Gesundheit heute
Hirnhautentzündung
Hirnhautentzündung (Meningitis): Vor allem durch Bakterien oder Viren ausgelöste Entzündung der Hirnhäute, die mit typischen Beschwerden wie Fieber, Kopfschmerzen und Nackensteife einhergeht. Eine Hirnhautentzündung tritt überwiegend im Kleinkind- bis Jugendalter auf; im Erwachsenenalter sind ältere Menschen und Abwehrgeschwächte besonders gefährdet.
Die Behandlung erfolgt im Krankenhaus, bei bakteriell bedingter Meningitis unverzüglich mit Antibiotika. Aufgrund der gefährlichen Komplikationen wie Hirndruckerhöhung oder Krampfanfällen müssen die Patienten engmaschig überwacht werden.
Die Erkrankung ist lebensgefährlich: ca. 20 % der Betroffenen versterben, wobei der Verlauf stark abhängig ist vom zugrunde liegenden Erreger und der Konstitution des Betroffenen. Ein Drittel der Überlebenden leidet unter Dauerfolgen wie z. B. Schwerhörigkeit.
Symptome und Leitbeschwerden
- Meist hohes Fieber
- Schweres Krankheitsgefühl
- Starke Kopfschmerzen
- Meningismus: Nackensteife und starke Schmerzen beim Versuch, den Kopf nach vorn auf die Brust zu beugen
- Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschüberempfindlichkeit
- Schläfrigkeit bis hin zur Bewusstlosigkeit
- Manchmal vorangegangener Atemwegsinfekt.
Wann zum Arzt
Sofort, wenn
- die oben genannten Beschwerden auftreten.
Die Erkrankung
Ursachen und Risikofaktoren
Häufigste Erreger einer Hirnhautentzündung sind Viren (z. B. Coxsackie-, Echo-, Herpes oder Frühsommer-Meningoenzephalitis-(FSME)-Viren) gefolgt von Bakterien (vor allem Meningokokken und Pneumokokken, aber auch Haemophilus influenzae). Als seltenere Auslöser gelten Pilze, Parasiten oder Tuberkuloseerreger.
Meist steht ein scheinbar harmloser Racheninfekt oder eine Lungenentzündung am Anfang des Geschehens. Die Erreger gelangen ins Blut und mit ihm in alle Organe des Körpers. Bei einem kleinen Teil der Erkrankten setzen sich die Erreger aus unbekannten Gründen in den Hirnhäuten fest und führen dort zu einer Entzündung. Bakterien können außerdem bei schweren Entzündungen im Kopfbereich (z. B. des Ohrs) oder über eine nicht erkannte Schädelbasisverletzung direkt zu den Hirnhäuten gelangen. Mitunter bleibt der Infektionsweg auch unklar.
Daneben sind auch nicht-infektiöse Hirnhautentzündungen bekannt, z. B. im Rahmen einer Sarkoidose oder durch metastatisch ausgebreitete Tumorzellen bei Krebserkrankungen.
Formen
Die meisten Hirnhautentzündungen verlaufen akut und bilden sich rasch aus, manche brauchen dagegen Zeit, bis sie sich bemerkbar machen.
- Typisch für bakterielle Hirnhautentzündungen, insbesondere durch Meningokokken, ist die schnelle Entwicklung eines lebensbedrohlichen Krankheitsbilds, oft innerhalb weniger Stunden.
- Virusbedingte Hirnhautentzündungen setzen etwas langsamer ein, oft nach Anzeichen eines "grippalen Infekts" in den vorangegangenen Tagen, und verlaufen oft milder. Bei einigen Viren, etwa Herpesviren, sind allerdings schwere und sogar lebensbedrohliche Verläufe häufig.
- Seltener macht sich eine Hirnhautentzündung durch über Wochen zunehmende Beschwerden bemerkbar. Typisch ist dies aber für die Hirnhautentzündung durch Tuberkulosebakterien oder Borrelien.
Komplikationen
Nicht selten greift die Hirnhautentzündung auch auf das Gehirn über. Die Kombination aus Hirnhaut- und Gehirnentzündung heißt Meningoenzephalitis.
