Gesundheit heute

Hirnvenenthrombose, Hirnsinusthrombose, Sinusvenenthrombose

Hirnvenenthrombose,Hirnsinusthrombose, Sinusvenenthrombose: Verschluss einer Gehirnvene oder eines großen venösen Blutleiters (Sinus) im Gehirn durch ein Blutgerinnsel. Leitsymptome sind langdauernde oder wiederholt auftretende Kopfschmerzen, häufig begleitet von verschiedenen Beschwerden, die mitunter einem Schlaganfall ähneln (Lähmungen, Krampfanfälle). Der thrombotische Verschluss entsteht entweder wegen einer erhöhten Gerinnungsneigung des Blutes (zum Beispiel durch Hormontherapie oder Blutgerinnungsstörungen) oder als Komplikation einer eitrigen Entzündung im Kopfbereich. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, der Erkrankungsgipfel liegt im 3. und 4. Lebensjahrzehnt.

Patienten mit einer Hirnvenen- oder Hirnsinusthrombose müssen stationär behandelt werden, z. B. in einer Stroke Unit. Grundpfeiler der Therapie ist die Hemmung der Blutgerinnung und, bei entzündlicher Ursache, die Gabe von Antibiotika. Sofern keine Komplikationen auftreten, sind die Heilungsaussichten gut.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Plötzlich auftretende oder chronische Kopfschmerzen
  • Krampfanfälle
  • Neurologische Ausfälle, z. B. Lähmungen oder Empfindungsstörungen wie Taubheitsgefühl
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Sehstörungen
  • Bewusstseinstrübung.

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen bei

  • länger anhaltenden, mäßig starken Kopfschmerzen

Sofort, wenn

  • die Kopfschmerzen schnell zunehmen
  • wenn Übelkeit und Erbrechen hinzukommen
  • neurologische Ausfälle auftreten.

Die Erkrankung

Das Blut aus dem Gehirn wird über Gehirnvenen und über in der harten Hirnhaut verlaufende Blutleiter (Sinus) zurück zum Herzen geleitet. Wie andere Blutgefäße können auch die Venen und Sinus im Gehirn von einem Verschluss (Thrombose) betroffen sein.

Wenn das Blut nicht abfließen kann, staut es sich zurück. Durch den erhöhten Druck im Bereich vor dem Abflusshindernis kommt es zu einem Austritt von Flüssigkeit in das Gehirngewebe (Hirnödem) und der Hirndruck steigt. Häufig führt der erhöhte Druck in den betroffenen Gefäßen auch zu einer Stauungsblutung.

Daneben droht auch die Minderdurchblutung (Ischämie) von Hirnabschnitten. Sie entsteht dadurch, dass die kleinsten arteriellen Gefäße, die Kapillaren, von dem erhöhten Druck im Gehirn regelrecht "abgedrückt" werden und das Blut nicht mehr durch sie hindurchfließen kann.

Je nach Ort der Thrombose unterscheiden die Ärzte folgende Formen

  • Sinusthrombose (isolierter Verschluss eines oder mehrerer Blutleiter)
  • Hirnvenenthrombose (isolierter Verschluss eines oder mehrere Hirnvenen)
  • Sinusvenenthrombose (kombinierte Thrombose von Venen und Sinus.

Ursachen und Risikofaktoren

In vielen Fällen lässt sich die Ursache für Hirnvenen- und Hirnsinusthrombosen nicht finden. Manchmal stecken schwere, sich ausbreitende Entzündungen aus dem Ohr- oder Gesichtsbereich 29m40(septische Form) dahinter. Häufiger jedoch ist eine Thrombose Folge einer bis dahin nicht bekannten verstärkten Blutgerinnung oder von Erkrankungen, die das Blut stärker gerinnen lassen als normal (blande Form). Auch weibliche Geschlechtshormone erhöhen die Blutgerinnung. Deshalb haben Schwangere und Frauen, die die "Pille" oder eine Hormonersatztherapie einnehmen, ein erhöhtes Risiko für Thrombosen, insbesondere wenn sie gleichzeitig rauchen.

