Gesundheit heute
Migräne
Migräne: anfallsartige, häufig pulsierende, meist einseitige Kopfschmerzen, die oft eingeleitet oder begleitet werden von vegetativen Symptomen, Licht- und Lärmempfindlichkeit sowie neurologischen Ausfällen wie z. B. einer Sehstörung.
Migräne ist eine häufige Erkrankung: Etwa 15 % der Frauen und 5 % der Männer im Erwachsenenalter darunter. Der Erkrankungsbeginn liegt meist im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter; selten sind auch Kinder betroffen. Nach dem 45. Lebensjahr bessert sich die Migräne oft von selbst – bei Frauen wirkt sich der Übergang in die Wechseljahre in der Regel positiv aus.
Die Hälfte der Betroffenen erleidet etwa einen Anfall im Monat, jeder zehnte hat aber 4 und mehr Anfälle im Monat.
Symptome und Leitbeschwerden
- Wiederholte Kopfschmerzanfälle, meist pulsierend und einseitig (ein Seitenwechsel ist möglich)
- Dauer wenige Stunden bis zu 3 Tagen, der Beginn ist typischerweise morgens
- Zunahme bei körperlicher Aktivität
- Alltagsaktivitäten sind während des Migräneanfalls erheblich beeinträchtigt oder unmöglich
- Initial oder begleitend Lärm- oder Lichtscheu, Übelkeit, häufig Erbrechen, Sehstörungen und andere Missempfindungen.
Wann zum Arzt
In den nächsten 2 Wochen, wenn
- erstmalig ein Kopfschmerz auftritt, der zu einer Migräne "passt".
- sich der Charakter einer bekannten Migräne ändert oder eine bislang erfolgreiche Selbstbehandlung nicht mehr wirkt.
In den nächsten Tagen, wenn
- die Kopfschmerzattacken immer morgens beginnen.
- zwischen den "Anfällen" keine Beschwerdefreiheit besteht.
- die Kopfschmerzen sehr stark sind und auf "nichts" ansprechen.
Sofort den Arzt rufen, wenn
- der Betroffene Krämpfe hat, bewusstlos wird oder Lähmungserscheinungen zeigt.
Die Erkrankung
Überblick. Die Migräne ist nicht, wie früher angenommen, psychisch bedingt und schon gar nicht wird ein Migräneanfall vorgetäuscht ("sie hat wieder mal ihre Migräne"), psychische Faktoren beeinflussen aber den Krankheitsverlauf. Vermutlich ist die Migräne erblich mitbedingt, bei einer seltenen Sonderform sind Gendefekte als direkte Ursache identifiziert. Besteht eine Neigung zur Migräne, lösen verschiedenste Einflüsse, etwa bestimmte Nahrungs- und Genussmittel wie Rotwein, Schokolade oder Käse, Änderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, Hitze, Lärm, Flackerlicht, Stress (oder Entspannung nach vorheriger Anspannung), Aufenthalt in großer Höhe, aber auch "heraufziehende" Infektionen oder bei Frauen die "Pille" sowie die Regelblutung Migräneanfälle aus.
Formen. Beginnt der Anfall sofort mit Kopfschmerzen, spricht man von einer Migräne ohne Aura. Diese ist die häufigste. Bei ungefähr 10–15 % der Betroffenen leiten aber neurologische Ausfälle (häufig Sehstörungen wie z. B. Lichtblitze und Gesichtsfelddefekte) eine Migräneattacke ein. Diese Form heißt Migräne mit Aura (oder auch klassische Migräne).
Ursachen. Wie es genau zu einem Migräneanfall kommt, ist nach wie vor nicht ganz klar. Nach heutigem Kenntnisstand steht eine Funktionsstörung der Nervenzellen und nicht der Blutgefäße am Anfang des Geschehens. Mittels SPECT und PET konnte eine erhöhte Durchblutung in Teilen des Hirnstamms nachgewiesen werden. Wahrscheinlich führt dies zu einer veränderten Botenstoffausschüttung, wobei dem Botenstoff Serotonin eine entscheidende Rolle zukommt. Dieser soll dann auf die Fasern des Trigeminusnervs ("zuständig" für die Empfindungen von Hirnhäuten und Gesicht) und die körpereigenen schmerzregulierenden Systeme zurückwirken sowie die Hirnhautgefäße erweitern und dadurch zum migränetypischen Kopfschmerz führen.
