Gesundheit heute
Clusterkopfschmerz
Clusterkopfschmerz (Bing-Horton-Syndrom): Seltene Kopfschmerzerkrankung, charakterisiert durch stechende, fast unerträgliche, halbseitige Kopfschmerzattacken, die mehrmals täglich auftreten können und mit vegetativen Begleiterscheinungen wie Tränenfluss, „laufender“ Nase und Rötung des Auges oder Gesichts verbunden sind. Betroffen sind ca. 0,1 % der Bevölkerung. In Deutschland sind etwa 120.000 Menschen mit Cluster-Kopfschmerzen in Behandlung. Die Krankheit beginnt überwiegend zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr und zeigt meist einen episodischen Verlauf. Männer sind 3-mal häufiger betroffen als Frauen. Behandelt wird im akuten Anfall mit Sauerstoff und schnellwirksamen Schmerzmitteln. Auch zur Vorbeugung stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Bei etwa 20–40 % der Betroffenen heilt die Krankheit nach einigen Jahren von selbst. Bei 10–15 % gehen die Schmerzepisoden in einen chronischen Verlauf über.
Symptome und Leitbeschwerden
- Episodisch und häufig nachts auftretende, mehrmals tägliche, extrem starke, streng halbseitige Kopfschmerzattacken
- Gleichzeitig auf der Kopfschmerzseite auftretende vegetative Begleiterscheinungen wie Tränenfluss, „laufende“ Nase und Hornersyndrom (Pupillenverengung, herabhängendes Augenlid, eingesunkener Augapfel), z. T. auch Rötung und/oder Schwitzen von Stirn oder Gesicht und Völlegefühl im Ohr
- Deutlicher Bewegungsdrang während der Schmerzattacken.
Wann in die Arztpraxis
In den nächsten Tagen, wenn mehrmals hintereinander starke Kopfschmerzen auftreten.
Die Erkrankung
Krankheitsentstehung
Wie es zum Clusterkopfschmerz kommt, ist bis heute nicht vollständig erforscht. Angenommen wird, dass ein bestimmter Gehirnbereich, der Hypothalamus, an der Entstehung der Schmerzattacken mitwirkt. Im Hypothalamus wird unter anderem der Schlaf-Wach-Rhythmus gesteuert. Da die Schmerzattacken des Clusterkopfschmerzes tages- und jahreszeitlich gehäuft auftreten, liegt es also nahe, dass der Hypothalamus beteiligt ist. Dafür sprechen auch Positronen-Emissions-Tomografie-Untersuchungen (PET), die eine veränderte Aktivität in dieser Gehirnregion nachgewiesen haben.
Hinzu kommen wahrscheinlich auch genetische Faktoren, denn Clusterkopfschmerzen können mehrere Mitglieder einer Familie betreffen.
Ursachen und Risikofaktoren
Ein Teil der Betroffenen gibt Auslöser für die Schmerzattacken an (Trigger). Diese lösen jedoch nur die einzelnen Attacken aus und sind nicht die Ursache der Erkrankung. Trigger sind von Person zu Person unterschiedlich und einige Betroffene reagieren auf keinen der bekannten Auslöser.
Zu den Triggern gehören z. B.
- Alkohol
- Nikotin
- bestimmte Lebensmittel, z. B. Schokolade, Zitrusfrüchte, Tomaten und histaminreiche Nahrung wie bestimmte Käse- und Fischsorten
- Lebensmittelzusatzstoffe wie Glutamat und Nitrate
- bestimmte Medikamente, z. B. Nitroglycerin (ein Herzmedikament) Sildenafil (ein Blutdrucksenker und Potenzmittel)
- Lärm, grelles oder flackerndes Licht, Hitze
- intensive Gerüche, z. B. Lösungsmittel, Klebstoff oder Benzin
- starke körperliche oder emotionale Belastungen
- Abweichungen von den Schlafgewohnheiten, z. B. ein Mittagsschlaf.