In manchen Fällen führen Bluterkrankungen zu Thrombosen im Gehirn. So kommt es beispielsweise zu thrombosefördernden Verklumpungen und Blutflussstörungen, wenn die roten Blutkörperchen wie bei der Polyzythämia vera vermehrt oder, wie bei der Sichelzellenanämie, verformt sind.

Eine seltene Ursache von Sinusvenenthrombosen ist die Impfung gegen Sars-CoV-2 mit einem Vektorimpfstoff. Betroffen sind hier vor allem Frauen unter 60 Jahren. Ursächlich sind hier vermutlich durch die Impfung entstehende Antikörper gegen Blutplättchen.

Diagnosesicherung

Bei Verdacht auf eine Hirnvenen- oder Hirnsinusthrombose lässt der Arzt unverzüglich eine bildgebende Diagnostik durchführen. Am besten geeignet ist dazu eine Kernspinuntersuchung der Hirngefäße mit Kontrastmittel, alternativ kann auch eine spezielle CT-Venographie eingesetzt werden. Typisch ist bei beiden Untersuchungen die Kontrastmittelaussparung im betroffenen Gefäß.

Ist eine Sinusvenenthrombose nachgewiesen, stehen weitere Untersuchungen zur Ursachenforschung an. Dazu gehören beispielsweise

  • bei Verdacht auf eine Blutgerinnungsstörung die Untersuchung auf Blutgerinnungsfaktoren, APC-Resistenz oder Thrombophilie
  • bei Verdacht auf eine entzündliche Ursache eine Erregerdiagnostik in Blutkultur, Liquor oder Abstrichen sowie die Untersuchung des Patienten durch einen HNO-Arzt oder Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, um mögliche Entzündungsherde zu finden.

Differenzialdiagnosen. Kopfschmerzen in Verbindung mit Krämpfen oder Ausfallerscheinungen wie z. B. Lähmungen finden sich auch beim Schlaganfall, bei der Hirnarterienaneurysmablutung, bei Gehirntumoren und bei einer Herpes-Enzephalitis.

Behandlung

Akuttherapie

Antikoagulation. Um die Ausdehnung der Thrombose bzw. einen weiteren thrombotischen Gefäßverschluss zu verhindern, hemmen die Ärzte die Blutgerinnung zunächst mit Heparin, entweder als Dauerinfusion über einen Perfusor oder mit regelmäßigen Spritzen unter die Haut.

Antibiotika. Liegt der Thrombose eine Entzündung zugrunde, bekommt der Patient zusätzlich intravenös Antibiotika. Falls sich ein Entzündungsherd gefunden hat, muss dieser beseitigt werden. Typisches Beispiel dafür ist das Vorgehen bei einer schweren Mastoiditis, also einer Entzündung des Warzenfortsatzes (Processus mastoideus) des knöchernen Schädels. In diesem Fall wird eine Mastoidektomie durchgeführt, also die betroffene Schleimhaut entfernt.

Weitere Maßnahmen. Neben der Thrombosetherapie stabilisieren die Ärzte den Patienten, behandeln Grunderkrankungen und reagieren auf eventuelle Komplikationen.

  • Falls eine Bluterkrankung wie die Sichelzellanämie oder eine Polyzythämia vera vorliegt, wird diese entsprechend behandelt, vom Patienten eingenommene Hormone ("Pille", Hormonersatztherapie) werden abgesetzt.
  • Zur Vorbeugung einer Hirndruckerhöhung wird der Patient mit dem Oberkörper hochgelagert, in manchen Fällen verabreichen die Ärzte auch Diuretika.
  • Gegen Schmerzen verordnen die Ärzte zumeist Paracetamol oder Opioide (Acetylsalicylsäure (ASS) ist wegen seiner blutverdünnenden Wirkung nicht geeignet!).
  • Bei epileptischen Krampfanfällen kommen Antikonvulsiva, also krampfhemmende Medikamente, zum Einsatz.
  • Bei großen Stauungsblutungen im Gehirn ist eine Kraniektomie erforderlich. Dabei entfernen die Ärzte einen Teil der Schädeldecke, um den Druck im Gehirn zu senken.
  • Einen gesteigerten Druck im Liquorkanal senken die Ärzte mit wiederholten Lumbalpunktionen, evtl legen sie auch einen ventrikuloperitonealen Shunt (dabei wird Liquorflüssigkeit über einen kleinen Schlauch unter der Haut aus dem Ventrikel in die Bauchhöhle abgeleitet).
  • Wenn die Thrombose sehr ausgedehnt ist, die oben genannten Verfahren erfolglos sind oder sich der Zustand verschlechtert, greifen die Ärzte manchmal auf die endovaskuläre Therapie zurück. Dabei schieben sie einen Katheter bis zum Thrombus und versuchen, diesen mit Fibrinolytika aufzulösen.

