Gesundheit heute

Leukämien

Leukämie (Blutkrebs, „weißes Blut“): Bösartige Bluterkrankung mit unkontrollierter Vermehrung abnormer weißer Blutkörperchen. Dadurch kommt es zu einem Mangel an gesunden roten und weißen Blutkörperchen und Blutplättchen mit uncharakteristischen Allgemeinbeschwerden, Infekt- und Blutungsneigung. Leukämien können in jedem Lebensalter auftreten und betreffen Männer etwa gleich häufig wie Frauen. Behandlung und Aussichten hängen von der Leukämieform ab, wobei die Aussichten für Kinder (rund 80 % Langzeitüberlebende) besser sind als für Erwachsene.

Leitbeschwerden

  • Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Fieberschübe, Nachtschweiß
  • Verminderte körperliche Belastbarkeit mit schnellem Puls und Atemnot, Blässe, Kollapsneigung (durch Mangel an roten Blutkörperchen)
  • Gehäuft blaue Flecke, Hautblutungen, z. B. kleine stecknadelkopfgroße rote Hautflecke an den Beinen nach längerem Stehen oder mäßiger körperlicher Aktivität, Schleimhautblutungen im Mund, z. B. bis dahin nicht gekanntes, häufiges Zahnfleischbluten
  • Infektneigung
  • Möglicherweise Druckgefühl im linken Oberbauch und Knochenschmerzen
  • Bei akuten Leukämien rasche Entwicklung der Beschwerden oft innerhalb weniger Wochen, bei chronischen Leukämien schleichender Beginn

Je nach Leukämieform möglicherweise:

  • Geschwollene Lymphknoten, vor allem bei lymphatischen Leukämien
  • Hautjucken, vor allem bei chronischer lymphatischer Leukämie

Wann zum Arzt

In den nächsten Tagen, wenn über einen längeren Zeitraum einzelne der oben genannten Beschwerden auftreten

Die Erkrankung

Wie alle teilungsfähigen Zellen im Körper können auch die Blutstammzellen im Knochenmark entarten. Die Frage nach dem „Warum“ bleibt dabei in aller Regel unbeantwortet. Mittlerweile ist zwar bekannt, dass bestimmte Viren, Chemikalien, Strahlen und auch genetische Faktoren (z. B. deutliche Risikoerhöhung beim Down-Syndrom) mit eine Rolle spielen, jedoch liegt beim Großteil der Betroffenen keiner der bekannten Risikofaktoren vor. Dass Leukämien zwar nicht direkt erblich, aber doch von Mutter zu Kind übertragbar sind, konnte kürzlich belegt werden. Mittels Gentest lässt sich nachweisen, dass Krebszellen des Kindes die gleiche Genmutation aufweisen wie die der Mutter. Zur Übertragung im Mutterleib kann es kommen, weil die Krebszellen das Immunsystem des Babys umgehen. Ihnen fehlen bestimmte DNA-Abschnitte, an denen das Immunsystem Eindringlinge sonst erkennt.

Die entarteten, bösartigen Zellen nehmen an Zahl zu und werden schließlich ins Blut ausgeschwemmt. Ihre Vermehrung geht auf Kosten der gesunden Blutkörperchen im Knochenmark, sodass diese verdrängt werden. Da aber die bösartigen Zellen gleichzeitig ihre „normalen“ Aufgaben nicht mehr erfüllen – sie verlieren ihre Fähigkeiten, im Rahmen der Immunabwehr aktiv zu werden – fehlen schließlich funktionsfähige rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen. Die bösartigen Zellen breiten sich ungehindert im Körper weiter aus und befallen z. B. Leber, Milz, Gehirn und Haut.

Einteilung der Leukämien

Die Einteilung von Leukämien (und Lymphomen) ist hoch kompliziert und derzeit im Umbruch. Am gebräuchlichsten ist nach wie vor die historisch gewachsene Einteilung:

  • Nach dem Verlauf wird zwischen den rasch verlaufenden akuten Leukämien und den schleichend beginnenden chronischen Leukämien unterschieden.
  • Ganz frühe Blutstammzellen können sich in Richtung aller Blutkörperchen weiterentwickeln. Der Stammbaum gabelt sich jedoch schon bald in eine Reihe für die Lymphozyten und eine für die Granulozyten und Monozyten. Je nachdem, zu welcher Reihe die bösartigen weißen Zellen gehören, werden lymphatische Leukämien und myeloische Leukämien differenziert. Ganz selten kommen undifferenzierte Leukämien vor, bei denen eine Einordnung der Zellen trotz modernster Methoden nicht gelingt.