Weitere gefährliche Komplikationen einer Hirnhautentzündung sind
- Hirnödem und Hirndrucksteigerung
- Septische Sinusvenenthrombose
- Hydrozephalus
- Schädigung des Hörapparates mit Taubheit und Schwindel
- Hirnnervenlähmungen
- Epileptische Krampfanfälle
- Hirnabszess, d. h. eine eitrige Gewebeeinschmelzung mit Abkapselung, nur bei bakterieller Hirnhautentzündung
- Meningokokkensepsis durch Übertritt der Keime in das Blut
- Schock und Gerinnungsstörungen, als Maximalvariante droht das Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom (lebensgefährlich, sehr hohe Sterblichkeit!).
Diagnosesicherung
Kopfschmerzen, Fieber und Nackensteife lassen den Arzt meist schnell an eine Hirnhautentzündung denken. Da entzündete Hirnhäute verstärkt schmerzen, sobald man sie unter Zugspannung setzt, kann der Arzt die Verdachtsdiagnose anhand verschiedener körperlicher Untersuchungsverfahren untermauern. Dazu gehören beispielsweise
- Brudzinski-Zeichen: Wird bei dem auf dem Rücken liegenden Patienten der Kopf nach vorne gebeugt (Kinn berührt Brustbein), so werden automatisch die Beine angezogen, um die Schmerzen zu vermeiden
- Kniekusszeichen: Der Patient richtet sich nach vorne auf und kann sein angewinkeltes Knie schmerzbedingt nicht "küssen".
Besteht der Verdacht auf eine Hirnhautentzündung, ist eine stationäre Einweisung meist unumgänglich. Dort sind die wichtigsten Erstmaßnahmen die unverzügliche Entnahme von Blut und Liquor (Hirnflüssigkeit) zur Identifizierung des Erregers sowie die sofortige Gabe von Antibiotika (siehe Behandlung).
Den Liquor gewinnen die Ärzte mithilfe einer Lumbalpunktion. Bei der nachfolgenden Liquoruntersuchung wird die Hirnflüssigkeit auf ihre Zusammensetzung und auf verschiedene Erreger geprüft. Oft ist schon durch die mikroskopische Untersuchung eine Unterscheidung zwischen bakterieller und viraler Hirnhautentzündung möglich, für manche Erreger gibt es auch Schnelltests. Um einen etwaigen Entzündungsherd nachzuweisen, veranlassen die Ärzte meist noch am gleichen Tag eine CT oder eine Kernspintomografie.
Differenzialdiagnosen. Ähnliche Beschwerden hervorrufen können beispielsweise eine schwere Migräne, die Mittelohrentzündung, Gehirntumoren, Hirnblutungen (vor allem die Subarachnoidalblutung bei geplatztem Hirnarterienaneurysma), aber auch Vergiftungen und schwere allgemeine Infektionen wie die echte Grippe (Influenza).
Behandlung
Soforttherapie. Sobald die Ärzte Blut und Liquor entnommen haben, starten sie eine intravenöse Antibiotikatherapie mit einem gegen viele Bakterienarten wirksamen Breitspektrumantibiotikum – aufgrund der drohenden Lebensgefahr auch ohne 100%ige Gewissheit, dass Bakterien die Verursacher sind. Im Zweifelsfall und beim geringsten Verdacht auf eine Herpes-Meningoenzephalitis entscheiden sie sich auch für die zusätzliche intravenöse Gabe eines Virostatikums (z. B. Aciclovir), da die Risiken bei einer – eventuell sogar überflüssigen – Medikamentengabe weit geringer sind als das einer verspäteten Behandlung. Wenige Stunden können bei einer Hirnhautentzündung zwischen Überleben und Tod oder zwischen völliger Ausheilung und Dauerschäden entscheiden.
Erwachsene Patienten bekommen bei Verdacht auf eine bakterielle Hirnhautentzündung zusätzlich intravenös Kortison, weil Studien ergeben haben, dass dadurch nachfolgende Hörschäden und andere neurologische Folgen seltener auftreten. Außerdem senkt Kortison die Sterblichkeitsrate bei der Pneumokokken-bedingten Hirnhautentzündung.
Therapie nach Erregernachweis. Wenn im Blut oder Liquor ein Erregernachweis gelingt, passen die Ärzte die Therapie daran an. Bei Bakterien wechseln die Ärzte oft vom Breitspektrumantibiotikum auf einen spezifischen antibakteriellen Wirkstoff, der das diagnostizierte Bakterium besser bekämpft. Sind Parasiten, Tuberkelbakterien oder Pilze die Auslöser, wird die Therapie ebenfalls entsprechend angepasst.