Folgetherapie

Sobald der Patient klinisch stabil ist, stellen die Ärzte die Blutgerinnungstherapie auf Tabletten um. Diese sogenannte "orale Antikoagulation" ist in der Regel 3–12 Monate, bei schweren Thrombosen auch dauerhaft notwendig. Wirkstoffe dafür sind Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon wie z. B. Marcumar®). In Einzelfällen verordnen die Ärzte auch Antikoagulanzien aus der Gruppe der NOAK, der neuen oralen Antikoagulanzien wie etwa Apixaban (Eliquis®) oder Dabigatran (Pradaxa®). Sie sind für die Behandlung der Venenthrombose im Gehirn noch nicht zugelassen, ihre Verwendung erfolgt Off-Label.

Ebenso wichtig wie die Antikoagulation ist das Reduzieren von Risikofaktoren. Dazu gehören das Absetzen der "Pille", der Rauchstopp und das Behandeln von Grunderkrankungen, die zu einer verstärkten Blutgerinnung führen.

Prognose

Bei einem Großteil der Patienten wird die Thrombose durch die Therapie wieder aufgelöst. Bei ca. 10 % der Erkrankten bleiben Spätfolgen, wie z. B. neurologische Ausfallserscheinungen bestehen. Weitere 10 % sterben an der Sinusvenenthrombose, meist wenn zusätzlich Blutungen, Muskellähmungen oder Bewusstseinsverlust auftreten.

Ihr Apotheker empfiehlt

Wenn Ihnen der Arzt eine gerinnungshemmende Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten verschrieben hat, müssen Sie auf folgende Dinge achten:

  • Regelmäßig Gerinnung testen. Halten Sie sich an die Einnahmevorschriften der Blutgerinnungshemmer und nehmen Sie die erforderlichen Kontrollmessungen bei Ihrem Arzt wahr. Es gibt auch Messgeräte, mit denen Sie Ihre Gerinnungswerte selbst bestimmen können, z. B. das Coaguchek®-Gerät. Dazu wird in der Regel einmal wöchentlich ein Tropfen Blut aus der Fingerkuppe entnommen und auf den Teststreifen aufgetragen.
  • Ausweis bereithalten. Tragen Sie Ihren Blutgerinnungs-Hemmer-Ausweis immer bei sich. Informieren Sie alle Ärzte und Zahnärzte darüber, dass Sie einen Vitamin-K-Antagonisten einnehmen. Zum einen sind bestimmte Eingriffe, darunter auch so einfache wie Spritzen in den Muskel, dann nicht möglich. Zum anderen gibt es zahlreiche Wechselwirkungen mit – teils frei verkäuflichen – Medikamenten, z. B. Aspirin®, das die Hemmung der Blutgerinnung verstärkt.
  • Vorsicht mit Essen und Trinken. Vorsicht beim Konsum von Alkoholika und dem Verzehr größerer Mengen Ingwer oder Goji-Beeren, sie können die gerinnungshemmende Wirkung von Phenprocoumon verstärken. Wie stark die Tabletten wirken, ist auch davon abhängig, wie viel Vitamin K Sie mit dem Essen zu sich nehmen. Um Wirkungsschwankungen zu vermeiden, sollten Sie die besonders Vitamin-K-haltigen grünen Gemüse und Salate (einschließlich Kohl) stets in etwa konstanten Portionen verzehren. Eine besondere Diät ist aber nicht notwendig.
  • Bei Kinderwunsch umsteigen. Phenprocoumon führt bei Einnahme während der Schwangerschaft zu Fehlbildungen des Embryos. Frauen müssen deshalb zuverlässig verhüten und bei Kinderwunsch rechtzeitig auf Heparin umsteigen.

