jahren den sonst gut wirksamen Fencheltee zu geben, da dieser evtl. karzinogene Stoffe enthält.

Für Entlastung sorgen. Am wichtigsten ist aber die eigene Entlastung – denn jeder läuft bei einem unstillbar schreienden Säugling Gefahr, die Nerven zu verlieren. Wann immer möglich, sollte deshalb in den schweren Wochen der Partner, die Tagesmutter, eine Freundin oder Verwandte in den Abendstunden mit aushelfen. Hilfreich ist es auch, wenn jeweils ein Elternteil bei dem schreienden Säugling bleibt, während der andere zur eigenen Entlastung für einige Minuten den Raum verlässt. Nach 5–15 Minuten kann dann getauscht werden.

Ruhe. Babys benötigen ausreichend Ruhe, um die vielen neuen Eindrücke zu verarbeiten. Gönnen Sie Ihrem Kind einen geregelten Tagesablauf und achten Sie auf genügend Zeit zum Schlafen.

Schreiambulanz. Holen Sie sich auch Hilfe von Profis: In jeder größeren Stadt gibt es Schreiambulanzen, die meistens in Kinderkrankenhäusern angesiedelt sind. Oft hilft es, die Probleme zu schildern und sich dann von Fachleuten beraten zu lassen. Fragen Sie den Kinderarzt oder Ihre Hebamme nach Adressen vor Ort.

Geeignete Medikamente

Entschäumende Medikamente mit dem Wirkstoff Simeticon (z. B. in sab simplex® und Lefax®) bringen bei einfachen Blähungen Erleichterung; bei Koliken haben sie keine Wirkung.

Auch Carminativum Babynos® wird als Therapeutikum speziell gegen Blähungen im Säuglings- und Kindesalter vermarktet und empfohlen. Die Tropfen enthalten eine Heilkräuterkombination aus Kamillenblüten, Pfefferminzblättern, Fenchel- und Kümmelfrüchten sowie Pomeranzenschalen, aber auch einen hohen Zucker- und Alkoholgehalt, weshalb sie umstritten sind. Trotzdem (oder deswegen?) scheinen sie bei manchen Säuglingen zu wirken.

Eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigt, dass auch Probiotika (Milchsäurebakterien) die Dauer der täglichen Koliken verringern. Frühere Studien kamen jedoch eher zu einem verhaltenen Ergebnis bezüglich der Wirksamkeit, auch wenn manchmal gewisse Effekte erkennbar waren. Dennoch ist es bestimmt einen Versuch wert.

Komplementärmedizin

Homöopathie. Viele Eltern probieren homöopathische Mittel aus, z. B. leicht probiotische Tropfen wie BiGaia®. Wenn der Kopf Ihres Kindes bei den Schreiattacken hochrot ist und sich Schweiß auf der Stirn bildet, soll Belladonna helfen.

Akupunktur. Eine neue Studie hat gezeigt, dass eine Mini-Akupunktur (Akupunkturpunkt L14) das Schreien reduziert.

Prävention

Um Koliken vorzubeugen, werden leider oft Patentlösungen angeboten, die aber immer nur beim Nachbarkind zu funktionieren scheinen. Die meisten Eltern von Kolikkindern stellen fest, dass sich mit den ergriffenen Maßnahmen allenfalls einmal eine Etappe gewinnen lässt.