Klinik, Verlauf und Komplikationen
Clusterkopfschmerzen treten immer sehr plötzlich auf und sind streng auf eine Seite begrenzt. Die Kopfschmerzen sind extrem heftig und meist hinter dem Auge am stärksten ausgeprägt. Eine Attacke dauert zwischen 15 Minuten und 3 Stunden.
Gleichzeitig kommt es auf derselben Seite zu Begleitsymptomen wie Tränenfluss, „laufender“ Nase und Hornersyndrom mit Pupillenverengung, herabhängendem Augenlid und eingesunkenem Augapfel. Bei einigen Betroffenen rötet sich und schwitzt die Stirn oder das Gesicht auf der betroffenen Seite. Auch ein Völlegefühl im Ohr ist möglich.
Typisch für den Clusterkopfschmerz ist außerdem ein ausgeprägter Bewegungsdrang während der Attacke. Etwa die Hälfte der Betroffenen hat zwischen den Attacken einseitig betonte und stetig vorhandene "Restschmerzen". Auch migräneartige Beschwerden wie eine Aura (Sehstörungen, Empfindungs- und Sprachstörungen), Übelkeit, Lärm- und Lichtscheu sind möglich.
Bei etwa 80–85 % der Betroffenen liegt ein episodischer Clusterkopfschmerz vor. Zwischen mehreren Wochen oder Monaten mit gehäuften Attacken (Cluster) liegen schmerzfreie Phasen, die Monate oder sogar Jahre dauern können. Treten die Attacken über mehr als ein Jahr ohne oder mit nur kurzen beschwerdefreien Intervallen auf, handelt es sich um einen chronischen Clusterkopfschmerz.
Die Schmerzattacken treten oft immer zur selben Zeit am Tag auf, meist wenige Stunden nach dem Einschlafen oder in den frühen Morgenstunden. Typisch ist ein Beginn der Clusterepisoden im Frühjahr und Herbst.
Diagnosesicherung
Die Diagnose wird zwar in erster Linie aufgrund des Beschwerdebildes und der neurologischen Untersuchung gestellt, zur Sicherheit wird aber eine CT und eine MRT-Untersuchung durchgeführt. So lassen sich andere Erkrankungen ausschließen.
Differenzialdiagnosen. Meist lassen sich beim Clusterkopfschmerz im CT und MRT keine Auffälligkeiten finden. Beginnen die Kopfschmerzen erst im hohen Lebensalter, liegen aber nicht selten andere Ursachen für die Beschwerden vor. Hierzu gehören vor allem Gehirntumoren, eine Karotisdissektion, ein Schlaganfall oder eine Entzündung.
Behandlung
Die medizinische Behandlung des Clusterkopfschmerzes ist in zwei Bereiche unterteilt:
Soforttherapie. Mittel Nr. 1 zur Verkürzung der Attacken ist das Einatmen von Sauerstoff über eine spezielle Gesichtsmaske. Dies führt über eine Gefäßverengung innerhalb von 15 bis 20 Minuten zur Symptomlinderung. Auch das Einbringen von Lidocain-Lösung in das Nasenloch der betroffenen Seite hilft einem Teil der Betroffenen. Lidocain ist ein Mittel zur örtlichen Betäubung. Sind diese nebenwirkungsfreien Maßnahmen nicht ausreichend wirksam, werden Triptane als Nasenspray oder zum Selbstspritzen verordnet. Die Wirkung von Tabletten setzt zu spät ein.
Anfallsprophylaxe. Der Kalziumantagonist Verapamil ist das Medikament der Wahl zur Prophylaxe bei länger dauernden Phasen des episodischen sowie bei chronischem Clusterkopfschmerz. Bei Langzeitanwendung ist allerdings ein Wirkungsverlust möglich. Wegen seiner Wirkungen auf Herz und Gefäße sind Kontrollen von Blutdruck und EKG nötig. Auch Lithium und Topiramat werden eingesetzt. Kortison dient wegen der Nebenwirkungen bei Dauereinnahme nur kurzzeitig zur Überbrückung, bis andere Medikamente greifen.