Für die Aura verantwortlich ist wahrscheinlich eine verminderte Nervenzellaktivität, die über Teile der Großhirnoberfläche wandert und phasenweise die Durchblutung vermindert.
Ein Migräneanfall verläuft typischerweise in 4 Phasen:
- Prodromi (Vorboten) mit depressiver Verstimmung, Reizbarkeit, Heißhunger auf bestimmte Nahrungsmittel
- Aura mit reversiblen neurologischen Symptomen wie Sehstörungen, Empfindungs- oder Sprachstörungen
- Kopfschmerzattacke mit Begleiterscheinungen
- Anfallsende: Abklingen der Schmerzen mit Erschöpfung und verstärktem Schlafbedürfnis.
Die Veranlagung zur Migräne ist nicht zu ändern, mit einer Kombination der unten genannten Behandlungsmöglichkeiten gelingt es den meisten Betroffenen aber, sie in einem erträglichen Rahmen zu halten.
Sonderformen. Migräneanfälle, die mit der Menstruationsblutung assoziiert sind, werden als menstruelle Migräne bezeichnet; Migräneanfälle mit lange nachwirkenden neurologischen Symptomen wie z. B. Lähmungserscheinungen als Migraine accompagnée.
Komplikationen. Migräneanfälle, die innerhalb von 72 Stunden nicht aufhören, bezeichnet man als Status migraenosus. Sie erfordern besondere Therapiemaßnahmen und oft eine Einweisung ins Krankenhaus.
Diagnosesicherung
Sind die Beschwerden typisch und kann der Arzt keine weiteren Auffälligkeiten feststellen, "steht" die Diagnose.
Passt aber das Bild nicht ganz, treten z. B. erstmals Ausfälle auf, beginnt die Erkrankung erst nach dem 40. Geburtstag oder ändert sich eine bekannte Migräne, muss der Arzt andere Grunderkrankungen ausschließen, wofür dann meist ein CT und/oder ein Kernspin vom Hirnschädel erforderlich sind.
Behandlung
Die Therapie der Migräne ist schwierig – es gibt keine Wundermittel, und kein Medikament beseitigt alle Symptome. Moderne Ansätze umfassen neben der medikamentösen Behandlung psychotherapeutische und physiotherapeutische Heilverfahren sowie Änderungen im Lebensstil sowie Selbsthilfemaßnahmen.
Pharmakotherapie im Migräneanfall
Viele Migräneanfälle sind so schwer, dass Selbsthilfemaßnahmen (siehe unten) nicht ausreichen. Je nach Bedarf und schrittweise sollen Erwachsene nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften einnehmen:
- Gegen Übelkeit und Erbrechen ein Antiemetikum wie z. B. Metoclopramid 10–20 mg als Tablette.
- Eine Viertelstunde später gegen die Schmerzen:
Als Mittel der ersten Wahl 900–1000 mg Acetylsalicylsäure, 1000 mg Paracetamol oder 400 mg Ibuprofen, am besten als Brause- oder Kautablette. Es gibt auch Kombinationspräparate – etwa mit 250–265 mg Acetylsalicylsäure, 200–265 mg Paracetamol und 50–65 mg Koffein – für viele sind sie wirksamer als die Einzelsubstanzen. Die einzelne Einnahmedosis liegt bei 2 Tabletten. Für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sind Paracetamol oder Ibuprofen am besten, für Schwangere Paracetamol. Paracetamol lässt sich auch als Zäpfchen verabreichen.
Metamizol (bis 1000 mg als Tablette) gilt als Mittel der zweiten Wahl.
Stärker wirken Triptane, etwa Sumatriptan, Zolmitriptan oder Naratriptan. Sie greifen in das Botenstoffgefüge (genauer den Serotoninhaushalt) im Gehirn ein. Triptane gibt es als Schmelztabletten, Suppositorien, Nasensprays und zur subkutanen Injektion. Triptane dürfen erst im Migräneanfall eingenommen werden – und nicht schon während der Aura, da Triptane sonst selbst zum (arzneimittelinduzierten) Kopfschmerz und sogar zu häufigeren Migräneanfällen führen. Eine Nachdosierung nach mindestens 6 Stunden ist zulässig.
Reicht ein Triptan nicht aus, empfiehlt der Arzt das Triptan mit einem nichtsteroidalen Antirheumatikum (NSAR wie z. B. Acetylsalicylsäure, Naproxen oder Ibuprofen) zu kombinieren.