  • Die Ernährung der stillenden Mutter umstellen. Auch das ist einen Versuch wert, aber mehr nicht. Lassen Sie die blähenden Zwiebeln weg und die Bohnen und vielleicht auch Kraut, aber vermeiden Sie, schließlich bei einer Radikaldiät zu landen, unter der Ihre eigenen Kräfte schwinden. Die Beweise, dass solche Nahrungsumstellungen etwas bringen, sind sehr dürftig.
  • Das gilt auch für einen Wechsel der Milchfertignahrung. Natürlich schadet es nicht, einmal von Hipp auf Beba zu wechseln oder umgekehrt, und oft glaubt man auch in den ersten Tagen, das Schreien würde weniger – aber der Effekt hält meist nicht an. Das gilt grundsätzlich auch für die oft empfohlenen hypoallergenen Nahrungen (HA-Nahrungen): Es gibt zwar durchaus positive Studien, liest man die aber genau, so ist auch hier nicht klar, ob das positive Ergebnis an den (teureren) Nahrungen selber liegt oder nur an der Erwartung der Eltern. Dasselbe gilt für "alternative" Milch wie Sojamilch.
  • Wenn Sie Ihr Kind nicht stillen, versuchen Sie es stattdessen mit Milchersatznahrung ohne Molke. Das Füttern mit Sojamilch wird bei Säuglingskoliken nicht empfohlen, da die Proteine unter Umständen Allergien auslösen; außerdem ist der Gehalt an pflanzlichen Östrogenen in diesen Präparaten bedenklich.
  • Und anders stillen? Auch das entpuppt sich meist als nutzlos. Ratschläge wie "Pumpen Sie die ersten 30 g ab, damit die Milch nicht in den Mund Ihres Babys schießt" oder "Begrenzen Sie das Stillen auf 20 Minuten" sind gut gemeint, aber meist bringen sie nur zusätzliche Arbeit, Anspannung und Verdruss. Einfacher (und laut einzelnen Studien auch erfolgreich) mag es sein, das Baby insgesamt öfter anzulegen – dies könnte den Magen bei den einzelnen Mahlzeiten entlasten.
  • Einfacher umzusetzen ist der Tipp, in einer halb aufrechten Position zu stillen, sodass das Verschlucken von Luft verhindern wird, Ihr Kind häufiger aufstoßen zu lassen (aber wer macht das nicht?), oder, bei Flaschenkindern, kein zu großes Saugerloch zu verwenden (optimal ist angeblich, wenn ein Tropfen pro Sekunde aus der Flasche kommt).

Hinweis: Auf keinen Fall sollten Sie mit dem Stillen aufhören. Es ist nicht die Muttermilch, die an dem Weinen Ihres Kindes schuld ist.

Von: Dr. med. Herbert Renz-Polster in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung der Sektionen „Beschreibung“, „Symptome und Beschwerden“, „Wann zum Kinderarzt“, „Die Erkrankung“, „Diagnosesicherung“, „Behandlung“ und „Ihre Apotheke empfiehlt“: Dagmar Fernholz
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Kampf der Gürtelrose!

Die echte Gürtelrose blüht mit roten Papeln und Bläschen weniger hübsch.

Kampf der Gürtelrose!

Gegen Schmerzen, Juckreiz, Krusten

Mit Ausschlag, Kribbeln, Jucken und Schmerzen kann eine Gürtelrose ganz schön unangenehm werden. In jedem zehnten Fall drohen sogar langfristige Nervenschmerzen, die Schlaf und Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Lesen Sie, wo die Gürtelrose herkommt, wie sich akute und chronische Beschwerden am besten behandeln lassen und wie man sich mit der Zosterimpfung schützt.

Viren auf Wanderschaft

Plötzliche Schmerzen und ein roter, gürtelförmiger Ausschlag am Rumpf —die Symptome einer Gürtelrose sind leicht zu erkennen. Verantwortlich für den Spuk ist das Windpocken- oder Varizellenvirus (lateinisch Varizella-Zoster-Virus). Es gehört zu der Gruppe der Herpesviren, weshalb die Erkrankung medizinisch auch Herpes zoster genannt wird.

Das Varizellenvirus hat ganz besondere Eigenschaften. Infiziert man sich damit, erkrankt man zunächst an Windpocken. Nach dem Abheilen des juckenden Ausschlags verschwinden die Viren aber nicht. Stattdessen wandern sie in bestimmte Nervenzellen, die Ganglienzellen von Hirn- oder Spinalnerven. Dort lassen sie sich lebenslang nieder – in Schach gehalten vom körpereigenen Immunssystem. Schwächelt das Immunsystem, werden die Viren reaktiviert und befallen den Körper „von innen“ erneut. Geschwächt wird das Immunssystem z. B. durch

  • seelischen und körperlichen Stress
  • normale Alterungsprozesse
  • immunsuppressive Therapien, also Therapien die das Immunsystem gezielt unterdrücken (z. B. zur Behandlung von Krebs oder einer rheumatoiden Arthritis)
  • Immunerkrankungen, z.B. eine HIV-Infektion.