Bessern sich die Schmerzen durch keines der Medikamente, stehen verschiedene Operationsmethoden zur Auswahl. Hierbei werden z. B. Elektroden oder Schrittmacher in verschiedene Gehirnbereiche implantiert und so verschiedene Nervenbahnen oder der Hypothalamus stimuliert. Dadurch wird die Schmerzleitung und -wahrnehmung beeinflusst. Diese Verfahren erzielen jedoch nicht immer eine dauerhafte Besserung und es besteht das Risiko einer Nervenverletzung. Daher muss die Entscheidung zur Operation sorgfältig abgewogen werden.
Geforscht wirkt aktuell an einem neuen Wirkstoff: einem Antikörper, der die Wirkung eines Botenstoffes blockiert und dadurch vermutlich die Schmerzübertragung an Nervenwurzeln hemmt.
Prognose
Bei etwa 20–40 % der Betroffenen heilt die Krankheit nach einigen Jahren von selbst.
Bei 10–15 % gehen die Schmerzepisoden in einen chronischen Verlauf über. Bei diesen Patient*innen kann die Erkrankung Depressionen und Angststörungen begünstigen.
Die Schmerzattacken sind so stark, dass einige Betroffene sogar einen Suizid erwägen. Deshalb ist eine schnelle und ausreichend wirksame Behandlung wichtig. In den meisten Fällen gelingt dies mit den zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden.
Ihre Apotheke empfiehlt
Was Sie selbst tun können
Selbstmedikation. Die Einnahme von den üblichen freiverkäuflichen Schmerzmitteln wie Paracetamol und Acetylsalicylsäure ist unwirksam. Fälschlicherweise haben Betroffene oft das Gefühl, diese oder andere Mittel hätten geholfen. Dies liegt aber daran, dass die Clusterattacke ohnehin zeitlich begrenzt ist. Das Ende der Schmerzen wird dann falsch auf die Medikamenteneinnahme zurückgeführt. Zudem kann die häufige Einnahme dieser Schmerzmittel selbst Kopfschmerzen auslösen. Deshalb ist es wichtig, sich bei wiederholt auftretenden Kopfschmerzen in einer Arztpraxis vorzustellen.
Kopfschmerztagebuch. Clusterkopfschmerzen können durch bestimmte Stoffe ausgelöst werden. Deshalb ist es zweckmäßig, ein Kopfschmerztagebuch zu führen, um die Anfallsauslöser (Trigger) zu ermitteln und zukünftig zu meiden.
Schwerbehindertenausweis. Unter bestimmten Voraussetzungen haben Clusterkopfschmerz-Patient*innen Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis. Wenden Sie sich hierzu an das Versorgungsamt.
Selbsthilfegruppen. Jede Schmerzattacke schränkt das berufliche und private Leben ein und beeinträchtigt die Lebensqualität. Suchen Sie sich Unterstützung in einer Selbsthilfegruppe. Diese bietet nicht nur Rat, wie man mit den Beschwerden besser umgehen kann. Vielen Patient*innen hilft es auch, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, weil diese die Einschränkungen und Belastungen am besten verstehen können.
Komplementärmedizin
Für nicht-schulmedizinische Heilmethoden gibt es keine oder nur kleine und wenig aussagekräftige Studien. Betroffene berichten aber mitunter von positiven Wirkungen. Zum Beispiel kann eine Ernährungsumstellung auf eine histaminarme Kost hilfreich sein, insbesondere wenn bestimmte Lebensmittel als Trigger nachweisbar sind. Die Einnahme von Magnesium und Vitamin-B-Präparaten kann möglicherweise die Häufigkeit und Schwere der Attacken reduzieren. Einige Betroffene berichten, dass ihnen das Trinken von Energydrinks als Sofortmaßnahme während der Attacke hilft.