Prävention

Nach einer überstanden Hirnvenen- oder Sinusthrombose gilt es, das Risiko einer erneuten Thrombose zu minimieren. Die beiden wichtigsten Maßnahmen dafür sind

  • Konsequenter Rauchstopp. Hilfreiche Informationen zum Thema Raucherentwöhnung finden Sie unter Nikotinabhängigkeit.
  • Vorsicht mit Hormonen. Wenn Sie bisher mit der "Pille" oder anderen hormonhaltigen Verhütungsmitteln wie z. B. einer hormonhaltigen Spirale verhütet haben, müssen Sie diese absetzen. Lassen Sie sich von Ihrem Frauenarzt beraten, welche Empfängnisverhütung für Sie richtig ist.

Weiterführende Informationen

Wissenswerte Information zum Thema dauerhafte Blutgerinnungshemmung finden sich auf der Website der Herzstiftung: https://www.herzstiftung.de/

Hilfsangebote für einen geplanten Rauchstopp finden Sie auf der Website des Deutschen Krebsforschungszentrums: https://www.dkfz.de/de/rauchertelefon/Tipps_und_Tricks_Rauchstopp.html

Von: Dr. med. Nicole Menche in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Geschmacksstörungen den Garaus machen

Geschmacksstörungen können den Appetit gänzlich verderben und sogar zu Unterernährung und Mangelerscheinungen führen.

Geschmacksstörungen den Garaus machen

Nichts schmeckt mehr?

Ob süße Kuchen, deftige Schweinshaxe oder ein edler Wein: Lecker essen und trinken ist ein wichtiger Bestandteil der Lebensqualität. Ist der Geschmackssinn gestört, fehlt nicht nur der Genuss. Ohne Appetit wird oft zu wenig gegessen und es drohen Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen. Ursachen für Geschmacksstörungen gibt es etliche, darunter auch Medikamente. Doch was können Betroffene tun, um wieder genussvoll zu schmecken?

Warnsignal und Appetitanreger

Schmecken ist mehr als ein angenehmer Sinneseindruck. Der Geschmackssinn hat eine wichtige Funktion für den Körper, denn er gibt dem Menschen Informationen darüber, ob Nahrung genießbar und bekömmlich ist. Dafür kann der Mensch fünf verschiedene Qualitäten unterscheiden. Jede dieser Geschmäcker hat eine Aufgabe, die z.T. in früheren Zeiten ernährungsphysiologisch von großer Bedeutung waren.

  • Süß wird durch Kohlenhydrate und einige Proteine vermittelt. Ein süßer Geschmack weckt die Lust auf kalorienreiche Nahrung geweckt. In Zeiten des Nahrungsüberangebots unterstützt die Empfindung „süß“ und der dadurch ausgelöste Wunsch nach „Mehr“ allerdings die Entwicklung von Übergewicht.
  • Sauer wird durch Wasserstoffionen (H+) ausgelöst. Säure warnt z.B. vor unreifen Früchten, vergorenen oder verdorbenen Speisen.
  • Salzig wird durch andere Ionen hervorgerufen, u.a. durch Natrium-, Kalium- und Chloridionen. Der Salzgeschmack ist wichtig für den Elektrolythaushalt. Ist der Salzgehalt im Blut zu niedrig, lösen salzige Speisen die Lust auf mehr davon aus.
  • Bitter kommt durch viele verschiedene Substanzen zustande. Dazu gehören Koffein und Chinin, aber auch Tannine im Wein, Flavonoide in Schokolade sowie Strychnin und Nikotin. Ein sehr starker Bittergeschmack kann den Würgereflex auslösen und damit vor Vergiftungen schützen.
  • Umami (oder auch würzig, herzhaft) wird vor allem durch die Aminosäuren Glutamat und Aspartat vermittelt. Die Geschmacksempfindung weckt den Wunsch nach weiterer proteinreicher Nahrung.