Lassen sich Viren nachweisen, wird das Breitspektrumantibiotikum abgesetzt. Bei einer unkomplizierten viralen Hirnhautentzündung reicht häufig die symptomatische Therapie. Bei nachgewiesenen Herpes- oder Windpockenviren wird ein Virostatikum, z. B. Aciclovir über die Vene gegeben. Zytomegalieviren können, falls erforderlich, mit Ganciclovir und gegebenenfalls als Kombination mit Foscarnet bekämpft werden.
Weitere Therapiemaßnahmen
Patienten mit einer Hirnhautentzündung benötigen meist eine engmaschige Überwachung auf der Intensivstation oder in einer neurologischen Abteilung. Besonderes Augenmerk liegt darauf, ob sich Komplikationen entwickeln.
- Vorbeugend gegen erhöhten Hirndruck hilft die Oberkörperhochlagerung. Manchmal verordnen die Ärzte auch Infusionen mit Mannitol. Dabei handelt es sich um einen Zucker, der durch osmotischen Druck Flüssigkeiten aus dem Gehirngewebe in das Blut zieht, damit diese durch die Niere ausgeschieden werden können. In schweren Fällen legen die Ärzte auch eine Liquordrainage und leiten die Hirnflüssigkeit über einen Schlauch oder eine dünne Nadel nach außen ab.
- Bei Krampfanfällen sind Antikonvulsiva erforderlich.
- Eine Sinusvenenthrombose behandeln die Ärzte durch Hemmung der Blutgerinnung, meist mit Heparininfusionen.
- Gegen Schmerzen und Fieber bekommt der Patient fiebersenkende Mittel und Schmerzmitteln z. B. Ibuprofen oder Paracetamol.
Isolierung und Postexpositionsprophylaxe
Liegt der Hirnhautentzündung eine Infektion mit Meningokokken zugrunde, sind verschiedene Maßnahmen erforderlich, um die Übertragung (als Tröpfchenübertragung) auf Kontaktpersonen zu verhindern.
Isolation. Um Ansteckungen zu vermeiden, wird der Patient die ersten 24 Stunden nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie isoliert. Pflegepersonal und Besucher müssen dann bei Kontakt mit dem Erkrankten Atemschutzmasken, Schutzkittel und Handschuhe tragen und die Hände desinfizieren.
Antibiotische Postexpositionprophylaxe. Personen, die im Zeitraum von einer Woche vor bis 24 Stunden nach Beginn einer wirkungsvollen antibiotischen Therapie engen Kontakt mit dem Patienten hatten, wird die vorbeugende Einnahme von Antibiotika empfohlen (z. B. Rifampicin über 2 Tage, Schwangeren stattdessen Ceftriaxon intravenös oder intramuskulär). Als enger Kontakt gilt z. B. das Zusammenleben in einem Haushalt, einem Wohnheim, aber auch benachbartes Sitzen in der Schule oder Pflege.
Postexpositionelle Impfung. Auch die Impfung gegen Meningokokken ist als vorbeugende Maßnahme möglich. In Erwägung ziehen sollten das enge Kontaktpersonen, z. B. Mitglieder aus dem gleichen Haushalt.
Meldepflicht
Patienten, die an einer Hirnhautentzündung durch Meningokokken oder an einer Meningokokkensepsis erkrankt sind, die versterben oder bei denen ein Verdacht auf Erkrankung besteht, muss der Arzt nach Paragraph 6 lfSG namentlich an das Gesundheitsamt melden.
Prognose
Die unkomplizierte virale Hirnhautentzündung verheilt meist spontan ohne weitere Folgen. Eine Hirnhautentzündung durch Herpesviren, die sich auf das Gehirngewebe ausbreitet (Herpesmeningoenzephalitis) hat unter Therapie mit einem Virostatikum eine Sterblichkeit von von 20–30 %.
Die bakterielle Meningitis hat eine Sterblichkeit von bis zu 30 %. Bei jedem dritten Patienten bleiben neurologische Störungen zurück, vor allem Schwerhörigkeit.