Manchmal tritt die Gürtelrose aber auch auf, ohne dass sich ein spezieller Grund dafür feststellen lässt.

Die typische Gürtelrose

Werden die Viren reaktiviert, wandern sie die Nervenfaser entlang in Richtung Körperoberfläche. Am häufigsten geschieht das im Bereich von Brustkorb und Rumpf. Auf der Haut lösen sie dann einen gürtelförmigen Ausschlag mit gleichförmigen Papeln und Bläschen auf rotem Grund aus. Zum charakteristischen Muster des Ausschlages kommt es, weil die Viren sich nicht frei, sondern entlang der Nervenfaser ausbreiten. Diese Nervenfasern sind wiederum gürtelförmig, also quer von der Wirbelsäule bis zur Vorderseite angeordnet. Der gürtelförmige Ausschlag ist so typisch, dass meist keine weitere Diagnostik erforderlich ist. Im Zweifel lassen sich die Viren aber auch durch Laboruntersuchungen von Blut oder Hirnflüssigkeit nachweisen.

Manchmal macht sich die Gürtelrose schon vor dem Hautausschlag durch Kribbeln oder Taubheitsgefühl bemerkbar. Ist sie voll erblüht, leiden die Erkrankten je nach Ausmaß unter

  • Fieber und starkem Krankheitsgefühl
  • Wundschmerzen im Bereich des Ausschlags
  • Nervenschmerzen im Bereich des befallenen Nervens, z. B. starke Missempfindungen (Ameisenlaufen, Juckreiz) und bohrende oder stechende Schmerzen.

Normalerweise heilt der Ausschlag innerhalb von zwei bis vier Wochen folgenlos aus. Bei jeder zehnten Patient*in dauern Schmerzen und Missempfindungen jedoch auch nach Abheilen des Hautausschlags an oder flackern nach einem beschwerdefreien Intervall wieder auf. In diesen Fällen spricht man von der Post-Zoster-Neuralgie. Deren Prognose ist nicht besonders gut: Bei einem Drittel der Betroffenen greift die Schmerztherapie nicht, und manche haben lebenslang mit den Beschwerden zu kämpfen (mehr dazu siehe unten).

Hinweis: Achtung, ansteckend! In den Bläschen des Ausschlags befinden sich massenweise Varizellenviren. Gürtelrose-Patient*innen können durch Schmierinfektionen andere infizieren. Ganz besonders gefährdet sind Schwangere, die noch keine Windpocken hatten. Bei einer Infektion kann das ungeborene Kind schwer geschädigt werden. Um jede Ansteckung zu vermeiden sollte der Ausschlag bis zum Abheilen gut abgedeckt (passende Pflaster dafür gibt es in der Apotheke) und der Kontakt zu Ungeimpften bzw. noch nicht an Windpocken Erkrankten vermieden werden.

Zoster in Ohr und Auge

Neben der typischen Gürtelrose gibt es auch andere Formen des Herpes zoster. Besonders unangenehm wird es, wenn die Varizellen in den Ganglienzellen der Hirnnerven sitzen und dort reaktiviert werden. Dann wandern sie die Nervenfasern entlang in Richtung Kopfhaut vor. Ist der Trigeminalnerv betroffen, kommt es zu einem Zoster ophthalmicus mit Ausschlag und Schmerzen im Bereich von Stirn, Nasenwurzel und Nasenrücken, meist begleitet von Fieber und einem starken Krankheitsgefühl. Es droht die Infektion des Auges mit Bindehautentzündung, Hornhautentzündung, Augenmuskellähmung und sogar der Gefahr der Erblindung. Ein Befall der Nerven, die für das Ohr zuständig sind, macht sich als Zoster oticus mit Ohrenschmerzen, Hörminderung, Schwindel und schmerzhafte Bläschen am Gehörgang bemerkbar.

Schwerste Formen des Herpes zoster sind der Befall des Gehirns (Zoster-Enzephalitis) oder die Ausbreitung der Varizellenviren über den gesamten Körper inklusive innerer Organe (Zoster generalisatus). Diese lebensbedrohlichen Varianten kommen bei Menschen vor, deren Immunsystem sehr geschwächt ist.