Weiterführende Informationen
Internetseite des Clusterkopfschmerz-Selbsthilfeverbands Deutschland e. V. (CSG, Waldfeucht): Unter den Rubriken Downloads und Broschüren finden Sie hilfreiche Faltblätter, einen Clusterkopfschmerz-Kalender und Ratgeber zum Herunterladen, z. B.: Clusterkopfschmerz – 100 Fragen 100 Antworten von H. Müller
Quellen:
- AWMF (2015) Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen. S1-Leitlinie von der Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Reg. Nr. 030 - 036, Langfassung. Abrufbar unter https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-036
- Pschyrembel (2025) Cluster-Kopfschmerz. Webartikel zur Klinischen Praxis. Abgerufen am 11.02.2025 unter https://www.pschyrembel.de/Cluster-Kopfschmerz/K052X/doc/
- Amboss (2025) Cluster-Kopfschmerz. Webartikel zur Klinischen Praxis. Abgerufen am 11.02.2025 unter https://next.amboss.com/de/article/Ri0lrf?q=Cluster-Kopfschmerz
Bei nächtlichem Wachliegen und Grübeln können bestimmte kognitive Techniken helfen, wieder einzuschlafen.
So findet man zu gutem Schlaf
Wenn die Nacht zur Qual wird
Schlafprobleme – wer kennt das nicht? Kommen sie nur sporadisch vor, kann man das ganz gut verkraften. Doch was tun, wenn man wochenlang nicht zügig ein- oder durchschläft oder schon vor dem Morgengrauen erwacht? Neben der Schlafhygiene sind verhaltenstherapeutische Maßnahmen wie Stimuluskontrolle oder der Gedankenstuhl effektiv. Kurzzeitig können auch Medikamente helfen.
Viel zu viele schlafen schlecht
Gelegentlich schlecht zu schlafen ist ganz normal. Ob Stress durch Prüfungen oder private Probleme, wechselnde Lebensumstände oder ungünstige Schlafumgebung – solche Faktoren können dazu führen, dass man schlechter einschläft, nachts häufiger aufwacht und sich morgens wie gerädert fühlt. Vorübergehenden Schlafprobleme sind aber in der Regel harmlos. Und weit verbreitet: In einer Untersuchung des Robert Koch-Instituts leiden etwa 30% der Erwachsenen mehr als drei Mal pro Woche an Ein- und/oder Durchschlafstörungen.
Von einer krankhaften Schlafstörung (medizinisch Insomnie genannt) spricht man, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- Ein- und/oder Durchschlafstörungen oder zu frühes morgendliches Erwachen an mindestens drei Nächten pro Woche über mindestens einen Monat (oder drei Monate, je nach Definition).
- Die Betroffene schläft zu wenig, obwohl ausreichend Gelegenheit für Schlaf besteht.
- Der fehlende Schlaf beruht nicht auf einer begleitenden Erkrankung, der Einnahme von Medikamenten oder dem Konsum von Drogen.
Auch die Insomnie ist in Deutschland nicht selten. Immerhin sollen 6% der Erwachsenen darunter leiden, das sind ungefähr 4,2 Millionen Menschen.
Schlafmangel und Schlafstörungen beeinflussen nicht nur die Lebensqualität. Sie können erhebliche Folgen für die Gesundheit haben. In zahlreichen Studien wurde gezeigt, dass ein Zusammenhang mit Übergewicht, Diabetes, Depressionen, Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Schlaganfall besteht. Zudem gibt es Hinweise, dass zu wenig Schlaf mit einem erhöhten Risiko für Demenz verbunden ist.
Hinweis: Frauen leiden häufiger unter Schlafstörungen als Männer. Das liegt unter anderem an biologischen Unterschieden. Der Schlaf von Frauen ist störanfälliger, d.h. sie wachen durch äußere Reize leichter auf. Zudem sind sie stärker von hormonellen Schwankungen betroffen.
Auf der Suche nach möglichen Ursachen
Schlafstörungen entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener äußerer und innerer Faktoren. Fachleute gehen davon aus, dass es eine genetische Veranlagung gibt. Leiden direkte Verwandte an einer Insomnie, steigt die eigene Erkrankungswahrscheinlichkeit um 40%.