Ihr Apotheker empfiehlt
Prävention
Eine Hirnhautentzündung wird durch zahlreiche Erreger verursacht. Vor manchen kann man sich schützen. Folgende Impfungen werden empfohlen:
- Meningokokkenimpfung.. Die Meningokokkenmeningitis betrifft vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch Laborpersonal, Immungeschwächte oder Reisende sind gefährdet. Gegen die Meningokokkentypen A, B, C, W und Y gibt es Impfstoffe, die je nach Exposition empfohlen werden
- Impfstoff gegen Meningokokken vom Typ C als Standardimpfung für alle Kinder im 2. Lebensjahr
- Impfstoff gegen Meningokokken vom Typ A, C, W135 und Y (ACWY-Impfstoff) sowie gegen Typ B als Indikationsimpfung für Personen mit angeborener Immunschwäche oder Asplenie (ohne Milz)
- ACWY-Impfstoff sowie gegen Typ B als berufsbedingte Impfung für Laborpersonal
- ACWY-Impfstoff als Reiseimpfung bei Reisen in Endemiegebiete
- Postexpositionelle Impfung mit dem ACWY-Impfstoff für Personen, die im selben Haushalt leben wie der Erkrankte
- Pneumokokkenimpfung. Ebenfalls seit 2006 für alle Kinder im ersten Lebensjahr empfohlen ist die Pneumokokkenimpfung. Ältere und abwehrgeschwächte Menschen sowie Träger von Cochlea-Implantaten sind ebenfalls besonders gefährdet. Ihnen wird eine Impfung empfohlen, die alle sechs Jahre aufgefrischt werden muss
- Hib-Impfung. Auch eine Impfung gegen Hämophilus influenza beugt Hirnhautentzündungen vor. Empfohlen wird die sogenannte Hib-Impfung allen Kindern. Die letzte der nötigen vier Impfdosen soll im 14. Lebensmonat verabreicht werden
- FSME-Impfung. Geimpft werden kann auch gegen die in Teilen Deutschlands und Osteuropas auftretende FSME
- MMR-Impfung. Die standardmäßig für Kinder empfohlen Impfung gegen Masern, Röteln und Mumps schützt ebenfalls vor Hirnhautentzündungen, die durch diese Viren ausgelöst werden.
Weiterführende Informationen
Leitlinie virale Meningoenzephalitis: https://www.dgn.org/leitlinien/3702-ll-030-100-virale-meningoenzephalitis-2018
Leitlinie ambulant erworbene bakterielle (eitrige) Meningoenzephalitis im Erwachsenenalter: https://www.dgn.org/leitlinien/3230-030-089-ambulant-erworbene-bakterielle-eitrige-meningoenzephalitis-im-erwachsenenalter-2015
Geschmacksstörungen können den Appetit gänzlich verderben und sogar zu Unterernährung und Mangelerscheinungen führen.
Geschmacksstörungen den Garaus machen
Nichts schmeckt mehr?
Ob süße Kuchen, deftige Schweinshaxe oder ein edler Wein: Lecker essen und trinken ist ein wichtiger Bestandteil der Lebensqualität. Ist der Geschmackssinn gestört, fehlt nicht nur der Genuss. Ohne Appetit wird oft zu wenig gegessen und es drohen Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen. Ursachen für Geschmacksstörungen gibt es etliche, darunter auch Medikamente. Doch was können Betroffene tun, um wieder genussvoll zu schmecken?
Warnsignal und Appetitanreger
Schmecken ist mehr als ein angenehmer Sinneseindruck. Der Geschmackssinn hat eine wichtige Funktion für den Körper, denn er gibt dem Menschen Informationen darüber, ob Nahrung genießbar und bekömmlich ist. Dafür kann der Mensch fünf verschiedene Qualitäten unterscheiden. Jede dieser Geschmäcker hat eine Aufgabe, die z.T. in früheren Zeiten ernährungsphysiologisch von großer Bedeutung waren.
- Süß wird durch Kohlenhydrate und einige Proteine vermittelt. Ein süßer Geschmack weckt die Lust auf kalorienreiche Nahrung geweckt. In Zeiten des Nahrungsüberangebots unterstützt die Empfindung „süß“ und der dadurch ausgelöste Wunsch nach „Mehr“ allerdings die Entwicklung von Übergewicht.