Somit ergeben sich vier verschiedene Leukämieformen: akute lymphatische Leukämie (ALL), akute myeloische Leukämie (AML), chronische lymphatische Leukämie (CLL) und chronische myeloische Leukämie (CML). 80 % der akuten Leukämien bei Erwachsenen sind myeloische, 20 % lymphatische.

Myeloproliferative Erkrankungen. Mit den Leukämien verwandt sind die myeloproliferativen Erkrankungen, bei denen alle Blutzellarten im Knochenmark außer den Lymphozyten wuchern, jeweils eine davon aber ganz besonders. Zu den myeloproliferativen Erkrankungen zählen:

  • Polyzythämie
  • Essenzielle Thrombozythämie mit Wuchern der Blutplättchen und hoher Thrombosegefahr, aber guter Behandelbarkeit
  • Osteomyelofibrose mit bindegewebigem Knochenmarkumbau, der aber die Folge von Botenstoffen wuchernder Blutplättchenvorläufer ist.

Die Erkrankungen verlaufen auch ohne Behandlung relativ langsam über Jahre und können ineinander übergehen.

Myelodysplasien. Myelodysplasien sind Erkrankungen der Blutstammzellen mit Wachstums- und Reifungsstörungen der Blutzellen. Das Knochenmark enthält viele (abnorme) Blutzellvorstufen, da diese sich jedoch nicht mehr zu funktionsfähigen Blutzellen weiterentwickeln können, finden sich im Blut meist zu wenige rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen. Die Myelodysplasien treten vor allem jenseits des 50. Lebensjahrs auf. Leitbeschwerden sind Blutarmut, Infektionsneigung und Blutungen. Myelodysplasien nehmen meist einen langsamen Verlauf, können aber in eine akute (myeloische) Leukämie übergehen.

Das macht der Arzt

Diagnosesicherung. Eine Verdachtsdiagnose ist meist schon aufgrund des Blutbilds möglich, das bei den akuten Leukämien Vorstufen der weißen Blutkörperchen (Blasten) und bei den chronischen Leukämien viel zu viele weiße Blutkörperchen enthält. Eine Knochenmarkuntersuchung ist trotzdem immer erforderlich, um die Leukämie exakt klassifizieren und die Behandlung planen zu können. Außerdem wird durch Ultraschalluntersuchungen, CT, Kernspin und bei der akuten lymphatischen Leukämie auch durch eine Liquoruntersuchung geklärt, welche Organe außer dem Knochenmark befallen sind. Weitere Untersuchungen können je nach geplanter Behandlung erforderlich sein, da bei einigen Behandlungsformen bestimmte Vorerkrankungen ausgeschlossen oder zumindest behandelt sein müssen.

Therapie der akuten Leukämie (AML und ALL). Ziel bei Patienten unter etwa 60 Jahren ist fast immer die Heilung – entsprechend aggressiv muss die Behandlung sein. Wegen der hierdurch und durch die Grunderkrankung bedingten Risiken darf die Behandlung nur an speziellen Zentren erfolgen, die den Patienten z. B. sicher durch ein „Zelltief“ (Aplasie) mit äußerster Infektionsgefahr bringen können.

In der ersten Behandlungsphase (Induktionsbehandlung) wird versucht, den Patienten durch eine aggressive Chemotherapie in eine Vollremission zu bringen. Danach schließt die Konsolidierungsbehandlung an, in der versucht wird, die eingetretene Besserung zu stabilisieren. Sodann folgt klassischerweise eine weniger belastende Erhaltungstherapie (die Chemotherapie wird in niedriger Dosierung fortgesetzt). Welche Patienten von einer Blutstammzelltransplantation profitieren (und, falls ja, von einem anderen Spender oder sich selbst) oder ob gerade bei einem Rückfall Antikörperbehandlungen eine Verbesserung bringen, ist Gegenstand von Forschungen und ständig im Fluss.

Sondertext: Knochenmark- und periphere Blutstammzelltransplantation

Bei akuter lymphatischer Leukämie werden außerdem Zytostatika durch eine Lumbalpunktion in den Liquorraum gegeben, und das Gehirn wird bestrahlt, da sonst von den Hirnhäuten nicht selten ein Rückfall ausgeht.