Die angeborene Anfälligkeit verändert neurobiologische Prozesse. So sind z. B. gleichzeitig wach- und schlaffördernde Bereiche im Gehirn aktiv. Verschiedene Faktoren beeinflussen diese Vorgänge zusätzlich. Dazu gehören einerseits stressige Ereignisse, aber auch ein erhöhtes Alter und Begleiterkrankungen.
Die veränderten neurobiologischen Prozesse werden dann durch Grübeln, vermehrte Sorge um den Schlaf und die fehlende Erholung weiter verstärkt. Es kommt zu einem Teufelskreis, in dem sich die Schlafstörung selbstständig macht und im schlimmsten Fall zur krankhaften Insomnie wird.
Wichtige Auslöser für Schlafstörungen sind zudem psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Demenz. Manche Schlafstörungen haben auch eine körperliche Ursache. Sie werden organisch bedingte Schlafstörungen genannt und kommen z. B. beim Restless-Legs-Syndrom und beim Schlaf-Apnoe-Syndrom vor. Zudem stören viele chronische Erkrankungen den Schlaf, so z. B. Krebserkrankungen, chronische Herz- oder Nierenerkrankungen und die Multiple Sklerose.
Hinweis: Ein Risikofaktor für Schlafstörungen ist das Alter. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Schlafkontrollsysteme im Gehirn dann weniger gut funktionieren. Zusätzlich spielen auch die im Alter häufigeren Begleiterkrankungen eine Rolle.
Vom Schlaftagebuch bis zum Schlaflabor
Bei ausgeprägten Schlafstörungen sollten Betroffene immer in die Arztpraxis gehen. Dies ist wichtig, um mögliche Ursachen aufzuspüren, schwerwiegende Erkrankungen auszuschließen und eine gezielte Behandlung einzuleiten.
Basis der Untersuchung ist die Anamnese, also die Erhebung der Krankengeschichte. Die Ärzt*in fragt nach Art und Ausmaß der Schlafprobleme und ob der Schlafmangel die Tagesaktivität beeinträchtigt. Entscheidend ist dabei das subjektive Befinden der Betroffenen.
Empfehlenswert ist ein Schlaftagebuch, in dem morgens und abends kurze Protokolle zum Schlaf und zum Tag notiert werden. Es sollte über 7 bis 14 Tage hinweg geführt werden. Oft verwendet die Ärzt*in auch Fragebogentests, um den Schweregrad der Schlafstörung zu erfassen. Ein häufig eingesetztes Tool ist die Regensburg Insomnia Scale, die mithilfe von 10 Fragen emotionale und verhaltensbezogene Beschwerden wie Grübeln, Schlafangst und beeinträchtigte Tagesform erfasst.
Technische Untersuchungen sind bei der Diagnose einer Insomnie nur selten erforderlich. Die Messung der Aktivitäts- und Ruhephasen mittels Bewegungsmessern (Aktigraphie) kann Schlafenszeiten über längere Zeiträume erfassen, gilt aber als ungenauer als die Polysomnographie (siehe unten). Inzwischen ist auch bei vielen Smartwatches ein Bewegungsmesser integriert. Ein Nutzen für die Diagnose und die Verlaufsbeobachtung von Schlafstörungen ist für diese Applikationen ebenfalls nicht hinreichend belegt.
Anders sieht das mit der Polysomnographie im Schlaflabor aus. Diese aufwändige Methode ermöglicht es, Insomnien gut darzustellen, aber vor allem auch begleitende oder verursachende Störungen zu identifizieren. Eingesetzt wird das Verfahren, wenn sich eine Insomnie trotz Behandlung nicht bessert oder z. B. der Verdacht auf eine Schlafapnoe oder ein Restless-Legs-Syndrom besteht.
Bei der Diagnostik von Schlafstörungen müssen immer die Erkrankungen ausgeschlossen werden, die eine Insomnie auslösen oder verstärken können. Je nach Verdacht kommen dann Laboruntersuchungen, bildgebende Verfahren, EKG, EEG oder andere Methoden zum Einsatz.