Aufgenommen wird der Geschmacksreiz über Rezeptoren, die Geschmackssinneszellen. Sie leiten den Reiz dann über Nervenfasern an das Gehirn. Die entsprechenden Nerven sind der Fazialnerv (Gesichtsnerv), der Vagusnerv und der Zungen-Rachen-Nerv. Im Geschmackszentrum der Großhirnrinde wird der Sinneseindruck dann verarbeitet und interpretiert.

Von den Geschmackssinneszellen gibt es drei verschiedene Typen: Eine für süß, bitter und umami, eine für salzig und eine für sauer. Die Geschmackssinneszellen sind zu Geschmacksknospen angeordnet, wobei jede einzelne Geschmacksknospe alle drei Arten von Sinneszellen enthalten kann. Erwachsene haben bis zu 8000 solcher Geschmacksknospen, die Anzahl nimmt allerdings mit dem Altern ab. Die Knospen sitzen am weichen Gaumen, im Rachen, am Kehlkopf und vor allem in den Geschmackspapillen auf der Zungenoberfläche.

Geschmack kommt allerdings nicht allein durch die Geschmacksknospen zustande. Um Speisen allumfänglich genießen und schmecken zu können, benötigt der Mensch auch den Geruchssinn. Das merkt man schon daran, dass bei Erkältung mit verstopfter Nase vieles nicht mehr so wie gewohnt schmeckt. Auch die Konsistenz und die Oberflächenbeschaffenheit der Nahrung spielt eine Rolle: Sie wird über sensible Nervenfasern erfasst. Geschmack, Geruch und Gefühl zusammen bilden das vollständige Geschmackserlebnis.

Hinweis: Scharf ist keine Geschmacksempfindung. Schärfe wird durch die Substanz Capsaicin ausgelöst und über sensible Nervenendigungen des Trigeminusnerven vermittelt.

Wenn Süßes bitter schmeckt

Es gibt zwei Gruppen von Geschmacksstörungen: Am häufigsten beklagt werden qualitative Veränderungen des Geschmacksempfindens. Bei einer Parageusie (gesprochen Pa-ra-ge-u-sie) nimmt die Betroffene Geschmack anders wahr, oft wird z.B. salzig oder süß als bitter empfunden. Manchmal kommt es auch zu Geschmackseindrücken ohne jeden Reiz, dann spricht man von einer Phantogeusie.

Quantitative Geschmacksstörungen, also Veränderungen der Geschmacksintensität, sind seltener. Bei der Hypogeusie ist der Geschmack vermindert. Sie soll bei etwa 5% der Allgemeinbevölkerung vorliegen. Dabei können alle fünf Qualitäten oder nur eine einzelne Qualität betroffen sein. Der vollständige Verlust der Geschmackswahrnehmung, die Ageusie, ist extrem selten. Das Gleiche gilt für die gesteigerte Geschmacksempfindung (Hypergeusie).

Die Folgen von Geschmacksstörungen können erheblich sein. Zum einen verringern sie die Lebensfreude, bei manchen Betroffen führen sie sogar zu Depressionen. Geht der Appetit verloren, nehmen vor allem ältere Menschen oft nicht mehr genug Nahrung zu sich. Es drohen Untergewicht und Nährstoffmangel. Manche Betroffene versuchen auch, eine verminderte Geschmacksintensität mit erhöhtem Konsum von Zucker oder Salz auszugleichen. In diesen Fällen steigt das Risiko für Bluthochdruck, Übergewicht und Diabetes mellitus.

Wo kommt die Schmeckstörung her?