Bei Patienten über 60 Jahren hängt es sowohl von der Leukämieform und ihrer Ausbreitung als auch vom Gesamtzustand des Patienten ab, ob eine aggressive Behandlung sinnvoll oder ein Bremsen des Zellwucherns durch mildere Zytostatika besser ist.

Therapie der chronischen myeloischen Leukämie (CML). Unbehandelt zeigt die chronische myeloische Leukämie zwar einen Verlauf über mehrere Jahre, geht dann aber immer in eine kaum behandelbare Blastenkrise über, die einer akuten Leukämie ähnelt (massenhaft unreife weiße Blutkörperchen werden produziert, die keine Funktion erfüllen können).

Derzeit wird Patienten unter etwa 55 Jahren nach einer Verminderung der Zellen mit Hydroxyharnstoff (z. B. Litalir®) zumeist eine frühe Knochen- bzw. Blutstammzelltransplantation angeraten, die nach wie vor die einzige Chance auf Heilung, aber mit einer erheblichen Rate teils tödlicher Komplikationen verbunden ist. Bei älteren Patienten ist der Tyrosinkinasehemmer (TKI) Imatinib (Glivec®) mittlerweile die erste Wahl. Er ist so wirksam, dass die Frage wieder offen ist, welche Patienten eine Knochenmarktransplantation überhaupt noch brauchen. Schlägt die Behandlung nicht (mehr) an, bieten sich als Alternative die Tyrosinkinasehemmer Dasatinib (Sprycel®) und Nilotinib (Tasigna) an.

Risiken. Leider drohen Tyrosinkinasehemmer, eine vorbestehende Hepatitis-B-Virus-Infektion zu reaktiven. Notwendig ist deshalb ein Hepatitis-B-Screening vor Behandlungsbeginn und bei vorliegender Infektion bei unerlässlicher Therapie mit TKIs eine engmaschige Überwachung während und nach der Behandlung.

Therapie der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL). Die chronische lymphatische Leukämie betrifft vor allem ältere Menschen über 60 Jahre. Sie verläuft ganz langsam und schränkt die Erkrankten oft viele Jahre kaum ein. Deshalb wird sie nur bei zunehmenden Beschwerden mit einer schonenden Chemotherapie oder einer Antikörperbehandlung (mit Alemtuzumab, Mabcampath®) behandelt. Ibrutinib (Imbruvica®) eignet sich als Folgebehandlung für Erwachsene, bei denen die CLL bereits erfolglos behandelt wurde, sowie als Erstbehandlung für Erwachsene, deren Leukämiezellen als genetische Merkmale eine 17p-Deletion oder eine TP53-Mutation aufweisen.

Sondertext: Kleines Lexikon der Leukämietherapie

Prognose

Durch die neuen Therapieformen wie z. B. die Blutstammzelltransplantation haben sich die Prognosen spürbar verbessert. So war bis vor kurzem für über 60-Jährige eine AML unheilbar und tödlich. Durch die Möglichkeit einer Blutstammzelltransplantation mit reduzierter Konditionierung ändert sich dies möglicherweise, die Therapieform ist aber so neu, dass es noch keine Zahlen über das Langzeitüberleben gibt. Ansonsten hängt die Prognose stark vom Subtyp ab und ist bei der AML generell schlechter als bei der ALL.

Hilfe durch Angehörige

Sowohl die Erkrankung als auch die Behandlung vermindern die Zahl der gesunden weißen Blutkörperchen. Häufiger als andere Krebskranke müssen Patienten mit einer Leukämie zum Schutz vor Infektionen für eine gewisse Zeit in einem keimarmen Zimmer untergebracht werden. Die Betroffenen dürfen das Zimmer nicht verlassen und nur wenige Besucher empfangen. Leidet der Kranke sehr unter der Isolierung, kann man als Angehöriger ruhig Verwandte und Bekannte zu Anrufen oder Briefen motivieren und diese auch zeitlich etwas verteilen.

Bei vielen Patienten stellt sich die Frage nach einer Knochenmarktransplantation. Sowohl die Entscheidungsfindung als auch das Warten auf eine geeignete Spende erhöhen die psychische Belastung des Kranken. Hier sind die Angehörigen stark als Gesprächspartner und als „Spiegel der Gedanken“ gefordert.