- Sauer wird durch Wasserstoffionen (H+) ausgelöst. Säure warnt z.B. vor unreifen Früchten, vergorenen oder verdorbenen Speisen.
- Salzig wird durch andere Ionen hervorgerufen, u.a. durch Natrium-, Kalium- und Chloridionen. Der Salzgeschmack ist wichtig für den Elektrolythaushalt. Ist der Salzgehalt im Blut zu niedrig, lösen salzige Speisen die Lust auf mehr davon aus.
- Bitter kommt durch viele verschiedene Substanzen zustande. Dazu gehören Koffein und Chinin, aber auch Tannine im Wein, Flavonoide in Schokolade sowie Strychnin und Nikotin. Ein sehr starker Bittergeschmack kann den Würgereflex auslösen und damit vor Vergiftungen schützen.
- Umami (oder auch würzig, herzhaft) wird vor allem durch die Aminosäuren Glutamat und Aspartat vermittelt. Die Geschmacksempfindung weckt den Wunsch nach weiterer proteinreicher Nahrung.
Aufgenommen wird der Geschmacksreiz über Rezeptoren, die Geschmackssinneszellen. Sie leiten den Reiz dann über Nervenfasern an das Gehirn. Die entsprechenden Nerven sind der Fazialnerv (Gesichtsnerv), der Vagusnerv und der Zungen-Rachen-Nerv. Im Geschmackszentrum der Großhirnrinde wird der Sinneseindruck dann verarbeitet und interpretiert.
Von den Geschmackssinneszellen gibt es drei verschiedene Typen: Eine für süß, bitter und umami, eine für salzig und eine für sauer. Die Geschmackssinneszellen sind zu Geschmacksknospen angeordnet, wobei jede einzelne Geschmacksknospe alle drei Arten von Sinneszellen enthalten kann. Erwachsene haben bis zu 8000 solcher Geschmacksknospen, die Anzahl nimmt allerdings mit dem Altern ab. Die Knospen sitzen am weichen Gaumen, im Rachen, am Kehlkopf und vor allem in den Geschmackspapillen auf der Zungenoberfläche.
Geschmack kommt allerdings nicht allein durch die Geschmacksknospen zustande. Um Speisen allumfänglich genießen und schmecken zu können, benötigt der Mensch auch den Geruchssinn. Das merkt man schon daran, dass bei Erkältung mit verstopfter Nase vieles nicht mehr so wie gewohnt schmeckt. Auch die Konsistenz und die Oberflächenbeschaffenheit der Nahrung spielt eine Rolle: Sie wird über sensible Nervenfasern erfasst. Geschmack, Geruch und Gefühl zusammen bilden das vollständige Geschmackserlebnis.
Hinweis: Scharf ist keine Geschmacksempfindung. Schärfe wird durch die Substanz Capsaicin ausgelöst und über sensible Nervenendigungen des Trigeminusnerven vermittelt.
Wenn Süßes bitter schmeckt
Es gibt zwei Gruppen von Geschmacksstörungen: Am häufigsten beklagt werden qualitative Veränderungen des Geschmacksempfindens. Bei einer Parageusie (gesprochen Pa-ra-ge-u-sie) nimmt die Betroffene Geschmack anders wahr, oft wird z.B. salzig oder süß als bitter empfunden. Manchmal kommt es auch zu Geschmackseindrücken ohne jeden Reiz, dann spricht man von einer Phantogeusie.
Quantitative Geschmacksstörungen, also Veränderungen der Geschmacksintensität, sind seltener. Bei der Hypogeusie ist der Geschmack vermindert. Sie soll bei etwa 5% der Allgemeinbevölkerung vorliegen. Dabei können alle fünf Qualitäten oder nur eine einzelne Qualität betroffen sein. Der vollständige Verlust der Geschmackswahrnehmung, die Ageusie, ist extrem selten. Das Gleiche gilt für die gesteigerte Geschmacksempfindung (Hypergeusie).
Die Folgen von Geschmacksstörungen können erheblich sein. Zum einen verringern sie die Lebensfreude, bei manchen Betroffen führen sie sogar zu Depressionen. Geht der Appetit verloren, nehmen vor allem ältere Menschen oft nicht mehr genug Nahrung zu sich. Es drohen Untergewicht und Nährstoffmangel. Manche Betroffene versuchen auch, eine verminderte Geschmacksintensität mit erhöhtem Konsum von Zucker oder Salz auszugleichen. In diesen Fällen steigt das Risiko für Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes mellitus.