Weitere Medikamente: Die früher häufig verordneten Mutterkornalkaloide oder Ergotamine wurden durch die Triptane inzwischen verdrängt. Manche Betroffene kommen aber mit diesen Medikamenten gut zurecht und können sie dann weiter nehmen.
Medikamentöse Anfallsprophylaxe
Bei häufigen Migräneanfällen ist wegen des Nebenwirkungsrisikos der Anfallsmedikamente eine Dauergabe vorbeugender Medikamente sinnvoll.
- Vorzugsweise eingesetzt werden die aus der Bluthochdruckbehandlung bekannten Betablocker Metoprolol und Propranolol, der Kalziumantagonist Flunarizin und die Antiepileptika Topiramat und Valproinsäure. Ihre Wirksamkeit kann erst nach 2 Monaten wirklich beurteilt werden: die Anzahl an Migränetagen sollte sich um 30–50 % verringert haben. Um dies zu ermitteln, ist das Führen eines Kopfschmerztagebuches angezeigt. Bei Wirksamkeit der Therapie sollte nach 6–12 Monaten ein Auslass- oder Dosisreduktions-Versuch unternommen werden. Bei erneuter Verschlechterung der Migräne wird dann ein erneuter Behandlungszyklus eingeleitet.
- Sind diese Standardmedikamente nicht ausreichend, werden als weitere Medikamente das Antidepressivum Amitryptillin, das Analgetikum Naproxen, Botulinumtoxin, das Phytopharmakon Pestwurz und viele weitere Medikamente eingesetzt (zum Teil "off label", d. h. ohne dass diese für die Migräneprophylaxe zugelassen sind).
- Für Kinder, Schwangere sowie Patientinnen mit menstrueller Migräne bestehen besondere Empfehlungen.
Nichtmedikamentöse Anfallsprophylaxe
Die Akupunktur hat heute einen festen Platz in der nichtmedikamentösen Anfallsprophylaxe, die Wirksamkeit ist in zahlreichen Studien belegt (sie wirkt in einigen Fällen sogar beim beginnenden Migräneanfall und kann evtl. eine ausgeprägte Attacke verhindern).
Die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson und Biofeedback-gestützte Verhaltenstherapien sind vergleichbar wirksame Methoden, um Migräneanfällen vorzubeugen. Bei den Biofeedback-gestützten Verhaltenstherapien lernt der Patient, durch Konzentration den Schmerz willentlich zu beeinflussen. Ein Sensor über der Schläfenarterie misst deren Durchblutung, die auf einem Bildschirm dargestellt wird. Der Patient lernt aus dieser Rückmeldung, den Durchmesser der Arterie willentlich zu vergrößern und damit die Durchblutung zu steuern.
Weitere übende Verfahren wie Stressmanagement-Kurse oder Verhaltenstherapien sind im Einzelfall ebenfalls hilfreich. Beim Autogenen Training, das Studien ebenfalls als wirksam bewerten, ist die Stirnkühlübung der entscheidende Bestandteil des Übungsprogramms und zielt auf eine umfassende Entspannung. Das Autogene Training sollte in entsprechenden Kursen z. B. in Volkshochschulen erlernt und für längere Zeit – idealerweise Jahre – regelmäßig praktiziert werden. Die Durchführung der Übung ist, wenn man die Grundübungen in einem Kurs erlernt hat, auch alleine möglich.
Regelmäßiger Ausdauersport vermag die Zahl der Migräneanfälle zu reduzieren. Dreimal die Woche für 30–40 Minuten joggen bewirkt, dass das Gehirn dreimal die Woche Endorphine freisetzt. Dadurch steigt die individuelle Schmerzschwelle an, und Migräneanfälle treten seltener und schwächer auf. Auch der Bedarf an Medikamenten sinkt, wie mehrere Studien festgestellt haben.
Hinweis: Allerdings ist intensive sportliche Betätigung für manche Patienten ein Migräneanfallsauslöser. Diesen Betroffenen wird dann maßvoller(er) Ausdauersport wie rasches Gehen oder dosiertes Training auf dem HeimTrainer oder Fahrradergometer empfohlen.
Ihr Apotheker empfiehlt
Prävention
Auslöser meiden. Bekannte Anfallsauslöser sollten Sie meiden, allerdings ist es oft nicht leicht herauszufinden, was einen Anfall provoziert und was das beste Rezept dagegen ist. Dann ist für eine begrenzte Zeit das Führen eines Kopfschmerztagebuchs sinnvoll.