Hinweis: Eine weitere seltene Sonderform des Herpes zoster ist der „Zoster sine herpete“. Hier leiden die Betroffenen unter heftigen Schmerzen in einem Dermatom, es fehlt aber der typische bläschenförmige Ausschlag.

Wen kann es treffen?

Jeder, der einmal an Windpocken erkrankt war, beherbergt die Viren und kann Monate, Jahre oder Jahrzehnte später an einer Gürtelrose oder einer anderen Form des Herpes zoster erkranken. Allerdings steigt das Risiko mit dem Alter, weil das Immunsystem dann allgemein weniger gut arbeitet. Ab 50 ist jedoch nicht nur die Gefahr einer Virusreaktivierung erhöht. Auch die Schwere der Erkrankung nimmt zu.

Doch nicht nur durchgemachte Windpocken lassen eine Gürtelrose erblühen. Auch Menschen, die gegen Windpocken geimpft wurden, können an einem Herpes zoster erkranken. Denn das abgeschwächte Impfvirus zieht sich ebenso wie das „echte“ Virus in Ganglienzellen der Spinal- oder Hirnnerven zurück. Weil das Impfvirus sich jedoch weniger leicht reaktivieren lässt als sein natürlicher Verwandter tritt ein Zoster nach Impfung sehr selten auf. Und kommt es doch einmal dazu, verläuft die Erkrankung deutlich milder als der Herpes zoster durch das echte Virus.

Akut gegen Virus, Schmerz und Krusten

Die normale Gürtelrose ist zwar unangenehm, hat aber eine relativ gute Prognose. Etwa 70–80% der Fälle heilen mithilfe der passenden Therapie folgenlos aus. Diese ruht auf drei Säulen: Die Viren zu bekämpfen, Schmerzen und Juckreiz einzudämmen und das Abheilen der Bläschen zu fördern.

Antivirale Medikamente. Mit ihnen wird der Verlauf der Erkrankung abgemildert und die Ansteckungsgefahr reduziert. Deshalb wird auf die antivirale Therapie nur bei sehr leichten Verläufen darauf verzichtet. Zwingend erforderlich ist sie bei

  • Patient*innen über 50 Jahren
  • Zoster im Kopfbereich
  • stark ausgeprägtem Zoster, z. B. beim Befall mehrerer Dermatome am Rumpf
  • kompliziertem Verlauf
  • Immunschwäche.

Zum Einsatz kommen die Wirkstoffe Aciclovir, Valaciclovir, Famcicluvir und Brivudin. Je nach Präparat werden die antiviralen Medikamente drei- bis fünfmal täglich als Tabletten eingenommen. In schweren Fällen gibt man sie auch intravenös. Dies ist bei Zoster ophthalmicus oder Zoster oticus der Fall. Hier kombinieren die Ärzt*innen das Virostatikum auch oft mit Kortison, um das Risiko für gefährliche Komplikationen wie Seh- oder Hörverlust zu reduzieren.

Schmerztherapie. Der entzündliche Ausschlag verursacht oft unangenehme Wundschmerzen. Diesen begegnet man mit entzündungs- und schmerzlindernden Wirkstoffen wie Ibuprofen oder Paracetamol. Bei sehr starken Schmerzen kommen auch Opioide zum Zug, beispielsweise Oxycodon-Tabletten oder intravenös verabreichtes Morphin.

Ist der Nerv angegriffen, entwickeln sich zusätzlich neuropathische Schmerzen. Sie reichen von Kribbeln oder Taubheitsgefühl bis zum ausgeprägten Brennen, Bohren oder Stechen. Hier können Wirkstoffe helfen, die auch bei der Post-Zoster-Neuralgie eingesetzt werden, so zum Beispiel Gabapentin, Pregabalin oder auch das Antidepressivum Amitryptilin.

Lokaltherapie. Die lokale Therapie fördert die Abheilung und reduziert das Risiko einer bakteriellen Infektion des Ausschlags. Polihexanid-Gele beispielsweise wirken antiseptisch und helfen, die Verkrustungen zu lösen. Lösungen aus Polihexanid oder Octenidin sind ebenfalls antiseptisch und lindern Schmerzen und Missempfindungen durch ihren kühlenden Effekt. Synthetische Gerbstoffe verringern ebenfalls den Juckreiz und lassen die Läsionen abtrocknen.