Die ersten Hinweise auf eine Geschmacksstörung gibt meist die Patient*in selbst. Dann versucht die Ärzt*in, die Schmeckstörung klinisch nachzuweisen. Dazu dienen verschiedene Tests, bei denen die Geschmacksqualitäten erkannt werden sollen, manchmal ist auch ihre Intensität auf einer Skala einzustufen. Bei der Drei-Tropfen-Methode bekommen die Patienten zwei geschmacklose Tropfen (z.B. Wasser) und einen Tropfen mit Geschmack auf die Zunge geträufelt. Nun müssen sie den einen Tropfen mit Geschmack erkennen und seine Qualität benennen (süß, sauer, salzig, bitter). Häufig wird in aufsteigender Konzentration getropft, um die Erkennungsschwelle zu bestimmen. Manchmal werden zum Testen auch feste Schmeckstreifen verwendet.

Wenn die Ärzt*in eine Geschmacksstörung diagnostiziert hat, muss deren Auslöser gefunden werden. Zu Störungen des Geschmacks kann es auf verschiedene Arten kommen. Hauptursachen sind

  • Schädel-Hirn-Verletzungen. Unfälle und Kopfverletzungen können den Verlauf der Geschmacksnerven beeinträchtigen oder den Geschmacksbereich der Großhirnrinde schädigen.
  • Infektionen. Ein Beispiel ist eine Infektion mit Herpes zoster. Sie schädigen häufig die Schmeckfasern des Fazialnerven. Auch bei COVID-19 sind Geschmack- und Geruchssinnn oft gestört.
  • Kontakt mit toxischen Substanzen. Etliche Arbeitsstoffe können bei ständiger Exposition ohne geeignete Schutzeinrichtung den Geschmackssinn schädigen. Bekannt ist dies von Dämpfen und Partikeln der Metallverarbeitung und bei Verwendung von Lösungsmitteln wie Benzol und Toluol.
  • Operationen oder Bestrahlungen. Bei Eingriffen im Mund, im Gesicht oder am Gehirn werden manchmal Nerven oder Gehirngewebe verletzt. Möglich ist dies z.B. bei Operationen am Zungengrund, Tumorentfernungen oder bei einer Cochlea-Implantation im Mittelohr.
  • Burning-Mouth-Syndrom. Diese Erkrankung tritt vor allem bei Frauen nach der Menopause auf. Dabei kommt es neben dem brennenden Gefühl im Mund zu einem andauernden metallischen oder bitteren Geschmack. Als Ursache werden hormonelle Faktoren, Depressionen oder ein Vitaminmangel diskutiert.

Daneben gibt es noch eine Vielzahl anderer Erkrankungen, die das Schmecken beeinflussen. Sie reichen vom Diabetes mellitus über neurodegenerative Erkrankungen und Schilddrüsenerkrankungen bis zu Leber- und Nierenversagen. Auch ein Mangel von Eisen, Vitamin-A, B1, B2 oder B6 kann Geschmackstörungen begünstigen.

Ein weiterer wichtiger Grund für Schmeckstörungen ist die Einnahme von Medikamenten. Manche Wirkstoffe verringern den Speichelfluss, wodurch die Geschmacksknospen austrocknen und nicht mehr richtig funktionieren. Andere Substanzen schädigen die Mundschleimhaut und damit die Papillen und Geschmacksknospen direkt. Einige greifen auch in die Reizweiterleitung am Nerven ein. Bei vielen Medikamenten ist allerdings noch nicht bekannt, wie sie den Geschmackssinn beeinträchtigen. Typische medikamentöse Geschmacksstörer sind:

  • Antibiotika (z.B. Aminoglykoside, Penicillin, Makrolide, Anti-Pilzmittel)
  • Herz-Kreislauf-Medikamente (z.B. ACE-Hemmer, Betablocker, Amiodaron)
  • Antidepressiva, Antiepileptika, Hypnotika und Sedativa
  • Schmerzmittel (z.B. Fentanyl)
  • Schleimlöser (z.B. Ambroxol)
  • Kortison (vor allem als Spray)
  • Immunmodulatoren (z.B. Interferon alpha, Lenalidomid)
  • Bisphosphonate (z.B. Alendronsäure).