Lange Zeit galten Schokolade und Süßigkeiten als Migräne-Auslöser, da Betroffene häufig von Heißhungerattacken vor dem Anfall berichteten. Eine aktuelle Studie zeigt aber, dass Schokolade den Anfall nicht verursacht, sondern die verstärkte Lust auf Süßes ihn vielmehr ankündigt. Der Grund dahinter: Das Gehirn braucht Energie für den bevorstehenden Migräneanfall. Das bedeutet: Um einem Anfall vorzubeugen, nützt es nichts auf Schokolade zu verzichten. Im Gegenteil, laut der Studie verstärkt dieser Verzicht die Symptome sogar.
Komplementärmedizin
Physikalische Anwendungen. Während des Anfalls helfen am besten Ruhe in einem dunklen, leisen Raum und Kälteanwendungen, z. B. durch kalte Kompressen sowie Kühlpacks im Nacken aufgelegt oder in Form einer Migränebrille.
Manche Patienten profitieren von einer heißen Dusche oder einem Vollbad von 10–20 Minuten Dauer. Badezusätze aus Fichtennadeln und Rosmarin fördern die Durchblutung, Baldrian und Hopfen beruhigen, Arnika und Heublume lindern Schmerzen.
Akupunktur. In einer großen Akupunkturstudie (GERAC, 2005) zeigte sich die Akupunktur der schulmedizinischen Standardbehandlung als ebenbürtig.
Phytotherapie. Als klassisches Mittel bei Migräne gilt der Pestwurzwurzelstock (Petasites hybridus). Er wird zur Prophylaxe und Linderung von Migräneanfällen empfohlen, mehrere neurologische Fachgesellschaften in Europa halten die Heilpflanze für wirksam und die Anwendung für nutzbringend. Es wirkt aber nicht bei jedem Patienten und es gibt ein (sehr geringes) Risiko für Leberschäden, weshalb die Anwendung nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen soll.
Im Einzelfall zu erwägen sind auch die Naturheilmittel gegen chronischen Kopfschmerz wie z. B. Extrakte aus Weidenrinde.
Homöopathie. Empfohlen werden etwa Belladonna, Cimicifuga, Gelsemium und Sanguinaria als Akut- (D6 oder D12) oder Kombinationstherapie (ab C30) – eindeutige Nachweise zur Wirksamkeit fehlen jedoch trotz vieler Studien. Als Komplexmittel wird z. B. Cyclamen Oligoplax vorgeschlagen.
Weiterführende Informationen
- www.awmf.org – Leitlinie "Migräne, Therapie"
- www.neurologen-und-psychiater-im-netz.de – Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen
- www.dmkg.de – Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft
- www.migraeneliga.de – Verein für den Austausch von Informationen und Erfahrungen
Bei nächtlichem Wachliegen und Grübeln können bestimmte kognitive Techniken helfen, wieder einzuschlafen.
So findet man zu gutem Schlaf
Wenn die Nacht zur Qual wird
Schlafprobleme – wer kennt das nicht? Kommen sie nur sporadisch vor, kann man das ganz gut verkraften. Doch was tun, wenn man wochenlang nicht zügig ein- oder durchschläft oder schon vor dem Morgengrauen erwacht? Neben der Schlafhygiene sind verhaltenstherapeutische Maßnahmen wie Stimuluskontrolle oder der Gedankenstuhl effektiv. Kurzzeitig können auch Medikamente helfen.
Viel zu viele schlafen schlecht
Gelegentlich schlecht zu schlafen ist ganz normal. Ob Stress durch Prüfungen oder private Probleme, wechselnde Lebensumstände oder ungünstige Schlafumgebung – solche Faktoren können dazu führen, dass man schlechter einschläft, nachts häufiger aufwacht und sich morgens wie gerädert fühlt. Vorübergehenden Schlafprobleme sind aber in der Regel harmlos. Und weit verbreitet: In einer Untersuchung des Robert Koch-Instituts leiden etwa 30% der Erwachsenen mehr als drei Mal pro Woche an Ein- und/oder Durchschlafstörungen.
Von einer krankhaften Schlafstörung (medizinisch Insomnie genannt) spricht man, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- Ein- und/oder Durchschlafstörungen oder zu frühes morgendliches Erwachen an mindestens drei Nächten pro Woche über mindestens einen Monat (oder drei Monate, je nach Definition).