Wo kommt die Schmeckstörung her?
Die ersten Hinweise auf eine Geschmacksstörung gibt meist die Patient*in selbst. Dann versucht die Ärzt*in, die Schmeckstörung klinisch nachzuweisen. Dazu dienen verschiedene Tests, bei denen die Geschmacksqualitäten erkannt werden sollen, manchmal ist auch ihre Intensität auf einer Skala einzustufen. Bei der Drei-Tropfen-Methode bekommen die Patienten zwei geschmacklose Tropfen (z.B. Wasser) und einen Tropfen mit Geschmack auf die Zunge geträufelt. Nun müssen sie den einen Tropfen mit Geschmack erkennen und seine Qualität benennen (süß, sauer, salzig, bitter). Häufig wird in aufsteigender Konzentration getropft, um die Erkennungsschwelle zu bestimmen. Manchmal werden zum Testen auch feste Schmeckstreifen verwendet.
Wenn die Ärzt*in eine Geschmacksstörung diagnostiziert hat, muss deren Auslöser gefunden werden. Zu Störungen des Geschmacks kann es auf verschiedene Arten kommen. Hauptursachen sind
- Schädel-Hirn-Verletzungen. Unfälle und Kopfverletzungen können den Verlauf der Geschmacksnerven beeinträchtigen oder den Geschmacksbereich der Großhirnrinde schädigen.
- Infektionen. Ein Beispiel ist eine Infektion mit Herpes zoster. Sie schädigen häufig die Schmeckfasern des Fazialnerven. Auch bei COVID-19 sind Geschmack- und Geruchssinnn oft gestört.
- Kontakt mit toxischen Substanzen. Etliche Arbeitsstoffe können bei ständiger Exposition ohne geeignete Schutzeinrichtung den Geschmackssinn schädigen. Bekannt ist dies von Dämpfen und Partikeln der Metallverarbeitung und bei Verwendung von Lösungsmitteln wie Benzol und Toluol.
- Operationen oder Bestrahlungen. Bei Eingriffen im Mund, im Gesicht oder am Gehirn werden manchmal Nerven oder Gehirngewebe verletzt. Möglich ist dies z.B. bei Operationen am Zungengrund, Tumorentfernungen oder bei einer Cochlea-Implantation im Mittelohr.
- Burning-Mouth-Syndrom. Diese Erkrankung tritt vor allem bei Frauen nach der Menopause auf. Dabei kommt es neben dem brennenden Gefühl im Mund zu einem andauernden metallischen oder bitteren Geschmack. Als Ursache werden hormonelle Faktoren, Depressionen oder ein Vitaminmangel diskutiert.
Daneben gibt es noch eine Vielzahl anderer Erkrankungen, die das Schmecken beeinflussen. Sie reichen vom Diabetes mellitus über neurodegenerative Erkrankungen und Schilddrüsenerkrankungen bis zu Leber- und Nierenversagen. Auch ein Mangel von Eisen, Vitamin-A, B1, B2 oder B6 kann Geschmackstörungen begünstigen.
Ein weiterer wichtiger Grund für Schmeckstörungen ist die Einnahme von Medikamenten. Manche Wirkstoffe verringern den Speichelfluss, wodurch die Geschmacksknospen austrocknen und nicht mehr richtig funktionieren. Andere Substanzen schädigen die Mundschleimhaut und damit die Papillen und Geschmacksknospen direkt. Einige greifen auch in die Reizweiterleitung am Nerven ein. Bei vielen Medikamenten ist allerdings noch nicht bekannt, wie sie den Geschmackssinn beeinträchtigen. Typische medikamentöse Geschmacksstörer sind:
- Antibiotika (z.B. Aminoglykoside, Penicillin, Makrolide, Anti-Pilzmittel)
- Herz-Kreislauf-Medikamente (z.B. ACE-Hemmer, Betablocker, Amiodaron)
- Antidepressiva, Antiepileptika, Hypnotika und Sedativa
- Schmerzmittel (z.B. Fentanyl)
- Schleimlöser (z.B. Ambroxol)
- Kortison (vor allem als Spray)
- Immunmodulatoren (z.B. Interferon alpha, Lenalidomid)
- Bisphosphonate (z.B. Alendronsäure).