Trotz der vielen möglichen Auslöser bleibt die Ursache eines gestörten Geschmacks oft unklar. Dann spricht man von einer idiopathischen Schmeckstörung.

Hinweis. Mangelnde Mundhygiene kann den Geschmackssinn ebenfalls beeinträchtigen. Zu beachten ist allerdings, dass auch die übertriebene Anwendung von Mundwasser manchmal zu Schmeckstörungen führt.

Von künstlichem Speichel bis Zink Geschmacksstörungen im Zusammenhang mit Systemerkrankungen bessern sich häufig, sobald die Grunderkrankung behandelt oder deren Therapie optimiert wird. Bei einigen der genannten krankheitsbedingten Ursachen erholt sich das Geschmacksempfinden auch von selbst wieder – z. B. nach Schädel-Hirn-Verletzungen oder Infektionen. Auch das Burning Mouth Syndrom bildet sich in etlichen Fällen wieder zurück – was jedoch Jahre dauern kann.

Je nach vermutetem Auslöser können folgende Maßnahmen den Geschmackssinn wieder auf Trab bringen:

  • Bei trockenem Mund (z.B. durch speichelreduzierende Medikamente) helfen oft Speichelersatzprodukte. Zusätzlich sollte möglichst viel getrunken werden.
  • Sind Nikotin oder Kaffee verantwortlich, gilt es, diese Genussstoffe zu meiden.
  • Haben Medikamente die Geschmacksstörung ausgelöst, erholt sich der Geschmackssinn häufig spontan wieder, wenn das entsprechende Präparat (unter ärztlicher Aufsicht!) abgesetzt oder durch ein anderes ersetzt wird.
  • Werden als Ursache Vitamin- oder Mineralstoffmängel vermutet, lohnt sich deren Nachweis und die Substitution durch Nahrungsergänzungsmittel.

Für die idiopathische Schmeckstörungen ist Zink eine Option. Die Leitlinie empfiehlt die tägliche Gabe von 140 mg Zinkglukonat über vier Monate. Da diese Dosierung über der empfohlenen täglichen Zinkzufuhr liegt, sollte die Therapie ärztlich überwacht werden. Eine Übertherapie ist zu vermeiden, da ein Zuviel an Zink ebenfalls Geschmacksstörungen auslösen kann. Außerdem droht bei Zinküberschuss ein Kupfermangel.

Auch je nach Art der Geschmacksstörung gibt es hilfreiche Tipps:

  • Ist nur der salzige Geschmack betroffen, lohnt ein Versuch mit Gewürzsalz (enthält neben Natriumchlorid noch Natriumglutamat).
  • Ist der Geschmack für Süßes gestört, sollte nicht der Zuckerkonsum erhöht , sondern auf Süßstoffe umgestiegen werden.
  • Bei allgemein verminderter Geschmackswahrnehmung hilft es, den Trigeminusnerv anzuregen. Das geschieht durch scharfe Gewürze wie Chili, Ingwer, Meerettich, aber auch durch stark Lebensmittel mit ausgeprägter Oberflächenstruktur wie Fruchtsäfte mit reichlich Fruchtfleisch.
  • Bei starker Hypogeusie helfen manchmal auch künstliche Aromen, um die Lust am Essen zu wecken.

Schmeckt man zu intensiv oder schmeckt alles unangenehm, können folgende Maßnahmen helfen:

  • regelmäßige Mundspülungen
  • Kaugummikauen
  • Eiswürfel lutschen
  • betäubende Lösungen (Lidocain) als Gel auf die Zunge auftragen oder als Spray in die Mundhöhle sprühen.

Hinweis: Vor allem bei alten Menschen mit Geschmacksstörungen drohen Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen. Um dies zu verhindern, muss auf eine ausreichende und ausgewogene Ernährung geachtet werden. Manchmal ist es auch erforderlich, Nahrungsergänzungsmittel zuzuführen.

Quellen: S2k-Leitlinie (Langfassung) Riech- und Schmeckstörungen, AWMF-Register-Nr. 017/050 DAZ 2024, Nr. 3, S. 52, 18.01.2024

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: mauritius images / Stockbroker RF