- Die Betroffene schläft zu wenig, obwohl ausreichend Gelegenheit für Schlaf besteht.
- Der fehlende Schlaf beruht nicht auf einer begleitenden Erkrankung, der Einnahme von Medikamenten oder dem Konsum von Drogen.
Auch die Insomnie ist in Deutschland nicht selten. Immerhin sollen 6% der Erwachsenen darunter leiden, das sind ungefähr 4,2 Millionen Menschen.
Schlafmangel und Schlafstörungen beeinflussen nicht nur die Lebensqualität. Sie können erhebliche Folgen für die Gesundheit haben. In zahlreichen Studien wurde gezeigt, dass ein Zusammenhang mit Übergewicht, Diabetes, Depressionen, Bluthochdruck, Herzerkrankungen und Schlaganfall besteht. Zudem gibt es Hinweise, dass zu wenig Schlaf mit einem erhöhten Risiko für Demenz verbunden ist.
Hinweis: Frauen leiden häufiger unter Schlafstörungen als Männer. Das liegt unter anderem an biologischen Unterschieden. Der Schlaf von Frauen ist störanfälliger, d.h. sie wachen durch äußere Reize leichter auf. Zudem sind sie stärker von hormonellen Schwankungen betroffen.
Auf der Suche nach möglichen Ursachen
Schlafstörungen entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener äußerer und innerer Faktoren. Fachleute gehen davon aus, dass es eine genetische Veranlagung gibt. Leiden direkte Verwandte an einer Insomnie, steigt die eigene Erkrankungswahrscheinlichkeit um 40%.
Die angeborene Anfälligkeit verändert neurobiologische Prozesse. So sind z. B. gleichzeitig wach- und schlaffördernde Bereiche im Gehirn aktiv. Verschiedene Faktoren beeinflussen diese Vorgänge zusätzlich. Dazu gehören einerseits stressige Ereignisse, aber auch ein erhöhtes Alter und Begleiterkrankungen.
Die veränderten neurobiologischen Prozesse werden dann durch Grübeln, vermehrte Sorge um den Schlaf und die fehlende Erholung weiter verstärkt. Es kommt zu einem Teufelskreis, in dem sich die Schlafstörung selbstständig macht und im schlimmsten Fall zur krankhaften Insomnie wird.
Wichtige Auslöser für Schlafstörungen sind zudem psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Demenz. Manche Schlafstörungen haben auch eine körperliche Ursache. Sie werden organisch bedingte Schlafstörungen genannt und kommen z. B. beim Restless-Legs-Syndrom und beim Schlaf-Apnoe-Syndrom vor. Zudem stören viele chronische Erkrankungen den Schlaf, so z. B. Krebserkrankungen, chronische Herz- oder Nierenerkrankungen und die Multiple Sklerose.
Hinweis: Ein Risikofaktor für Schlafstörungen ist das Alter. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Schlafkontrollsysteme im Gehirn dann weniger gut funktionieren. Zusätzlich spielen auch die im Alter häufigeren Begleiterkrankungen eine Rolle.
Vom Schlaftagebuch bis zum Schlaflabor
Bei ausgeprägten Schlafstörungen sollten Betroffene immer in die Arztpraxis gehen. Dies ist wichtig, um mögliche Ursachen aufzuspüren, schwerwiegende Erkrankungen auszuschließen und eine gezielte Behandlung einzuleiten.
Basis der Untersuchung ist die Anamnese, also die Erhebung der Krankengeschichte. Die Ärzt*in fragt nach Art und Ausmaß der Schlafprobleme und ob der Schlafmangel die Tagesaktivität beeinträchtigt. Entscheidend ist dabei das subjektive Befinden der Betroffenen.
Empfehlenswert ist ein Schlaftagebuch, in dem morgens und abends kurze Protokolle zum Schlaf und zum Tag notiert werden. Es sollte über 7 bis 14 Tage hinweg geführt werden. Oft verwendet die Ärzt*in auch Fragebogentests, um den Schweregrad der Schlafstörung zu erfassen. Ein häufig eingesetztes Tool ist die Regensburg Insomnia Scale, die mithilfe von 10 Fragen emotionale und verhaltensbezogene Beschwerden wie Grübeln, Schlafangst und beeinträchtigte Tagesform erfasst.