Weiterführende Informationen

  • www.bergundtal-ev.de – Internetseite des Berg und Tal e. V., Essen: Von der Klinik und Poliklinik für Knochenmarktransplantation des Universitätsklinikums Essen unterstützte Selbsthilfegruppe.
  • www.leukaemie-hilfe.de – Internetseite der Deutschen Leukämie- und Lymphom-Hilfe e. V. (DLH, Bonn): Selbsthilfeorganisation für Erwachsene mit Leukämien und Lymphomen, mit umfangreichem Literaturverzeichnis und Adressen regionaler Gruppen.
  • H. Delbrück: Knochenmark- und Stammzelltransplantation nach Krebs. Kohlhammer, 2005. Für Laien verständliches Buch, das auch die Zeit nach der Transplantation behandelt.

Von: Dr. med. Nicole Menche, Dr. med. Arne Schäffler in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski
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Vitamin D senkt Krebssterberate

Sonne und Supplemente sorgen beide für einen ausreichend hohen Vitamin-D-Spiegel im Blut.

Vitamin D senkt Krebssterberate

Nicht nur Knochenschutz

Vitamin D schützt nicht nur vor Osteoporose. Es verhindert auch Krebstodesfälle. Wieviele das bei einer Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D wären, hat das Deutsche Krebsforschungszentrum vorgerechnet.

Krebssterberate um 13% gesenkt

Große Studien konnten zeigen, dass die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten die Sterberaten an Krebs um etwa 13 % senkt. Der Effekt zeigt sich zum Beispiel in Ländern, die ihre Lebensmittel mit Vitamin D anreichern. Anhand der Daten von 34 europäischen Ländern haben Wissenschaftler*innen vom Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ nun errechnet, wie sich eine generelle Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D auswirkt.

Die Forscher*innen kamen zu dem Ergebnis: In den Ländern, in denen dies erlaubt ist, werden pro Jahr 27.000 Krebstodesfälle vermieden. Würden alle 34 Länder Lebensmittel mit ausreichend Vitamin D versehen, ließen sich pro Jahr sogar 130.000 krebsbedingte Todesfälle verhindern, rechnen die Wissenschaftler*innen vom DKFZ vor.

Anreicherung in Deutschland nur mit Ausnahmegenehmigung

Nach EU-Recht ist die Zugabe von Vitamin D zu Lebensmitteln (z. B. Joghurt oder Streichfett) seit 2006 erlaubt. In Deutschland findet man nur relativ wenige angereicherte Produkte in den Regalen der Supermärkte. Das liegt daran, dass die D-Anreicherung hier grundsätzlich verboten ist – es sei denn, die Produkte haben eine Ausnahmegenehmigung (oder der Hersteller setzt sich darüber aufgrund des EU-Rechts hinweg).

Um die Vorteile einer ausreichenden Vitamin-D-Versorgung zu genießen, braucht es zum Glück keine angereicherten Lebensmittel. Ein großer Teil des Vitamin D wird durch Einfluss von Sonnenlicht in der Haut gebildet. Dafür genügt es, Hände, Arme und Gesicht zwei bis dreimal die Woche für etwa zwölf Minuten ungeschützt der Sonne auszusetzen. 10 bis 20% der nötigen Menge wird bei normaler Mischkost über die Nahrung aufgenommen (Eier, Speisepilze, Innereien, fetter Seefisch).

Beim Mangel helfen Supplemente

Im Winter hingegen gelingt es vielen Menschen nicht, ihren Vitamin-D-Bedarf zu decken. Auch alte Menschen und Personen, die selten im Freien sind oder sich einseitig ernähren, haben häufig einen Vitamin-D-Mangel. In diesem Fall helfen Nahrungsergänzungsmittel. Präparate mit Tagesdosen zwischen 10 bis 25 Mikrogramm sind apothekenpflichtig, solche mit einer Tagesdosis sogar verschreibungspflichtig. Wieviel man Vitamin D man einnehmen sollte, bespricht man aber sowieso am besten mit der Hausärzt*in. Denn Überdosierungen sind gefährlich, sie können zu Herzrhythmusstörungen oder Nierensteinen führen.

Quellen: DKFZ, RKI,SWR

Von: Dr. med. Sonja Kempinski; Bild: FotoHelin/shutterstock.com