Ganz wichtig ist auch die Frage nach Medikamenten, Alkohol- oder Drogenkonsum. Denn es gibt eine Vielzahl von Substanzen, die den Schlaf stören können. Dazu gehören neben Alkohol, stimulierenden Genussmitteln und illegalen Drogen (Koffein, Amphetamin) u.a. vor allem folgende Arzneimittel:
- Antidementiva wie Piracetam
- antriebssteigernde Antidepressiva wie manche SSRI
- Blutdruckmedikamente und Diuretika (harntreibende Medikamente)
- Asthmamedikamente wie Beta-Sympathomimetika
- Hormonpräparate, insbesondere Kortison und Thyroxin
Die Basis für einen guten Schlaf
Viele Regeln für einen guten Schlaf liegen auf der Hand. Die Leitlinien empfehlen, nach dem Mittagessen keine koffeinhaltigen Getränke zu konsumieren und auf Alkohol zu verzichten. Vor dem Zu-Bett-Gehen zu vermeiden sind
schwere Mahlzeiten
geistig und körperlich aktivierende Tätigkeiten wie aufregende Filme, schwierige Lektüre oder anstrengender Sport sowie
helles, aktivierendes Licht.
Hilfreich sind dagegen ein persönliches Einschlafritual und ein ruhiges, kühles und dunkles Schlafzimmer. Ganz wichtig: nachts nicht auf den Wecker oder die Armbanduhr schauen. Der Blick auf die Uhr löst oft Gedanken wie „Noch so wenig Zeit zum Schlafen“ aus und verstärkt dadurch den inneren Druck.
Wenn die genannten Basismaßnahmen den Schlaf nicht verbessern, empfehlen Expert*innen zunächst Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Dazu gehören neben Verfahren zur Entspannung die Stimuluskontrolle, die Schlafrestriktion und kognitive Techniken.
Zu den häufig eingesetzten Entspannungsmethoden gehören die progressive Muskelrelaxation, Phantasiereisen und Achtsamkeitsübungen. Sie alle können dabei helfen, den Schlaf anzustoßen.
Die sogenannten Stimuluskontrolle beruht darauf, dass sich viele Patient*innen im Verlauf ihrer Schlafprobleme selbst klassisch konditioniert haben. Das bedeutet, dass ihr Unterbewusstsein die Schlafumgebung automatisch mit dem Wachsein verknüpft. Ziel der Stimuluskontrolle ist, diese Verknüpfung wieder zu löschen, indem so wenig Zeit wie möglich wach im Bett verbracht wird. Die Instruktionen lauten folgendermaßen:
- Nur zu Bett gehen, wenn man müde ist.
- Das Bett nur zum Schlafen und für Sex benutzen. Nicht darin Lesen, Trinken, Rauchen oder Fernsehen.
- Ist man nach 15 Minuten nicht eingeschlafen, wieder aufstehen und einer angenehmen Tätigkeit nachgehen. Dann erst wieder ins Bett, wenn man müde ist. Kann man immer noch nicht einschlafen, den Vorgang wiederholen.
- Jeden Morgen zur gleichen Zeit aufstehen.
- Tagsüber nicht hinlegen.
Auch die Bettzeitrestriktion kann den Schlaf verbessern. Die Idee dabei ist, durch den verkürzten Schlaf und die verlängerte Tagesaktivität den Schlafdruck zu erhöhen. Dadurch soll der Anteil des Tiefschlafs steigen und das Ein- und Durchschlafen verbessert werden. Ist dies gelungen, kann die Schlafenszeit wieder ausgedehnt werden. Für die Bettzeitrestriktion wird zunächst mittels Tagebuch über sieben Tage hinweg die durchschnittliche Schlafdauer ermittelt. Diese legt man anschließend für eine Woche als Bettzeit fest (allerdings nie weniger als 4,5 h). Je nachdem, wie sich dadurch die Schlafdauer verändert, wird die Bettzeit entsprechend angepasst.