Technische Untersuchungen sind bei der Diagnose einer Insomnie nur selten erforderlich. Die Messung der Aktivitäts- und Ruhephasen mittels Bewegungsmessern (Aktigraphie) kann Schlafenszeiten über längere Zeiträume erfassen, gilt aber als ungenauer als die Polysomnographie (siehe unten). Inzwischen ist auch bei vielen Smartwatches ein Bewegungsmesser integriert. Ein Nutzen für die Diagnose und die Verlaufsbeobachtung von Schlafstörungen ist für diese Applikationen ebenfalls nicht hinreichend belegt.
Anders sieht das mit der Polysomnographie im Schlaflabor aus. Diese aufwändige Methode ermöglicht es, Insomnien gut darzustellen, aber vor allem auch begleitende oder verursachende Störungen zu identifizieren. Eingesetzt wird das Verfahren, wenn sich eine Insomnie trotz Behandlung nicht bessert oder z. B. der Verdacht auf eine Schlafapnoe oder ein Restless-Legs-Syndrom besteht.
Bei der Diagnostik von Schlafstörungen müssen immer die Erkrankungen ausgeschlossen werden, die eine Insomnie auslösen oder verstärken können. Je nach Verdacht kommen dann Laboruntersuchungen, bildgebende Verfahren, EKG, EEG oder andere Methoden zum Einsatz.
Ganz wichtig ist auch die Frage nach Medikamenten, Alkohol- oder Drogenkonsum. Denn es gibt eine Vielzahl von Substanzen, die den Schlaf stören können. Dazu gehören neben Alkohol, stimulierenden Genussmitteln und illegalen Drogen (Koffein, Amphetamin) u.a. vor allem folgende Arzneimittel:
- Antidementiva wie Piracetam
- antriebssteigernde Antidepressiva wie manche SSRI
- Blutdruckmedikamente und Diuretika (harntreibende Medikamente)
- Asthmamedikamente wie Beta-Sympathomimetika
- Hormonpräparate, insbesondere Kortison und Thyroxin
Die Basis für einen guten Schlaf
Viele Regeln für einen guten Schlaf liegen auf der Hand. Die Leitlinien empfehlen, nach dem Mittagessen keine koffeinhaltigen Getränke zu konsumieren und auf Alkohol zu verzichten. Vor dem Zu-Bett-Gehen zu vermeiden sind
schwere Mahlzeiten
geistig und körperlich aktivierende Tätigkeiten wie aufregende Filme, schwierige Lektüre oder anstrengender Sport sowie
helles, aktivierendes Licht.
Hilfreich sind dagegen ein persönliches Einschlafritual und ein ruhiges, kühles und dunkles Schlafzimmer. Ganz wichtig: nachts nicht auf den Wecker oder die Armbanduhr schauen. Der Blick auf die Uhr löst oft Gedanken wie „Noch so wenig Zeit zum Schlafen“ aus und verstärkt dadurch den inneren Druck.
Wenn die genannten Basismaßnahmen den Schlaf nicht verbessern, empfehlen Expert*innen zunächst Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Dazu gehören neben Verfahren zur Entspannung die Stimuluskontrolle, die Schlafrestriktion und kognitive Techniken.
Zu den häufig eingesetzten Entspannungsmethoden gehören die progressive Muskelrelaxation, Phantasiereisen und Achtsamkeitsübungen. Sie alle können dabei helfen, den Schlaf anzustoßen.
Die sogenannten Stimuluskontrolle beruht darauf, dass sich viele Patient*innen im Verlauf ihrer Schlafprobleme selbst klassisch konditioniert haben. Das bedeutet, dass ihr Unterbewusstsein die Schlafumgebung automatisch mit dem Wachsein verknüpft. Ziel der Stimuluskontrolle ist, diese Verknüpfung wieder zu löschen, indem so wenig Zeit wie möglich wach im Bett verbracht wird. Die Instruktionen lauten folgendermaßen:
- Nur zu Bett gehen, wenn man müde ist.
- Das Bett nur zum Schlafen und für Sex benutzen. Nicht darin Lesen, Trinken, Rauchen oder Fernsehen.
- Ist man nach 15 Minuten nicht eingeschlafen, wieder aufstehen und einer angenehmen Tätigkeit nachgehen. Dann erst wieder ins Bett, wenn man müde ist. Kann man immer noch nicht einschlafen, den Vorgang wiederholen.
- Jeden Morgen zur gleichen Zeit aufstehen.
- Tagsüber nicht hinlegen.