Trotz der vielen möglichen Auslöser bleibt die Ursache eines gestörten Geschmacks oft unklar. Dann spricht man von einer idiopathischen Schmeckstörung.
Hinweis. Mangelnde Mundhygiene kann den Geschmackssinn ebenfalls beeinträchtigen. Zu beachten ist allerdings, dass auch die übertriebene Anwendung von Mundwasser manchmal zu Schmeckstörungen führt.
Von künstlichem Speichel bis Zink Geschmacksstörungen im Zusammenhang mit Systemerkrankungen bessern sich häufig, sobald die Grunderkrankung behandelt oder deren Therapie optimiert wird. Bei einigen der genannten krankheitsbedingten Ursachen erholt sich das Geschmacksempfinden auch von selbst wieder – z. B. nach Schädel-Hirn-Verletzungen oder Infektionen. Auch das Burning Mouth Syndrom bildet sich in etlichen Fällen wieder zurück – was jedoch Jahre dauern kann.
Je nach vermutetem Auslöser können folgende Maßnahmen den Geschmackssinn wieder auf Trab bringen:
- Bei trockenem Mund (z.B. durch speichelreduzierende Medikamente) helfen oft Speichelersatzprodukte. Zusätzlich sollte möglichst viel getrunken werden.
- Sind Nikotin oder Kaffee verantwortlich, gilt es, diese Genussstoffe zu meiden.
- Haben Medikamente die Geschmacksstörung ausgelöst, erholt sich der Geschmackssinn häufig spontan wieder, wenn das entsprechende Präparat (unter ärztlicher Aufsicht!) abgesetzt oder durch ein anderes ersetzt wird.
- Werden als Ursache Vitamin- oder Mineralstoffmängel vermutet, lohnt sich deren Nachweis und die Substitution durch Nahrungsergänzungsmittel.
Für die idiopathische Schmeckstörungen ist Zink eine Option. Die Leitlinie empfiehlt die tägliche Gabe von 140 mg Zinkglukonat über vier Monate. Da diese Dosierung über der empfohlenen täglichen Zinkzufuhr liegt, sollte die Therapie ärztlich überwacht werden. Eine Übertherapie ist zu vermeiden, da ein Zuviel an Zink ebenfalls Geschmacksstörungen auslösen kann. Außerdem droht bei Zinküberschuss ein Kupfermangel.
Auch je nach Art der Geschmacksstörung gibt es hilfreiche Tipps:
- Ist nur der salzige Geschmack betroffen, lohnt ein Versuch mit Gewürzsalz (enthält neben Natriumchlorid noch Natriumglutamat).
- Ist der Geschmack für Süßes gestört, sollte nicht der Zuckerkonsum erhöht , sondern auf Süßstoffe umgestiegen werden.
- Bei allgemein verminderter Geschmackswahrnehmung hilft es, den Trigeminusnerv anzuregen. Das geschieht durch scharfe Gewürze wie Chili, Ingwer, Meerettich, aber auch durch stark Lebensmittel mit ausgeprägter Oberflächenstruktur wie Fruchtsäfte mit reichlich Fruchtfleisch.
- Bei starker Hypogeusie helfen manchmal auch künstliche Aromen, um die Lust am Essen zu wecken.
Schmeckt man zu intensiv oder schmeckt alles unangenehm, können folgende Maßnahmen helfen:
- regelmäßige Mundspülungen
- Kaugummikauen
- Eiswürfel lutschen
- betäubende Lösungen (Lidocain) als Gel auf die Zunge auftragen oder als Spray in die Mundhöhle sprühen.
Hinweis: Vor allem bei alten Menschen mit Geschmacksstörungen drohen Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen. Um dies zu verhindern, muss auf eine ausreichende und ausgewogene Ernährung geachtet werden. Manchmal ist es auch erforderlich, Nahrungsergänzungsmittel zuzuführen.
Quellen: S2k-Leitlinie (Langfassung) Riech- und Schmeckstörungen, AWMF-Register-Nr. 017/050 DAZ 2024, Nr. 3, S. 52, 18.01.2024