Hinweis: Zur lokalen Therapie keine Schüttelmixtur mit Zink verwenden! Diese lindert zwar den Juckreiz, fördert jedoch neuen Untersuchungen zufolge eine bakterielle Infektion der Läsionen. Außerdem lässt sich unter der weißlichen Schicht das Abheilen des Ausschlags nicht gut kontrollieren.

Wenn die Post-Zoster-Neuralgie zubeißt

In etwa 10% der Fälle entwickeln die Betroffenen eine Post-Zoster-Neuralgie. Dabei bleiben die Nervenschmerzen länger als vier Wochen bestehen, obwohl der Hautausschlag längst abgeklungen ist. Manchmal entwickeln sie sich aber auch erst nach einem beschwerdefreien Intervall. Typisch sind Missempfindungen und starke brennende, bohrende oder stechende Schmerzen. Oft ist die Region auch besonders berührungsempfindlich, was beispielsweise das Scheuern von Gürteln oder BH-Trägern unerträglich machen kann.

Die Behandlung der Post-Zoster-Neuralgie ist kompliziert, oft müssen verschiedene Wirkstoffe probiert und kombiniert werden. Etwa 30% der Patient*innen werden auch durch intensive Maßnahmen nicht schmerzfrei. Zum Einsatz kommen

  • Antikonvulsiva (Medikamente gegen Krampfanfälle) wie Gabapentin, Pregabalin
  • Antidepressiva wie Amitryptilin
  • Opioide wie Tramadol oder Morphin
  • Lidocain-Pflaster
  • Pflaster mit Capsaicin
  • als Ersatzmedikamente Carbamazepin oder Duloxetin.

Wenn die Hautempfindlichkeit des betroffenen Dermatoms intakt ist, empfehlen manche Ärzt*innen auch die Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Die elektrische Stimulation des betroffenen Gebietes verursacht (gewünschte) Missempfindungen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühl, wodurch die Schmerzempfindung selbst verringert wird. Daneben können auch andere Verfahren der physikalischen Therapie, z. B. Kälte- oder Wärmeanwendungen helfen, die Beschwerden der Post-Zoster-Neuralgie abzumildern.

Hinweis: Eine Post-Zoster-Neuralgie kann psychisch sehr belastend sein. In manchen Fällen sind Verhaltens- oder Psychotherapien hilfreich, um besser mit den chronischen Schmerzen umzugehen.

Stärkste Waffe: Impfung

Ein besonders starkes Mittel gegen die Gürtelrose und ihre Komplikationen ist die Zosterimpfung. Es gibt sie mit einem abgeschwächten Virus als Lebendimpfstoff und als Totimpfstoff. Letzterer soll effektiver sein und einen längeren Impfschutz bieten, weshalb dieser von der STIKO vorgezogen wird. Sie empfiehlt die Zosterimpfung mit dem Totimpfstoff

  • allen Personen über 60
  • Menschen ab 50 Jahren, die ein erhöhtes Risiko für Herpes zoster haben (z.B. aufgrund einer immunsuppressiven Therapie oder einer Grunderkrankungen wie Diabetes, COPD, oder rheumatoider Arthritis).

Die Impfung erhöht die zelluläre Immunabwehr und unterstützt dadurch den Körper, die in den Nervenzellen sitzenden Varizellenviren weiter in Schach zu halten.

Für einen vollständigen Schutz sind zwei Impfungen mit einem Abstand von zwei bis sechs Monaten erforderlich. Ob eine Auffrischung nötig ist, wird noch diskutiert. Bis jetzt gehen die Expert*innen davon aus, dass Geimpfte etwa zehn Jahre lang vor einer Gürtelrose bewahrt werden.

Hinweis: Die Zoster-Impfung verträgt sich gut mit anderen Impfungen. Auch eine Covid-19-Impfung ist kein Grund, darauf zu verzichten. Zur Sicherheit empfiehlt die STIKO bei der Zoster-Impfung lediglich, vor und nach der Covid-19-Impfung 14 Tage Abstand einzuhalten.

Quellen: DAZ 2021, Nr. 18, S. 38; RKI

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: Rawpixel.com/shutterstock.com