Auch die Bettzeitrestriktion kann den Schlaf verbessern. Die Idee dabei ist, durch den verkürzten Schlaf und die verlängerte Tagesaktivität den Schlafdruck zu erhöhen. Dadurch soll der Anteil des Tiefschlafs steigen und das Ein- und Durchschlafen verbessert werden. Ist dies gelungen, kann die Schlafenszeit wieder ausgedehnt werden. Für die Bettzeitrestriktion wird zunächst mittels Tagebuch über sieben Tage hinweg die durchschnittliche Schlafdauer ermittelt. Diese legt man anschließend für eine Woche als Bettzeit fest (allerdings nie weniger als 4,5 h). Je nachdem, wie sich dadurch die Schlafdauer verändert, wird die Bettzeit entsprechend angepasst.
Mittels Verhaltenstherapie können Betroffene auch kognitive Techniken zur Verbesserung des Schlafs erlernen. Diese zielen insbesondere auf das Grübeln ab. Eine Methode ist der Gedankenstuhl. Dabei setzt man sich einige Zeit vor dem Zubettgehen für 15 bis 20 Minuten auf einen Stuhl, um bewusst und zielorientiert über Probleme und Sorgen nachzudenken. Steht man danach auf, sollten die Gedanken auf dem Stuhl zurückbleiben und nicht mit ins Bett genommen werden. Eine andere Technik ist das Hinterfragen nutzloser Überzeugungen im sokratischen Dialog, also anhand kritischer Fragen. Manche Therapeut*innen empfehlen auch die „paradoxe Intention“. Nach dieser Methode der Psychotherapie soll man das, wovor man Angst hat, übertreiben. Das hilft oft, entspannter zu werden. Die Betroffenen sollen demnach im Bett so lange wie möglich wach bleiben, damit sich der Schlaf leichter einstellt.
Tipp: Apps oder bestimmte Musik können beim Einschlafen helfen. So z. B. das achtstündige, vom Komponisten Max Richter und Neurowissenschaftlern entwickelte Werk „Sleep“. Manche Menschen bevorzugen Apps mit Naturgeräuschen oder Herzschlag, um das Einschlafen zu fördern.
Wann kommen Medikamente ins Spiel? Reichen die genannten Maßnahmen nicht aus, gibt es gegen die Schlafstörungen auch Medikamente. Sie alle dürfen nur nach ärztlicher Verordnung und unter ärztlicher Kontrolle eingesetzt werden, da Nebenwirkungen, Abhängigkeit und Rebound-Phänomene drohen. Letzteres bedeutet, dass nach dem Absetzen der Schlafmittel die ursprünglichen Schlafstörungen verstärkt zurückkehren.
Benzodiazepine sind für die Kurzzeittherapie (unter vier Wochen!) geeignet. Als Nebenwirkungen drohen Benommenheit, Sturzgefahr, Gedächtnisstörungen und Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit, außerdem können sie den Atemantrieb dämpfen. Die Risiken sind insbesondere bei älteren Menschen erhöht. Weil Benzodiazepine schnell abhängig machen, darf man sie nur kurzzeitig einnehmen.
Z-Substanzen wie Zolpidem oder Zopiclon binden wie Benzodiazepine an den Benzodiazepinrezeptor im Gehirn und wirken daher ähnlich. Sie sind schnell wirksam, dürfen aber ebenfalls nur maximal vier Wochen eingesetzt werden. Bei ihnen kommt es zu ähnlichen Nebenwirkungen wie bei den Benzodiazepinen, zusätzlich sind Geschmacksstörungen und Schlafwandeln möglich. Von einer Langzeittherapie mit Z-Substanzen raten die Leitlinien ebenfalls ab.
Auch sedierende Antidepressiva werden häufig gegen Schlafstörungen verordnet. Ob die gegen Depressionen zugelassenen Medikamente auch bei Insomnie helfen, ist allerdings noch nicht sicher nachgewiesen. Doxepin und Trazodon scheinen zu helfen, haben aber Nebenwirkungen. Typisch sind Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, Tagesmüdigkeit und, vor allem bei Älteren, Verwirrtheit. Für die Langzeitbehandlung werden sie nicht empfohlen, es sei denn, die Schlafstörungen stehen im Zusammenhang mit einer behandlungsbedürftigen Depression.