Mittels Verhaltenstherapie können Betroffene auch kognitive Techniken zur Verbesserung des Schlafs erlernen. Diese zielen insbesondere auf das Grübeln ab. Eine Methode ist der Gedankenstuhl. Dabei setzt man sich einige Zeit vor dem Zubettgehen für 15 bis 20 Minuten auf einen Stuhl, um bewusst und zielorientiert über Probleme und Sorgen nachzudenken. Steht man danach auf, sollten die Gedanken auf dem Stuhl zurückbleiben und nicht mit ins Bett genommen werden. Eine andere Technik ist das Hinterfragen nutzloser Überzeugungen im sokratischen Dialog, also anhand kritischer Fragen. Manche Therapeut*innen empfehlen auch die „paradoxe Intention“. Nach dieser Methode der Psychotherapie soll man das, wovor man Angst hat, übertreiben. Das hilft oft, entspannter zu werden. Die Betroffenen sollen demnach im Bett so lange wie möglich wach bleiben, damit sich der Schlaf leichter einstellt.
Tipp: Apps oder bestimmte Musik können beim Einschlafen helfen. So z. B. das achtstündige, vom Komponisten Max Richter und Neurowissenschaftlern entwickelte Werk „Sleep“. Manche Menschen bevorzugen Apps mit Naturgeräuschen oder Herzschlag, um das Einschlafen zu fördern.
Wann kommen Medikamente ins Spiel? Reichen die genannten Maßnahmen nicht aus, gibt es gegen die Schlafstörungen auch Medikamente. Sie alle dürfen nur nach ärztlicher Verordnung und unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden, da Nebenwirkungen, Abhängigkeit und Rebound-Phänomene drohen. Letzteres bedeutet, dass nach dem Absetzen der Schlafmittel die ursprünglichen Schlafstörungen verstärkt zurückkehren.
Benzodiazepine sind für die Kurzzeittherapie (unter vier Wochen!) geeignet. Als Nebenwirkungen drohen Benommenheit, Sturzgefahr, Gedächtnisstörungen und Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit, außerdem können sie den Atemantrieb dämpfen. Die Risiken sind insbesondere bei älteren Menschen erhöht. Weil Benzodiazepine schnell abhängig machen, darf man sie nur kurzzeitig einnehmen.
Z-Substanzen wie Zolpidem oder Zopiclon binden wie Benzodiazepine an den Benzodiazepinrezeptor im Gehirn und wirken daher ähnlich. Sie sind schnell wirksam, dürfen aber ebenfalls nur maximal vier Wochen eingesetzt werden. Bei ihnen kommt es zu ähnlichen Nebenwirkungen wie bei den Benzodiazepinen, zusätzlich sind Geschmacksstörungen und Schlafwandeln möglich. Von einer Langzeittherapie mit Z-Substanzen raten die Leitlinien ebenfalls ab.
Auch sedierende Antidepressiva werden häufig gegen Schlafstörungen verordnet. Ob die gegen Depressionen zugelassenen Medikamente auch bei Insomnie helfen, ist allerdings noch nicht sicher nachgewiesen. Doxepin und Trazodon scheinen zu helfen, haben aber Nebenwirkungen. Typisch sind Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Tagesmüdigkeit und, vor allem bei Älteren, Verwirrtheit. Für die Langzeitbehandlung werden sie nicht empfohlen, es sei denn, die Schlafstörungen stehen im Zusammenhang mit einer behandlungsbedürftigen Depression.
Melatonin ist für die Kurzzeitbehandlung bei Patient*innen über 55 Jahren zugelassen. Die stärksten Effekte zeigen sich auf die Einschlaflatenz, d.h. auf die Dauer bis zum Einschlafen. Mögliche unerwünschte Wirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Aufgrund noch fehlender Daten wird Melatonin von vielen Expert*innen nicht für die Langzeitbehandlung empfohlen. Melatoninhaltige Präparate sollten ausschließlich in der Apotheke und nicht im Internet erworben werden. Nur so ist gewährleistet, dass die Produkte kontrolliert und geprüft sind und kein Gesundheitsrisiko darstellen.
Orexin-Rezeptor-Antagonisten sind neu auf dem Markt, der erste Vertreter wurde 2022 in Deutschland zugelassen. Sie fördern den Schlaf und verringern die subjektiv empfundene Tagesschläfrigkeit. Unklar ist, wie sie auf Ein- und Durchschlafprobleme wirken. Sie sollen langfristig verträglich sein, als Nebenwirkung wird u.a. Kopfschmerzen genannt. Angesichts der noch fehlenden Langzeitdaten sind die Leitlinien zurückhaltend mit ihrer Empfehlung.
Vor allem bei alten Menschen werden zur Behandlung von Schlafstörungen auch Antipsychotika wie Melperon und Pipamperon angewendet. Gute Studien liegen jedoch nicht vor, weshalb davon eher abgeraten wird. Ähnlich sieht es aus mit sedierenden, oft rezeptfrei erhältlichen Antihistaminika (Diphenhydramin, Doxylamin). Aufgrund der geringen Effektivität und der schnellen Toleranzentwicklung sieht die Leitlinie auch für sie keinen generellen Platz in der Insomniebehandlung.
Pflanzliches, Bewegung und Licht
Auch aus dem Bereich der Pflanzenmedizin stammen einige Präparate, die gegen Schlafstörungen helfen sollen. Laut derzeitiger Datenlage ist die Wirkung allerdings nicht klar belegt. Einige Studien zu Baldrian, Hopfen, Passionsblume und Melisse zeigen zwar zum Teil positive Effekte bei leichten bis mittleren Schlafstörungen. Die Qualität der meisten Untersuchungen und damit ihre Aussagekraft ist allerdings gering.
Die aktuelle deutsche Leitlinie zur Behandlung der Insomnie rät deshalb von pflanzlichen Präparaten ab. Etwas anders sieht das die European Medicines Agency EMA: Sie bewertet Baldrian als „bewährt“ und Passionsblume als „traditionell“. Dies anerkennt die jahrzehntelange sichere Anwendung, bedeutet aber ebenfalls nicht, dass eine fundierte wissenschaftliche Wirkung nachgewiesen ist.
Effektiver als die Pflanzenmedizin scheinen laut Expert*innen drei weitere nichtmedizinische Methoden zu sein:
- Bewegungstherapie: Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert die Schlafqualität, weil sie den Schlaf-Wach-Rhythmus stärkt, Stress abbaut und die Produktion schlaffördernder Hormone wie Melatonin unterstützt. Intensiv bewegen sollte man sich aber nur bis 4 bis 8 Stunden vor dem Schlafengehen, da sich sonst das Einschlafen verzögern kann.
- Lichttherapie: Sie hilft bei Schlafstörungen, indem sie die innere Uhr (den zirkadianen Rhythmus) steuert und so das Einschlafen und Aufwachen reguliert. Dabei wird der Körper morgens durch helles künstliches Licht angeregt, die Melatoninproduktion zu kontrollieren. Die Methode wirkt besonders unterstützend bei Jetlag, Schichtarbeit und saisonalen Schlafproblemen.
- Künstlerische Therapien: Musiktherapie, therapeutisches Malen oder Tanztherapie fördern die Entspannung, vermindern Stress und emotionale Spannungen und können dadurch indirekt das Einschlafen erleichtern. Sie werden deshalb oft ergänzend zu anderen Behandlungen empfohlen.
Hinweis: Methoden gegen Schlafstörungen gibt es unzählige. Viele der angebotenen Optionen sind jedoch nicht effektiv. Abgeraten wird in den aktuellen Leitlinien z. B. davon, Insomnien mit Aromatherapie, Akupunktur, Fußreflexzonenmassage oder Homöopathie zu behandeln.
Quellen: Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“ - Update 2025, (AWMF-Registernummer 063-003), Version 2.0,