Melatonin ist für die Kurzzeitbehandlung bei Patient*innen über 55 Jahren zugelassen. Die stärksten Effekte zeigen sich auf die Einschlaflatenz, d.h. auf die Dauer bis zum Einschlafen. Mögliche unerwünschte Wirkungen sind Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Aufgrund noch fehlender Daten wird Melatonin von vielen Expert*innen nicht für die Langzeitbehandlung empfohlen. Melatoninhaltige Präparate sollten ausschließlich in der Apotheke und nicht im Internet erworben werden. Nur so ist gewährleistet, dass die Produkte kontrolliert und geprüft sind und kein Gesundheitsrisiko darstellen.
Orexin-Rezeptor-Antagonisten sind neu auf dem Markt, der erste Vertreter wurde 2022 in Deutschland zugelassen. Sie fördern den Schlaf und verringern die subjektiv empfundene Tagesschläfrigkeit. Unklar ist, wie sie auf Ein- und Durchschlafprobleme wirken. Sie sollen langfristig verträglich sein, als Nebenwirkung wird u.a. Kopfschmerzen genannt. Angesichts der noch fehlenden Langzeitdaten sind die Leitlinien zurückhaltend mit ihrer Empfehlung.
Vor allem bei alten Menschen werden zur Behandlung von Schlafstörungen auch Antipsychotika wie Melperon und Pipamperon angewendet. Gute Studien liegen jedoch nicht vor, weshalb davon eher abgeraten wird. Ähnlich sieht es aus mit sedierenden, oft rezeptfrei erhältlichen Antihistaminika (Diphenhydramin, Doxylamin). Aufgrund der geringen Effektivität und der schnellen Toleranzentwicklung sieht die Leitlinie auch für sie keinen generellen Platz in der Insomniebehandlung.
Pflanzliches, Bewegung und Licht
Auch aus dem Bereich der Pflanzenmedizin stammen einige Präparate, die gegen Schlafstörungen helfen sollen. Laut derzeitiger Datenlage ist die Wirkung allerdings nicht klar belegt. Einige Studien zu Baldrian, Hopfen, Passionsblume und Melisse zeigen zwar zum Teil positive Effekte bei leichten bis mittleren Schlafstörungen. Die Qualität der meisten Untersuchungen und damit ihre Aussagekraft ist allerdings gering.
Die aktuelle deutsche Leitlinie zur Behandlung der Insomnie rät deshalb von pflanzlichen Präparaten ab. Etwas anders sieht das die European Medicines Agency EMA: Sie bewertet Baldrian als „bewährt“ und Passionsblume als „traditionell“. Dies anerkennt die jahrzehntelange sichere Anwendung, bedeutet aber ebenfalls nicht, dass eine fundierte wissenschaftliche Wirkung nachgewiesen ist.
Effektiver als die Pflanzenmedizin scheinen laut Expert*innen drei weitere nichtmedizinische Methoden zu sein:
- Bewegungstherapie: Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert die Schlafqualität, weil sie den Schlaf-Wach-Rhythmus stärkt, Stress abbaut und die Produktion schlaffördernder Hormone wie Melatonin unterstützt. Intensiv bewegen sollte man sich aber nur bis 4 bis 8 Stunden vor dem Schlafengehen, da sich sonst das Einschlafen verzögern kann.
- Lichttherapie: Sie hilft bei Schlafstörungen, indem sie die innere Uhr (den zirkadianen Rhythmus) steuert und so das Einschlafen und Aufwachen reguliert. Dabei wird der Körper morgens durch helles künstliches Licht angeregt, die Melatoninproduktion zu kontrollieren. Die Methode wirkt besonders unterstützend bei Jetlag, Schichtarbeit und saisonalen Schlafproblemen.
- Künstlerische Therapien: Musiktherapie, therapeutisches Malen oder Tanztherapie fördern die Entspannung, vermindern Stress und emotionale Spannungen und können dadurch indirekt das Einschlafen erleichtern. Sie werden deshalb oft ergänzend zu anderen Behandlungen empfohlen.
Hinweis: Methoden gegen Schlafstörungen gibt es unzählige. Viele der angebotenen Optionen sind jedoch nicht effektiv. Abgeraten wird in den aktuellen Leitlinien z. B. davon, Insomnien mit Aromatherapie, Akupunktur, Fußreflexzonenmassage oder Homöopathie zu behandeln.
Quellen: Leitlinie „Insomnie bei Erwachsenen“ - Update 2025, (AWMF-Registernummer 063-003), Version 2.0,

